Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 08.12.2010, Az.: 3 K 227/10
Verzinsung Steuernachforderungen und Steuererstattungen; Voraussetzungen für die Abtretung von Ansprüchen auf Erstattung von Steuern und steuerliche Nebenleistungen
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 08.12.2010
- Aktenzeichen
- 3 K 227/10
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2010, 31960
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2010:1208.3K227.10.0A
Rechtsgrundlagen
- § 3 Abs. 3 AO
- § 46 Abs. 1 AO
- § 46 Abs. 2 AO
- § 233a AO
- § 236 AO
Fundstelle
- EFG 2011, 850-853
Verzinsung von Steuererstattungsansprüchen vorläufig nicht rechtskräftig
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Verzinsung von Steuererstattungsansprüchen.
Der Kläger und seine Ehefrau waren Gesellschafter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (im Folgenden:GmbH), deren Anteile sie im Juni 1989 veräußerten. Der Kaufvertrag sah vor, dass den Verkäufern einerseits Steuern für die Zeit bis zum 31. Mai 1989 zur Last fallen und ihnen andererseits die entsprechenden Erträge zustehen sollten. Infolge einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 5. Mai 1994 reichte die GmbH eine berichtigte Umsatzsteuererklärung ein, die zu Steuererstattungen für die Jahre 1986 bis 1989 in Höhe von insgesamt 391.471.45 DM führte.
Die GmbH trat die Steuererstattungsansprüche an den Kläger ab und zeigte dem Beklagten dies am 27. April 1994 auf Abtretungsanzeigen nach amtlichem Vordruck an. Als Grund der Abtretung wurde angegeben:
"Abtretung zahlungshalber: Zahlungen an früheren Anteilseigner infolge EuGH-Urt. v. 5.5.1994".
In einer "Anlage zur Abtretungsanzeige" wurde die Höhe der einzelnen, auf die Jahre 1985 bis 1989 entfallenden, Umsatzsteuererstattungsansprüche aufgelistet. Etwaige Zinsansprüche wurden nicht aufgeführt.
Der Beklagte änderte die Umsatzsteuerveranlagungen für die Jahre 1986 bis 1989 mit Bescheiden vom 17. bzw. 31. Januar 1996. Für den auf das Jahr 1989 entfallenden Erstattungsanspruch setzte der Beklagte mit Bescheid vom 17. Januar 1996 darüber hinaus zugunsten der GmbH Zinsen für den Zeitraum 1. April 1991 bis 31. März 1995 in Höhe von 13.896 DM fest.
Eine Auszahlung der Umsatzsteuer an den Kläger lehnte der Beklagte u.a. mit der Begründung ab, die Abtretung der Erstattungsansprüche sei unwirksam gewesen, weil von einem unzulässigen geschäftsmäßigen Erwerb durch den Kläger auszugehen sei. Gleichzeitig verrechnete er die Umsatzsteuererstattungsbeträge - auf Antrag der GmbH - mit Steuerschulden der GmbH oder buchte sie auf sog. "Schwestergesellschaften" um.
Nach erfolglosem Vorverfahren erhob der Kläger am 18. Juli 1996 bei dem Niedersächsischen Finanzgericht Klage, bekam aber erst im zweiten Rechtsgang mit Urteil vom 25. Januar 2007 (5 K 158/02) Recht. Die Auszahlung der Steuererstattungen erfolgte am 9. März 2007.
Nach Abschluss des Klageverfahrens machte der Kläger gegenüber dem Beklagten eine 6%ige Verzinsung der einzelnen Steuererstattungsansprüche - beginnend nach 15 Monaten ihres jeweiligen Entstehens bis zum 9. März 2007 - geltend. Der Beklagte wies diesen Antrag zurück, da die rechtlichen Voraussetzungen für eine Verzinsung nach §§ 233a und 236 der Abgabenordnung (im Folgenden: AO) nicht vorlägen.
Nach erfolglosem Vorverfahren hat der Kläger am 26. Juni 2008 Klage erhoben.
Er ist der Auffassung, der ihm zu Unrecht nicht ausgezahlten Steuererstattungsanspruch sei zu verzinsen. Ein Anspruch auf Verzinsung ergebe sich aus einer erweiterten Auslegung des § 233a AO. Dabei müsse das gesetzgeberische Ziel einer Vollverzinsung von Steuerforderungen und Steuererstattungen berücksichtigt werden, mit der die Zinsvorteile und -nachteile ausgeglichen werden sollen, die dadurch entstehen können, dass die Steuerpflichtigen zu unterschiedlichen Zeitpunkten zur Steuer herangezogen werden.
Als rechtliche Grundlage für eine Verzinsung komme auch ein Folgebeseitigungs- oder Schadensersatzanspruch in Betracht.
Sollte sich rechtlich keine Verzinsung des Steueranspruchs herleiten lassen, müsse die Übereinstimmung der rechtlichen Situation mit verfassungsrechtlichen Grundsätzen überprüft werden.
Auch europarechtlich sei eine fehlende Verzinsung des Umsatzsteuererstattungsanspruchs bedenklich, weil hierdurch die Umsatzbesteuerung unzutreffend erschwert werde und ein Verstoß gegen den sog. Effektivitätsgrundsatz vorliege.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 210.789,38 EUR nebst 6% Zinsen p.a. ab Rechtshängigkeit zu zahlen,
hilfsweise
den Beklagten zu verurteilten, einen entsprechenden Abrechnungsbescheid zu erstellen und erlassen, aufgrund dessen dem Kläger 210.789,38 EUR nebst 6% Zinsen p.a. ab Rechtshängigkeit zu bezahlen sind.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Meinung, dass sich aus den gesetzlichen Vorschriften kein Anspruch des Klägers auf Verzinsung seiner Steuererstattung ergebe. Eine Verzinsung sei nur für Ansprüche im Steuerfestsetzungsverfahren, nicht aber - wie im Streitfall - im Erhebungsverfahren vorgesehen. Die Erstattungs- und ggf. Zinsberechtigung stehe außerdem nicht dem Kläger, sondern seiner GmbH als Zedentin des abgetretenen Erstattungsanspruchs zu.
Entscheidungsgründe
I.
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine Verzinsung der Erstattungsansprüche.
1.
Der Kläger hat bereits deshalb keinen eigenen Anspruch gegen den Beklagten auf eine Auszahlung von Zinsen auf die Steuererstattungsansprüche, weil eine steuerrechtlich wirksame Abtretung insoweit nicht erfolgt ist.
Nach § 46 Abs. 1 AO können u.a. Ansprüche auf Erstattung von Steuern und steuerliche Nebenleistungen abgetreten werden. Nach § 3 Abs. 3 AO sind steuerliche Nebenleistungen auch Zinsen gemäß § 233 bis 237 AO. Die Abtretung wird nach § 46 Abs. 2 AO jedoch erst wirksam, wenn sie der Gläubiger der zuständigen Finanzbehörde in der nach§ 46 Abs. 3 AO beschriebenen Form nach Entstehung des Anspruchs anzeigt.
Die GmbH hat ihre Ansprüche auf Erstattung der Umsatzsteuer für die Jahre 1986 bis 1989 an den Kläger abgetreten und dem Beklagten diese Abtretung am 27. April 1994 auf amtlichem Vordruck angezeigt. Mit der wirksamen Abtretung eines Anspruchs auf Erstattung überzahlter Steuern erlangt der Zessionar nur den reinen Zahlungsanspruch gegen das Finanzamt, nicht aber die gesamte Rechtstellung des bisherigen Gläubigers (BFH-Beschluss vom 27. Januar 1993 II S 10/92, BFH/NV 1999, 350, Ratschow in Klein, Abgabenordnung. Kommentar, 10. Auflage 2009, § 46 AO Rz. 41). Insbesondere erlangt er nicht auch automatisch die Berechtigung an evtl. später entstehenden Erstattungszinsen (vgl. dazu BFH-Urteil vom 14. Mai 2002 VII R 6/01, BFHE 198, 389, BStBl II 2002, 677, wo die Abtretung der - noch nicht entstandenen - Erstattungszinsen dem Finanzamt ausdrücklich angezeigt worden war).
Im Steuerecht besteht darüber hinaus - anders als im Zivilrecht - nicht die Möglichkeit auch zukünftige, noch nicht entstandene Ansprüche abzutreten. Vielmehr bedarf es für die (steuerrechtliche) Wirksamkeit einer Abtretung der Anzeige an das Finanzamt, die nach § 46 Abs. 2 AO nach Entstehung des abgetretenen Anspruchs zu erfolgen hat. Die Anzeigevoraussetzung gilt auch für die Zinsen nach §§ 233 ff. AO. Die Zinsen entstehen erst mit Unanfechtbarkeit des zugrunde liegenden Verwaltungsaktes oder Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung; wird die Abtretung vorher angezeigt, ist sie unwirksam (vgl. ausdrücklich BFH-Urteil vom 14.5.2002 VII R6/01, BFHE 198,389, BStBl 112002,677).
Im Streitfall sind die Zinsen (auf den Erstattungsanspruch für das Jahr 1989) erst mit der Unanfechtbarkeit des Bescheides vom 17. Januar 1996 entstanden, mit dem der Umsatzsteuererstattungsanspruch festgesetzt wurde. Die Abtretungsanzeige - hinsichtlich der Umsatzsteuererstattungsansprüche - erfolgte bereits am 27. April 1994 und damit vor Entstehung des Zinsanspruches. Die Abtretung war damit nach§ 46 Abs. 2 AO unwirksam, so dass der Kläger schon aus diesem Grunde keinen Anspruch auf eine Verzinsung der abgetreten Steuererstattungen hat.
2.
Ein im Übrigen an den Kläger abtretbarer Anspruch auf Verzinsung der Steuererstattungsansprüche stünde aber auch der GmbH nicht zu.
a.
Ein Anspruch auf eine Verzinsung des Erstattungsanspruches nach § 233a AO besteht nicht.
Gemäß § 233a Abs. 1 AO werden Steuernachforderungen und Steuererstattungen verzinst, wenn die Festsetzung zu einem Unterschiedsbetrag im Sinne von § 233a Abs. 3 AO führt. Unterschiedsbetrag ist die festgesetzte Steuer, vermindert um die Steuerabzugsbeträge, um die anzurechnende Körperschaftsteuer und um die bis zum Beginn des Zinslaufs festgesetzten Vorauszahlungen. Der Zinslauf beginnt nach § 233a Abs. 2 Satz 1 und 2 AO grundsätzlich 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist, und endet gemäß § 233a Abs. 2 Satz 3 AO mit Ablauf des Tages, an dem die Steuerfestsetzung wirksam wird.
Die Verzinsung nach § 233a AO gilt allerdings nach Art. 97 § 15 Abs. 4 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung (im Folgenden: EGAO) nur für Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis, die nach dem 31. Dezember 1988 entstanden sind. Für alle Steuern, die - wie im Streitfall - bis zum 31. Dezember 1993 entstanden sind, ist der Zinslauf nach § 233a Abs. 2 Satz 3 AO darüber hinaus auf vier Jahre begrenzt (vgl. Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung. Kommentar, § 233a AO Tz. 5;Art. 97 § 15 Abs. 5 EGAO).
Die Umsatzsteuer entsteht nach § 13 des Umsatzsteuergesetzes (im Folgenden: UStG) mit Ablauf des jeweiligen Voranmeldungszeitraums. Für die Jahresumsatzsteuer bestimmt§ 16 Abs. 1 Satz 2 UStG jedoch das Kalenderjahr als maßgeblichen Besteuerungszeitraum, weil mit dem Ende des Kalenderjahres die Umsatzsteuer für den Besteuerungszeitraum berechnet werden kann (vgl. BFH-Urteil vom 9. Mai 1996 V R 62/94, BStBl II 1996, 662).
Die Vollverzinsung des § 233a AO greift somit im Streitfall nur für die Umsatzsteuererstattung für das Jahr 1989, die mit dem Ende des Kalenderjahres 1989 entstanden ist. Für die vier Jahre ab dem 1. April 1991, also 15 Monate nach dem 31. Dezember 1989, bis zum 31. März 1995 war dieser Erstattungsanspruch zu verzinsen. Diese Verzinsung ist zugunsten der GmbH des Klägers mit Bescheid vom 17. Januar 1996 durch den Beklagten erfolgt. Eine darüber hinaus gehende Verzinsung sieht § 233a AO nicht vor.
Im Streitfall würde - die vom Kläger vorgeschlagene - erweiterte Auslegung des § 233a AO nicht weiterführen; vielmehr müssten (auch) die Anwendungsvorschriften in Art. 97 § 15 Abs. 4 und 5 EGAO zeitlich erweiternd ausgelegt werden. Grenze der Auslegung ist aber der mögliche Wortsinn einer Gesetzesnorm (vgl.Lang in Tipke/Lang, Steuerrecht, 20. Auflage 2010, § 5 Rz. 53). Da dieser im Fall der Übergangsvorschriften eindeutig ist, besteht zu einer erweiternden Auslegung keine Möglichkeit.
b.
Ein Anspruch auf Verzinsung des Erstattungsanspruches ergibt sich auch nicht aus § 236 AO.
Nach § 236 Abs. 1 Satz 1 AO ist der zu erstattende und zu vergütende Betrag vom Tag der Rechtshängigkeit an bis zum Auszahlungstag zu verzinsen, wenn durch eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung oder aufgrund einer solchen Entscheidung eine festgesetzte Steuer herabgesetzt oder eine Steuervergütung gewährt wird. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht gegeben.
Durch die Entscheidung des Niedersächsischen Finanzgerichts in der Sache 5 K 158/02 ist weder eine festgesetzte Steuer herabgesetzt noch eine Steuervergütung gewährt worden. Der von der GmbH an den Kläger abgetretene Steuererstattungsanspruch war zwischen den Beteiligten weder dem Grunde noch der Höhe nach streitig. Gestritten wurde lediglich darum, ob der Beklagte gegenüber dem vom Kläger geltend gemachten Anspruch aufrechnen konnte. Nach mittlerweile ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH vom 29. April 1997 VII R 91/96, BFHE 182, 253, BStBl II 1997, 476 ; vom 26. April 1988 VII R 97/87, BFHE 153,490, BStBl II 1988, 865 ; vom 12. Mai 1987 VII R 203/83, BFHE 150,298, BStBl II 1987, 702 ; vom 20. Januar 1999 IV B 40/98, BFH/NV 1999, 1055) sind auf Überzahlung von Steuern beruhende Erstattungsansprüche, die ohne Änderung einer Steuerfestsetzung erst aufgrund eines Rechtsstreits über einen Abrechnungsbescheid entstehen, nicht nach § 236 AO zu verzinsen sind. Der Sachverhalt des vorliegenden Rechtsstreits entspricht den genannten Urteilsfällen insoweit, als auch hier der vom Niedersächsischen Finanzgericht festgesetzte Erstattungsbetrag nicht darauf beruht, dass eine festgesetzte Steuer herabgesetzt worden ist. Der Rechtsstreit betrifft nicht das Steuerfestsetzungsverfahren, sondern hinsichtlich der entscheidungserheblichen Frage der Aufrechnung das Erhebungsverfahren. Für Erstattungen, die sich aufgrund gerichtlicher Entscheidungen im Steuererhebungsverfahren ergeben, sieht das Gesetz einen Anspruch auf Prozesszinsen nicht vor. Für eine ausdehnende Auslegung der Vorschriften über Prozesszinsen auf Erstattungsbeträge ist angesichts des eindeutigen Wortlauts des § 233 Satz 1 AO ebenfalls kein Raum (BFH-Urteile vom 29. April 1997 VII R 91/96, BFHE 182, 253, BStBl II 1997, 476 ; vom 12. Mai 1987 VII R 203/83, BFHE 150, 298, BStBl II 1987, 702 ; vom 25. Juli 1989 VII R 39/86, BFHE 157, 322, 325, BStBl II 1989, 821 ).
c.
Aus § 291 des Bürgerlichen Gesetzbuches lässt sich kein Anspruch auf Verzinsung des Steuererstattungsanspruchs ableiten.
§ 236 AO enthält nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs eine für die Prozessverzinsung maßgebende abschließende Regelung, und zwar nicht nur hinsichtlich der Höhe der ab 31. August 1986 entstehenden Zinsansprüche, sondern auch und in erster Linie hinsichtlich der Voraussetzungen für die Entstehung des Anspruchs dem Grunde nach. Auf allgemeine Rechtsgrundsätze ist insoweit nicht mehr zurückzugreifen (BFH-Urteile vom 29. April 1997 VII R 91/96, BFHE 182, 253, BStBl II 1997, 476 ; vom 20. Januar 1999 IV B 40/98, BFH/NV1999, 1055).
d.
Auch über einen Folgenbeseitigungsanspruch kann keine Verzinsung der Steuererstattungsansprüche geltend gemacht werden.
Ein Folgenbeseitigungsanspruch setzt voraus, dass ein der Beklagten zuzurechnender hoheitlicher Eingriff vorliegt, der ein subjektives Recht des Klägers als Betroffenen verletzt, und dass durch den Eingriff ein noch andauernder rechtswidriger Zustand geschaffen worden ist (vgl. BVerfGE 94, 100/104 = BayVBI 1994, 84/85; BayVGH v. 15.9.1999 Az. 8 B 97.1349 = BayVBI 2000, 345; v. 4.8.1998, BayVBI 1999, 436). Der Folgenbeseitigungsanspruch ist verschuldensunabhängig.
Zwar stellte die nicht mit dem Europarecht vereinbare Steuerfestsetzung durch den Beklagten einen hoheitlichen Eingriff dar. Allerdings dauert der hieraus resultierende rechtswidrige Zustand nicht an. Dieser wurde durch die Änderungsbescheide vom 17. bzw. 31. Januar 1996 beseitigt und die der GmbH gegenüber zu Unrecht einbehaltenen Steuerbeträge zu Gunsten der GmbH gegen rückständige Steuerschulden verrechnet.
Der Anspruch auf Folgenbeseitigung ist nur auf Wiederherstellung des ursprünglichen, durch hoheitlichen Eingriff veränderten Zustandes gerichtet, nicht aber auf einen Ausgleich für Schäden, die durch unrichtiges Verwaltungshandeln verursacht worden sind. Er umfasst grundsätzlich nur diejenigen rechtswidrigen Folgen einer Amtshandlung, auf die sie unmittelbar gerichtet war. Eine Erstattung von Zinsen als mittelbarer Folge des hoheitlichen Handelns ist dagegen nicht umfasst (Niedersächsisches OVG, Urteil vom 23. Januar 2004 11 LB 257/03, [...]; vgl. auch Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung/ Finanzgerichtsordnung. Kommentar, § 233 AO Tz. 1; Rüsken in Klein, Abgabenordnung. Kommentar, 10. Auflage 2009, § 233 AO Rz. 4).
3.
Auch der Kläger selbst kann aus den gleichen Gründen keine Verzinsung der Steuererstattungsansprüche auf Grundlage eines Folgenbeseitigungsanspruchs verlangen.
Auch die Aufrechnung der Steuererstattungsansprüche durch den Beklagten stellt einen hoheitlichen Eingriff dar. Dieser verletzte ein subjektives Recht des Klägers, weil die Ansprüche des Klägers auf die Steuererstattungen zu Recht abgetreten worden waren und daher die Aufrechnungen zu Unrecht erfolgt sind. Allerdings dauert der hierdurch verursachte rechtswidrige Zustand nicht an. Die Wirkung der Aufrechnungen ist durch das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 25. Januar 2007 (5 K 158/02) aufgehoben worden; ihre Folgen wurden daher beseitigt, als der aufgerechnete Erstattungsbetrag inzwischen durch den Beklagten ausgezahlt worden ist.
Der aus den Aufrechnungen resultierende Zinsschaden des Klägers ist als mittelbare Folge des hoheitlichen Handelns aus den genannten Gründen nicht von einem Folgenbeseitigungsanspruch abgedeckt. Er ist auch nicht gegenüber dem Beklagten, sondern allenfalls gegenüber der GmbH geltend zu machen, die durch die Aufrechnung bereichert wurde.
4.
Ein Anspruch auf Ersatz des Zinsschadens könnte von dem Kläger allenfalls wegen einer Amtspflichtverletzung (§ 839 des Bürgerlichen Gesetzbuches i.V.m. Art. 34 des Grundgesetzes) geltend gemacht werden. Zur Entscheidung über derartige Streitigkeiten sind aber nicht die Finanzgerichte, sondern ausschließlich die ordentlichen Gerichte (Landgericht) gem. § 71 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m.§ 17 Abs. 2 Satz 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes und Art. 34 Satz 3 des Grundgesetzes zuständig (vgl. FG München, Urteil vom 15. September 1992 13 K 1408/92, [...]; Lückemann in Zöller, Zivilprozessordnung. Kommentar, 27. Auflage 2009, § 13 GVG Rn. 45).
Im Streitfall ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass die Umsatzsteuererstattungsansprüche der GmbH im Januar 1996 - auf Antrag der GmbH - mit rückständigen Steuerschulden der GmbH bzw. sog. "Schwestergesellschaften" verrechnet wurden. Mit der Verrechnung hat der Beklagte seine Erstattungspflicht gegenüber der GmbH erfüllt. Da gleichzeitig mit Erstattungsanspruch auch die rückständigen Steuern untergegangen sind, ist es ab dem Zeitpunkt der Wirksamkeit der Verrechnung zu keinen Zinsnachteilen für die GmbH gekommen. Für Zinsnachteile ab diesem Zeitpunkt kann sich der Kläger - auch zivilrechtlich - nicht an den Beklagten, sondern allenfalls an die GmbH halten.
5.
Im Hinblick auf den Zeitraum von der Entstehung der Umsatzsteuern bis zur Verrechnung der Erstattungsansprüche im Januar 1996 sieht das Gericht keine Möglichkeit für eine erfolgversprechende Vorlage an das Bundesverfassungsgericht wegen verfassungsrechtlicher Bedenken gegen die bestehende Rechtslage in Bezug auf die Verzinsung von Steuererstattungsansprüchen.
Die fehlende Verzinsung von Steuererstattungen wird allgemein nicht als gleichheitswidrig angesehen. Sowohl der Bundesfinanzhof als auch das Schrifttum gehen davon aus, dass die gesetzlichen Vorschriften über die Verzinsung von Steuererstattungsansprüchen - bei aller Kritikwürdigkeit - verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen, da keine allgemeine Verzinsungspflicht bestehe (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 31. Oktober 1974 IV R 160/69, BFHE 114, 397, BStBl II 1975, 370 ; vom 17. Februar 1987 VII R 21/84 BFHE 149, 15, BStBl II 1987, 368 sowie FG Bremen, Urteil vom 28. April 1992 II 143/87 K , EFG 1992, 503; Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung. Kommentar, § 233 AO Tz. 1 und § 233a AO Tz. 1; Heuermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung. Kommentar, § 233a AO Anm. 9; Kögel in Beermann/Gosch, Abgabenordnung/ Finanzgerichtsordnung. Kommentar, § 233 AO Rz. 7; Schwarz in Schwarz, Abgabenordnung. Kommentar, § 233a AO Rz. 1; Rüsken in Klein, Abgabenordnung. Kommentar, 10. Auflage 2009, § 233a AO Rz. 3;König in Pahlke/König, Abgabenordnung. Kommentar, 2. Auflage 2009, § 233 AO Rz. 4). Der Bundesfinanzhof bewertet die bestehende Situation zwar ausdrücklich als unbefriedigend; sie sei aber hinzunehmen und müsse, weil vom Gesetzgeber gewollt, beachtet werden (BFH-Urteil vom 29. April 1997 VII R 91/96, BFHE 182,253, BStBl II 1997,476 ). Das Gericht sieht vor diesem Hintergrund keine Möglichkeit für eine erfolgversprechende Vorlage an das Bundesverfassungsgericht, auch wenn es sich ausdrücklich den wirtschaftlichen Bedenken des Klägers anschließt.
6.
Die unterbleibende Verzinsung der Umsatzsteuererstattungsansprüche führt auch nicht zu europarechtlichen Bedenken.
Nach dem von dem Kläger angeführten Effektivitätsgrundsatz verbietet das Gemeinschaftsrecht dem nationalen Recht grundsätzlich, die Ausübung der durch die Gemeinschaftsrechtsordnung verliehenen Rechte praktisch unmöglich zu machen oder übermäßig zu erschweren (vgl. z.B. EuGH-Urteil vom 8. März 2001 Rs. C-397/98 u.a., EuGHE 12001, 1727).
Im Streitfall liegt ein Verstoß gegen diesen Grundsatz aber nicht vor, da dem Kläger die Ausübung der durch die Gemeinschaftsrechtsordnung verliehenen Rechte jedenfalls nicht durch die fehlende Verzinsung praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig zu erschwert wird. Zwar ist die erstattete Umsatzsteuer, für die der Kläger eine Verzinsung begehrt, zunächst auf Grundlage nicht europarechtskonformer Gesetzesauslegung erhoben worden. Eine hieraus folgende Erstattung oder Entschädigung - z.B. für den dadurch erfolgten Entzug der Liquidität - ist jedoch nicht auf Grundlage einer Verzinsung nach § 233a AO, sondern - allenfalls - über einen (zivilrechtlichen) Schadensersatzanspruch geltend zu machen. Ein Verstoß gegen den Effektivitätsgrundsatz ist hierin nicht erkennbar (BFH-Urteil vom 18. September 2007 I R 15/05, BFHE 219, 1, BStBl 112008,332).
Auch insoweit ist zu berücksichtigen, dass der Umsatzsteuererstattungsanspruch aus den oben genannten Gründen der GmbH zustand und von dem Beklagten dieser gegenüber mit der Verrechnung mit rückständigen Steuerschulden erfüllt worden ist.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.