Verwaltungsgericht Hannover
Beschl. v. 15.11.2012, Az.: 11 B 5794/12
Bußgeld; Einziehung; Jagdschein; Mitteilungspflicht; Regelvermutung; Waffenhandel; Zwangsgeld
Bibliographie
- Gericht
- VG Hannover
- Datum
- 15.11.2012
- Aktenzeichen
- 11 B 5794/12
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2012, 44332
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 17 Abs 1 Nr 2 BJagdG
- § 17 Abs 4 Nr 2 BJagdG
- § 18 Abs 1 BJagdG
- § 80 Abs 5 VwGO
- § 34 Abs 2 WaffG
- § 5 Abs 2 Nr 5 WaffG
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 4.000,00 EURO festgesetzt.
Gründe
Der am 15.10.2012 vom Antragsteller gestellte Antrag mit dem Begehren,
die aufschiebende Wirkung seiner Klage (Az.: 11 A 5795/12) gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 12.09.2012 wiederherzustellen bzw. anzuordnen,
ist gemäß § 80 Abs. 5 VwGO statthaft. Soweit sich der Antragsteller gegen die Einziehung des Dreijahresjagdscheins für die Jagdjahre 2011 bis 2014 wendet, entfällt die aufschiebende Wirkung der Klage gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Ziff. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und hinsichtlich der Androhung des Zwangsgeldes gemäß § 80 Abs. 2 Ziff. 3 VwGO i. V. m. § 64 Abs. 4 des Niedersächsischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (Nds. SOG).
Der Antrag bleibt indes ohne Erfolg.
Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit der unter Androhung eines Zwangsgeldes ausgesprochenen Einziehung des Dreijahresjagdscheins Nr. 1536 für die Jagdjahre 2011 bis 2014 mit der am 14.09.2012 zugestellten Verfügung der Antragsgegnerin vom 12.09.2012 überwiegt das besondere Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seiner hiergegen gerichteten Klage vom Montag, dem 15.10.2012 (Az.: 11 A 5795/12). Bei summarischer Prüfung erweist sich der angegriffene Bescheid als offensichtlich rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten.
Die Entscheidung der Antragsgegnerin, dem Antragsteller unter Androhung eines Zwangsgeldes in Höhe von 100,00 Euro und Anordnung der sofortigen Vollziehung den für ungültig erklärten Dreijahresjagdschein Nr. 1536 für die Jagdjahre 2011 bis 2014 zu entziehen, ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Die Antragsgegnerin hat ihre Einziehungsverfügung zutreffend auf §§ 18 und 17 Abs. 1 Nummer 2 des Bundesjagdgesetzes (BJagdG) in Verbindung mit §§ 5 Abs. 2 Nummern 5 und 1 Buchstabe c, 34 Abs. 2 des Waffengesetzes (WaffG) gestützt.
Nach § 18 Satz 1 BJagdG ist der Jagdschein in den Fällen des § 17 Abs. 1 BJagdG für ungültig zu erklären und einzuziehen, wenn der Behörde, die den Jagdschein erteilt hat, nach dessen Erteilung Tatsachen bekannt werden, die die Versagung des Jagdscheins begründen. Nach § 17 Abs. 1 Nummer 2 BJagdG ist der Jagdschein u. a. Personen zu versagen, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie die erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzen. Gemäß § 5 Abs. 2 Nummer 5 WaffG besitzt die erforderliche Zuverlässigkeit in der Regel nicht, wer wiederholt oder gröblich gegen die Vorschriften eines der in Nummer 1 Buchstabe c genannten Gesetze verstoßen hat. Zu den in § 5 Abs. 2 Nummer 1 Buchstabe c WaffG genannten Gesetze zählt auch das Waffengesetz.
Der Antragsteller ist in seiner Eigenschaft als Waffenhändler seiner nach § 34 Abs. 2 WaffG bestehenden Verpflichtung, die Überlassung von Schusswaffen an Dritte binnen zwei Wochen der zuständigen Behörde schriftlich anzuzeigen, mehrfach nicht nachgekommen. In folgenden sieben Fällen holte der Antragsteller die erforderliche Mitteilung mit einer Verspätung von zweieinhalb bis neun Monaten nach:
1. Verkauf einer Repetierbüchse am 27.05.2011, Mitteilung eingegangen am 21.02.2012.
2. Verkauf einer Repetierbüchse am 08.06.2011, Mitteilung eingegangen am 19.12.2011.
3. Verkauf einer Selbstladeflinte am 21.06.2011, Mitteilung eingegangen am 19.12.2011.
4. Verkauf einer Selbstladebüchse am 25.06.2011, Mitteilung eingegangen am 19.12.2011.
5. Verkauf einer Pistole am 21.07.2011 oder am 29.07.2011, Mitteilung eingegangen am 21.02.2012.
6. Verkauf einer Büchse am 28.10.2011, Mitteilung eingegangen am 19.12.2011.
7. Verkauf einer Repetierbüchse am 06.10.2011, Mitteilung eingegangen am 19.12.2011.
Soweit der Antragsteller demgegenüber behauptet, er habe die Meldungen ordnungsgemäß auf den Postweg gebracht, wo sie möglicherweise verlorengegangen seien, und erst aufgrund der Einleitung eines Verfahrens zum Widerruf seiner Waffenbesitzkarten im November 2011 von seinem damaligen Bevollmächtigten bzw. nach Erhalt des Bußgeldbescheides vom 19.02.2012 erfahren, dass die Antragsgegnerin die Meldungen nicht erhalten habe, ist dieser Vortrag nicht glaubhaft. Der Antragsteller bietet keine Erklärung dafür an, dass gleich sieben an unterschiedlichen Tagen abgesandte Meldungen ihre Empfänger nicht erreicht haben. Vielmehr begründete der damalige Bevollmächtigte des Antragstellers die verspäteten Meldungen gegenüber der Antragsgegnerin mit der Doppelbelastung des Antragstellers durch den Waffenhandel und die hauptberuflich ausgeübte Tätigkeit bei den Stadtwerken Hannover. Darüber hinaus räumt der Antragsteller selbst ein, nunmehr sein Meldesystem umgestellt zu haben.
Es handelt sich auch um wiederholte Verstöße gegen das Waffengesetz. „Fortlaufende“ Verstöße gegen das Waffengesetz werden vom Gesetzgeber entgegen dem Vorbringen des Antragstellers in der Antragsschrift nicht gefordert. Im Gesetzentwurf (BT-Drucksache 14/7758 S. 105) wird ausgeführt, dass es auch künftig möglich sein soll, beispielsweise Waffenbesitzer, die wiederholt oder gar fortlaufend ihren waffenrechtlichen Pflichten nicht oder nicht ordnungsgemäß nachkommen und dadurch jede effektive Kontrolle des privaten Waffenhandels gefährden, nicht nur mit Bußgeldern zu belegen, sondern auch im Hinblick auf ihre waffenrechtliche Zuverlässigkeit und Vertrauenswürdigkeit kritisch zu überprüfen. Ein solches Verhalten des Antragstellers ist hier zu beurteilen.
Es liegt auch kein Ausnahmefall von der Regelvermutung der jagd- und waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit vor.
Die Regeltatbestände des § 5 Abs. 2 WaffG und des gleichlautenden § 17 Abs. 4 Nummer 2 BJagdG typisieren die Unzuverlässigkeitsmerkmale in der Weise, dass die in ihnen genannten Tatsachen schon für sich allein den Mangel der erforderlichen Zuverlässigkeit begründen, sofern nicht besondere Umstände diese Annahme im Einzelfall entkräften (vgl.: OVG NRW, Beschl. v. 25.10.2007 - 20 A 1881/07 - nach juris; Nds. OVG, Urt. v. 16.12.2008 - 11 LB 31/08 - nach juris). Diese gesetzliche Regelung steht im Einklang mit höherrangigem Recht (vgl.: BVerwG, Urt. v. 13.12.1994 - 1 C 31/92 -, NVwZ-RR 1995, 525). Damit hat der Gesetzgeber bewusst hohe Anforderungen an die Zuverlässigkeit gestellt, da ein überragendes Interesse der Allgemeinheit daran besteht, das mit dem Privatbesitz an Waffen verbundene erhebliche Sicherheitsrisiko möglichst gering zu halten. Dieses Risiko soll nur bei Personen hingenommen werden, die nach ihrem Verhalten Vertrauen dahin verdienen, dass sie mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen (VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 13.4.2007 - 1 S 2751/06 -, NJW 2007, 2346 [VGH Baden-Württemberg 13.04.2007 - 1 S 2751/06]; Nds. OVG, Beschl. v. 21.7.2005 - 8 PA 105/05 -; Beschl. v. 18.3.2005 - 8 ME 316/04 -; Urt v. 16.12.2008 - 11 LB 31/08 -).
Die gesetzliche Regel spricht für die Unzuverlässigkeit des Antragstellers.
Eine Ausnahme von dieser gesetzlichen Regelvermutung setzt voraus, dass die Umstände der wiederholten Verstöße des Antragstellers gegen das Waffengesetz die Verfehlung ausnahmsweise derart in einem milden Licht erscheinen lassen, dass die nach der Wertung des Gesetzgebers in der Regel durch eine solche Verstöße begründeten Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit des Betroffenen bezüglich des Umgangs mit Waffen und Munition nicht gerechtfertigt sind. Erforderlich ist danach eine tatbezogene Prüfung in Gestalt einer Würdigung der Schwere der konkreten Verfehlung und der Persönlichkeit des Betroffenen, wie sie in seinem Verhalten zum Ausdruck kommt (ständ. Rspr. d. Bundesverwaltungsgerichts, vgl. Beschl. v. 21.7.2008 - 3 B 12/08 -, DÖV 2008, 922 m.w.N.; ebenso BayVGH, Beschl. v. 15.8.2008 - 19 CS 08.1471 -, juris; OVG NRW, a.a.O.; VGH Bad.-Württ., a.a.O.; Nds. OVG, Beschl. v. 5.2.2003 - 11 LA 5/03 -; Urt. v. 16.12.2008 - 11 LB 31/08 -).
Ein Abweichen von der Regelvermutung kann insbesondere nicht darauf gestützt werden, dass der Antragsteller lediglich bei sieben von 53 im Zeitraum von Mai bis Oktober 2011 getätigten Waffenverkäufen gegen seine Mitteilungspflichten verstoßen und im Übrigen als privater Waffenbesitzer seit 1999 und als Jäger seit 2006 seine jagd- und waffenrechtlichen Pflichten nicht verletzt hat.
Nach dem Wortlaut des § 5 Abs. 2 Nummer 5 WaffG und der zugrunde liegenden Wertung des Gesetzgebers rechtfertigt bereits die Begehung wiederholter Verstöße gegen das Waffengesetz grundsätzlich die Annahme, dass es dem Waffenbesitzer an der erforderlichen Fähigkeit oder Bereitschaft fehlt, mit Waffen gewissenhaft umzugehen. Darüber hinaus setzt der Gesetzgeber ein gesetzestreues Verhalten eines Jägers als selbstverständlich voraus.
Auch der Hinweis des Antragstellers, er habe die Meldung unverzüglich nach Kenntniserlangung aufgrund der Einleitung eines Verfahrens zum Widerruf seiner Waffenbesitzkarten im November 2011 bzw. nach Erhalt des Bußgeldbescheides vom 19.02.2012 nachgeholt, rechtfertigt kein Abweichen von der Regelvermutung fehlender Zuverlässigkeit. Bei fünf der sieben Verfahren ist der Antragsteller jedenfalls nach Einleitung eines Verfahrens zum Widerruf seiner Waffenbesitzkarten und nach Erhalt des entsprechenden Schreibens der Antragsgegnerin vom 23.11.2011 seinen Mitteilungspflichten nicht sofort und umfassend, sondern erst mit einer weiteren Verzögerung von einem Monat nachgekommen.
Dass die vom Antragsteller im Zusammenhang mit dem Waffenhandel begangenen Ordnungswidrigkeiten keinen direkten Bezug zur Jagdausübung aufweisen, bleibt ebenfalls rechtlich unerheblich. Ein jagdlicher Bezug wird vom Gesetzgeber gerade nicht gefordert.
Darüber hinaus ist die vom Antragsteller vorgetragene Doppelbelastung durch den Waffenhandel und die hauptberuflich ausgeübte Tätigkeit bei den Stadtwerken Hannover nicht geeignet, sein Verhalten in einem milderen Licht erscheinen zu lassen. Damit hat der Antragsteller vielmehr eingeräumt, über mehrere Monate den Anforderungen an einen sorgfältigen Umgang mit Waffen und Munition nicht mehr gewachsen gewesen zu sein, ohne daraus zeitnah Konsequenzen gezogen zu haben. Auch wenn er später den Widerruf der Erlaubnis für den Waffenhandel mit Bescheid der Stadt Garbsen vom 16.06.2012 hat bestandskräftig werden lassen und den Waffenhandel eingestellt hat, so sind damit weitere Verstöße nicht ausgeschlossen. Der Antragsteller hat schon nicht nachvollziehbar darlegen können, wie es zu den Verstößen gekommen ist. Hinzu kommt der Umstand, dass der Antragsteller zunächst falsche Angaben gegenüber der Stadt Garbsen in Bezug auf die geplante Geschäftsübernahme durch seine Tochter gemacht hat. Darüber hinaus unterliegt der Antragsteller als Jäger und privater Waffenbesitzer Anzeige-, Vorlage-, Auskunfts- und sonstigen waffenrechtlichen Pflichten.
Damit ist auch in hinreichendem Maße die Persönlichkeit des Antragstellers berücksichtigt worden. Weitere Aspekte sind insofern nicht ersichtlich und nicht vorgetragen.
Die Aufforderung an den Antragsteller, den Jagdschein bis zum 28.09.2012 bei der Antragsgegnerin abzugeben, hat seine Rechtsgrundlage in § 18 Satz 1 BJagdG. Die Verpflichtung der Behörde zur Einziehung des Jagdscheins schließt die Ermächtigung zur Anordnung der Rückgabe ein.
Auch die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Die Antragsgegnerin ist insofern zu Recht davon ausgegangen, dass bei der Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an einer sofortigen Vollziehung der Verfügung und dem privaten Interesse des Antragstellers an der weiteren Jagdausübung das öffentliche Interesse an der Durchsetzung der Einziehung des Dreijahresjagdscheins zum Zwecke des Schutzes der Allgemeinheit überwiegt und dass ein Zuwarten bis zur endgültigen Entscheidung im Klageverfahren nicht hingenommen werden kann. Die Antragsgegnerin hat bei der Abwägung in ausreichendem Maße berücksichtigt, dass der Antragsteller weder beruflich noch als Inhaber eines Jagdreviers auf den Jagdschein angewiesen ist.
Die Androhung des Zwangsgeldes in Höhe von 100,00 Euro lässt ebenfalls keine Ermessensfehler erkennen.
Im Übrigen wird zur Begründung in vollem Umfang gemäß § 117 Abs. 5 VwGO auf die zutreffenden Erwägungen in der angefochtenen Verfügung der Antragsgegnerin vom 12.09.2012 Bezug genommen und von einer weiteren Darstellung der Gründe abgesehen.
Der Antrag ist mit der Kostenentscheidung aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Die Streitwertfestsetzung erfolgt gemäß §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 52 Abs. 1 und 3 GKG i.V.m. Ziffer 20.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung der im Juli 2004 in Leipzig beschlossenen Änderungen (DVBl. 2004, 1525 ff.). Die Androhung des Zwangsmittels bleibt gemäß Ziffer 1.6.2 für die Streitwertfestsetzung außer Betracht. Nach Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs wird der Streitwert in einstweiligen Rechtsschutzverfahren in der Regel halbiert (so für vergleichbare Verfahren: OVG Lüneburg, Beschl. v. 29.09.2010 - 11 ME 324/10 -).