Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 16.11.2012, Az.: 13 A 4677/12

Altersdiskriminierung; Besoldung; Besoldungsdienstalter; Besoldungsdienstaltersstufen; Dienstalter; zeitnahe Geltendmachung; Geltendmachung; Stufe

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
16.11.2012
Aktenzeichen
13 A 4677/12
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2012, 44337
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Soweit die Klage zurückgenommen wurde, wird das Verfahren eingestellt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Vollstreckungsgläubigerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt Besoldung aus dem Endgrundgehalt seiner Besoldungsgruppe.

Der Kläger ist als Bundesbeamter bei der Deutschen Bahn mit Dienstort Hannover tätig und wird aus Stufe 6 der Besoldungsgruppe A 8 BBesO besoldet.

Am 08.06.2012 machte der Kläger mit Schreiben vom 30.05.2012 seinen Anspruch auf Besoldung aus der höchsten Stufe seiner Besoldungsgruppe „mit voller Rückwirkung“ geltend. Die derzeitige Besoldung sei altersdiskriminierend.

Die Beklagte sah dieses Schreiben als Widerspruch an, den sie mit Widerspruchsbescheid vom 04.07.2012 zurückwies.

Der Kläger hat am 01.08.2012 Klage erhoben.

Er meint, die Besoldung mit einer niedrigen Stufe als dem Endgrundgehalt sei nach der Rechtsprechung des EuGH und deutscher Arbeitsgerichte altersdiskriminierend. Das Besoldungsdienstalter basiere aber zumindest mittelbar auf den Lebensalter. Die Ansprüche seien auch nicht wegen Zeitablaufs ausgeschlossen. Der EuGH sehe keine derartige Einschränkung. Außerdem machte er auch Ausführungen zu Ansprüchen für die Zeit ab 01.07.2009.

Der Kläger beantragte zunächst,

die Beklagte unter Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 04.07.2012 zu verpflichten, ihm ab 01.01.2009 Besoldung aus dem Endgrundgehalt seiner jeweiligen Besoldungsgruppe zu gewähren und die nachzuzahlenden Gehaltsdifferenzen mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit und jeweiliger Fälligkeit zu verzinsen.

Mit einem am 25.09.2012 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz vom 18.09.2012 beantragt der Kläger nunmehr „klarstellend“.

die Beklagte unter Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 04.07.2012 zu verpflichten, ihm für die Zeit vom 01.01.2009 bis zum 30.06.2009 Besoldung aus dem Endgrundgehalt seiner jeweiligen Besoldungsgruppe zu gewähren und die nachzuzahlenden Gehaltsdifferenzen mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu verzinsen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie tritt der Klage entgegen.

Alle Beteiligten haben sich mit einem Urteil ohne mündliche Verhandlung und mit einer Entscheidung des Berichterstatters anstelle der Kammer einverstanden erklärt.

Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Im Einverständnis der Beteiligten ergeht die Entscheidung gemäß § 87a Abs. 2 und 3 VwGO durch den Berichterstatter und nach § 101 Abs. 2 VwGO weiterhin ohne mündliche Verhandlung.

Mit Schriftsatz vom 18.09.2012 hat der Kläger „klargestellt“, dass er nur noch eine Nachzahlung für den Zeitraum vom 01.01.2009 bis zum 30.06.2009 begehrt. In dieser „Klarstellung“ liegt eine verdeckte teilweise Klagerücknahme. Soweit die Klage zurückgenommen wurde, ist das Verfahren daher gemäß § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO mit der Kostenfolge aus § 155 Abs. 2 VwGO einzustellen.

Ausgangspunkt der Klage war das Schreiben des Klägers vom 30.05.2012 an die Beklagte. Darin machte er einen Anspruch auf Besoldung aus der höchsten Stufe seiner Besoldungsgruppe mit so wörtlich „voller Rückwirkung“ geltend. Sein Begehren war damit sowohl auf eine Nachzahlung als auch - da sich der Kläger erst in der Stufe 6 seiner Besoldungsgruppe befindet - auf die Zukunft gerichtet. Dieses Begehren verfolgte der Kläger mit seiner am 01.08.2012 erhobenen Klage weiter. Weder aus seinem damaligen Klageantrag noch aus der Begründung seiner Klage lässt sich auf eine Beschränkung auf den jetzt „klargestellten“ Zeitraum schließen. Vielmehr hat der - zu dieser Zeit bereits anwaltlich vertretene - Kläger im Schriftsatz vom 31.08.2012 auf dessen Seite 11 ausdrücklich vorgetragen, die von ihm gerügte Altersdiskriminierung werde auch nach dem 01.07.2009 fortgeführt. Diese Ausführungen machen nur dann Sinn, wenn sich auch das Klagebegehren auf Ansprüche nach dem 01.07.2009 erstreckt. Erst mit Schriftsatz vom 18.09.2012 reduzierte der Kläger seine Forderung auf die Zeit bis 30.06.2009.

Die im Übrigen zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf höhere Besoldung im ersten Halbjahr 2009.

Der Kläger hat seine Ansprüche nicht zeitnah geltend gemacht. Er hat sich erst im Juni 2012 an die Beklagte gewandt. Er hätte seine Ansprüche jedoch spätestens bis zum 31.12.2009 geltend machen müssen. Zu diesem Zeitpunkt, lief das Haushaltsjahr 2009 ab.

Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in Lüneburg hat in seinem Urteil vom 24.07.2009 - 5 LA 160/07 - zu dieser Frage ausgeführt:

„Mit dem Bundesverwaltungsgericht (BVerwG, Urt. v. 13. 11. 2008 - BVerwG 2 C 16.07 - NVwZ-RR 2009, 249 [250 f.]) ist davon auszugehen, dass das Erfordernis der zeitnahen Geltendmachung von Ansprüchen, die über die gesetzlich vorgesehene Besoldung hinausgehen, auch für Ansprüche auf der Grundlage der Vollstreckungsanordnung des Bundesverfassungsgerichts in dem Beschluss vom 24. November 1998 - 2 BvL 26/91, 5, 6, 7, 8, 9, 10/96, 3, 4, 5, 6/97 - (BVerfGE 99, 300) besteht. Die Gründe, die das Bundesverfassungsgericht veranlasst haben, für jeweils in der Vergangenheit liegende Zeiträume eine Verpflichtung zur gesetzgeberischen Korrektur des Verfassungsverstoßes für alle Beamten zu verneinen, gelten nämlich entsprechend für fachgerichtliche Entscheidungen auf der Grundlage dieser Vollstreckungsanordnung. Insbesondere die Erwägung, eine rückwirkende Korrektur bei verfassungsrechtlich zu niedriger Besoldung zu begrenzen, um nicht nachträglich in abgeschlossene Vorgänge einzugreifen und das haushaltsrechtliche Prinzip des jährlichen Ausgleichs von Einnahmen und Ausgaben nicht infrage zu stellen, beansprucht auch hier Gültigkeit.

Ob eine verfassungswidrige Besoldungsdifferenz schon im laufenden Haushaltsjahr beziffert werden kann, spielt dem gegenüber keine Rolle. Von dem Beamten wird kein bezifferter Antrag verlangt. Er muss keine Berechnung nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts vorlegen, um dem Gebot einer zeitnahen Geltendmachung zu genügen, sondern lediglich zum Ausdruck bringen, dass er der gewährten Besoldung im Hinblick auf die Höhe des Familienzuschlags für das dritte oder weitere Kinder widerspricht. Davon ist ersichtlich auch das Bundesverfassungsgericht ausgegangen, für das das Prinzip der zeitnahen Geltendmachung nicht von Details der anzustellenden Berechnungen beeinflusst, sondern wesentlich von dem Gesichtspunkt getragen wird, dass es bei der Alimentation eines Beamten um die Deckung eines gegenwärtigen Bedarfs aus gegenwärtigen Haushaltsmitteln geht und ein über das Gesetz hinausgehender Bedarf deshalb im laufenden Haushaltsjahr geltend gemacht werden muss.

Die Rechtsnatur der Vollstreckungsanordnung bestätigt die Richtigkeit dieser Auffassung. Die Vollstreckungsanordnung enthält als normersetzende Interimsregelung einen selbstständigen Ausspruch, der eine zukunftsgerichtete Ermächtigung zu einer „gesetzesreformatorischen Judikatur“ der Verwaltungsgerichtsbarkeit ist und durch den ein Leistungsanspruch jenseits legislatorischer Maßnahmen begründet wird. Sie tritt daher nicht an die Stelle des vom Gesetzgeber (weiterhin) geschuldeten Besoldungsgesetzes und ist mit einem Besoldungsgesetz, das Ansprüche begründet, die nur der Verjährung unterworfen und regelmäßig nicht von einem Antragserfordernis abhängig sind, nicht gleichzusetzen“

Das Gericht schließt sich dieser Auffassung an.

Lediglich ergänzend weist das Gericht darauf hin, dass es in der Besoldung im ersten Halbjahr 2009 auch keine Anhaltspunkte für eine Altersdiskriminierung sieht, so dass auch von daher der geltend gemachte Anspruch des Klägers scheitert.

Aus dem Bundesbesoldungsgesetz steht dem Kläger unstreitig der geltend gemachte Anspruch nicht zu. Die Besoldung aus der damaligen Dienstaltersstufe des Klägers verstieß aber auch nicht gegen Gemeinschaftsrecht.

Der EuGH beschäftigte sich in seinem Urteil vom 08.09.2011 (C 297/10 und C 298/10, zit. n. juris) mit einem Vorlagenbeschluss des Bundesarbeitsgerichtes, der Rechtsfragen zu Regelungen im BAT zum Gegenstand hatte. Nach § 27 Abs. 1 BAT sind die Grundvergütungen der Angestellten in den Vergütungsgruppen nach Lebensaltersstufen zu bemessen. Zu Recht weist die Beklagte jedoch darauf hin, dass diese Regelung nicht mit den im ersten Halbjahr 2009 einschlägigen Bestimmungen des Bundesbesoldungsgesetzes vergleichbar ist. Lediglich einmal - in § 28 BBesG a.F. wird insoweit auf das Lebensalter abgestellt, als das Regel-Besoldungsdienstalter nicht vor Vollendung des 21. Lebensjahres eines Beamten beginnt (Abs. 1 der Vorschrift) und nach Abs. 2 um bestimmte Zeiten ggf. hinausgeschoben wird, wobei bei der Berechnung wiederum eine Lebensaltersgrenze eine gewisse Rolle spielt. Entscheidend für die Einstufung eines Beamten ist jedoch die Regelung des § 27 BBesG a.F. Schon von daher kann der Kläger nicht mit Erfolg aus der von ihm zitierten Entscheidung des EuGH Ansprüche herleiten.

Das VG Berlin (Urteil vom 25.03.2011 - 26 K 203.09) hat dazu u.a. ausgeführt: „

„Unabhängig davon knüpft das hier anzuwendende Besoldungsrecht tatsächlich nicht an das Lebensalter der Beamten an, sondern an deren Besoldungsdienstalter, für das das Lebensalter nur einen pauschalierenden Berechnungsfaktor bildet. Auf die Frage, ob eine Bezahlung nach Lebensalter mit der Richtlinie vereinbar ist, kommt es deshalb hier anders als in der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. Bundesarbeitsgericht, Vorlagen an den Europäischen Gerichtshof v. 20.05.2010 – 6 AZR 148/09 (A) und 6 AZR 319/09 (A) – jeweils in Juris; Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urt. v. 11.09.2008 – 20 Sa 2244/07 – Juris; Hessisches Landesarbeitsgericht, Urt. v. 6.01.2010 – 2 Sa 1121/09 – Juris) nicht an. Ob die Besoldung nach Dienstaltersstufen überhaupt eine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung im Sinne des Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie darstellt, kann dahinstehen, denn jedenfalls erlaubt es Art. 6 der Richtlinie, Ungleichbehandlungen wegen des Alters nicht als Diskriminierung anzusehen, sofern sie objektiv und angemessen sind und im Rahmen des nationalen Rechts ein legitimes Recht verfolgen. Die Besoldung nach Besoldungsdienstalter beruht auf dem Gedanken, dass mit der zurückgelegten Dienstzeit die Erfahrung und damit die Leistungen des Beamten wachsen (in diesem Sinn auch das Bundesverfassungsgericht, BVerfGE 110, 353 [BVerfG 06.05.2004 - 2 BvL 16/02] [367 f.]). Das zeigt sich deutlich dadurch, dass das Besoldungsdienstalter hinausgeschoben wird, wenn der Beamte ausgewiesen durch einen fehlenden Besoldungsanspruch nicht im Dienst ist. Das gilt wiederum dann nicht, wenn er anderweit vergleichbare Berufserfahrung sammelt. Der Beklagtenvertreter hat zu Recht darauf hingewiesen, dass auch Zeiten der Kindererziehung und der Pflege von Verwandten geeignet sind, die Lebenserfahrung des Beamten zu bereichern, und dies eine wesentliche Begründung für die Anrechnung solcher Zeiten auf das Besoldungsdienstalter ist. Aus den seit Anfang der 1990er Jahre erfolgten Änderungen des Besoldungsrechts können keine Schlüsse gezogen werden, die den objektiven Sinngehalt der Besoldung nach Besoldungsstufen in Zweifel ziehen. Richtig ist, dass es Anfang der 1990er Jahre eine Hinwendung zum System der Lebensalterstufen gab und aktuell der Bund und einige Länder davon wieder weiter abrücken, indem sie auf Erfahrungszeiten abstellen (vgl. zu dieser Entwicklung Peirick, Bemessung des Grundgehaltes für Beamte unter Berücksichtigung der verbotenen Diskriminierung nach dem Kriterium des „Alters“, DÖD 2010, 93 ff.). Lebensaltersstufen für Beamte wurden aber anders als z.B. für Richter nie eingeführt. Ebenso wenig spricht die neue Linie der Gesetzgebung, die nunmehr auf Erfahrungswerte abstellt, dafür, dass zuvor allein auf das Lebensalter abgestellt wurde. Vielmehr verfeinert der Gesetzgeber das auf Erfahrung aufbauende System. Eine Stärkung des Leistungsgesichtspunkts ist auch schon unter dem hier anzuwendenden Besoldungsrecht durch Einführung der Leistungsstufen erfolgt. Auch der Europäische Gerichtshof (vgl. zum Gang seiner Rechtsprechung zur Altersdiskriminierung die Darstellung bei Peirick, DÖD 2010, 93 ff.) erkennt in seiner Cadman-Entscheidung (Urt. v. 3.10.2006 – C 17/05 –, NJW 2007, 47 Rz. 34 ff. zu Art. 141 EGV = Gleiches Entgelt für Männer und Frauen) die Berufserfahrung als legitimes Ziel der Entgeltpolitik an. Das Dienstalter geht nach dieser Rechtsprechung mit der Berufserfahrung einher. Der Dienstherr muss die Bedeutung dieses Kriteriums nicht im Einzelnen darlegen. Der Kläger selbst hat nicht behauptet, dass Berufserfahrung für seinen Dienst als Beamter bedeutungslos ist. Vielmehr hat er den Erläuterungen der Kammer, dass insbesondere durch Beamte seiner Laufbahn des gehobenen Dienstes der öffentliche Dienst getragen wird und Berufs- und Lebenserfahrung für diese verantwortungsvolle Position leistungssteigernd sind, nichts entgegengesetzt. Die genannte Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs erging zwar nicht zur Frage der Altersdiskriminierung (vgl. Bundesarbeitsgericht, EuGH-Vorlage v. 20.05.2010 – 6 AZR 148/09 (A) – Juris; Peirick, DÖD 2010, 93 [96, 97] m.w.N.), es spricht aber nach Ansicht der Kammer alles dagegen, dass der Europäische Gerichtshof im Rahmen der Altersdiskriminierung die Besoldung nach Dienstalter nicht als legitimen Rechtfertigungsgrund anerkennen würde, wenn er ihn in dem normativ weitaus strenger geregelten Bereich der Gleichbehandlung von Mann und Frau als solchen akzeptiert.“

Dem folgt auch das erkennende Gericht. Die Besoldung nach dem Besoldungsdienstalter beruht auf dem Gedanken, dass mit der zurückgelegten Dienstzeit die Erfahrung und damit die Leistungen des Beamten wachsen (vgl. dazu auch BVerfG, Beschl. v. 06.05.2004 - 2 BvL 16/02, zit. n. juris, insb. Rdnr. 48).

Entsprechend wäre wohl eher unter dem Gesichtspunkt der Altersdiskriminierung eine gleich hohe Besoldung sowohl der jüngeren unerfahrenen als auch der älteren, lebens- und diensterfahrenen Beamten zu beanstanden.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 und 2 ZPO.