Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 15.11.2012, Az.: 2 A 670/11

Aufbaustudium; Ausbildung; Beurlaubung; Bezüge; Fortzahlung; ruhegehaltfähige Dienstzeit

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
15.11.2012
Aktenzeichen
2 A 670/11
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2012, 44535
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Das Absolvieren eines Aufbaustudiums während einer Beurlaubung unter Fortzahlung von Teilen der Bezüge, zu dem der Angestellte vertraglich verpflichtet war, ist eine Tätigkeit im Dienste des öffentlich-rechtlichen Dienstherrn.

Tenor:

Die Beklagte wird verpflichtet, die Zeit des Aufbaustudiums des Klägers vom 19.04.1993 bis zum 23.05.1995 im Umfang von sechs Wochen voll, im Übrigen hälftig als ruhegehaltfähige Dienstzeit anzuerkennen.

Der Bescheid der Beklagten vom 01.11.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.01.2011 wird aufgehoben, soweit er dieser Verpflichtung entgegensteht.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Anerkennung von Zeiten als ruhegehaltsfähig, in denen ihm als Angestelltem des Landes Niedersachsens Sonderurlaub unter teilweiser Fortzahlung der Bezüge zwecks sonderpädagogischen Aufbaustudiums gewährt wurde.

Der am C. geborene Kläger erwarb zunächst die mittlere Reife, absolvierte eine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann und arbeitete sodann in diesem Beruf. Später holte er das Abitur nach und begann am 01.04.1982 ein Studium, das er am 19.05.1987 mit der ersten Staatsprüfung für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen in Niedersachsen abschloss. Vom 01.11.1987 bis zum 30.04.1989 leistete er den Vorbereitungsdienst und legte am 15.03.1989 die zweite staatliche Prüfung für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen ab. In der Folgezeit nahm er für verschiedene Träger Lehrtätigkeiten wahr, unter anderem war er vom 07.09. bis zum 21.12.1989 als teilzeitbeschäftigte Aushilfslehrkraft im Angestelltenverhältnis für die Bezirksregierung D. tätig. Am 18.02.1992 schloss der Kläger mit dem Land Niedersachsen einen Arbeitsvertrag, mit dem er vom 13.02.1992 bis zum 31.01.1996 bei der Schule für Gehörlose und Schwerhörige im Landesbildungszentrum für Hörgeschädigte (LBZH) E. angestellt wurde. Als Grund der Befristung wies der Vertrag aus, sie sei im Hinblick auf die Aus-/Weiterbildung zum Gehörlosen-/Schwerhörigenlehrer erfolgt. Der Vertrag beinhaltete eine Nebenabrede vom gleichen Tage, nach deren Punkt 1 der Angestellte sich verpflichtete, zum nächstmöglichen Zeitpunkt das im Runderlass des Niedersächsischen Sozialministeriums vom 10.04.1985 (Nds.MBl. S. 410) geregelte Studium der sonderpädagogischen Fachrichtungen für Lehrkräfte an den Schulen für Gehörlose und Schwerhörige in den Landesbildungszentren für Hörgeschädigte, der Schule für Blinde im Landesbildungszentrum für Blinde und der Schule für Taubblinde aufzunehmen und durchzuführen. Das Land verpflichtete sich, dem Angestellten für die Dauer des viersemestrigen Studiums Sonderurlaub gemäß § 50 Abs. 2 BAT und im Hinblick auf ein bestehendes besonderes dienstliches Interesse an der Beurlaubung für die ersten sechs Wochen des Sonderurlaubs außertariflich die Vergütung in der vollen Höhe, danach in der halben Höhe zu gewähren. Mit dem Anschreiben zur Übersendung der Vertragsunterlagen wurde dem Kläger für den Fall der erfolgreichen Beendigung des sonderpädagogischen Aufbaustudiums die unbefristete Weiterbeschäftigung zugesichert. Mit Schreiben vom 29.03.1993 beurlaubte das Landessozialamt Niedersachsen den Kläger gemäß § 50 Abs. 2 BAT in entsprechender Anwendung des § 8 Abs. 1 der Sonderurlaubsverordnung zur Teilnahme an dem im Frühjahr 1993 beginnenden viersemestrigen Aufbaustudium für das Lehramt an Sonderschulen, Fachrichtung Gehörlosen-, Schwerhörigen- und Sprachbehindertenpädagogik an der Universität F. und erkannte ein dienstliches Interesse an der Beurlaubung an. Daraufhin nahm der Kläger am 19.04.1993 sein Aufbaustudium an der Universität F. auf, das er mit der erfolgreichen Prüfung für das Lehramt an Sonderschulen am 24.05.1995 abschloss. Am gleichen Tage trat er seinen Dienst an der Schule für Gehörlose und Schwerhörige im LBZH E. wieder an. Am 25.07.1995 wurde der Kläger unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe zum Studienrat z.A. ernannt und weiterhin bei der genannten Schule eingesetzt. Mit Wirkung vom 24.05.1998 erfolgte die Ernennung des Klägers zum Studienrat unter Verleihung der Eigenschaft eines Beamten auf Lebenszeit und ihm wurde das Amt eines Studienrates im LBZH E. übertragen. Mit Schreiben vom 17.11.1998 stellte das Niedersächsische Kultusministerium fest, dass die in F. vom Kläger abgelegte Prüfung der ersten Staatsprüfung für das Lehramt an Sonderschulen nach den niedersächsischen Vorschriften gleichwertig sei und er damit die Befähigung für die Laufbahn des Lehramts an Sonderschulen im Lande Niedersachsen erworben habe. Auf seinen Antrag versetzte das Niedersächsische Landesamt für Zentrale Soziale Aufgaben den Kläger mit Wirkung vom 01.02.1999 vom LBZH E. an eine Sonderschule für Lernhilfe in G. und die Bezirksregierung D. übertrug ihm mit Wirkung vom gleichen Tage das Amt eines Sonderschullehrers an dieser Schule. Später erfolgten eine Versetzung an eine Sonderschule in D. sowie diverse Abordnungen.

Mit Schreiben vom 25.08.2010 beantragte der Kläger, seine vor der Begründung des Beamtenverhältnisses zurückgelegten Ausbildungs- und Beschäftigungszeiten als ruhegehaltfähig zu berücksichtigen. Daraufhin erkannte die Beklagte mit Bescheid vom 01.11.2010 gemäß § 49 Abs. 2 S. BeamtVG vorbehaltlich des Gleichbleibens der Rechtslage die Studienzeiten für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen und für das Aufbaustudium für das Lehramt an Sonderschulen mit insgesamt drei Jahren gemäß § 12 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BeamtVG und die Zeiträume vom 07.09.1989 bis 21.12.1989 sowie vom 13.02.1992 bis zum 18.04.1993 gemäß § 11 S. 1 Nr. 1b BeamtVG als ruhegehaltfähig an. Die übrigen im Einzelnen aufgeführten Tätigkeiten seien keine Einstellungsvoraussetzungen gewesen und hätten nicht zur Ernennung des Klägers geführt.

Am 23.11.2010 legte der Kläger Widerspruch ein und beanstandete, dass sein Aufbaustudium für das Lehramt an Sonderschulen unter die Höchstanrechnungsvorschrift des § 12 BeamtVG subsumiert wurde. Er sei während dieser Zeit Zeitangestellter gewesen und es habe ein besonderes dienstliches Interesse an seiner fachbezogenen Weiterbildung bestanden. Diese könne nun nicht zu Nachteilen bei der ruhegehaltfähigen Dienstzeit führen. Das Studium sei Voraussetzung für seine anschließende Verbeamtung in der neuen Laufbahn gewesen und müsse gemäß § 10 BeamtVG als ruhegehaltfähige Dienstzeit anerkannt werden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 07.01.2011 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Sie führte aus, das Studium für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen könne gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 1 BeamtVG berücksichtigt werden, weil es Voraussetzung für die Zulassung zum Aufbaustudium gewesen sei, mit dem die Befähigung für die Laufbahn des Lehramts an Gehörlosenschulen als Voraussetzung für die Übernahme in das Beamtenverhältnis als Studienrat z.A. erworben wurde. Die im Angestelltenverhältnis verbrachte Zeit des Aufbaustudiums sei nicht gemäß § 10 Abs. 1 BeamtVG anerkennungsfähig. Für die Annahme des Tatbestandsmerkmals „hauptberuflich“ in § 10 Abs. 1 Nr. 1 BeamtVG sei schon vom Begriff eine ausschließliche oder überwiegende Verrichtung von Tätigkeiten gefordert, die im inneren Zusammenhang mit der Ernennung zum Beamten, hier zum Studienrat für das Lehramt an Gehörlosenschulen, gestanden habe. Sofern eine Freistellung von der Dienstleistung erfolgt sei, während der ein Studium absolviert wurde, handele es sich weder um eine hauptberufliche Tätigkeit noch sei ein innerer Zusammenhang mit der späteren Ernennung gegeben. Eine Anerkennung dieser Zeiten nach § 11 Satz 1 Nr. 1b BeamtVG scheitere ebenfalls am nicht erfüllten Tatbestandsmerkmal „hauptberuflich“. Das vom Kläger als von der Dienstleistung freigestelltem Angestellten abgeleistete Aufbaustudium könne daher nur nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 BeamtVG als ruhegehaltfähig berücksichtigt werden.

Am 10.02.2011 hat der Kläger Klage erhoben. Er wiederholt und vertieft sein Widerspruchsvorbringen und ergänzt, für ihn sei aufgrund seines späten Eintritts ins Beamtenverhältnis und der ihm seit einiger Zeit drohenden vorzeitigen Versetzung in den Ruhestand jedes anrechnungsfähige Jahr für die ruhegehaltfähige Dienstzeit eminent wichtig. Er ist der Auffassung, dass sein Aufbaustudium eine Zeit einer für die Laufbahn des Beamten förderlichen Tätigkeit im Sinne von § 10 S. 1 Nr. 2 BeamtVG sei. Sein Dienstherr habe in der Nebenabrede zum Arbeitsvertrag nicht nur auf das besondere dienstliche Interesse an der Beurlaubung hingewiesen, sondern dieses mit der Fortzahlung der Bezüge nochmals unterstrichen, so dass diese Freistellung keine normale Beurlaubung nach § 50 Abs. 2 BAT gewesen sei. Zudem sei sie nicht frei von unterrichtlichen und anderen Verpflichtungen gegenüber der Dienststelle gewesen. Der Leiter der Dienststelle habe oftmals die Teilnahme an Dienstbesprechungen beziehungsweise Konferenzen verfügt und es sei im Bedarfsfall sogar eine Unterbrechung der Abordnung für Vertretungsunterricht möglich gewesen. So habe er während des Aufbaustudiums vom 05. bis 09.09.1994 eine Klassenfahrt begleitet. Es komme nicht auf eine Unterrichtstätigkeit an, sondern auf eine Tätigkeit im Dienste des öffentlich-rechtlichen Dienstherrn. Er sei aufgrund der Nebenabrede zum Arbeitsvertrag zur Tätigkeit in Gestalt des Aufbaustudiums verpflichtet gewesen und dafür auch vergütet worden. Schließlich sei wiederholt mündlich darauf hingewiesen worden, dass das Aufbaustudium als ruhegehaltfähige Dienstzeit anerkannt werde, so vom damaligen Leiter des LBZH und im Juni 1995 von einem Beamten der Beklagten bei einer Informationsveranstaltung im Landesbildungszentrum für Blinde in D..

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verpflichten, die Zeit seines Aufbaustudiums vom 19.04.1993 bis zum 23.05.1995 als ruhegehaltfähige Dienstzeit anzuerkennen und den Bescheid vom 01.11.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.01.2011 aufzuheben, soweit er dieser Verpflichtung entgegensteht.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie stützt sich darauf, dass das Merkmal der „Tätigkeit“ im Dienst eines öffentlich-rechtlichen Dienstherrn im Sinne von § 10 BeamtVG voraussetze, dass der Beamte in der maßgebenden Zeit aufgrund des Arbeitsvertrages auch tatsächlich Dienst geleistet habe. Weil der Kläger im Freistellungszeitraum nicht unterrichtet habe, sei diese Voraussetzung nicht gegeben. Die fehlende Unterrichtstätigkeit stehe auch einer Berücksichtigung nach § 11 S. 1 Nr. 1b BeamtVG entgegen. Die Zeit unmittelbar vor und nach dem Aufbaustudium werde gemäß §§ 10 und 11 BeamtVG berücksichtigt, wie sich aus der beigefügten fiktiven Berechnung ergebe. Die vom Kläger geltend gemachte Unterrichtstätigkeit während der Beurlaubung zum Studium sei nicht nachgewiesen und es könne davon ausgegangen werden, dass er hauptberuflich mit dem Studium beschäftigt gewesen sei. Weitere Voraussetzung für eine Anerkennung nach § 10 BeamtVG sei, dass die Tätigkeit zur Ernennung geführt habe. Diese Bedingung sei erst mit dem erfolgreichen Abschluss des Aufbaustudiums erfüllt gewesen, deshalb sei die danach als Angestellter abgeleistete Tätigkeit auch entsprechend nach § 10 BeamtVG berücksichtigt worden. Dass die Beurlaubung im öffentlichen Interesse gelegen und während der Beurlaubung die Bezüge teilweise fortgezahlt worden seien, habe keinen Einfluss auf die Ruhegehaltfähigkeit der Beurlaubungszeit. Eine entsprechende Zusicherung sei dem Kläger seinerzeit nicht gegeben worden. Sie bezweifle, dass einer ihrer Mitarbeiter mündlich eine derartige Information erteilt habe, da es sich um keinen besonders gelagerten Fall handele und ähnliche Fälle immer wie der Fall des Klägers entschieden worden seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist als Verpflichtungsklage zulässig und hat in der Sache teilweise Erfolg.

Der Kläger hat Anspruch darauf, dass die Zeit vom 19.04.1993 bis zum 23.05.1995 im Umfang von sechs Wochen voll, im Übrigen hälftig als ruhegehaltfähige Dienstzeit anerkannt wird. Soweit der Bescheid vom 01.11.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.01.2011 dem entgegensteht, verletzt er den Kläger in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 5 VwGO).

Maßgeblich ist die Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (vgl. zur Vorabentscheidung Plog/Wiedow, Bundesbeamtengesetz, 320. EL. Stand Juni 2012, § 10 BeamtVG Rn. 68), es ist also auf das seit dem 01.12.2011 geltende Niedersächsische Beamtenversorgungsgesetz (NBeamtVG) abzustellen.

Die Zeit vom 19.04.1993 bis zum 23.05.1995 ist nach § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 NBeamtVG im tenorierten Umfang als ruhegehaltfähig zu berücksichtigen.

Gemäß § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 NBeamtVG sollen Zeiten einer für die Laufbahn der Beamtin oder des Beamten förderlichen Tätigkeit als ruhegehaltfähig berücksichtigt werden, in denen die Beamtin oder der Beamter vor der Berufung in das Beamtenverhältnis im privatrechtlichen Arbeitsverhältnis im Dienst eines öffentlich-rechtlichen Dienstherrn ohne von der Beamtin oder dem Beamten zu vertretende Unterbrechung tätig war, sofern diese Tätigkeit zur Ernennung geführt hat.

Die Vorschrift ist anwendbar (1.), ihre tatbestandlichen Voraussetzungen sind erfüllt (2.-5.), es liegt kein atypischer Fall vor (6.) und der Umfang der Anerkennung richtet sich nach der Höhe der gezahlten Bezüge (7.). Eine weitergehende Berücksichtigung ist auch aus anderen Normen und Gesichtspunkten nicht möglich (8. und 9.).

1.

Obgleich hier auch der Anwendungsbereich des auf Ausbildungszeiten zugeschnittenen § 12 NBeamtVG eröffnet ist, bleiben die übrigen Anerkennungsnormen anwendbar. Ein Vorrang ergibt sich für die Anerkennung ruhegehaltfähiger Dienstzeiten nicht aus einem Spezialitätsverhältnis, sondern vielmehr aus dem Grad der Verbindlichkeit der Rechtsfolge. Im Falle einer Konkurrenz gehen die Muss-Vorschriften den Soll-Vorschriften und die Soll-Vorschriften den Kann-Vorschriften vor. So ist bei einem Beamten, der während des Beamtenverhältnisses studiert und mit Dienstbezügen beurlaubt ist, die Studienzeit nach der bindenden Regelung des § 6 NBeamtVG und nicht nach der Kann-Vorschrift des § 12 NBeamtVG zu berücksichtigen (vgl. zum ähnlichen Bundesrecht GKÖD, Beamtenrecht des Bundes und der Länder, EL. 11/12 Stand Oktober 2012, § 10 BeamtVG Rn. 22, § 12 BeamtVG Rn. 12).

2.

Bei der Beschäftigung des Klägers im Zeitraum vom 19.04.1993 bis zum 23.05.1995 handelte es sich um eine Tätigkeit im privatrechtlichen Arbeitsverhältnis im Dienst eines öffentlich-rechtlichen Dienstherrn.

Mit dem Arbeitsvertrag vom 18.02.1992 bestand ein privatrechtliches Arbeitsverhältnis mit dem Land Niedersachsen als öffentlich-rechtlichem Dienstherrn, und trotz der Beurlaubung lag auch eine Tätigkeit im Dienst des Dienstherrn vor. Das Merkmal der „Tätigkeit“ im Dienst eines öffentlich-rechtlichen Dienstherrn setzt voraus, dass der spätere Beamte in dem maßgebenden Zeitraum aufgrund des mit dem Dienstherrn abgeschlossenen Dienst- oder Arbeitsvertrages tatsächlich Dienst geleistet hat (BVerwG, Urt. v. 15.12.1981, VI C 31.77, ZBR 1982, 154ff., 2. Leitsatz). Hierzu hat das Bundesverwaltungsgericht ausgeführt (juris Rn. 21 m.w.N.), dass die Anrechnungsvorschrift des § 115 Abs. 1 BBG a.F. auf der Erwägung beruhe, dass die im privatrechtlichen Arbeitsverhältnis im Dienst eines öffentlich-rechtlichen Dienstherrn ausgeübte, zur Berufung in das Beamtenverhältnis führende Tätigkeit in aller Regel Leistungen umfasst, die dem Beamtendienst gleichzuachten sind oder jedenfalls nahekommen und dazu geführt haben, dass der Betroffene für den Beamtendienst Erfahrungen sammelte. Dieser Erwägung entspreche das der Regelung des § 115 Abs. 1 Satz 1 BBG a.F. zu entnehmende Erfordernis des inneren - zeitlichen und funktionellen - Zusammenhangs der Vordienstzeit, deren Berücksichtigung als ruhegehaltfähig begehrt wird, mit der späteren Berufung in das Beamtenverhältnis. Hiernach könne es für das Merkmal der "Tätigkeit" im Dienst eines öffentlich-rechtlichen Dienstherrn in § 115 Abs. 1 BBG a.F. nicht genügend sein, dass der Betroffene in dem maßgebenden Zeitraum einen privatrechtlichen Dienst- oder Arbeitsvertrag mit dem Dienstherrn abgeschlossen hatte. Eine Berücksichtigung der Vordienstzeit als ruhegehaltfähige Dienstzeit komme vielmehr nur dann in Betracht, wenn der spätere Beamte aufgrund dieses Arbeitsverhältnisses tatsächlich Dienst geleistet habe, denn nur dann könne er während der Beschäftigungszeit Fähigkeiten und Erfahrungen erworben haben, die Grund - wenn auch nicht notwendig der ausschlaggebende Grund - für seine Übernahme in das Beamtenverhältnis gewesen sind. In dem dort zu entscheidenden Fall war der Kläger während der streitigen Zeit zum Wehrdienst einberufen worden, wodurch die beiderseitigen Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis mit dem öffentlich-rechtlichen Dienstherrn (Landesbauernschaft/Landesernährungsamt) zum Ruhen gebracht worden waren, und leistete Dienst aufgrund des durch seine Ernennung zum Militärverwaltungsbeamten begründeten öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses besonderer Art innerhalb der damaligen Wehrmacht. Im Falle des Klägers waren die Rechtsbeziehungen jedoch wesentlich anders gestaltet. Zwar wurde er für sein Studium formal beurlaubt und unterstand währenddessen hinsichtlich der Gestaltung seiner Arbeitsabläufe nicht den Weisungen seines Dienstherrn. Sofern er dennoch an Besprechungen teilgenommen, Vertretungsunterricht erteilt und eine Klassenfahrt begleitet haben sollte, bestand dazu keine Verpflichtung aus dem Arbeitsvertrag, denn die Beurlaubung wurde dafür nicht förmlich aufgehoben. Jedoch war er auch nicht den Weisungen eines anderen Dienstherrn oder Arbeitgebers unterworfen, sondern studierte in eigener Verantwortung im Auftrag seines Vertragspartners. Die Besonderheit seines Arbeitsvertrages lag darin, dass dieser von vornherein vorsah, dass der Kläger während der Vertragslaufzeit das Aufbaustudium absolviert, und mutmaßlich auch nur im Hinblick darauf abgeschlossen wurde. In dem unterzeichneten Vertrag wurde - anders als noch im Entwurf - abgesehen von der Nebenabrede keine Bestimmung über den Inhalt der Tätigkeit, den Umfang der Beschäftigung und die Eingruppierung getroffen. Die vertragliche Verpflichtung des Klägers, das Studium aufzunehmen und durchzuführen, hätte bei einem Verstoß des Klägers unbeschadet der Beurlaubung arbeitsrechtlich sanktioniert werden können. Mit der Beurlaubung wurde das Arbeitsverhältnis daher nicht suspendiert, sondern der Dienstherr war weiterhin zur Vergütung verpflichtet und der Kläger kam währenddessen seiner in der Nebenabrede festgelegten Verpflichtung zum Studium nach.

Darüber hinaus sind zur Auslegung des Begriffs „Tätigkeit“ die Wertungen der für Beamten getroffenen Regelungen heranzuziehen, da die Bestimmungen der §§ 10ff. NBeamtVG einen Ausgleich der Nachteile der erst später in ein Beamtenverhältnis Eingetretenen gegenüber den „Nur-Beamten“ bezwecken. § 6 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 NBeamtVG nimmt von der Ruhegehaltfähigkeit lediglich Dienstzeiten einer Beurlaubung ohne Dienstbezüge aus. Unter bestimmten Voraussetzungen - unter anderem wenn spätestens bei Beendigung des Urlaubs schriftlich zugestanden worden ist, dass dieser öffentlichen Belangen oder dienstlichen Interessen dient - werden selbst diese gemäß § 6 Abs. 4 NBeamtVG berücksichtigt. Aus dem Runderlass des Niedersächsischen Sozialministeriums vom 10.04.1985, Nds.MBl. 1985, 410 (Bl. B 89 Beiakte A) geht hervor, dass für verbeamtete Grund- und Hauptschullehrer, Realschullehrer und Sonderschullehrer die Möglichkeit bestand, sich für ein sonderpädagogisches Aufbaustudium an der Universität F. beurlauben zu lassen. Nach Ziff. 4.1 des Erlasses wurde der Bewerber nach § 8 Abs. 1 Sonderurlaubsverordnung beurlaubt, nach Ziff. 4.2 konnten für die ersten 6 Wochen der Beurlaubung die vollen, danach die halben Dienstbezüge weitergewährt werden. Dieser Regelung sind die Bestimmungen in der Nebenabrede zum Arbeitsvertrag des Klägers ersichtlich nachempfunden. Wäre der Kläger damals bereits verbeamtet gewesen, würde die Zeit seiner Beurlaubung nach Auskunft der Beklagten anteilig entsprechend dem Umfang der weitergezahlten Bezüge berücksichtigt werden. Auch dies spricht dafür, die Zeit seines verpflichtenden Studiums während der Beurlaubung unter Fortzahlung von Teilen der Bezüge als Tätigkeit im Dienste seines öffentlich-rechtlichen Dienstherrn anzusehen.

3.

Nach dem Abschluss des Aufbaustudiums gab es keine Unterbrechung vor der Berufung des Klägers ins Beamtenverhältnis.

4.

Die Studientätigkeit des Klägers vom 19.04.1993 bis zum 23.05.1995 hat zu seiner Ernennung geführt.

Unter Ernennung im Sinne des § 10 NBeamtVG ist die Ernennung zu verstehen, durch die ein Beamtenverhältnis auf Probe begründet wird (vgl. zum insoweit wortgleichen § 10 BeamtVGNds. OVG, Urt. v. 20.03.2012, 5 LB 198/10, juris Rn. 44). Maßgeblich ist hier also die Ernennung des Klägers zum Studienrat z.A. am 25.07.1995.

Eine Vordiensttätigkeit hat zur Ernennung geführt, wenn sie nicht nur förderlich war, sondern ein wesentlicher, aber nicht notwendigerweise der ausschlaggebende Grund für die Ernennung gewesen ist (Nds. OVG, ebenda Rn. 54). Hier wäre ohne den vom Kläger durch das erfolgreiche Ablegen der Prüfung dokumentierten Erwerb bestimmter Kenntnisse und Fähigkeiten während des streitigen Zeitraums keine Ernennung zum Studienrat z.A. erfolgt, was sich neben allgemeinen Erwägungen auch ausdrücklich aus der Begründung der Befristung im Arbeitsvertrag und der Zusicherung der unbefristeten Weiterbeschäftigung im Anschreiben vom 18.02.1992 ergibt.

Die Auffassung der Beklagten, es könnten nur Zeiten im Sinne von § 10 NBeamtVG zur Ernennung geführt haben, in denen die laufbahnrechtlichen Voraussetzungen für die später erfolgte Ernennung bereits vorlagen, findet im Gesetzeswortlaut keine Stütze. Zwar wird grundsätzlich davon auszugehen sein, dass die für eine Laufbahn erforderlichen Fähigkeiten und Kenntnisse im Vorbereitungsdienst erworben und durch die Laufbahnprüfung nachgewiesen werden, und dass deshalb Kenntnisse und Erfahrungen, die vor Beginn des Vorbereitungsdienstes erworben wurden, regelmäßig in den Hintergrund treten und nicht im erforderlichen funktionellen Zusammenhang zu dem maßgeblichen Beamtendienst stehen (Nds. OVG, ebenda Rn. 56). Hier war die streitige Tätigkeit jedoch keinem Vorbereitungsdienst vorgelagert, sondern diente selbst dem Erwerb der ausschlaggebenden Kenntnisse und Erfahrungen, sodass ein direkter funktioneller Zusammenhang mit der Berufung in das Beamtenverhältnis bestand.

5.

Schließlich ist die Tätigkeit während des Aufbaustudiums als für die Laufbahn des Klägers förderliche Tätigkeit zu qualifizieren.

Eine Tätigkeit ist förderlich, wenn sie für die Dienstausübung des Beamten nützlich ist, also wenn diese entweder erst aufgrund der früher gewonnenen Fähigkeiten und Erfahrungen ermöglicht oder wenn sie jedenfalls erleichtert und verbessert wird (Nds. OVG, ebenda Rn. 40 m.w.N.). Dies ist bei einer fachspezifischen Ausbildung ohne weiteres zu bejahen.

6.

Es liegt kein atypischer Fall vor, der ein Abweichen von der regelmäßigen Berücksichtigung der Vordienstzeit („soll“) erfordert. Der Umstand, dass während des streitigen Zeitraums Rentenversicherungsbeiträge für den Kläger abgeführt wurden und er deshalb gegebenenfalls einen Rentenanspruch hat, stellt keinen derartigen wichtigen Grund dar. Die Problematik der Mehrfachversorgung wird durch die Ruhensregelung in § 66 NBeamtVG gelöst (vgl. unter Bezugnahme auf § 55 BeamtVG auch GKÖD, Beamtenrecht des Bundes und der Länder, EL. 11/12 Stand Oktober 2012, § 10 BeamtVG Rn. 1 u. 12).

7.

Der Umfang der Anerkennung ergibt sich aus einer entsprechenden Anwendung von § 10 Abs. 1 S. 3 NBeamtVG. Diese Norm sieht vor, dass Zeiten mit einer geringeren als der regelmäßigen Arbeitszeit nur zu dem Teil als ruhegehaltfähig berücksichtigt werden, der dem Verhältnis der tatsächlichen zur regelmäßigen Arbeitszeit entspricht. Da für die Wahrnehmung des Aufbaustudiums naturgemäß keine Bestimmung des Beschäftigungsumfangs getroffen wurde, fehlt es an der maßgeblichen Bezugsgröße. Um dennoch zu einer nachvollziehbaren Bestimmung des Anerkennungsumfanges gelangen zu können, erscheint es sachgemäß, stattdessen auf die anteilige Höhe der vereinbarten Vergütung abzustellen. Daraus folgt, dass die ersten sechs Wochen der Studienzeit voll und die übrige Zeit zur Hälfte als ruhegehaltfähig anzuerkennen sind.

8.

Eine weitergehende Berücksichtigung der Zeit vom 19.04.1993 bis zum 23.05.1995 ist weder gemäß § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 b NBeamtVG noch nach § 12 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 NBeamtVG möglich.

a)

Nach § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 b NBeamtVG kann die Zeit, während der ein Beamter vor der Berufung in das Beamtenverhältnis hauptberuflich im öffentlichen Schuldienst tätig gewesen ist, als ruhegehaltfähige Dienstzeit berücksichtigt werden, soweit ein innerer Zusammenhang zwischen dieser Tätigkeit und dem ersten im Beamtenverhältnis übertragenen Amt besteht. Hauptberuflich im Sinne des NBeamtVG ist gemäß § 10 Abs. 2 NBeamtVG eine Tätigkeit, die entgeltlich erbracht wird, den Schwerpunkt der beruflichen Tätigkeit darstellt sowie dem durch Ausbildung und Berufswahl geprägten Berufsbild entspricht und zum Zeitpunkt des Eintritts des Versorgungsfalles in einem Beamtenverhältnis mit dem gleichen Beschäftigungsumfang zulässig wäre. Eine mehrjährige Studientätigkeit entspricht nicht dem Berufsbild eines Lehrers. Darüber hinaus sieht § 11 Abs. 1 S. 3 NBeamtVG ebenso wie § 10 Abs. 1 S. 3 NBeamtVG eine Koppelung des Anerkennungsumfanges an die anteilige Arbeitszeit vor.

b)

Gemäß § 12 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 NBeamtVG kann die Mindestzeit der außer der allgemeinen Schulbildung vorgeschriebenen Ausbildung als ruhegehaltfähige Dienstzeit berücksichtigt werden, die Zeit einer Hochschulausbildung einschließlich der Prüfungszeit bis zu drei Jahren. Da die Höchstanrechnung bereits durch die Anerkennung von drei Jahren der Studienzeit für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen ausgeschöpft wurde, ist eine zusätzliche Berücksichtigung der Zeiten des Aufbaustudiums ausgeschlossen.

9.

Aus den vom Kläger geschilderten anderslautenden Informationen über die Anerkennung der Zeit des Aufbaustudiums als ruhegehaltfähig kann er bereits deshalb keinen Anspruch herleiten, weil sie nicht in der für eine Zusicherung zwingend erforderlichen Schriftform erfolgten.

10.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 S.1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11 ZPO.