Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 15.12.2010, Az.: 9 K 299/08
Feststellung nicht ausgleichsfähiger Verluste aus gewerblicher Tierzucht oder Tierhaltung i.R.v. Einkünften aus Gewerbebetrieb; Umqualifizierung von Einkünften aus gewerblicher Tierzucht nach deren Aufgabe in ausgleichsfähige gewerbliche Einkünfte i.R.e. Verfahrens über die Feststellung eines nicht ausgleichsfähigen Verlustes
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 15.12.2010
- Aktenzeichen
- 9 K 299/08
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2010, 34220
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2010:1215.9K299.08.0A
Rechtsgrundlagen
- § 179 Abs. 1 AO
- § 10d EStG
- § 15 Abs. 4 EStG
- § 23 Abs. 3 S. 9 EStG
Fundstelle
- EFG 2011, 1060-1063
Amtlicher Leitsatz
Feststellung der nicht ausgleichsfähigen Verluste aus gewerblicher Tierzucht oder Tierhaltung (§ 15 Abs. 4 EStG) auf den 31.12.1999 - 2005
Eine (vom Kläger begehrte) Umqualifizierung der Einkünfte aus gewerblicher Tierzucht/Tierhaltung in ausgleichsfähige gewerbliche Einkünfte nach Aufgabe der gewerblichen Tierzucht/Tierhaltung kann nicht im Verfahren über die gesonderte Feststellung des nicht ausgleichsfähigen Verlustes aus gewerblicher Tierzucht/Tierhaltung erreicht werden.
Tatbestand
Streitig ist die Umqualifizierung von nicht ausgleichsfähigen Verlusten aus gewerblicher Tierzucht oder Tierhaltung in ausgleichsfähige gewerbliche Verluste bei Beendigung der gewerblichen Tierhaltung im Verlustfeststellungsverfahren.
Der Kläger erzielte in den Jahren 1995 bis 1999 als atypisch stiller Gesellschafter der "X Landwirtschaftliche Produktions GmbH und Y atypisch still" Einkünfte aus gewerblicher Tierhaltung. In den jeweiligen Bescheiden über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen wurden die in den festgestellten Einkünften aus Gewerbebetrieb nicht enthaltenen Verluste aus gewerblicher Tierzucht/Tierhaltung im Sinne des § 15 Abs. 4 Einkommensteuergesetz (EStG) gesondert ausgewiesen. Da der Kläger in den Jahren 1995 bis 1999 keine positiven Einkünfte aus gewerblicher Tierzucht/Tierhaltung im Sinne des § 15 Abs. 4 EStG erzielte, konnte eine Verrechnung dieser ausgewiesenen Tierhaltungsverluste nicht erfolgen. Ende 1999 gab der Kläger seiner Beteiligung an der Einkünfte aus gewerblicher Tierzucht/Tierhaltung erzielenden Personengesellschaft auf.
Mit Schreiben vom 30. August 2007 legte der Kläger gegen die Einkommensteuerbescheide 2001 bis 2004 Einspruch ein und beantragte gleichzeitig, die nicht ausgeglichenen Verluste aus gewerblicher Tierzucht oder Tierhaltung nach § 15 Abs. 4 EStG zum Schluss der Veranlagungszeiträume 1995 bis 2005 gesondert festzustellen.
Antragsgemäß erließ der Beklagte daraufhin erstmalig am 6. Dezember 2007 Bescheide über die Feststellung der nicht ausgeglichenen Verluste aus gewerblicher Tierzucht oder gewerblicher Tierhaltung nach § 15 Abs. 4 EStG zum Schluss der Veranlagungszeiträume 1995 bis 2005. Dabei erhöhten sich mangels Verrechnungsmöglichkeit die zum 31.12.1995 festgestellten Verluste bis zum 31.12.1999 um die jeweils in den einzelnen Jahren in den oben genannten Gewinnfeststellungsbescheiden ausgewiesenen Tierhaltungsverluste. Nach Aufgabe der Beteiligung Ende 1999 erfolgte bis zum 31.12.2005 eine Fortschreibung des zum 31.12.1999 festgestellten Verlustes von 968.067 DM (ab 31.12.2002: 494.965 EUR). Unter Abschnitt E. enthalten die Feststellungsbescheide folgenden "wichtigen Hinweis":
"Der Feststellungsbescheid ist Grundlagenbescheid sowohl des Einkommensteuer-bescheides des darauffolgenden Jahres als auch eines zum Schluss des darauffolgenden Jahres ergehenden Bescheids über die verbleibenden negativen Einkünfte i.S.d. § 15 Abs. 4 EStG (Folgebescheid). Der auf diesem Feststellungsbescheid beruhende Folgebescheid kann nicht mit Begründung angefochten werden, dass die in dem Feststellungsbescheid getroffene Feststellung unzutreffend sei. Einwendungen gegen diese Feststellungsbescheide können nur durch Einspruch gegen diesen Feststellungsbescheid innerhalb der Rechtsbehelfsfrist geltend gemacht werden."
Gegen die Verlustfeststellungsbescheide zum 31.12.1999 bis 31.12.2005, alle vom 6. Dezember 2007, legte der Kläger am 4. Januar 2008 Einspruch ein und beantragte, die bisher als Verluste aus gewerblicher Tierhaltung festgestellten Einkünfte nunmehr als ausgleichsfähige Verluste nach § 15 Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) festzustellen. Diese Einsprüche hatten jedoch keinen Erfolg.
Mit der vorliegenden Klage verfolgt der Kläger sein Begehren auf Umqualifizierung der Verluste aus gewerblicher Tierhaltung weiter. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen Folgendes vor:
Der Kläger habe bis 1999 Einkünfte aus gewerblicher Tierzucht oder Tierhaltung allein aus der atypisch stillen Beteiligung an der X GmbH erzielt. Nach Aufgabe der Beteiligung im Jahr 1999 sei mit derartigen Einkünften nicht mehr zu rechnen. Es sei davon auszugehen, dass der Kläger aufgrund seines Rückzugs aus dem Geschäftsleben künftig keine solchen Beteiligungen mehr halten oder selbst Tierzucht oder Tierhaltung betreiben werde. Somit könne und werde er nicht mehr in Konkurrenz zur traditionellen Landwirtschaft treten. Die mit dem Gesetz verbundenen Schutzfunktionen dieser Betriebe verliere nach Aufgabe der Tätigkeit, vor der diese geschützt werden sollen, ihre Berechtigung. Die vorgetragene Rechtsansicht werde auch durch die Entscheidung des Großen Senates des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 17. Dezember 2007 (GrS 2/04, BFH/NV 2008, 651) gestützt. Hier sei die Vererbbarkeit von Verlustvorträgen mit der Begründung abgelehnt worden, die Einkommensteuer stelle als Personensteuer auf die Leistungsfähigkeit der einzelnen natürlichen Person ab und werde daher nach dem Grundsatz der Individualbesteuerung und dem Prinzip der Besteuerung nach der individuellen Leistungsfähigkeit beherrscht. Nur eine Verlustverrechnung zu Lebzeiten mit eigenen Einkünften entspreche diesem Prinzip. Da die Verluste vorliegend nicht mehr vererbt werden könnten und eine Verrechnung mit anderen Einkünften nicht vorgenommen werden könne, seien die Verluste endgültig verloren. Diese Rechtsauslegung des Beklagten widerspreche den vorgenannten Rechtsprechungs-grundsätzen des Bundesfinanzhofs. Die sachliche Rechtfertigung für eine Verlustausgleichsbeschränkung sei durch die Aufgabe der gewerblichen Tierhaltung entfallen. Daher sei nach Aufgabe der Beteiligung ein Verlustausgleich auch für die festgestellten Verluste aus gewerblicher Tierzucht oder Tierhaltung mit anderen positiven Einkünften zu fordern. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass in anderen Ländern der Europäischen Union entsprechende Verlustausgleichsbeschränkungen nicht bestünden. Dies führe zu einer Wettbewerbsverzerrung zwischen den Anbietern eines gemeinsamen Europäischen Marktes. Im Ergebnis verstoße die Auslegung des§ 15 Abs. 4 EStG im Streitfall gegen das Gebot der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit des Einkünftebeziehers, soweit er die Verluste mit anderen Einkünften hätte verrechnen können. Nach Aufgabe der Tierhaltung könnten die Grundsätze des§ 15 Abs. 4 EStG nicht mehr angewendet werden, da sonst die aufgelaufenen Verluste endgültig verloren gingen. Eine gegensätzliche Rechtsanwendung führe zu einer nicht zu tolerierenden Übermaßbesteuerung. Bezüglich des weiteren Vorbringens wird auf die Schriftsätze vom 9. September 2008, 28. Oktober 2008 bzw. 8. Januar 2009 Bezug genommen.
Der Kläger beantragt,
die angefochtenen Verlustfeststellungsbescheide dergestalt zu abzuändern, dass die festgestellten Verluste aus gewerblicher Tierzucht oder Tierhaltung nach Aufgabe der gewerblichen Tierhaltung im Jahre 1999 als allgemein ausgleichsfähige Verluste festgestellt werden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte verweist zunächst auf seine Einspruchsentscheidung vom 14. Juli 2008. Darüber hinaus weist der Beklagte darauf hin, dass der Kläger von einer endgültigen Aufgabe der gewerblichen Tierhaltung ausgehe. Dies sei eine in die Zukunft gerichtete Prognose, die ungewiss und nicht überprüfbar sei. Die Verlustverrechnungsbeschränkung könne zu einer endgültigen Belastung des Steuerpflichtigen führen, wenn der Betrieb eingestellt werde. Diese Rechtsfolge sei allerdings durch den Lenkungszweck - Schutz der traditionellen Landwirtschaft - gedeckt. Soweit die Regelung des § 15 Abs. 4 EStG die landwirtschaftliche Tierzucht und Tierhaltung begünstige, diene diese einem gegenüber anderen Belangen vorrangigen Zweck des Gemeinwohls. Auch nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs sei die Verrechnungsbeschränkung für Verluste aus gewerblicher Tierhaltung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Hinweis des Klägers, in den übrigen Ländern der EU würden vergleichbare Vorschriften nicht gelten mit der Folge der Wettbewerbsverzerrung gehe fehl, denn es sei nicht Ziel des Europäischen Marktes, ähnlich wie bei der Umsatzsteuer ein einheitliches Einkommensteuersystem in allen Mitgliedsländern zu etablieren. Sämtliche Mitgliedsländer der EU verfügten über Einkommensteuersysteme, die sich jedoch nicht nur hinsichtlich der Verlustausgleichsbeschränkung erheblich voneinander unterschieden. Innerhalb eines Staatsgebietes würden aber sämtliche Steuerpflichtige mit dem gleichen Steuerrecht bemessen. Die weitere Besteuerung gerade auch im Hinblick auf das Besteuerungsrecht werde dann im Rahmen der Doppelbesteuerungsabkommen zwischen den betroffenen Staaten geregelt. Das Prinzip der Besteuerung nach der individuellen Leistungsfähigkeit finde seine Grenzen in dem Regelungszweck der Vorschrift des § 15 Abs. 4 EStG.
Entscheidungsgründe
1. Die Klage ist unbegründet.
Die angefochtenen Bescheide über die Höhe der vortragsfähigen, nicht ausgleichsfähigen Verluste aus gewerblicher Tierzucht oder gewerblicher Tierhaltung im Sinne des § 15 Abs. 4 Sätze 1 und 2 EStG sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
Die vom Kläger vorgebrachten rechtlichen, insbesondere verfassungsrechtlichen Bedenken gegen das Fortbestehen der Verlustausgleichsbeschränkung des § 15 Abs. 4 EStG auch nach Aufgabe der Beteiligung an einer Personengesellschaft, die auch gewerbliche Tierzucht/ Tierhaltung betreibt, können nicht im Verfahren über die Feststellung der vortragsfähigen, nicht ausgleichsfähigen Verluste überprüft werden, sondern allein im Einkommensteuerfestsetzungsverfahren. Die vom Kläger begehrte Umqualifizierung der Einkünfte aus gewerblicher Tierzucht/ Tierhaltung in ausgleichsfähige gewerbliche Einkünfte kann daher im vorliegenden Verfahren nicht erreicht werden.
a.
Zu Recht hat der Beklagte Bescheide über die Feststellung des nicht ausgleichsfähigen Verlustes aus gewerblicher Tierzucht oder gewerblicher Tierhaltung nach § 15 Abs. 4 EStG zum Schluss der Streitjahre erlassen.
aa.
Nach § 15 Abs. 4 Satz 1 EStG dürfen Verluste aus gewerblicher Tierzucht oder gewerblicher Tierhaltung weder mit anderen Einkünften aus Gewerbebetrieb noch mit Einkünften aus anderen Einkunftsarten ausgeglichen werden. Nach § 15 Abs. 4 Satz 2 EStG mindern die Verluste nach Maßgabe des § 10d EStG die Gewinne des Steuerpflichtigen oder seines mit ihm zusammenveranlagten Ehegatten aus gewerblicher Tierzucht oder gewerblicher Tierhaltung, die er in dem unmittelbar vorangegangenen und in den folgenden Wirtschaftsjahren aus gewerblicher Tierzucht oder gewerblicher Tierhaltung erzielt hat oder erzielt. Zulässig ist auch ein Verlustvor- und -rücktrag auf Gewinne aus der Veräußerung eines Betriebs oder Teilbetriebs der gewerblichen Tierzucht oder - haltung (vgl. BFH-Urteil vom 1. Juli 2004 - IV R 67/00, BStBl. II 2010, 157 betr. doppelstöckige Personengesellschaft; Schmidt/Wacker, Kommentar zum EStG, 29. Aufl. 2010, § 15 Rz. 896). Nicht ausgeschlossen ist ferner, dass ein Steuerpflichtiger, der mehrere selbständige Unternehmen der gewerblichen Tierzucht oder Tierhaltung betreibt oder an solchen als Mitunternehmer beteiligt ist, Verluste aus dem einen Betrieb mit Gewinnen aus einen anderen Betrieb (Mitunternehmeranteil) horizontal ausgleicht (vgl. Einkommensteuerrichtlinien - EStR - § 15.10).
Die Regelung wurde als agrarpolitische Regelung zur Stärkung der Wettbewerbsstellung landwirtschaftlicher Betriebe eingeführt, die ihre Einkünfte zu rund 80% aus tierischer Veredelungsproduktion decken (vgl. Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach, Kommentar zum EStG/KStG, Stand März 2009, § 15 Anm. 1504). Steuersystematisch hat die Verlustbeschränkung insoweit wirtschaftslenkenden Charakter, als sie den Schutz der traditionellen Landwirtschaft bezweckt (BFH-Urteil vom 19. Dezember 2002 - IV R 47/01, BStBl. II 2003, 507 m.w.N).
bb.
Umstritten ist, ob ein nicht ausgeglichener Verlust aus gewerblicher Tierzucht oder Tierhaltung gesondert festzustellen ist.
(1)
Nach Auffassung des FG Münster (Urteil vom 2. Mai 1995 - 7 K 5815/92 F, EFG 1995, 973), der sich die überwiegende Meinung im steuerlichen Schrifttum und die Finanzverwaltung angeschlossen hat, erfasst die Rechtfolgenverweisung in § 15 Abs. 4 Satz 2 EStG, wonach die Verluste "nach Maßgabe des § 10d EStG die Gewinne" mindern, auch die Regelung des § 10d Abs. 4 EStG zur gesonderten Verlustfeststellung (vgl. Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach, Kommentar zum EStG/KStG, Stand März 2009, § 15 Anm. 1510; Schmidt/Wacker, Kommentar zum EStG, 29. Aufl. 2010, § 15 Rz. 896; Kirchhof/Reiß, Kommentar zum EStG, 9. Aufl. 2010; Wagner, DStZ 2003, 798, 801; Littmann/Bitz/Pust, Kommentar zum EStG, § 15 Rz. 184; OFD Frankfurt S 2119 A - 5 - St II 20 vom 9. September 2002, DB 2002, 2303; Leingärtner/Starbold, Besteuerung der Landwirte, Stand: 19. Ergänzungslieferung, Juli 2010, Kap. 8 Rn. 23; Märkle/Hiller, Die Einkommensteuer bei Land- und Forstwirten, 9. Aufl. 2006, Rn. 190).
Ein verbleibender Verlust aus gewerblicher Tierzucht und Tierhaltung ist danach gesondert nach § 179 Abs. 1 Abgabenordnung - AO - festzustellen.
(2)
Das FG Düsseldorf vertritt dagegen die Auffassung, dass aus der Formulierung "nach Maßgabe des § 10d EStG" keine hinreichende Grundlage für ein gesondertes Feststellungsverfahren zur Feststellung nicht ausgeglichener Verluste aus gewerblicher Tierzucht oder gewerblicher Tierhaltung zu entnehmen ist (Urteil vom 20. April 2010 - 6 K 7145/02 K,F, StE 2010, 581, Rev. eingelegt, Az. des BFH: I R 48/10). Es schließt sich damit der Ansicht des IX. BFH-Senats an, der in seinem Urteil vom 22. September 2005 (IX R 21/04, BStBl. II 2007, 158; siehe auch Folgerechtsprechung: BFH-Urteile vom 26. April 2006 - IX R 8/04, BFH/NV 2006, 1657 u. vom 27. Juni 2006 - IX R 50/05, BFH/NV 2006, 1836) zur wortgleichen Verweisung in § 23 Abs. 3 Satz 9 EStG entschieden hat, dass dem Wortlaut der Vorschrift eine Entscheidung des Gesetzgebers für ein gesondertes Feststellungsverfahren für nicht ausgeglichene Verluste nicht entnommen werden könne und zwar auch nicht im Wege teleologischer Auslegung. Nach Auffassung des FG Düsseldorf ist eine solche positive Entscheidung des Gesetzgebers aber Voraussetzung für die Durchführung eines Feststellungsverfahrens. Der auf einer anderen Auslegung des identischen Wortlautes in § 15 Abs. 4 EStG beruhenden Entscheidung des FG Münster (in EFG 1995, 973) sei deshalb nicht zu folgen (so auch Blümich/Stuhrmann, Kommentar zum EStG, Stand September 2008, § 15 Rz. 664).
Die Finanzverwaltung hat die dieser Auffassung zugrunde liegende BFH-Rechtsprechung nicht angewendet (vgl. BMF-Schreiben vom 14. Februar 2007, BStBl. I 2007, 268). Der Gesetzgeber hat für den Bereich des § 23 EStG dieses Rechtsproblem mittlerweile durch ausdrückliche Verweisung auf § 10d Abs. 4 EStG aufgelöst (siehe § 23 Abs. 3 Satz 9 EStG in der Fassung des JStG 2007 vom 13. Dezember 2006, BGBl. I 2006, 2878; jetzt § 23 Abs. 3 Satz 8 EStG; siehe entsprechende Regelung in § 22 Nr. 3 Satz 4 EStG in der Fassung des JStG 2007).
(3)
Der Senat folgt der herrschenden Meinung und hält die gesonderte Feststellung des nicht ausgeglichenen Verlustes für zulässig und geboten. Der Senat sieht in der Rechtsfolgenverweisung auf § 10d EStG in § 15 Abs. 4 Satz 2 EStG, die auch eine entsprechende Anwendung der Regelung des § 10d Abs. 4 EStG eröffnet, eine ausreichende gesetzliche Grundlage für diese Verlustfeststellung. Auch wenn die BFH-Rechtsprechung zu§ 23 Abs. 3 Satz 9 EStG wegen der wortgleichen Verweisungsvorschrift auch bei der Auslegung des § 15 Abs. 4 EStG zu beachten ist (so Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach, Kommentar zum EStG/KStG, Stand März 2009, § 15 Anm. 1510; Pohl, DStR 2006, 1308 [BFH 22.09.2005 - IX R 21/04]; Cöster/Intemann, INF 2007, 106) ist bislang zu § 15 Abs. 4 EStG keine entgegenstehende höchstrichterliche Rechtsprechung ergangen. Auch die Entscheidung des Gesetzgebers, in § 23 EStG ausdrücklich auf § 10d EStG zu verweisen, lässt nicht den Schluss zu, dass der Gesetzgeber eine unterschiedliche Regelung in § 15 Abs. 4 EStG gewollt hat. Im Gegenteil wird dies in der steuerlichen Literatur als Argument dazu herangezogen, dass der Gesetzgeber auch hier tätig werden würde, wenn die Rechtsprechung das Erfordernis einer gesonderten Feststellung auch hier verneinen sollte (vgl. Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach, Kommentar zum EStG/KStG, Stand März 2009, § 15 Anm. 1510).
Abgesehen von der Auslegung der Reichweite der Verweisung "nach Maßgabe des § 10d EStG" hält der Senat eine gesonderte Feststellung des verrechenbaren Verluste insbesondere aus Praktikabilitätserwägungen heraus und Gründen der Rechtsklarheit für geboten. So dient eine gesonderte Feststellung des am Ende eines Wirtschaftsjahres verbleibenden Verlustverrechnungsvolumens der zeitnahen Entscheidung über die Höhe der nicht ausgeglichenen Verluste nach§ 15 Abs. 4 EStG. Eine solche Feststellung bietet auch die Möglichkeit der zeitnahen Überprüfung im Wege eines Rechtsbehelfs. Dies ist sinnvoll, denn nicht ausgeglichene Verluste wirken sich sonst erst im Rahmen einer Verrechnung mit künftigen Gewinnen aus. Dies erfolgt ggf. erst Jahre oder Jahrzehnte später, da die Verrechnung mit Gewinnen aus gewerblicher Tierzucht oder Tierhaltung zeitlich nicht beschränkt ist (so auch der Zweck der gesonderten Feststellung nach § 15a Abs. 4 EStG; vgl. Lüdemann in Herrmann/Heuer/Raupach, Kommentar zum EStG/KStG, Stand Oktober 2005, § 15a Anm. 171). Durch eine jährliche gesonderte Feststellung der nicht ausgeglichenen Verluste wird das Verlustverrechnungsvolumen festgehalten und werden so spätere Streitigkeiten über die Höhe der Verluste vermieden. Dies mag um so mehr gelten, wenn man der teilweise im Schrifttum vertretenen Rechtsauffassung folgt, nach der die nicht verbrauchten Verlustvorträge sogar vererblich sind (vgl. Schmidt/Wacker, Kommentar zum EStG, 29. Aufl. 2010, § 15 Rz. 896, hierzu auch § 15a Rz. 234; a.A. Dötsch, DStR 2008, 641, 646; offen gelassen in BFH Großer Senat, Beschluss vom 17. Dezember 2007 - GrS 2/04, BStBl. II 2008, 608).
Die gesonderte Feststellung der Verluste nach § 15 Abs. 4 EStG ist auch ein Gebot der Praktikabiliät, wenn zugleich Verluste nach § 15a Abs. 4 EStG oder § 2a Abs. 1 Satz 5 EStG festzustellen sind (so Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach, Kommentar zum EStG/KStG, Stand März 2009, § 15 Anm. 1517 aE).
2.
Eine vom Kläger begehrte Umqualifizierung der zum 31.12.1999 und den darauf folgenden streitbefangenen Stichtagen festgestellten, nicht ausgleichfähigen Verlusten aus gewerblicher Tierzucht oder Tierhaltung in ausgleichsfähige gewerbliche Verluste, die nach der Systematik des EStG gar nicht vorgesehen ist, kann jedenfalls im Verlustfeststellungsverfahren nicht vorgenommen werden.
a.
Nach der Systematik des EStG sind bei einer Personengesellschaft, die auch Einkünfte aus gewerblicher Tierzucht oder Tierhaltung erzielt, in den in Betracht kommenden Steuerbescheiden, also dem Gewinnfeststellungsbescheid, dem Bescheid über die Feststellung des nicht ausgleichsfähigen Verlustes aus gewerblicher Tierzucht oder Tierhaltung und den Einkommensteuerbescheiden (ggf. auch Körperschaftsteuer-bescheiden) des Gesellschafters ausschließlich folgende Entscheidungen im Hinblick auf die Tierzucht/Tierhaltungseinkünfte zu treffen:
Außer über die Charakterisierung der Einkünfte als solche aus § 15 Abs. 4 EStG, ihre Höhe und ihre Zurechnung auf die einzelnen Gesellschafter, dürfen im Verfahren der gesonderten Gewinnfeststellung keine weiteren Entscheidungen getroffen werden (BFH-Urteil vom 14. August 1985 - I R 130/82, BStBl. II 1986, 146 und BFH-Beschluss vom 24. Juli 1975 - IV B 38/75, BStBl. II 1975, 774). Ob es sich um Einkünfte aus gewerblicher Tierzucht/Tierhaltung handelt, ist also allein im einheitlichen oder gesonderten Gewinnfeststellungsverfahren zu entscheiden. Obwohl die Verrechnungsbeschränkung des § 15 Abs. 4 EStG den Gesellschafter persönlich trifft, handelt es sich insoweit nicht um persönliche Verhältnisse oder eine Umqualifizierung von Einkünften nach den Grundsätzen des Großen Senats des BFH im Urteil vom 11. April 2005 (GrS 2/02, BStBl. II 2005, 679 betr. Zebragesellschaften; so auch Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach, Kommentar zum EStG/KStG, Stand März 2009, § 15 Anm. 1517).
Die vom Gesetz an das Vorliegen von Verlusten aus gewerblicher Tierzucht oder Tierhaltung geknüpften Rechtsfolgen, nämlich die Versagung eines Verlustausgleichs oder Verlustabzugs, desgleichen der zugelassene Verlustabzug bei Gewinnen aus gewerblicher Tierzucht oder Tierhaltung in späteren Wirtschaftsjahren, sind dagegen ausschließlich bei der Einkommensteuerveranlagung des Steuerpflichtigen - von seinem Wohnsitz-Finanzamt - zu treffen. Selbst wenn ein Gewinnfeststellungsbescheid einen Vermerk in Bezug auf die (nur) eingeschränkte Verrechenbarkeit der Verluste mit anderen Einkünften aus Gewerbebetrieb bzw. mit Einkünften aus anderen Einkunftsarten enthält, ist dieser nicht bindend, sondern lediglich als ein - an sich nicht gebotener - Hinweis auf die rechtlichen Folgen zu verstehen, die sich bei den Einkommensteuerveranlagungen der Gesellschafter aus der Art der Verluste ergeben werden (so BFH-Beschluss vom 24. Juli 1975 - IV B 38/75, BStBl. II 1975, 774). Eine Bindungswirkung für die Einkommensteuerveranlagung ergibt sich danach allein hinsichtlich der im Gewinnfeststellungsbescheid zu treffenden Feststellung über die Art, Höhe und Zurechnung der Tierhaltungseinkünfte. Insoweit ist der Gewinnfeststellungsbescheid auch Grundlagenbescheid im Sinne des§ 171 Abs. 10 AO.
Soweit die festgestellten Tierzucht- oder Tierhaltungsverluste nicht mit gleichartigen Einkünften des Steuerpflichtigen oder seiner mit ihm zusammenveranlagten Ehefrau verrechnet werden können, erfolgt zum Schluss des jeweiligen Veranlagungszeitraums - nach der vom Senat vertretenen Rechtsauffassung - eine gesonderte Feststellung des verbleibenden, nicht ausgleichsfähigen Verlustes aus gewerblicher Tierzucht oder Tierhaltung. Dieser Verlustfeststellungsbescheid ist wiederum Grundlagenbescheid sowohl des Einkommensteuerbescheides des darauffolgenden Jahres als auch eines zum Schluss des darauffolgenden Jahres ergehenden Bescheids über die verbleibenden negativen Einkünfte i.S.d. § 15 Abs. 4 EStG (Folgebescheid). Insoweit sind die vom Beklagten in den angefochtenen Bescheiden unter E. gegebenen Hinweise inhaltlich zutreffend.
Im Verlustfeststellungsbescheid sind danach keine Feststellungen hinsichtlich der Art der Einkünfte oder deren Ausgleichsfähigkeit zu treffen. Insoweit wird deshalb - entgegen der Auffassung des Klägers - auch keine Bindungswirkung in Bezug auf den Einkommensteuerbescheid des jeweiligen Verlustfeststellungsjahres erzeugt. Der Verlustfeststellungsbescheid dient allein dem Zweck, die bei der Einkommensteuer des jeweiligen Jahres nicht ausgeglichenen Verluste, zuzüglich etwaiger in den Vorjahren festgestellter, nicht ausgeglichener Verluste aus gewerblicher Tierzucht oder Tierhaltung mit Bindungswirkung für bestimmte zukünftige Bescheide "festzuhalten".
b.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der "Parallelvorschrift" des § 15a Abs. 4 EStG.
aa.
Gemäß § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG darf der einem Kommanditisten zuzurechnende Anteil am Verlust der KG weder mit anderen Einkünften aus Gewerbebetrieb noch mit Einkünften aus anderen Einkunftsarten ausgeglichen werden, soweit ein negatives Kapitalkonto des Kommanditisten entsteht oder sich erhöht. Der hiernach nicht ausgeglichene Verlust mindert die Gewinne, die dem Kommanditisten in späteren Wirtschaftsjahren aus seiner Beteiligung an der KG zuzurechnen sind (§ 15a Abs. 2 EStG). Der nach Absatz 1 nicht ausgleichsfähige Verlust ist jährlich gesondert festzustellen (§ 15a Abs. 4 Satz 1 EStG). Der Gewinnfeststellungsbescheid für die KG und die Bescheide über die Feststellung der verrechenbaren Verluste für die einzelnen Kommanditisten stehen wechselseitig zueinander im Verhältnis von Grundlagen- und Folgebescheid im Sinne von § 171 Abs. 10 und § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO (vgl. FG Münster, Urteil vom 19. Dezember 1990 - I 5601/89 F, EFG 1991, 537; BFH-Urteil vom 22. Juni 2006 - IV R 31, 332/05, IV R 31/05, IV R 32/05, BStBl. II 2007, 687; BFH-Beschluss vom 8. Mai 1995 - III B 113/94, BFH/NV 1995, 971).
Nach dieser Systematik kann ein Steuerpflichtiger (Kommanditist), der eine Umqualifizierung der festgestellten nur verrechenbaren gewerblichen Verluste erreichen will, die Verlustfeststellung nach § 15a Abs. 4 EStG angreifen und eine Reduzierung des festgestellten verrechenbaren Verlustes auf zB. 0,- EUR beantragten (ähnlich FG Münster, Urteil vom 19. Dezember 1990 - I 5601/89 F, EFG 1991, 537). Im Erfolgsfall ist diese Reduzierung dann bindend hinsichtlich der Frage der Ausgleichs- oder Verrechenbarkeit für den Gewinnfeststellungsbescheid desselben Jahres (vgl. zur vergleichbaren Rechtslage bei § 15a Abs. 4 EStG: BFH-Urteil vom 22. Juni 2006 - IV R 31, 332/05, IV R 31/05, IV R 32/05, BStBl II 2007, 687). Der Gewinnfeststellungsbescheid, der dann entsprechend höhere ausgleichsfähige gewerbliche Verluste ausweist ist, wiederum Folgebescheid für den Einkommensteuerbescheid desselben Jahres.
Grundlage dieser Systematik ist der Umstand, dass auf der Ebene der Personengesellschaft der identische Verlust nur als verrechenbar oder ausgleichsfähig beurteilt werden kann. Denn ein Verlust kann nicht gleichzeitig nur verrechenbar und beim selben Kommanditisten ausgleichsfähig sein (so BFH-Urteil vom 22. Juni 2006 - IV R 31, 332/05, IV R 31/05, IV R 32/05, BStBl II 2007, 687 unter Hinweis auf FG Münster in EFG 1991, 537).
bb.
Eine Übertragung dieser Grundsätze in der Weise, dass bei einer Reduzierung des auf einen Stichtag festgestellten nicht ausgeglichenen Verlustes aus gewerblicher Tierzucht oder Tierhaltung nach § 15 Abs. 4 EStG gleichzeitig auch der Gewinnfeststellungsbescheid geändert werden müsste und dann einen entsprechend höheren ausgleichsfähigen gewerblichen Verlust ausweist, kommt jedoch nicht in Betracht.
Anders als bei § 15a Abs. 4 EStG wird im Gewinnfeststellungsbescheid nur eine Entscheidung über die Art, Höhe und Zurechnung der Einkünfte als solche aus gewerblicher Tierzucht oder Tierhaltung für das betreffende Jahr getroffen. Die Frage der Ausgleichsfähigkeit der Verluste ist nicht Teil der Feststellung. Wird diese steuerrechtliche Einordnung (Art, Zurechnung, Höhe) als unzutreffend erachtet, muss der Steuerpflichtige insoweit gegen den Gewinnfeststellungsbescheid vorgehen.
Im Streitfall hat sich der Kläger nicht gegen die entsprechenden Gewinnfeststellungsbescheide gewendet und - soweit ersichtlich - auch weder die Beurteilung der Verluste in den einzelnen Jahren als solche aus gewerblicher Tierzucht oder Tierhaltung noch deren festgestellte Höhe gerügt.
Die angefochtenen Verlustfeststellungsbescheide nach § 15 Abs. 4 EStG beinhalten im Unterschied zu § 15a Abs. 4 EStG nicht eine Qualifizierungsentscheidung eines gewerblichen Verlustes als ausgleichsfähig oder nur verrechenbar, sondern - als quasi Konsequenz der einkommensteuerlichen Beurteilung über die Ausgleichfähigkeit im abgelaufenen Veranlagungszeitraum (bzw. den vorgehenden VZ) - allein die Feststellung eines nicht mit anderen gewerblichen Tierzucht- oder Tierhaltungseinkünften ausgeglichenen Verlustes.
c.
Davon abgesehen ist ein vom Kläger begehrter Bescheid mit dem Inhalt, dass es sich bei bestimmten Einkünften (Verlusten) um ausgleichfähige Verluste handelt, dem Ertragsteuerrecht fremd. Handelt es sich um ausgleichsfähige Verluste und führen diese zu einem negativen Gesamtbetrag der Einkünfte, erfolgt ein Vortrag eines ausgleichsfähigen Verlustes nach § 10d Abs. 4 EStG. Ein solcher Verlustfeststellungsbescheid ist aber wesensverschieden und nicht mit den angefochtenen Bescheiden vergleichbar.
Im Ergebnis kann eine vom Kläger begehrte Umqualifizierung der Tierzucht-/Tierhaltungsverluste allein vom Wohnsitzfinanzamt bei der Einkommensteuerveranlagung vorgenommen werden.
Die Klage konnte daher keinen Erfolg haben.
2.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).