Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 13.09.2023, Az.: 1 A 3806/21

Ermessen; Ermessensreduzierung; Realverband; Sondernutzung; Verbandsweg; Sondernutzungsrecht an der Wegefläche eines Realverbandes zur Erschließung eines Tierheims

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
13.09.2023
Aktenzeichen
1 A 3806/21
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2023, 38541
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGHANNO:2023:0913.1A3806.21.00

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Bei der Entscheidung einer Feldwegeinteressentenschaft über die Einräumung einer Wegesondernutzung hat sich die Ermessensausübung an Gründen zu orientieren, die einen sachlichen Bezug zur Unterhaltung der Feldwege haben

  2. 2.

    Einzelfall einer Ermessensreduzierung auf Null angesichts besonderer Umstände

Tenor:

Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger das beantragte Sondernutzungsrecht zur Benutzung der Wegefläche der Beklagten auf dem Grundstück Gemarkung A-Stadt, F., G. und H. gemäß den im als Anlage zur Klageschrift vorgelegten Lageplan (Bl. 26 d. A.) kenntlich gemachten Flächen einzuräumen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Beteiligten tragen die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um ein Sondernutzungsrecht auf einem Verbandsweg und die Abgabe einer Baulasterklärung.

Der Kläger, ein Verein, der bisher unter der im Rubrum angegebenen Anschrift ein Tierheim betreibt und die Aufgabe der Unterbringung von Fund- und Verwahrtieren wahrnimmt, ist Eigentümer des im Gebiet des beklagten Realverbandes, der Feldwegeinteressentschaft A-Stadt, gelegenen Grundstücks I. 2, A-Stadt (Flurstücke J. und K. der F. der Gemarkung A-Stadt) und damit Mitglied der Beklagten. Das im Außenbereich in einem Landschaftsschutzgebiet gelegene klägerische Grundstück grenzt im Westen an einen asphaltiert ausgebauten Wirtschaftsweg der Beklagten (L. der F. der Gemarkung A-Stadt) und nach Süden an das ebenfalls im Eigentum der Beklagten stehende M. der F. der Gemarkung A-Stadt an, welches parallel zur N. (O.) verläuft und lediglich in dem dem L. vorgelagerten Bereich ebenfalls als Wirtschaftsweg ausgebaut ist. Aus jeder Richtung der O. besteht in einem Winkel von 45 Grad eine Zufahrtsmöglichkeit in den Wirtschaftsweg, auf den als dritte Möglichkeit auch rechtwinklig abgebogen werden kann. Jenseits der Zufahrt auf das klägerische Grundstück ist ausweislich des vorgelegten Bildmaterials in Richtung Feldmark auf dem Realverbandsweg das Verkehrszeichen 260 (Durchfahrtsverbot für mehrspurige Kraftfahrzeuge und Motorräder) mit dem Zusatzschild "Landwirtschaftlicher Verkehr frei" aufgestellt.

In der Vergangenheit war das klägerische Grundstück, auf dem sich ein Wohnhaus, ein ehemaliges Stallgebäude mit drei ausgebauten Wohnungen sowie daran angrenzend zwei Hallen befinden, zuletzt für einen Gartenbaubetrieb genutzt worden. Der Kläger strebt eine Nutzung als Tierheim an.

Auf eine Bauvoranfrage vom 19. September 2018 erhielt der Kläger hinsichtlich der planungsrechtlichen Zulässigkeit unter dem 18. Dezember 2018 einen positiven Bauvorbescheid für eine Nutzung als Tierheim (nicht als Tierpension) mit einer Tierarztpraxis sowie Wohnnutzung für den Tierarzt/Mitarbeiter des Tierheims als untergeordnete Nebenanlagen im Rahmen des Konzepts der best- und schnellstmöglichen Versorgung der Tiere, unter anderem mit folgender Maßgabe:

"Die verkehrliche Erschließung ist zu sichern. Dazu ist im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens die Erschließungsmöglichkeit entweder durch eine direkte Verbindung zur N. oder eine Baulastregelung über den westlich des Grundstücks verlaufenden Wirtschaftsweg nachzuweisen."

Der Widerspruch der Beklagten gegen den Bauvorbescheid wurde mit Widerspruchsbescheid der Stadt A-Stadt vom 16. November 2020 zurückgewiesen. Die daraufhin gegen den Bauvorbescheid erhobenen Klagen der Beklagten (VG Hannover, P.) sowie einer Jagdgenossenschaft (VG Hannover, Q.) sind noch anhängig.

Nach Erwerb des Grundstücks I. 2, Beantragung einer Baugenehmigung für die Umnutzung landwirtschaftlicher Betriebsflächen in ein Tierheim und Zurückweisung des Widerspruchs der Beklagten gegen den Bauvorbescheid beantragte der Kläger bei dieser unter dem 23. Dezember 2020 "die Genehmigung der Sondernutzung zum Wegerecht für das Anwesen I. 2 auf der entsprechenden Teilstrecke des Realverbandsweges". Zur Begründung führte er aus, er beabsichtige nach entsprechendem Umbau der vorhandenen Bausubstanz die Errichtung eines Tierheimes zur Unterbringung von Fundtieren. Mit dem Betrieb des Tierheimes werde, wenn auch in geringem Maße, Besucher- und Lieferverkehr einhergehen. Vorsorglich einer Qualifizierung dieser Verkehre als nicht der landwirtschaftlichen Nutzung entsprechend werde der Antrag auf Genehmigung einer Sondernutzung zum bestehenden Wegerecht gestellt. Es bestehe Bereitschaft, für die in diesem Zusammenhang entstehenden höheren Unterhaltungskosten aufzukommen.

Mit Schreiben vom 9. März 2021 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers ab. Die beabsichtigte Nutzung der Verbandswege entspreche nicht deren Zweckbestimmung als landwirtschaftliche Wirtschaftswege und gehe über die "normale übliche Nutzung" hinaus. Die Nachteile durch den in Rede stehenden landwirtschaftsfremden Verkehr könnten nicht hingenommen werden. Zwar habe der Kläger sich zur Tragung der höheren Unterhaltungskosten bereiterklärt. Zum einen könne aber deren Umfang mangels näherer Angaben zu dem durch das Vorhaben ausgelösten Ziel- und Quellverkehr nicht beurteilt werden; zum anderen seien auch die Interessen der Allgemeinheit sowie der Gesamtheit der Mitglieder des Realverbandes zu berücksichtigen. Die überwiegende Mehrheit der Mitglieder des Realverbandes lehne die Wegebenutzung im Zusammenhang mit dem Betrieb des geplanten Tierheims ab, weil 1. der Betrieb eines Tierheims das Landschaftsschutzgebiet Solling-Vogler signifikant beeinträchtigen würde, und zwar aufgrund der durch den Ziel- und Quellverkehr und die von dem Grundstück ausgehenden Lärmimmissionen (Hundegebell) sowie aufgrund von Störungen durch von Ehrenamtlichen durchgeführte Hundespaziergänge in der Feldmark, 2. weil die von dem Vorhaben ausgelösten Störungen, insbesondere die Lärmimmissionen, zu einem Meidungsverhalten von Wildtieren bzw. dauerhafter Verringerung der Wildtierpopulation führen und daher Nachteile für die Ausübung der Jagd durch die Jagdgenossenschaft A-Stadt, deren Mitglieder teilweise Mitglieder der Beklagten seien, mit sich bringen würde, wobei auch befürchtet werde, dass sich der An- und Abfahrtsverkehr nicht auf die direkte Verbindung zwischen Tierheim und Kreisstraße beschränken, sondern hauptsächlich quer durch die Feldmark abwickeln würde, 3. weil die Kontamination der Wiesen und Weiden im Umfeld des klägerischen Grundstücks mit Hundekot unzumutbare Nachteile für die landwirtschaftlichen Betriebe mit sich bringe, weil das vom Hundekot berührte Gras wegen möglicher Übertragung des einzelligen Parasiten Neospora caninum für die Futtermittelgewinnung nicht mehr zu gebrauchen sei, 4. weil sich durch den von dem Vorhaben zusätzlich ausgelösten Verkehr nicht nur der Unterhaltungsaufwand, sondern auch das Haftungsrisiko im Hinblick auf die Verkehrssicherungspflicht erhöhen würde und die tatsächliche Nutzbarkeit durch die Verbandsmitglieder aufgrund erhöhten Begegnungsverkehrs auf den schmalen Verbandswegen und entlang der Wege abgestellter Fahrzeuge (s. Fotodokumentation vom 6. April 2019) eingeschränkt wäre, zumindest nicht ohne Beschädigung der Seitenbereiche abgewickelt werden könnte, wohingegen eine technisch mögliche Beschrankung der Realverbandswege zu nicht hinnehmbaren Behinderungen, zusätzlichem Kraftstoffverbrauch und Umweltbelastungen führen würde, 5. weil der geplante Betrieb des Tierheims zwar ohne die beantragte Sondernutzungserlaubnis mangels anderweitiger Zuwegung nicht möglich sei, jedoch das bereits bestehende Tierheim am bisherigen Standort weiterbetrieben werden könne.

Am 14. Mai 2021 hat der Kläger Klage erhoben, mit der er sein Begehren weiterverfolgt. Mit der Versagung eines Sondernutzungsrechts habe die Beklagte zugleich die Abgabe einer Baulasterklärung abgelehnt. Die Gesamtstrecke des einzutragenden bzw. zu belastenden Sondernutzungsrechts betrage 65 m, die täglich mit maximal 5 PKWs befahren werde. Ausweislich der Betriebsbeschreibung im Rahmen des Nutzungsänderungsverfahrens würden maximal 25 Hunde gehalten werden, bei durchschnittlicher Belegung allerdings nur 5 bis 7 Hunde. Für die Versorgung der Hunde sei kein Schwerlastverkehr erforderlich. Werktäglich könne durchschnittlich allenfalls mit 3 An- und Abfahrten gerechnet werden, was sich im Rahmen der üblichen Nutzung des Verbandsweges halte, zumal auf dem Feldweg "R." ein Holzumschlagplatz betrieben werde. Aus dem gesamten Landkreis werde dort Holz abgelagert, wieder auf andere LKWs aufgeladen und abgefahren. Durch den Schwerlastverkehr sei die Asphaltdecke der Feldwege in den Randbereichen regelrecht weggebrochen und abgängig. Zu berücksichtigen sei auch der Umstand, dass die Beklagte im Falle der ebenfalls in der Feldmark liegenden Tierpension S., die nur über einen 20 m langen Feldweg erreichbar sei, keine Einwände gegen die Nutzung der Wegeflächen erhebe. Auch die Erschließung eines Wohnhauses der Tochter des Vorsitzenden des Beklagten über 50 m Verbandswegefläche habe der Beklagte zugelassen. Nennenswerte Lärmimmissionen gingen von der geplanten Nutzung des klägerischen Grundstücks nicht aus. Bei dem Tierheim handele es sich außerdem um ein dem Tierschutz dienendes und im öffentlichen Interesse liegendes privilegiertes Vorhaben im Außenbereich. Daher seien Einwände der Jagdgenossenschaft nicht zu berücksichtigen. Aufgrund der ansonsten umfangreichen Nutzung der Wegefläche durch Schwerlastverkehr könne auch ausgeschlossen werden, dass durch werktägliche drei An- und Abfahrten das Jagdausübungsrecht beeinträchtigt sei. Dies gelte auch für das befürchtete Hundegebell, zumal die gesamte Feldmark im streitbefangenen Bereich von vielen Hundebesitzern als "Gassiweg" genutzt werde. Eine Beeinträchtigung der landwirtschaftlichen Nutzung durch das Vorhaben, insbesondere durch Hundekot, sei ebenfalls nicht ersichtlich. Ausweislich einer Bescheinigung der Tierärztin T. vom 6. Oktober 2021 würden alle Tiere im Tierheim regelmäßig entwurmt und bei Auffälligkeiten in der Kotbeschaffenheit Untersuchungen auf Parasiten durchgeführt und bei fraglichen Ergebnissen Kotproben an ein veterinärmedizinisches Labor gesendet. Bislang habe es kein Ergebnis mit Neospora caninum gegeben. Der durch das Vorhaben ausgelöste zusätzliche Verkehr löse weder einen zusätzlichen Unterhaltungsaufwand, noch ein nicht zu kalkulierendes Haftungsrisiko aus. Die Öffnungszeiten des Tierheims seien nur an drei Werktagen nachmittags vorgesehen. Stellplätze sollen auf dem klägerischen Grundstück ausgewiesen werden. Die von der Beklagten herausgestellte erhebliche Wegenutzung am 6. April 2019 sei einer Sondersituation (Versteigerung des Inventars) geschuldet gewesen, welche mit der Nutzung als Tierheim nichts zu tun habe. Soweit die Beklagte schließlich auf die Lage des Betriebsgrundstücks im Landschaftsschutzgebiet hingewiesen habe, sei unter dem 23. November 2018 eine Befreiung nach § 67 BNatSchG für die Nutzungsänderung der Gebäude in ein Tierheim und eine Tierarztpraxis erteilt worden. Im Übrigen nimmt der Kläger Bezug auf sein im Wesentliches inhaltsgleiches Vorbringen im Klageverfahren U..

Der Kläger beantragt,

dem Kläger das beantragte Sondernutzungsrecht zur Benutzung der Wegefläche der Beklagten auf dem Grundstück Gemarkung A-Stadt, V. und Y. gemäß den in der Anlage zur Klageschrift beigefügten Lageplan (Bl. 26 der Akte) kenntlich gemachten Flächen einzuräumen und weiterhin zu verurteilen, die hierzu erforderliche Baulasterklärung gemäß § 4 Abs. 2 NBauO auf den Grundstücken Gemarkung A-Stadt, F., Z. und Y. abzugeben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie wiederholt und vertieft die unter dem 9. März 2021 mitgeteilten Argumente. Der Realverbandsweg habe das Vorhabengrundstück in der Vergangenheit lediglich bezogen auf eine landwirtschaftliche Nutzung erschlossen. Die Nutzung zur Erschließung des Tierheims gehe über die "normale übliche Nutzung" im Sinne des § 7 RealVerbG für den einfachen landwirtschaftlichen Verkehr hinaus. Auf ihren Wegen werde auch weder eine Holzlagerung noch ein Holzumschlagplatz betrieben. Die auf den Lichtbildern abgebildeten LKW stünden ebenfalls nicht auf ihren Wegen, sondern auf einem nicht in ihrem Eigentum stehenden Hofgrundstück. Der Holztransport über ihre Wege sei als landwirtschaftlicher Verkehr zu qualifizieren. Der gewerblichen Tierpension sei kein Sondernutzungsrecht eingeräumt worden. Diese sei über einen im Eigentum der Stadt A-Stadt stehenden Weg erschlossen. Eine etwaige "Zweiterschließung" über Verbandsvermögen geschehe ohne ihr Wissen und Wollen. Gegen die Nutzung des vorliegend in Rede stehenden Verbandsweges als beliebte Abkürzung zwischen der Kreisstraße und der Stadt A-Stadt könne sie ordnungsbehördlich nicht vorgehen, bitte aber regelmäßig die Polizei darum, Kontrollfahrten vorzunehmen und die illegale Wegenutzung zu unterbinden. Im Ergebnis sei die angestammte Zweckbestimmung der Verbandswege weder ausdrücklich noch konkludent durch Duldung abgeändert worden. Die Entscheidung über die Versagung der Sondernutzung (Ablehnungsschreiben vom 9. März 2021) sei ermessensfehlerfrei getroffen worden. Die Richtigkeit der tierärztlichen Bescheinigung sei in Zweifel zu ziehen. Das Ereignis vom 6. April 2019 belege, dass der Kläger auf seine Mitglieder/Besucher nicht hinreichend einwirke, um diese von einem Abstellen ihrer PKW entlang der Realverbandswege abzuhalten. Eine Wiederholung bei vergleichbaren Aktionen (z.B. Eröffnungsfeier, Tage der offenen Tür etc.) stehe zu befürchten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Beklagten in diesem Verfahren sowie in dem Verfahren U. Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage hat zum Teil Erfolg.

1.

Sie ist zulässig und begründet, soweit sie darauf gerichtet ist, dem Kläger das beantragte Sondernutzungsrecht einzuräumen.

Der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 VwGO ist gegeben, weil es sich bei der Klage um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art handelt. Der Realverband ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts (§ 2 Abs. 1 Satz 1 RealVerbG). Das Rechtsverhältnis zwischen einem Realverband und seinen Mitgliedern ist abschließend öffentlich-rechtlich geregelt. Dies gilt insbesondere für das sich aus § 7 RealVerbG ergebende Recht eines Mitglieds, das Verbandsvermögen zu benutzen (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 22.09.2008 - 10 LA 178/07 -, juris Rn. 14). Als Eigentümer eines Grundstücks im Verbandsgebiet ist der Kläger gemäß § 6 Abs. 2 Nr. 3 RealVerbG und § 3 der Satzung der Beklagten Inhaber eines Verbandsanteils und damit gemäß § 6 Abs. 1 RealVerbG Mitglied der Beklagten.

Das Begehren des Klägers ist als Verpflichtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 VwGO statthaft. Der Kläger hat bei der Beklagten einen förmlichen Antrag auf Genehmigung einer Sondernutzung gestellt, den diese mit Schreiben vom 9. März 2021 abgelehnt hat. Auch wenn das Schreiben weder als Bescheid bezeichnet noch mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen worden ist, handelt es sich nach seinem Inhalt um einen ablehnenden Verwaltungsakt im Sinne von § 35 VwVfG i.V.m. § 1 Abs. 1 NVwVfG. Insbesondere fehlt es nicht an einer unmittelbaren Rechtswirkung nach außen, denn der Kläger ist in seiner persönlichen Rechtsstellung und nicht nur in einer Innenrechtsposition betroffen. Mithin kann auf die Verpflichtung zum Erlass des abgelehnten Verwaltungsaktes geklagt werden.

Die Klage ist am 14. Mai 2021 auch fristgerecht erhoben worden. Da dem Ablehnungsschreiben vom 9. März 2021 keine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt war, war gemäß § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO die Klageerhebung binnen Jahresfrist möglich.

Die Klage auf Einräumung des Sondernutzungsrechts ist begründet. Die Ablehnung der begehrten Sondernutzung auf dem Verbandsweg der Beklagten durch Bescheid vom 9. März 2021 ist wegen eines Ermessensfehlers rechtswidrig (§ 114 Satz 1 VwGO) und verletzt den Kläger dadurch in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Angesichts der Besonderheiten der vorliegenden Fallkonstellation ist der Ermessensspielraum der Beklagten auf Null reduziert und kann der Kläger als einzig ermessensfehlerfreie Entscheidung die Erteilung der beantragten Sondernutzungserlaubnis beanspruchen (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers auf Einräumung eines Sondernutzungsrechts ist § 29 Abs.2 i.V.m. § 7 RealVerbG. Allerdings ist eine förmliche Sondernutzungserlaubnis im Realverbandsgesetz nicht ausdrücklich geregelt. Nach § 7 Abs. 1 RealVerbG ist der Inhaber eines Verbandsanteils zur Benutzung des Verbandsvermögens berechtigt. Bei den Verbandswegen handelt es sich gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RealVerbG um Zweckvermögen. Die Mitglieder des Realverbandes können das Zweckvermögen in den Grenzen seiner Zweckbestimmung benutzen. Für den Umfang und die Grenzen der Zweckbestimmung ist die bisherige Nutzungs- und Überlassungspraxis unter Berücksichtigung der dem Realverband nach § 3 RealVerbG obliegenden Aufgaben maßgebend. Geht die begehrte Nutzung des Zweckvermögens über diese übliche Nutzung hinaus, so kann das Mitglied des Verbandes die dann beabsichtigte übermäßige Nutzung (Sondernutzung) nicht ohne Weiteres beanspruchen, sondern bedarf der Zustimmung des Realverbandes, wobei die Entscheidung über die begehrte Sondernutzung im Ermessen des Realverbandes steht. Lässt sich die beabsichtigte Sondernutzung nicht mit der Wahrnehmung der dem Realverband nach § 3 RealVerbG obliegenden Aufgaben und Zuständigkeiten vereinbaren, etwa wenn der Verlust oder eine die Nutzung beeinträchtigende Beschädigung des Vermögensgegenstandes droht, verbietet sich eine Zustimmung (Nds. OVG, Beschl. v. 22.09.2008 - 10 LA 178/07 -, juris Rn. 6). Der Verband ist im Falle der Zustimmung unter den Voraussetzungen des § 29 Abs. 2 Satz 2 RealVerbG zur Erhebung erhöhter Beiträge berechtigt. Eine Benutzung des Verbandsvermögens, die die Substanz schädigt, ist keine übermäßige Nutzung mehr, sondern eine im zivilrechtlichen Sinne unerlaubte Handlung, die zu Schadensersatzverpflichtungen gegenüber dem Realverband führen kann (vgl. Thomas/Tesmer, Niedersächsisches Realverbandsgesetz, 12. Aufl., § 7 Erl. 3.2). Die ordnungsgemäße Mitgliedernutzung umfasst nur den Verschleiß, aber nicht die Substanzschädigung (Thomas, Die Nutzung der Wege der niedersächsischen Realverbände, RdL 2016, S. 281 (282)). Die Teilnahmerechte des Mitgliedes sind zudem durch ein bestimmtes Maß begrenzt, das sich daraus ergibt, was ein vernünftiges, an der Erhaltung der gemeinschaftlichen Gegenstände interessiertes Mitglied tun würde (Thomas/Tesmer, a. a. O., § 7 Erl. 3.2).

Die im Eigentum der Beklagten stehenden Wege dienen der Erschließung der landwirtschaftlich genutzten Grundstücke "außerhalb des Aufbaugebietes der Stadt A-Stadt" (Verbandsbereich gemäß § 1 Abs. 2 der Satzung der Beklagten). Aufgabe der Beklagten ist es, ihren Mitgliedern den Zugang zu ihren Grundstücken zwecks landwirtschaftlicher Nutzung zu gewährleisten. Landwirtschaft (Agrarwirtschaft) ist Teil des Wirtschaftssektors der Urproduktion (Primärsektor), der Nutzung der Erdoberfläche als organisch mitwirkendem Produktionsfaktor, mit dem Ziel der Herstellung pflanzlicher oder tierischer Erzeugnisse auf einer zu diesem Zweck bewirtschafteten Fläche (Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Gartenbau, Fischerei, Jagd) (Thomas/Tesmer, a.a.O., § 7 Erl. 3.1). In der Regel werden die Verbandswege dazu mit landwirtschaftlichen Fahrzeugen wie Treckern mit Anhängern, Mähdreschern und ähnlichen Fahrzeugen befahren. Dabei handelt es sich um einfachen landwirtschaftlichen Verkehr. Das ist die übliche Nutzung.

Ob in der Vergangenheit der Zugang zum klägerischen Grundstück ausschließlich oder doch nur teilweise im Rahmen der üblichen landwirtschaftlichen Nutzung erfolgt ist (Gartenbaubetrieb mit umfangreicher Wohnnutzung), kann offenbleiben. Der nunmehr beabsichtigten Nutzungsänderung (Tierheim mit Tierarztpraxis mit untergeordneter Wohnnutzung) fehlt es nämlich gänzlich am landwirtschaftlichen Bezug. Sie liegt daher außerhalb der Zweckbestimmung der Realverbandswege. Zu einer anderen Einschätzung führt nicht etwa der Umstand, dass die Stadt A-Stadt mit - rechtlich angegriffenem - Bauvorbescheid vom 18. Dezember 2018 die geplante Nutzungsänderung als im Außenbereich privilegiertes Vorhaben gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB eingeordnet und bauplanungsrechtlich mit Maßgaben für zulässig gehalten hat. Denn auch baurechtlich handelt es sich nicht um eine landwirtschaftliche Nutzung. Nach § 201 BauGB ist Landwirtschaft im Sinne dieses Gesetzes insbesondere der Ackerbau, die Wiesen- und Weidewirtschaft einschließlich Tierhaltung, soweit das Futter überwiegend auf dem zum landwirtschaftlichen Betrieb gehörenden, landwirtschaftlich genutzten Flächen erzeugt werden kann, die gartenbauliche Erzeugung, der Erwerbsobstbau, der Weinbau, die berufsmäßige Imkerei und die berufsmäßige Binnenfischerei. An einer für den Begriff der Landwirtschaft charakteristischen Urproduktion fehlt es dem klägerischen Vorhaben. Die Zweckbestimmung der Wege hat sich auch nicht durch eine veränderte Überlassungs- und Nutzungspraxis gewandelt. Soweit der Kläger auf Holzlagerungen bzw. Transporte hinweist, handelt es sich um eine der landwirtschaftlichen Nutzung gleichzuachtende forstwirtschaftliche Nutzung. Soweit es die Zufahrt zu einer Tierpension betrifft, hat die Beklagte vorgetragen, dass der dort betroffene Weg im Eigentum der Stadt A-Stadt steht. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass andere Mitglieder der Beklagten den hier in Rede stehenden Weg in qualitativ und quantitativ ähnlicher Weise mit Erlaubnis der Beklagten für nicht landwirtschaftliche Zwecke nutzen. Abgesehen davon ist die Tierpension mehrere Kilometer von der streitgegenständlichen Wegefläche entfernt südlich der AA. gelegen, so dass die Grundstückssituation nicht vergleichbar ist. Die nach den Schilderungen der Beteiligten faktische Nutzung des in Rede stehenden Feldweges als Abkürzungsstrecke zwischen der Stadt A-Stadt und der O. sowie die "Zweiterschließung" der benannten Tierpension über einen entfernt gelegenen, weiteren Feldweg der Beklagten hat nicht zu einer Änderung der allein landwirtschaftlichen Zweckbestimmung der Wege geführt. Allein ein Nichteinschreiten oder Dulden einer solchen Nutzungspraxis ist nicht mit einer Einwilligung im Sinne einer Widmungsänderung gleichzusetzen (vgl. VG Hannover, Urt. v. 04.02.2019 - 1 A 6911/16 -, juris Rn. 19). Im Übrigen hat die Beklagte vorgetragen, dass eine etwaige "Zweiterschließung" ohne ihr Wissen und Wollen erfolge und dass sie wegen der Nutzung ihrer Feldwege als Abkürzungsstrecke regelmäßig an die Polizei herantrete, um diese Praxis zu unterbinden. Soweit es die Erschließung des Wohngrundstücks der Tochter des Vorsitzenden der Beklagten betrifft, liegt keine mit dem klägerischen Vorhaben vergleichbare Situation vor. Wie in der mündlichen Verhandlung erläutert worden ist, liegt deren Grundstück nicht im Außenbereich und schließt die dort betroffene Verbandswegefläche unmittelbar an den Innenbereich an, so dass angesichts der Bebauungssituation zukünftig eventuell eine Aufgabe des Realverbandsvermögens in jenem Bereich in Betracht kommt.

Der mit dem geplanten Betrieb des Klägers verbundene An- und Abfahrtsverkehr würde sich nach diesem Befund nicht im Rahmen der üblichen Nutzung der Verbandswege der Beklagten bewegen, sondern eine übermäßige Nutzung darstellen. Vor diesem Hintergrund hat der Kläger denn auch bei der Beklagten gemäß § 29 Abs. 2 RealVerbG einen Antrag auf Sondernutzung einer Teilstrecke des Realverbandsweges als Zuwegung zu seinem Grundstück gestellt.

Die Zustimmung des Realverbandes zur Wegesondernutzung gegenüber einem Verbandsmitglied stellt einen begünstigenden Verwaltungsakt i.S.d. § 35 VwVfG i.V.m. § 1 Abs. 1 NVwVfG dar. Der Kläger hat mit seinem auf Verpflichtung zur Einräumung eines Sondernutzungsrechts gerichteten Antrag Erfolg. Die Beklagte hat den Antrag des Klägers auf Sondernutzung mit Schreiben vom 9. März 2021 ermessensfehlerhaft abgelehnt. Angesichts der besonderen Umstände des Falles ist das der Beklagten eingeräumte Ermessen zudem in der Weise auf Null reduziert ist, dass allein die Erteilung der Erlaubnis zur Sondernutzung die einzige ermessensfehlerfreie Entscheidung darstellt.

Der Umstand, dass der Kläger Mitglied der Beklagten ist und sich bereit erklärt hat, für mit der beabsichtigten Sondernutzung verbundene höhere Unterhaltungskosten aufzukommen, führt allerdings noch nicht zu einer entsprechenden Reduzierung des Ermessens der Beklagten. Denn aus § 29 Abs. 2 Satz 2 RealVerbG folgt lediglich, dass der Realverband die Möglichkeit hat, eine über das übliche Maß hinausgehende Nutzung des Verbandsvermögens zuzulassen und hierfür einen erhöhten Beitrag zu erheben. Ein grundsätzlicher Anspruch auf Zulassung lässt sich daraus hingegen nicht ableiten (Nds. OVG, Beschl. v. 22.09.2008 - 10 LA 178/07 -, juris Rn. 10).

Das dem Realverband eingeräumte Ermessen ist gemäß § 40 VwVfG i.V.m. § 1 Abs. 1 NVwVfG entsprechend dem Zweck des § 29 Abs. 2 Satz 2 RealVerbG unter Einhaltung der gesetzlichen Grenzen, insbesondere des Prinzips der Verhältnismäßigkeit und des Gebots der Gleichbehandlung, auszuüben. Der Prüfungsumfang des Gerichts ist bei der Überprüfung von Ermessensentscheidungen gemäß § 114 VwGO dahingehend begrenzt, dass das Gericht zu prüfen hat, ob die Entscheidung ohne Ermessensfehler getroffen worden ist. Es gelten die allgemeinen Ermessensgrenzen, so dass sich Ermessensfehler aus dem Ermessensnichtgebrauch (Ermessensausfall, Ermessensunterschreitung), dem Ermessensfehlgebrauch (Ermessensmissbrauch) und der Ermessensüberschreitung ergeben können. Hier liegt ein Ermessensfehlgebrauch vor. Die Beklagte hat von ihrem Ermessen in einer dem Zweck des § 29 Abs. 2 Satz 2 RealVerbG nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht.

Zutreffend hat sie zwar erkannt, dass sie bei der Entscheidung über die beantragte Sondernutzung Ermessen auszuüben hat. Bei der Ermessensentscheidung über die Zulassung einer Wegesondernutzung sind die Interessen der Allgemeinheit, der Gesamtheit der Mitglieder des Realverbandes und diejenigen des die Sondernutzung begehrenden Mitglieds entsprechend ihrem Gewicht zu berücksichtigen (Nds. OVG, Beschl. v. 22.09.2008 - 10 LA 178/07 -, juris Rn. 9). Hieran hat die Beklagte sich augenscheinlich ausrichten wollen, indem sie ihre Entscheidung mit den Interessen der Allgemeinheit sowie der Gesamtheit der Mitglieder des Realverbandes begründet hat, welche die Wegebenutzung im Zusammenhang mit dem Betrieb des geplanten Tierheims ablehnen, und diese den Interessen des Klägers gegenübergestellt hat. Nach § 3 RealVerbG ist es Aufgabe eines Realverbandes, die gemeinschaftlichen Angelegenheiten und sein sonstiges Vermögen im Einklang mit den Interessen der Allgemeinheit zum Nutzen der Mitglieder zu verwalten. Im Falle einer Feldwegeinteressentenschaft hat sich dabei die Ermessensausübung naturgemäß an Gründen zu orientieren, die einen sachlichen Bezug zur Unterhaltung der Feldwege haben. Insbesondere können bei sachgerechter Ermessensausübung nicht sämtliche Aspekte, die Gegenstand gesonderter behördlicher bauplanungs- oder naturschutzrechtlicher Entscheidungen sind, in die Entscheidung über ein Sondernutzungsrechts einbezogen und diesem entgegengehalten werden. Das hat die Beklagte bei den Ablehnungsgründen 1. -3. verkannt. Weder die erstens befürchteten Beeinträchtigungen des Landschaftsschutzgebietes (durch Ziel- und Quellverkehr, durch Lärmimmissionen (Hundegebell) auf dem Vorhabengrundstück und "Gassirunden" in der Feldmark), noch die zweitens befürchtete Beeinträchtigung der Möglichkeiten der Jagdausübung durch Verringerung der Wildtierpopulation und die drittens befürchteten wirtschaftlichen Nachteile infolge einer Verkotung der umliegenden Wiesen und Weiden sind im Rahmen einer die Nutzung der Feldwege zu treffenden Entscheidung zu berücksichtigen. Für den Zustand der Feldwege sind diese Interessen nicht von Belang. In der maßgeblichen Entscheidung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 22. September 2008 (- 10 LA 178/07 -, juris Rn. 9) geht es im Rahmen der Ermessenserwägungen insoweit ebenfalls lediglich um mit der Sondernutzung einhergehende direkte Beeinträchtigungen für die Wege und deren tatsächliche Nutzbarkeit für die Verbandsmitglieder.

Selbst wenn man die Argumentation der Beklagten hinsichtlich der Verkotung auf die begrünten Teile der Wegegrundstücke bezieht, was voraussetzen würde, dass auch die Wegemahd in landwirtschaftlichen Betrieben verfüttert wird, sind die behaupteten wirtschaftlichen Nachteile nicht nachvollziehbar. Denn zum einen werden Feldwege üblicherweise als "Gassiwege" genutzt, so dass bereits jetzt entsprechende Hinterlassenschaften an den Wegrändern zu finden sein dürften, was die in der mündlichen Verhandlung anwesenden Mitglieder der Beklagten lebhaft bestätigt haben. Zum anderen ist eine Verkotung durch Wildtiere ebenfalls bereits gegeben, so dass sich angesichts der beschriebenen Gesundheitsgefahren durch Neospora caninum aus Sicht der Beklagten eine Verwendung des Grases als Futtermittel wegen des Vorkommens des Wolfes schon jetzt verbieten dürfte. Deren Befürchtungen überzeugen jedoch schon im Ansatz nicht. Neospora caninum ist ein einzelliger Parasit, der Verkalbungen, Totgeburten oder die Geburt lebensschwacher Kälber auslösen kann. Hunde, Wölfe, Dingos und Kojoten sind Endwirte von Neospora caninum (vgl. Wikipedia-Eintrag "Neospora caninum" unter Hinweis auf Dubey/Jenkins/Rajendran u.a. in Veterinary parasitology, Band 181, Nr. 2-4, Sept 2011: Gray wolf (Canis lupus) is a natural definitive host für Neospora caninum). Sie scheiden mit dem Kot für einen kurzen Zeitraum (wenige Tage bis zu 3 Wochen) Oozysten aus, die für Zwischenwirte (z.B. Rinder) infektiös sind und eine hohe Widerstandsfähigkeit gegen Umwelteinflüsse aufweisen. Im Rahmen einer Risikobewertung (Schares, Gereon et al. (2005): Risikobewertung: Rinderaborte durch Neospora caninum - Welche Gefahren gehen von Hundekot auf Weiden aus?, Stand 2005. OpenAgrar: Friedrich-Loeffler-Inst.) ist das Friedrich-Loeffler-Institut zusammenfassend zu folgendem Ergebnis gekommen.

"N. caninum gilt als eine der wichtigsten infektiösen Ursachen von Rinderaborten weltweit. Dieser einzellige Parasit kann entweder exogen-diaplazentar (direkt oder indirekt) durch Oozysten ausscheidende Endwirte oder endogen-diaplazentar auf den Fötus übertragen werden. Zudem kann der Zukauf infizierter Rinder unter bestimmten Bedingungen das Abortrisiko der Herde erhöhen. In der vorliegenden Risikobewertung galt es, ausschließlich das direkte Abortrisiko zu betrachten, dass mit dem Aufenthalt von Hunden auf einem Grünlandareal verbunden sein könnte. In einem auf realistischen Annahmen beruhenden, im Zweifelsfall aber immer Wertebereiche eines worst-case Szenarios einschließenden Simulationsmodell wurde ermittelt, dass erst ab einem regelmäßigen (das heißt wöchentlich am häufigsten 2 mal, jedoch mindestens einmal und höchstens fünfmal) Aufenthalt von mindestens 87 Hunden während der Weidesaison auf einem Grünlandareal (Weide, Mähweide) ein geringes Abortrisiko besteht. Selbst wenn die angenommene Oozysten-Ausscheidung verzehnfacht wird, müssten nach diesem Simulationsmodell immer noch mindestens 14 Hunde während der gesamten Weidesaison dieses Areal regelmäßig aufsuchen um ein geringes Abortrisiko für den Rinderbestand darzustellen. Die Einbeziehung von worstcase Szenarien in diese Simulation berechtigt zu der Annahme, dass die Zahl von Hunden, die sich auf einem Grünlandareal aufhalten müssen, um mindestens einen N. caninum-bedingten Abort auszulösen, unterschätzt wird, sodass das reale Abortrisiko für Rinderherden, dass durch Hunde auf Grünlandarealen entsteht, noch geringer ist. Aufgrund der in den Rinderhaltungsregionen der Bundesrepublik bekannten Hundedichten wird davon ausgegangen, dass solche Begehungsintensitäten durch Hunde auf Grünlandarealen in der Regel nicht erreicht werden. Als Präventionsmaßnahmen hinsichtlich N.caninum-assoziierter Aborte in Rinderbeständen ist daher die Unterbindung des Zugang von Hunden, insbesondere von Hofhunden, zum Stall und den Futterlagerplätzen sowie die Vermeidung des Zukaufs infizierter Rinder wirksamer sein, als die Verhinderung des Zugangs von Hunden auf Grünlandareale."

Nach diesen wissenschaftlichen Erkenntnissen sowie dem Umstand, dass die Tierheimhunde regelmäßig entwurmt werden und der Kot bei Auffälligkeiten auf Parasiten untersucht wird, wobei bislang Neospora caninum ausweislich der Bescheinigung der Tierärztin T. vom 6. Oktober 2021 nicht festgestellt worden ist, und der geübten Praxis, den Hundekot nach dem Absetzen aufzusammeln und ordnungsgemäß zu entsorgen, ist der von der Beklagten befürchtete wirtschaftliche Schaden durch die Wegenutzung beim Ausführen der Hunde nicht realistisch. Soweit die Beklagte die Richtigkeit der Bescheinigung der Tierärztin T. wegen deren Nähe zum Kläger in Zweifel zieht, besteht schon vor dem Hintergrund des Ergebnisses der Risikoanalyse des Friedrich-Loeffler-Instituts kein weiterer Aufklärungsbedarf. Der Befund der Tierärztin ist auch mit Blick auf eine weitere Untersuchung des Friedrich-Loeffler-Instituts plausibel. So enthielten lediglich 47 (0,2%) von 24.089 Hundekotproben, die zwischen März 2001 und Oktober 2004 untersucht worden waren, Oozysten, die morphologisch denen u.a. Neospora caninum ähnelten (Schares, Gereon et al.: Oocysts of Neospora caninum, Hammondia heydorni, Toxoplasma gondii and Hammondia hammondi in faeces collected from dogs in Germany. Int J Parasitol. 2005 Dec;35(14):1525-37. doi: 10.1016/j.ijpara.2005.08.008. Epub 2005 Sep 15. PMID: 16197949).

Mit den im Rahmen einer beantragten Wegesondernutzung zu Recht zu wägenden Gesichtspunkten befasst sich der 4. Ablehnungsgrund der Beklagten, nämlich mit dem erhöhten Unterhaltungsaufwand, erhöhtem Haftungsrisiko, Beeinträchtigungen durch erhöhten Begegnungsverkehr und abgestellte Fahrzeuge sowie aus dieser Situation resultierender Beschädigung der Seitenbereiche der Wege.

Vor dem Hintergrund, dass der mit der geplanten Nutzung als Tierheim verbundene Ziel- und Quellverkehr sich nach den Angaben des Klägers auf täglich maximal 5 PKWs (also 10 Fahrten am Tag) auf lediglich 65 m Zufahrt zum Grundstück beschränken würde, erscheint die Begründung, der landwirtschaftliche Verkehr und der durch das klägerische Vorhaben ausgelöste Ziel- und Quellverkehr würden sich nicht vertragen, nicht tragfähig. Von den PKW-Fahrten als solchen geht grundsätzlich keine Substanzschädigung aus. Begegnungsverkehr aber kommt auch beim Befahren mit landwirtschaftlichem Gerät und Transportfahrzeugen vor, etwa wenn Radfahrer und Fußgänger (vgl. dazu §§ 23 ff. NWaldLG) entgegenkommen. Der Begegnungsverkehr beim Ausführen der Tierheimhunde in der Feldmark dürfte dabei schon deswegen unproblematisch sein, weil die Hundeführer mit den Hunden auf die begrünten Seitenbereiche der Wege ausweichen können. Probleme beim Begegnungsverkehr mit PKWs erscheinen angesichts der Lage des klägerischen Grundstücks im unmittelbaren Kreuzungsbereich mit insgesamt drei Einmündungen in den Realverbandsweg ebenfalls nahezu ausgeschlossen. Hier kann zu verschiedenen Seiten hin schon auf den asphaltierten Wegeabschnitten ausgewichen und kurz zugewartet werden. Soweit die Beklagte Beeinträchtigungen des landwirtschaftlichen Verkehrs durch zugeparkte Feldwege befürchtet, gibt die Beschreibung des klägerischen Betriebs hierfür keinen Anlass. Denn es werden ausreichend Stellplätze für den üblichen Betriebsablauf auf dem klägerischen Grundstück ausgewiesen. Bei der Versteigerung des Inventars am 6. April 2019 handelte es sich um eine vom Kläger erläuterte Sondersituation und nicht um die mit dem Betrieb fortlaufend einhergehende Wegenutzung. Nicht zuletzt dürfte zu dem Parkchaos auch der Umstand beigetragen haben, dass das Durchfahrtsverbotsschild nicht direkt an den Einmündungen in den Realverbandsweg an der Kreisstraße, sondern erst hinter der Einfahrt in das klägerische Grundstück aufgestellt ist und diejenigen, die Ihr Fahrzeug davor abgestellt haben, dies in gutem Glauben an die Rechtmäßigkeit getan haben dürften. Eine entsprechende Beschilderung unmittelbar an den drei Einmündungen der Kreisstraße in den Realverbandsweg würde hier Klarheit schaffen.

Tatsächlich geht es vorliegend nur um eine durch stärkere Frequentierung höhere Belastung, die zu einem höheren Unterhaltungsaufwand führt (vgl. VG Hannover, Urt. v. 04.02.2019 - 1 A 6911/16 -, juris Rn. 20), der jedoch durch die Bereitschaft des Klägers zur Übernahme höherer Unterhaltungskosten aufgefangen werden könnte. Wenn aber erhöhte Beiträge für den sich aus der Sondernutzung ergebenden höheren Unterhaltungsaufwand fest- und durchgesetzt werden können, erscheint eine korrelierende Verkehrssicherungspflicht nicht von vornherein inakzeptabel (vgl. VG Hannover, Urt. v. 04.02.2019 - 1 A 6911/16 -, juris Rn. 23), weshalb der Einwand der Beklagten hinsichtlich des Haftungsrisikos durch den mit dem klägerischen Betrieb verbundenen Ziel- und Quellverkehr nicht überzeugt. Zu bedenken ist insbesondere der Umstand, dass es vorliegend lediglich um 65 m Wegstrecke geht und der Kläger sein Grundstück anders nicht erreichen kann.

Soweit die Beklagte die Notwendigkeit eines Umzugs des Tierheims weg vom bisherigen Standort in Frage stellt, ergibt sich diese aus dem Umstand, dass das jetzige Tierheim im Überschwemmungsgebiet liegt und keine Erweiterungsmöglichkeiten hat.

Vorgenannte Gesichtspunkte lassen keinen Spielraum für eine andere Entscheidung als die Zulassung der beantragten Sondernutzung, weshalb das der Beklagten eingeräumte Ermessen vorliegend "auf Null", d.h. in Richtung auf die Erteilung des vom Kläger begehrten Sondernutzungsrechts reduziert war und der Kläger die beantragte Sondernutzungserlaubnis beanspruchen kann.

2.

Die Klage ist unzulässig, soweit sie darauf gerichtet ist, die Beklagte zur Abgabe einer Baulasterklärung zu verurteilen.

Der Kläger hat allerdings auch insoweit das richtige Gericht angerufen. Auch wenn sich das Rechtsverhältnis zwischen Baulastübernehmer und begünstigtem Grundstückseigentümer grundsätzlich allein nach privatrechtlichen Maßstäben bestimmt und deshalb Streitigkeiten aus dem einer Baulast zugrundeliegenden Grundverhältnis zivilrechtlicher Art und demgemäß grundsätzlich vor den Zivilgerichten auszutragen sind (BeckOK Bauordnungsrecht Niedersachsen, Spannowsky/Otto, 25. Edition, Stand: 01.02.2023, § 81 Rn. 52), ist in der vorliegenden Konstellation jedoch zu berücksichtigen, dass - wie oben ausgeführt - das Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten öffentlich-rechtlicher Natur ist, weshalb allein der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist.

Da es sich bei der begehrten Baulasterklärung nicht um einen Verwaltungsakt handelt, hat der Kläger insoweit zu Recht eine allgemeine Leistungsklage erhoben.

Es fehlt auch nicht an der Klagebefugnis. Zwar wird in der Kommentarliteratur vertreten, dass ein Anspruch eines Realverbandsmitglieds auf Einräumung einer Baulast nicht besteht (Thomas/Tesmer, Niedersächsisches Realverbandsgesetz, 12. Aufl., § 29 Erl. 2, S. 201). Zur Begründung wird dabei auf eine Entscheidung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts Bezug genommen, der sich diese Aussage allerdings so nicht entnehmen lässt. Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht hat es im Rahmen der Prüfung einer Berufungszulassung lediglich als nicht grundsätzlich bedeutsam angesehen, ob sich aus der Rechtsstellung als Realverbandsmitglied ein Anspruch gegen den Realverband darauf ableiten lässt, der Benutzung eines Verbandsweges durch Einräumen einer Baulast zuzustimmen (Nds. OVG, Beschl. v. 22.09.2008 - 10 LA 178/07 -, juris Rn. 14).

Unzulässig ist die Klage auf Abgabe einer Baulasterklärung jedoch, weil das Sondernutzungsrecht bislang noch nicht rechtskräftig eingeräumt ist und die Beklagte sich auf der Grundlage einer Sondernutzungsregelung noch nicht mit der Frage der Erteilung einer Baulasterklärung hat befassen können. Mit Blick auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 31.10.1999 - 4 C 45/88 -, juris Rn. 19) dürfte sich im Übrigen die Frage stellen, ob nicht bereits die Einräumung des Sondernutzungsrechts an der Wegstrecke den baurechtlichen Anforderungen an die Erschließung genügt, so dass es einer Baulast möglicherweise gar nicht bedarf.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs.1 Satz 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 und § 711 Sätze 1 und 2 ZPO.