Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 03.12.2010, Az.: 7 K 137/10

Kein Anspruch auf Kindergeld für die Zeit der Suche einer geeigneten Au Pair Familie; Berücksichtigung von Zeiten eines Au Pair Aufenthaltes als Kind in Ausbildung oder als ausbildungsplatzsuchendes Kind

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
03.12.2010
Aktenzeichen
7 K 137/10
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2010, 36512
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2010:1203.7K137.10.0A

Fundstellen

  • EFG 2011, 1261-1262
  • NWB 2011, 1595
  • NWB direkt 2011, 553
  • STFA 2011, 30
  • StX 2011, 359-360
  • Jurion-Abstract 2010, 228900 (Zusammenfassung)

Amtlicher Leitsatz

Aufhebung der Festsetzung von Kindergeld ab August 2009 und Rückforderung von Kindergeld August 2009 bis ...

Keine Berücksichtigung als Kind: Suche nach einer Gastfamilie im Rahmen der Au Pair Organisation cultural care.

Während des Au Pair Aufenthaltes: keine Teilnahme an einem fortlaufenden systematisch-theoretischen Sprachkurs, sondern an einem Wochenendkurs "Celebration of Holidays - American Culture Course" einer amerikanischen Universität.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob die Tochter der Klägerin auf Grund eines Au Pair Aufenthaltes als Kind in Ausbildung oder ob sie als ausbildungsplatzsuchendes Kind berücksichtigt werden kann.

2

Die Klägerin bezog für ihre am ... geborene Tochter ... Kindergeld. Die Tochter beendete im Sommer 2009 ihre Schulausbildung. Von ... bis August 2009 arbeitete sie auf 400 EUR Basis.

3

Bereits im ... 2009 bewarb sich die Tochter für das Au Pair Programm Cultural Care für einen (für 18 Monate geplanten) Au Pair Aufenthalt in den USA, beginnend mit September 2009. Mangels Gastfamilie begann dieser Aufenthalt jedoch erst am ... Januar 2010. Cultural Care Au Pair bescheinigte der Tochter unter dem ..., dass sie für voraussichtlich ein Jahr an dem Au Pair Programm teilnehme. Da Sprachkenntnisse und internationale Erfahrung auf dem heutigen Arbeitsmarkt von entscheidender Bedeutung seien, diene der Aufenthalt in den USA der Verbesserung der Berufschancen der Tochter. Sie lebe während des genannten Zeitraumes bei freier Kost und Logis in einer amerikanischen Gastfamilie. Die Hauptaufgabe sei die Betreuung der Gastkinder sowie leichte Hausarbeit. Hierfür erhalte sie zurzeit ein Taschengeld in Höhe von US$ ... pro Woche. Die maximale Arbeitszeit betrage 45 Stunden pro Woche. Der Aufenthalt umfasse neben dem täglichen Erlernen und der Anwendung der englischen Sprache gemäß den Vorschriften des US State Department zusätzlich den Teilzeitbesuch einer Schule oder eines Colleges. Tatsächlich beendete die Tochter den Au Pair Aufenthalt aus gesundheitlichen Gründen im ... 2010 (Buchung eines Hostels in ...) oder am ... ... 2010 (Angabe des Prozessbevollmächtigten im Schriftsatz vom ...). Seit ... 2010 arbeitet sie nach Angaben der Klägerin als Aushilfe. Während ihrer Au Pair Tätigkeit besuchte die Tochter nicht fortlaufend eine Schule oder Universität und nahm auch nicht anderweitig fortlaufend an einem Sprachkurs teil. An einem Wochenende nahm sie erfolgreich an dem Kurs "Celebration of Holidays - American Culture Course" im Rahmen des Universitätsprogramms für Au Pairs der ... University teil. Dieser Besuch war erforderlich, um das Visum als Au Pair zu erhalten. Nach der Bescheinigung der ... University vom ... deckte die Tochter damit drei von sechs Scheinen, die für den Bildungsteil der Au Pair Erfahrung benötigt würden, ab. Nach Angaben der Klägerin umfasste der Kurs 25 Unterrichtsstunden. Aus den Angaben der ... University im Internet ist ersichtlich, dass der Unterricht des Wochenendkurses regelmäßig Freitags um 18.00 Uhr beginnt und Sonntags um 16.00 Uhr endet.

4

Bereits im Jahr 2009 hatte sich die Tochter ferner bei der ... Fachhochschule ... um einen Studienplatz im Studiengang ... beworben; dies jedoch (im Hinblick auf den geplanten Au Pair Aufenthalt) nicht zum nächstmöglichen Termin (Studienstart jeweils per März und September möglich), sondern erst für das Wintersemester 2011/12. Die Fachhochschule teilte ihr mit Schreiben vom ... 2009 mit, dass dieser Studienplatz für sie reserviert sei. Die Klägerin hat mitgeteilt, ihre Tochter könne derzeit in ... noch nicht anfangen, weil sie noch den ... Test absolvieren müsse.

5

Zunächst mit Bescheid vom ... hob die Familienkasse (trotz des von der Klägerin eingereichten Nachweises des Schulbesuchs) die Festsetzung des Kindergeldes für ... ab ... auf und forderte seit ... gezahltes Kindergeld zurück. Auf den fristgerechten Einspruch der Klägerin hob die Familienkasse mit Bescheid vom ... die Festsetzung des Kindergeldes für ... ab August 2009 auf und forderte das für den Zeitraum von August 2009 bis ... gezahlte Kindergeld in Höhe von EUR ... zurück.

6

Einen von der Klägerin gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung lehnte die Familienkasse ab und führte aus, die Tochter sei im fraglichen Zeitraum weder ausbildungsuchend gemeldet, noch seien Bewerbungsbemühungen zum nächst möglichen Ausbildungsbeginn glaubhaft gemacht. Um entscheiden zu können, ob der Auslandsaufenthalt als Ausbildung gewertet werden könne, bat die Familienkasse um Einreichung der Bescheinigung des Colleges (Dauer, wöchentliche Stundenzahl).

7

Mangels Eingangs weiterer Angaben und Unterlagen wies die Familienkasse mit Bescheid vom ... den Einspruch zurück. Die Tochter habe eine Schule besucht und sich damit in Berufsausbildung im Sinne von § 32 Absatz 4 Satz 1 Nr. 2a EStG befunden. Das Ausbildungsverhältnis sei mit Ende des Schuljahres 2008/2009 erfolgreich im Juli 2009 beendet worden. Eine weitere Berufsausbildung für die Zeit danach liege nicht vor bzw. sei nicht nachgewiesen. Für den Zeitraum von August 2009 bis Januar 2010 habe die Klägerin keine Nachweise für eine kindergeldrechtliche Anspruchsbegründung nach § 32 Absatz 4 Satz 1 EStG eingereicht. Auch bezüglich der Beschäftigung der Tochter als Au Pair in den USA (ab ... Januar 2010) liege keine Berufsausbildung vor bzw. habe die Klägerin die Voraussetzungen dafür nicht nachgewiesen. Ein Sprachaufenthalt im Ausland stelle eine Berufsausbildung im Sinne des § 32 Absatz 4 Satz 1 Nr. 2a EStG dar, wenn das Kind regulär eine ausländische allgemeinbildende Schule, ein ausländisches College oder eine ausländische (Fach-)Hochschule bzw. Universität besuche. In anderen Fällen, z.B. bei einem Au Pair-Verhältnis, liege eine Berufsausbildung regelmäßig nur dann vor, wenn der Auslandsaufenthalt mit einem theoretisch-systematischen Sprachunterricht von wöchentlich mindestens 10 Unterrichtsstunden verbunden sei. Der Aufenthalt in einer ausländischen Gastfamilie allein stelle kindergeldrechtlich noch keine Berufsausbildung dar. Die hierzu angeforderten Nachweise habe die Klägerin nicht eingereicht. Auch andere Voraussetzungen für die Berücksichtigung als Kind habe die Klägerin nicht dargelegt und belegt. Die Zusage für einen Studienplatz ab September 2011 könne nicht zur Berücksichtigung als Bewerberin für einen Studienplatz führen, da der nächst mögliche Beginn des Studiums nicht im September 2011, sondern bereits im Wintersemester 2009 gewesen wäre.

8

Mit ihrer Klage macht die Klägerin geltend, aufgrund des Au Pair Aufenthalts ihrer Tochter stehe ihr das Kindergeld zu. Sie hat dargelegt, aus welchen Gründen der eigentlich schon für September 2009 geplante Au Pair Aufenthalt erst im Januar begann und die erfolgreiche Teilnahme an dem Kurs "Celebration of Holidays - American Culture Course" im Rahmen des Universitätsprogramms für Au Pairs der ... University dargelegt und belegt. Der Grenzbetrag für das Jahr 2010 werde voraussichtlich nicht überschritten, da die Tochter aus gesundheitlichen Gründen tatsächlich nur ... Monate in den USA verbracht habe. Da die Tochter geplant gehabt habe, für 18 Monate in den USA zu bleiben, habe sie sich an der Fachhochschule in ... erst für September 2011 beworben.

9

Die Klägerin beantragt,

den (Änderungs-) Bescheid der Beklagten vom ... in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom ... aufzuheben.

10

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

11

Sie hält an ihrer Auffassung fest. Der Wochenendkurs genüge nicht den Voraussetzungen, die der Bundesfinanzhof (BFH) an eine schulische Unterweisung im Rahmen eines Au Pair Verhältnisses gestellt habe.

12

Wegen des weiteren Sachverhalts und Vorbringens wird auf den Inhalt der Kindergeldakte und der gewechselten Schriftsätze, nebst Anlagen, auch im Verfahren wegen Aussetzung der Vollziehung (Aktenzeichen 7 V ...) und das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

13

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch die Berichterstatterin (gemäß § 79 a Absatz 3,4 Finanzgerichtsordnung - FGO -) einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe

14

Die Klage ist unbegründet.

15

Gegenstand der gerichtlichen Entscheidung ist der Zeitraum bis einschließlich Ende des Monats der Einspruchsentscheidung, d.h. bis einschließlich ... 2010. Über einen etwaigen Kindergeldanspruch für die Zeit danach ist aufgrund eines ggf. neuen Antrages der Klägerin außerhalb des gerichtlichen Verfahrens von der Familienkasse zu entscheiden.

16

Für den Anspruch auf Kindergeld werden nach § 63 Absatz 1 Nr. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) Kinder im Sinne des § 32 Absatz 1 EStG berücksichtigt; nach § 63 Absatz 1 Satz 2 EStG gelten § 32 Absätze 3 bis 5 entsprechend. Nach § 32 Absatz 4 EStG wird ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat - wie die Tochter der Klägerin im streitigen Zeitraum - nach den im Streitfall in Betracht kommenden Varianten des § 32 Absatz 4 Satz 1 Nr. 2 EStG als Kind berücksichtigt, wenn es a) für einen Beruf ausgebildet wird oder b) sich in einer Übergangszeit von höchstens vier Monaten befindet, die zwischen zwei Ausbildungsabschnitten liegt oder c) eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann.

17

In der streitigen Zeit ab August 2009 befand sich die Tochter bis einschließlich Dezember 2009 nicht in Berufsausbildung (hierzu gehört auch der Besuch einer allgemeinbildenden Schule, Fachhochschule oder Universität), weil sie weder eine Schule besuchte noch eine sonstige Ausbildung absolvierte, sondern sich um eine geeignete Au Pair Familie bemühte bzw. auf den Beginn des Au Pair Aufenthaltes wartete. Sie befand sich nicht in einer höchstens vier Monate andauernden Übergangszeit zwischen der Beendigung ihres Schulbesuchs und einem weiteren Ausbildungsabschnitt. Dass der Au Pair Aufenthalt eigentlich im September 2009 beginnen sollte und nur mangels geeigneter Gastfamilie erst im Januar 2010 begann, führt nicht dazu, dass die Tochter als Kind ohne Ausbildungsplatz nach § 32 Absatz 4 Satz 1 Nr. 2 c) EStG berücksichtigt werden kann, weil der Au Pair Aufenthalt keine Ausbildung im Sinne des § 32 Absatz 4 Satz 1 Nr. 2 a) EStG ist; deshalb kann die Tochter auch nicht während des Au Pair Aufenthaltes im Jahr 2010 als Kind berücksichtigt werden.

18

Ein Sprachaufenthalt im Ausland, insbesondere im Rahmen eines Au Pair Verhältnisses kann nach der Rechtsprechung des BFH (nur dann) als Berufsausbildung im Sinne des § 32 Absatz 4 EStG anerkannt werden, "wenn der Erwerb der Fremdsprachenkenntnisse nicht dem ausbildungswilligen Kind allein überlassen bleibt, sondern Ausbildungsinhalt und Ausbildungsziel von einer fachlich autorisierten Stelle vorgegeben werden. Auslandsaufenthalte im Rahmen von Au-pair-Verhältnissen können daher regelmäßig als Berufsausbildung anerkannt werden, wenn sie von einem theoretisch-systematischen Sprachunterricht begleitet werden. " (BFH, Urteil vom 9. Juni 1999, VI R 33/98, Bundessteuerblatt Teil II - BStBl. II - 1999, 701 ff.). Hierzu ist regelmäßig ein fortlaufender theoretisch-systematischer Sprachunterricht von mindestens zehn wöchentlichen Unterrichtsstunden erforderlich (BFH, Urteil vom 19. Februar 2002, VIII R 83/00, BStBl. II 2002, 469 ff.), damit das Vorliegen einer Berufsausbildung von einem allgemeinen Auslandsaufenthalt (aus allgemeinem Interesse und/oder zu Arbeitszwecken) abgegrenzt werden kann. Ein Geschichtskurs in "United States History" im Umfang von zweieinhalb Zeitstunden je Woche "erfüllt diese Anforderungen weder in inhaltlicher noch in zeitlicher Hinsicht" (BFH, Urteil vom 19. Februar 2002 a.a.O.).

19

Die Teilnahme der Tochter an dem Wochenendkurs "Celebration of Holidays - American Culture Course" der ... University genügt diesen Anforderungen nicht. Sie stellt keinen fortlaufenden theoretisch-systematischen Sprachunterricht dar. Unter Zugrundelegung der von der Klägerin angegebenen 25 Unterrichtsstunden ergibt sich bezogen auf einen Au Pair Aufenthalt von einem halben Jahr rechnerisch durchschnittlich ca. eine Unterrichtsstunde pro Woche; dies reicht nicht aus. Unabhängig davon ist der einmalige Besuch eines Wochenendkurses kein fortlaufender Unterricht. Inhaltlich handelte es sich nicht um Ausbildung, sondern um eine allgemeine Einführung in die amerikanische Lebensart, die für die Erlangung des Visums erforderlich war und der Teilnahme an einem Kurs über amerikanische Geschichte, die der Entscheidung des BFH vom 19. Februar 2002 zugrunde liegt, vergleichbar ist. Der Au Pair Aufenthalt kann deshalb nicht als Berufsausbildung im Sinne des § 32 Absatz 4 Satz 1 Nr. 2 a) EStG anerkannt werden.

20

Die Bewerbung um den Studienplatz führt nicht zur Berücksichtigung als Kind, das eine Berufsausbildung (Studium) mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen kann (§ 32 Absatz 4 Satz 1 Nr. 2 c EStG), weil diese Bewerbung nicht für den nächst möglichen, sondern erst für einen späteren Studienbeginn erfolgte, wie die Familienkasse zutreffend ausgeführt hat.

21

Da bereits dem Grunde nach die Voraussetzungen für die Berücksichtigung als Kind nicht vorliegen, kommt es auf die Frage, ob (prognostiziert) die Einkünfte und Bezüge der Tochter im Jahr 2010 den Grenzbetrag (§ 32 Absatz 4 Satz 2 EStG) überschreiten werden, nicht an.

22

Nach § 70 Absatz 2 EStG war die Familienkasse verpflichtet, nach Bekanntwerden des Wegfalls der Voraussetzungen für den Anspruch auf Kindergeld die Festsetzung des Kindergeldes (auch rückwirkend) aufzuheben und das für den Zeitraum von August 2009 bis ... gezahlte Kindergeld zurückzufordern, wie im Einspruchsbescheid zutreffend ausgeführt.

23

Im Übrigen folgt das Gericht der Begründung der Einspruchsentscheidung und sieht gemäß § 105 Absatz 5 FGO von der weiteren Begründung ab.

24

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Absatz 1 FGO.