Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 06.09.2023, Az.: 6 A 2084/20

AfD; Allgemeines Persönlichkeitsrecht; Beamtenrechliches Mäßigungsgebot; Darstellendes Spiel; Dokumentarisches Theater; Kunstfreiheit; politische Einflussnahme; Politisches Theater; Recht auf Politische Chancengleichheit; Schultheater; Tweets; Theaterstück stellt vorliegend keine unzulässige politische Einflussnahme durch Lehrkräfte dar

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
06.09.2023
Aktenzeichen
6 A 2084/20
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2023, 48198
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGHANNO:2023:0906.6A2084.20.00

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Bei einem von Schülerinnen und Schülern selbst verfassten Theaterstück handelt es sich nicht um eine politische Meinungsäußerung der begleitenden Lehrkräfte, durch die diese gegen das beamtenrechtliche Mäßigungsgebot aus § 33 Abs. 2 BeamtStG verstoßen könnten.

  2. 2.

    Eine Verpflichtung der Lehrkräfte, die Aufführung des Theaterstücks zu verhindern, bestand nicht, weil das Verfassen und die Aufführung des Stücks von der Kunstfreiheit der Schülerinnen und Schüler aus Art. 5 Abs. 3 GG gedeckt ist.

  3. 3.

    Die Aufführung des Theaterstücks Danke dafür, AfD stellt weder eine schwerwiegende Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin aus Art. 2 Abs. I GG noch ihres Rechts auf politische Chancengleichheit aus Art. 21 Abs. 1 GG dar.

  4. 4.

    Die Klägerin kann sich nicht auf eine Verletzung ihres Persönlichkeitsrechts durch das künstlerische Aufgreifen von Aussagen berufen, die ihre Funktionäre öffentlich getätigt haben.

  5. 5.

    Die Klägerin hat die künstlerische Auseinandersetzung mit politischen Themen hinzunehmen, die sie selbst in der öffentlichen Diskussion gesetzt hat.

  6. 6.

    Es besteht kein subjektiv-öffentliches Recht eines Bürgers auf Einschreiten der Fachaufsichtsbehörde gegenüber der beaufsichtigten Behörde, weil die Aufsicht allein der verwaltungsinternen Kontrolle des Verwaltungshandelns dient.

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt gegenüber dem Beklagten die Feststellung, dass die Unterstützung von Aufführungen des Theaterstücks "Danke dafür, AfD" an der F. l in G. durch Schaffung der theoretischen und praktischen Theatergrundlagen, hilfsweise die Duldung der Aufführungen durch die Lehrkräfte im Mai 2019 rechtswidrig war sowie dass das Unterlassen von aufsichtsrechtlichen Maßnahmen rechtswidrig war.

Im Rahmen des Unterrichts im Fach Darstellendes Spiel des 11. Jahrgangs an der H. im Schuljahr 2018/2019 erarbeiteten die Schülerinnen und Schüler ein Theaterstück zum Thema "Rechtsruck und Rassismus" mit dem Titel "Danke dafür, AfD", welches sie dreimal aufführten. Die Aufführungen fanden jeweils in der Schule statt und wurden in interaktiver Form an verschiedenen Orten in der Schule vorgetragen. Das Publikum bewegte sich dabei von Spielort zu Spielort. Die drei Aufführungen hatten insgesamt ca. 70 Zuschauer. Eine vierte Aufführung wurde abgesagt. Das Stück besteht laut Skript aus zehn Szenen ("Pressekonferenz", "Flüchtlingslager", "Grenze", "Aquarium", "Ausländer sind schuld", "In Gaulands Kopf", "Die wahren Opfer 2.0", "Die wahren Opfer", "Kopftuch", "Twitterraum/Chaosraum"), die an zehn verschiedenen Orten innerhalb des Schulgebäudes spielen, sowie fünf Einschüben. Wegen des weiteren Inhalts des Stücks wird auf das Skript Bezug genommen (Bl. 172 - 186 des Verwaltungsvorgangs).

Über die erste Aufführung erschien am 03.05.2019 unter dem Titel ">Danke dafür, AfD>: Bitterer Theaterabend in der I." ein Artikel in der Neuen Osnabrücker Zeitung. Darin heißt es unter anderem, das Publikum sei in einem lichtlosen Kellerraum eingesperrt worden und habe dort eigentlich nur noch darauf gewartet, "das Geräusch von aus Duschdüsen strömendem Gas zu hören". Das Theaterstück war Gegenstand bundesweiter Presseberichterstattung. Ein Abgeordneter des Niedersächsischen Landtags und schulpolitischer Sprecher der niedersächsischen Landtagsfraktion der Klägerin verfasste eine Beschwerde an die damalige Niedersächsische Landesschulbehörde wegen einer Verletzung der Neutralitätspflicht durch unzulässige Parteinahme und führte aus, in der Theateraufführung werde eine kausale Verbindung zwischen dem Holocaust und der Klägerin in dem Sinne unterstellt, dass die Klägerin einen neuen Holocaust beabsichtige bzw. menschenverachtende Maßnahmen billige. Die Niedersächsische Landesschulbehörde antwortete mit Schreiben vom 05.07.2019 und vertrat die Auffassung, eine Neutralitätsverletzung der Schule habe nicht vorgelegen. Es sei kein politischer Einfluss auf den Inhalt des Theaterstücks genommen worden. Es habe keine Pflicht bestanden, eine kritische Auseinandersetzung von Schülerinnen und Schülern mit politischen Äußerungen zu unterbinden. Eine kausale Verbindung zwischen dem Holocaust und der Klägerin in dem Sinne, dass die Klägerin einen neuen Holocaust beabsichtige bzw. menschenverachtende Maßnahmen billige, hätten die Schülerinnen und Schüler in dem Theaterstück nicht hergestellt. Dieser Eindruck beruhe ausschließlich auf der Berichterstattung in der Neuen Osnabrücker Zeitung. Der schulpolitische Sprecher der Klägerin richtete außerdem eine Kleine Anfrage vom 07.05.2019 an den Landtag ("Was tut die Landesregierung, um die Einhaltung der schulischen Neutralitätspflicht an der I. zu gewährleisten?", Drs. 18/3802). In ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage vom 06.06.2019 vertrat die Landesregierung den Standpunkt, eine Verletzung der Neutralitätspflicht habe nicht vorgelegen (Drs. 18/3802).

Am 26.05.2019 fand in Deutschland die Direktwahl zum Europäischen Parlament statt.

In einer Stellungnahme der beiden Lehrkräfte, die den Kurs, in dem das Stück geschrieben und zur Aufführung gebracht worden war, leiteten, zum Entstehungsprozess und zu den Aufführungsmodalitäten des Theaterstücks wird ausgeführt, dass die Schülerinnen und Schüler von den Lehrkräften vorgeschlagene, bereits existente Theaterstücke als Kursinhalt abgelehnt hätten. Sie hätten sich stattdessen für das Thema "Rechtsruck und Rassismus" und die Form des Dokumentartheaters entschieden. Die Rolle der Lehrkräfte habe darin bestanden, die theoretischen und praktischen Theatergrundlagen zu schaffen, Arbeitsprozesse zu strukturieren und zu organisieren und eher Begleiter, denn autoritäre Entscheidungsinstanz zu sein. Initiierende Aufgabenstellung der Lehrkräfte an die Schülerinnen und Schüler sei es gewesen, mithilfe von frei auswählbaren Tweets einen Ort im Schulgebäude zu bespielen. Von den Schülerinnen und Schülern seien überwiegend Tweets der Klägerin ausgewählt worden, da diese nach Meinung der Schülerinnen und Schüler das Thema "Rechtsruck" am besten darstellten. In Eigenarbeit der Schülerinnen und Schüler seien Szenen entstanden, die zu einem Rundgang zusammengeführt worden seien. Die Probenarbeiten seien gefilmt worden. Die Lehrkräfte hätten aus diesen Aufnahmen und auf Grundlage bereits vorliegender Schülertexte ein Skript generiert, welches in der Folge von den Schülerinnen und Schülern überarbeitet worden sei, bis ihrerseits keine Änderungswünsche mehr bestanden hätten. Aufbau und Organisation des Unterrichts hätten sich an einem schulinternen Arbeitsplan orientiert, der auf der Grundlage des Kerncurriculums Darstellendes Spiel erstellt worden sei. In der letzten Szene des Stücks sei es um den Ausdruck der Sorge und Beklemmung gegangen, in einer gespaltenen und fremdenfeindlichen Gesellschaft leben zu müssen, was durch die Wahl des Ortes zum Ausdruck habe kommen sollen. Die Darstellung einer Gaskammer sei nicht intendiert gewesen.

Die Klägerin hat am 03.04.2020 Klage erhoben, die sie für zulässig hält. Die Frage, ob die dem Beklagten zuzurechnenden Lehrkräfte das Theaterstück hätten unterstützen und dulden dürfen, begründe ein hinreichend konkretes Rechtsverhältnis. Aufgrund des schweren Eingriffs in ihr Recht auf Chancengleichheit der Parteien habe sie ein Rehabilitationsinteresse. Außerdem bestehe Wiederholungsgefahr, da der Beklagte sich nicht einsichtig zeige. Der Beklagte sei als Rechtsträger der H., der das Fehlverhalten der Lehrkräfte zu verantworten habe, auch der richtige Beklagte. Der Beklagte habe durch die Duldung der Aufführung des Theaterstücks und die Unterstützung der Aufführung durch die Lehrkräfte gegen das politische Neutralitätsgebot verstoßen und sie - die Klägerin - in ihrem Recht auf Chancengleichheit im politischen Wettbewerb verletzt. Parteien müssten so gleichberechtigt wie möglich am politischen Wettbewerb teilnehmen, um die verfassungsrechtlich gebotene Offenheit der politischen Willensbildung zu gewährleisten. Dieses Recht auf Chancengleichheit werde verletzt, wenn Staatsorgane in die Meinungs- und Willensbildung des Volkes eingriffen - ob zugunsten oder zulasten einer Partei. Staatsorgane hätten sich in politischer Sicht neutral zu verhalten. Unter Verweis auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts weist die Klägerin darauf hin, dass Staatsorganen einseitige parteiergreifende Stellungnahme für oder gegen einzelne politische Parteien untersagt seien. Die Pflicht zur Neutralität gelte auch für die im niedersächsischen Schulwesen beschäftigten Lehrkräfte. Das Grundgesetz und das Niedersächsische Schulgesetz geböten Erziehung und Unterricht auf politisch neutraler Grundlage. Die kritische Auseinandersetzung mit den Positionen politischer Parteien müsse stets sachlich bleiben. Lehrkräfte hätten demnach dafür zu sorgen, dass alle zulässigen politischen Positionen im Unterricht geäußerten werden könnten, während sie beleidigende und rechtswidrige Äußerungen zurückzuweisen und zu unterbinden hätten. Schulen seien kein Raum für die Darstellung politischen Aktivismus. Dies gelte umso mehr in Zeiten des Wahlkampfs wie im Mai 2019, als die Europawahl vom 23.05. bis zum 26.05.2019 bevorgestanden habe. Der Beklagte habe sich Aufsichtspflichtverstöße der betroffenen Lehrkräfte zurechnen zu lassen. Aus der Analyse des Skriptes des Theaterstücks sowie aus den Stellungnahmen der Lehrkräfte folge, dass im Unterricht keine sachliche Auseinandersetzung mit politischen Positionen oder eine sachliche Analyse und Meinungskundgabe zum politischen Geschehen stattgefunden habe. Vielmehr habe es sich bei der Theateraufführung um eine gegen die Klägerin gerichtete Verleumdungs- und Diffamierungskampagne gehandelt, die durch die Lehrkräfte an der H. aktiv unterstützt worden sei. Schon aus dem Titel des Stücks folge, dass es offensichtlich das Ziel gewesen sei, sie - die Klägerin - mit den menschenverachtenden Darbietungen in Verbindung zu bringen und ihr abstruse politische Ziele zu unterstellen, die im Parteiprogramm oder in Aussagen ihrer Funktionäre keine Grundlage fänden. Es sei zutiefst ehrabschneidend, wenn ihren Mitgliedern und Anhängern der Einsatz für verfassungsfeindliche Ziele, nämlich die pauschale Ablehnung aller Ausländer, die Befürwortung von Gewaltakten gegenüber Flüchtlingen und Juden, das Verfolgen von Rassentheorien, eine Affinität zum Nationalsozialismus und dessen Gräueltaten sowie die Befürwortung von diktatorischen Verhaltensweisen unterstellt werde. Dies entbehre einer sachlichen Grundlage und sei nicht durch einzelne und teilweise aus dem Zusammenhang gerissene Zitate von Funktionären gerechtfertigt. Pflichtverletzungen seien von den Kurslehrerinnen begangen worden, die in Kenntnis der Inhalte des Stücks zum Einschreiten verpflichtet gewesen wären, stattdessen das Stück aber aktiv unterstützt hätten. Der Schulleiter sei ebenfalls im Vorfeld über den Inhalt des Stücks informiert gewesen und habe es versäumt, die Lehrkräfte zur Erfüllung ihres demokratischen Erziehungs- und Bildungsauftrags zu bewegen. Nach der Aufführung habe er zudem nicht auf eine kritische Auseinandersetzung der Schülerinnen und Schüler mit dem Stück hingewirkt. Der Beklagte und die (damalige) Niedersächsische Landesschulbehörde seien nach Bekanntwerden der Vorwürfe ebenfalls nicht ihren aufsichtsrechtlichen Pflichten nachgekommen und hätten pflichtwidrig keine Maßnahmen zur Einhaltung des Neutralitätsgebots an der H. ergriffen.

Nachdem die Klage zunächst gegen das Land Niedersachsen gerichtet gewesen ist, ist das Rubrum im Einverständnis der Beteiligten dahingehend korrigiert worden, dass die Klage sich nunmehr gegen den Beklagten richtet.

Die Klägerin beantragt,

festzustellen, dass es rechtswidrig war, die Aufführung des Theaterstücks "Danke dafür, AfD" Anfang Mai 2019 an der H. in G. durch Schaffung der theoretischen und praktischen Theatergrundlagen seitens des Lehrpersonals zu unterstützen,

hilfsweise,

festzustellen, dass es rechtswidrig war, die Aufführung des Theaterstücks "Danke dafür, AfD" Anfang Mai 2019 an der H. in G. seitens des Lehrpersonals zu dulden,

sowie

festzustellen, dass es rechtswidrig war, dass der Beklagte keine Aufsichtsmaßnahmen gegenüber der Niedersächsischen Landesschulbehörde, dem Schulleiter der H. und den Lehrkräften, die den Kurs "Darstellendes Spiel" im 11. Jahrgang der H. im Jahr 2019 leiteten, ergriffen hat.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung rügt er die Zulässigkeit der Klage. Es fehle bereits an dem erforderlichen Rechtsverhältnis zwischen ihm und der Klägerin. Die Klägerin berufe sich nicht mit Erfolg auf ein Feststellungsinteresse, da keine Wiederholungsgefahr bestehe und ein Rehabilitationsinteresse nicht erkennbar sei. Die geltend gemachte Verletzung des Rechtes der Klägerin auf Chancengleichheit bestehe nicht, da das Theaterstück keine Rolle mehr spiele und inzwischen thematisch überholt sei. Die Klägerin sei nicht klagebefugt, da es kein subjektiv-öffentliches Recht auf aufsichtsrechtliches Einschreiten gegenüber einer beaufsichtigten Behörde gebe. Die Klagebefugnis lebe nicht auf, wenn statt einer Verpflichtungsklage eine subsidiäre Feststellungsklage erhoben werde. Die Klage sei aber auch unbegründet, da er - der Beklagte - ebenso wie die Niedersächsische Landesschulbehörde erst nach der Aufführung von dem Theaterstück erfahren habe und dieses nicht unterstützt habe. Soweit es um Handlungen der Lehrkräfte oder des Schulleiters gehe, deren Dienstherr und Arbeitgeber er sei, sei er der falsche Beklagte. Diese hätten aber auch keine Neutralitätspflichtverletzung begangen, indem sie das Stück nicht verhindert hätten, da sich das Theaterstück mit politischen Ansichten, unter anderem solchen von Politikern der Klägerin, auseinandersetze. Es sei essentieller Bestandteil des Lehrauftrags, Schülerinnen und Schüler politisch zu bilden und ein Problembewusstsein zu schaffen, damit diese in der Lage seien, am gesellschaftspolitischen Leben teilzunehmen, sich eine eigene Meinung zu bilden und diese zu vertreten. Die Lehrkräfte im Fach Darstellendes Spiel hätten ihre Aufgabe wahrgenommen, den Schülerinnen und Schülern die Grundzüge des darstellenden Spiels beizubringen. Dieses Unterrichtsfach sei in besonderem Maße von der Partizipation in Form von Eigeninitiative, Mitwirkung und Selbstverantwortung der Schülerinnen und Schüler geprägt. Die eher begleitende Aufgabe der Lehrkräfte bestehe darin, die theoretischen und praktischen Theatergrundlagen zu vermitteln und die Schülerinnen und Schüler bei der Strukturierung und Organisation von Arbeitsprozessen sowie der Umsetzung von eigenen Wahrnehmungen zu unterstützen, damit die Schülerinnen und Schüler ein eigenes Thema szenisch umsetzen könnten. Die Idee für das Theaterstück zum Thema "Rechtsruck und Rassismus" stamme von den Schülerinnen und Schülern, und das Stück sei von ihnen selbst erarbeitet worden. Die Schülerinnen und Schüler hätten in besonderem Maße öffentliche Tweets von Mitgliedern der Klägerin als polarisierend empfunden und deshalb primär diese in das Stück aufgenommen. Die Schülerinnen und Schüler hätten keine Aussagen getätigt, die der demokratischen Grundordnung zuwiderliefen. Sie hätten ihrer Beklemmung und Sorge vor einem Rechtsruck der Gesellschaft Ausdruck verleihen wollen. Der Beklagte legt ein Video vor, welches im Entstehungsprozess des Stücks während einer Probe entstanden sei und in großen Teilen mit dem Skript übereinstimme. Es habe jedoch auch noch Änderungen gegeben. Im Laufe von Diskussionen mit den Schülerinnen und Schülern im Unterricht sei beispielsweise der letzte Satz des Theaterstücks abgewandelt worden. Die Aufführungen hätten mit dem Satz "Danke dafür, AfD" geendet. Der im Skript zu findende letzte Satz "Fick dich, Gauland" sei in den Aufführungen nicht gesagt worden.

Die Klägerin bestreitet mit Nichtwissen, dass der letzte Satz aus dem Skript auf Seite 15 "Fick dich, Gauland" nicht gesagt worden sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs (Beiakte 001) Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe

Die Klage bleibt ohne Erfolg. Soweit sie darauf gerichtet ist festzustellen, dass die Unterstützung (dazu unter I.), hilfsweise die Duldung (dazu unter II.) der Aufführung des streitbefangenen Theaterstücks rechtswidrig gewesen sei, ist die Klage zulässig, jedoch nicht begründet. Soweit die Klage auf die Feststellung gerichtet ist, dass das Unterlassen von aufsichtsrechtlichen Maßnahmen rechtswidrig gewesen sei, ist sie unzulässig (dazu unter III.).

I. Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet, soweit sie darauf gerichtet ist festzustellen, es sei rechtswidrig gewesen, dass die Lehrkräfte die Aufführung des Theaterstücks "Danke dafür, AfD" Anfang Mai 2019 an der H. in G. durch Schaffung der theoretischen und praktischen Theatergrundlagen unterstützten.

1. Sie ist als Feststellungsklage statthaft. Durch eine Klage kann gemäß § 43 Abs. 1 VwGO die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Vorliegend richtet sich die Klage auf die nachträgliche Feststellung der Rechtswidrigkeit von Verwaltungshandeln, welches keine Verwaltungsaktqualität aufweist.

Zwischen den Beteiligten besteht ein Rechtsverhältnis. Unter einem Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO sind die sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer Rechtsnorm (des öffentlichen Rechts) ergebenden Beziehungen einer Person zu einer anderen Person zu verstehen (vgl. BVerwG, Urt. v. 23.01.1992 - 3 C 50.89 -, BVerwGE 89, 327 (329); BVerwG, Urt. v. 26.01.1996 - 8 C 19.94 -, BVerwGE 100, 262 (264); BVerwG, Urt. v. 28.01.2010 - 8 C 38.09 -, BVerwGE 136, 75 (78) = juris Rn. 32 stRspr; Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 28. Aufl. 2022, § 43 Rn. 11). Ein feststellungsfähiges konkretes Rechtsverhältnis setzt voraus, dass zwischen den Beteiligten dieses Rechtsverhältnisses ein Meinungsstreit besteht, aus dem heraus sich eine Seite berühmt, ein bestimmtes Tun oder Unterlassen der anderen Seite verlangen zu können (vgl. BVerwG, a.a.O. BVerwGE 89, 327 - Leitsatz 1.) Rechtliche Beziehungen eines Beteiligten zu einem anderen haben sich mithin erst dann zu einem bestimmten konkretisierten Rechtsverhältnis verdichtet, wenn die Anwendung einer bestimmten Norm des öffentlichen Rechts auf einen bereits überschaubaren Sachverhalt streitig ist (BVerwG, a.a.O. BVerwGE 89, 327 (329) stRspr). Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Lehrkräfte des Kurses Darstellendes Spiel im 11. Jahrgang im Schuljahr 2018/19 das Theaterstück durch Schaffung der theoretischen und praktischen Grundlagen unterstützen durften oder ob dies gegen das beamtenrechtliche Mäßigungsgebot verstieß.

Mit der Feststellungsklage macht die Klägerin allerdings keinen materiellen Anspruch auf ein Handeln oder Unterlassen geltend. Der Beklagte kann deshalb auch nicht danach bestimmt werden, wer der nach materiellem Recht Verpflichtete ist. Der "richtige" Beklagte ist nach prozessualen Maßstäben zu ermitteln: Die Klage ist gegen den Rechtsträger (insofern wirkt der Grundsatz des § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO auch hier) zu richten, demgegenüber das Bestehen oder Nichtbestehen des Rechtsverhältnisses festgestellt werden soll; dieser Rechtsträger braucht nicht notwendig an dem Rechtsverhältnis selbst beteiligt zu sein (Eyermann/Happ, 16. Aufl. 2022, VwGO § 78 Rn. 7-12).

Die Klägerin beruft sich überdies mit Erfolg auf ein Feststellungsinteresse. Als Feststellungsinteresse im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO ist jedes anzuerkennende schutzwürdige Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art anzusehen. Entscheidend ist, dass die gerichtliche Feststellung geeignet erscheint, die Rechtsposition des Klägers in den genannten Bereichen zu verbessern (st. Rspr, vgl. nur BVerwG, Urt. v. 06.02.1986 - 5 C 40.84 -, BVerwGE 74, 1, 4 und Urt. v. 25.10.2017 - 6 C 46.16 -, BVerwGE 160, 169 Rn. 20 = juris Rn. 20). Liegt das Rechtsverhältnis - wie hier - in der Vergangenheit, ist die Feststellungsklage dann statthaft, wenn das Rechtsverhältnis gegenwärtig oder zukünftig noch Auswirkungen zeigt; die Anforderungen an das Feststellungsinteresse an einer auf die Vergangenheit bezogenen Feststellungsklage entsprechen in solchen Konstellationen denen der Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO (Schoch/Schneider/Marsch, 44. EL März 2023, VwGO § 43 Rn. 35). Unter dem Aspekt der Fortwirkung des zeitlich in der Vergangenheit liegenden Rechtsverhältnisses sind die Fallgruppen der Wiederholungsgefahr sowie des ideellen Interesses an der Rehabilitierung des Betroffenen anerkannt. Ein derartiges Interesse besteht nur, wenn sich aus der angegriffenen Maßnahme eine Stigmatisierung des Betroffenen ergibt, die geeignet ist, sein Ansehen in der Öffentlichkeit oder im sozialen Umfeld herabzusetzen. Diese Stigmatisierung muss Außenwirkung erlangt haben und noch in der Gegenwart andauern (vgl. BVerwG, Beschl. v. 14.12.2018 - 6 B 133.18 -, juris Rn. 13; BVerwG, Urt. v. 16.05.2013 - 8 C 14.12 -, juris Rn. 25). Hier beruft sich die Klägerin zulässigerweise auf ihr Interesse an einer Rehabilitation. Die drei Aufführungen des Stücks hat ein aus ca. 70 Personen bestehendes Publikum gesehen. Angesichts der bundesweiten Presseberichterstattung über das Stück gab es aber auch eine darüber hinausgehende Öffentlichkeit, die noch fortwirkt.

Die Klägerin ist außerdem klagebefugt (§ 42 Abs. 2 VwGO). Sie macht mit Erfolg die Möglichkeit der Betroffenheit durch das streitgegenständliche Theaterstück in ihrem Recht auf Ehre, auf das sie sich als politische Partei berufen kann, sowie in ihrem Recht auf politische Chancengleichheit geltend. Die politischen Parteien sind Trägerinnen aller Grundrechte, die ihrem Wesen nach auf sie anwendbar sind (Art. 19 Abs. GG). Nicht anwendbar sind dagegen die personenbezogenen Grundrechte (Sachs/Ipsen/Koch, 9. Aufl. 2021, GG Art. 21 Rn. 46). Für die Frage, ob ein Grundrecht auf politische Parteien anwendbar ist, kommt es auf die geschützten Interessen und die zugehörigen Tatbestandsmerkmale an. Allein dadurch, dass juristische Personen sich grundrechtlicher Anliegen von Menschen, namentlich der ihrer Mitglieder, annehmen, erlangen juristische Personen aber nicht die (einschlägige) Grundrechtsfähigkeit; im Rahmen dieser Kriterien hängt die Grundrechtsberechtigung ganz von der sachlichen Reichweite der einzelnen Grundrechtsgarantien ab (Sachs/Sachs, 9. Aufl. 2021, GG Art. 19 Rn. 67). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 21.05.2008 - 6 C 13.07 -) stehen juristischen Personen als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 GG das Verfügungsrecht und das Selbstbestimmungsrecht über die eigene Außendarstellung sowie, damit verbunden, der Schutz des sozialen Geltungsanspruchs, der sogenannten "äußeren Ehre" als des Ansehens in den Augen anderer zu (vgl. BVerwG, Urt. v. 23.05.1989 - 7 C 2.87 - juris, Rn. 49; Dreier in: ders. Hg., GG, Bd. 1, 2. Aufl. 2004, Art. 2 Abs. 1 Rn. 82 m.w.N.; vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 09.10.2002 - 1 BvR 1611/96 - BVerfGE 106, 28, 42 f.). Die Parteiengleichheit folgt aus Art. 21 Abs. 1 GG und ist ebenfalls als Grundrecht der politischen Parteien zu qualifizieren (Sachs/Ipsen/Koch, 9. Aufl. 2021, GG Art. 21 Rn. 33-44). Als Verstoß gegen den Grundsatz der Chancengleichheit ist es angesehen worden, wenn Staatsorgane als solche parteiergreifend zugunsten oder zulasten einer politischen Partei oder von Wahlbewerbern auf den Wahlkampf einwirken (BVerfGE 44, 125 [BVerfG 02.03.1977 - 2 BvE 1/76] (LS 3)). Vorliegend erscheint es nicht als von vorne herein abwegig, dass die Klägerin durch das Theaterstück in ihrer Ehre verletzt ist. Angesichts der zeitlichen Nähe der Aufführungen zur Europawahl am 26.05.2019 ist auch die Verletzung des Rechts der Klägerin auf politische Chancengleichheit nicht gänzlich ausgeschlossen. Damit besteht die Möglichkeit der Beeinträchtigung von geschützten Rechtspositionen der Klägerin.

2. Die Klage ist unbegründet, soweit sie darauf gerichtet ist festzustellen, es sei rechtswidrig gewesen, dass die Lehrkräfte die Aufführung des Theaterstücks "Danke dafür, AfD" Anfang Mai 2019 im 11. Jahrgang der H. durch Schaffung der theoretischen und praktischen Theatergrundlagen unterstützten. Die Unterstützung der Aufführung des Stücks durch die Lehrkräfte war nicht rechtswidrig.

Die Rechtswidrigkeit könnte sich hier (allein) aus einem Verstoß gegen das beamtenrechtliche Mäßigungsgebot ergeben. Ein solcher Verstoß liegt indes nicht vor. Gemäß § 33 Abs. 2 BeamtStG haben Beamtinnen und Beamte bei politischer Betätigung diejenige Mäßigung und Zurückhaltung zu wahren, die sich aus ihrer Stellung gegenüber der Allgemeinheit und aus der Rücksicht auf die Pflichten ihres Amtes ergeben. Dies betrifft auch private politische Meinungsäußerungen während des Dienstes. Für Beamte darf die Ausübung der Meinungsfreiheit nach Art. 5 GG in zulässiger Weise beschränkt werden, um die Erhaltung eines durch Art. 33 Abs. 5 GG statuierten, für den Staat unentbehrlichen, ihn tragenden, verlässlichen Beamtentums zu sichern. Jedes Verhalten, das als politische Meinungsäußerung gewertet werden muss, ist danach nur dann durch Art. 5 GG gedeckt, wenn es vereinbar ist mit den von Art. 33 Abs. 5 GG geforderten besonderen Pflichten des Beamten aus dem Dienst- und Treueverhältnis zu seinem Dienstherrn. Für die Anwendung und Auslegung der die Meinungsfreiheit des Beamten einschränkenden Vorschrift des § 33 Abs. 2 BeamtStG ist jeweils im konkreten Fall das Interesse des Beamten an der Betätigung der Meinungsfreiheit seinen besonderen Dienst- und Treuepflichten gegenüberzustellen und gegeneinander abzuwägen. Der zu beachtende Schutzzweck besteht darin, die Funktionsfähigkeit des Beamtentums dadurch zu gewährleisten, dass zum einen im Rahmen des Dienstbetriebes störende politische Auseinandersetzungen vermieden werden, andererseits die politische Neutralität der Amtsführung und das Vertrauen der Öffentlichkeit hierauf nicht gefährdet oder auch nur in Zweifel gezogen werden kann (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.01.1990 - 2 C 50.88 -, juris Rn. 18 f.).

Der Maßstab für das politische Mäßigungsgebot wird neben Art und Inhalt der politischen Betätigung auch durch das jeweilige Amt im statusrechtlichen und funktionellen Sinn sowie den Bezug der politischen Betätigung zum Amt konkretisiert. Für Lehrerinnen und Lehrer gelten zunächst die allgemeinen Beamtenpflichten. Darüber hinaus sind die Stellung der Lehrkräfte gegenüber der Allgemeinheit sowie ihre besonderen Amtspflichten in erster Linie nach dem Leitbild zu bemessen, das Verfassung und Gesetz für das Lehramt an Schulen bestimmen. Das in Konkretisierung von Art. 33 Abs. 5 GG in § 33 Abs. 2 BeamtStG formulierte politische Mäßigungsgebot findet daher für Lehrkräfte zusätzlich seine Inhaltsbestimmung in dem Elternrecht und dem festgelegten Erziehungsauftrag der Schule sowie in den - möglicherweise - kollidierenden Grundrechten von Eltern und Schülern (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.01.1990 - 2 C 50.88 -, juris Rn. 22).

Aus § 2 NSchG folgt, dass die Schule im Anschluss an die vorschulische Erziehung die Persönlichkeit der Schülerinnen und Schüler auf der Grundlage des Christentums, des europäischen Humanismus und der Ideen der liberalen, demokratischen und sozialen Freiheitsbewegungen weiterentwickeln soll. Erziehung und Unterricht müssen dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland und der Niedersächsischen Verfassung entsprechen; die Schule hat die Wertvorstellungen zu vermitteln, die diesen Verfassungen zugrunde liegen. Die Schülerinnen und Schüler sollen fähig werden, die Grundrechte für sich und jeden anderen wirksam werden zu lassen, die sich daraus ergebende staatsbürgerliche Verantwortung zu verstehen und zur demokratischen Gestaltung der Gesellschaft beizutragen, nach ethischen Grundsätzen zu handeln sowie religiöse und kulturelle Werte zu erkennen und zu achten, ihre Beziehungen zu anderen Menschen nach den Grundsätzen der Gerechtigkeit, der Solidarität und der Toleranz sowie der Gleichberechtigung der Geschlechter zu gestalten, den Gedanken der Völkerverständigung, insbesondere die Idee einer gemeinsamen Zukunft der europäischen Völker, zu erfassen und zu unterstützen und mit Menschen anderer Nationen und Kulturkreise zusammenzuleben, ökonomische und ökologische Zusammenhänge zu erfassen, für die Erhaltung der Umwelt Verantwortung zu tragen und gesundheitsbewusst zu leben, Konflikte vernunftgemäß zu lösen, aber auch Konflikte zu ertragen, sich umfassend zu informieren und die Informationen kritisch zu nutzen, ihre Wahrnehmungs- und Empfindungsmöglichkeiten sowie ihre Ausdrucksmöglichkeiten unter Einschluss der bedeutsamen jeweiligen regionalen Ausformung des Niederdeutschen oder des Friesischen zu entfalten, sich im Berufsleben zu behaupten und das soziale Leben verantwortlich mitzugestalten. Die Schule hat den Schülerinnen und Schülern die dafür erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten zu vermitteln. Dabei sind die Bereitschaft und Fähigkeit zu fördern, für sich allein wie auch gemeinsam mit anderen zu lernen und Leistungen zu erzielen. Die Schülerinnen und Schüler sollen zunehmend selbständiger werden und lernen, ihre Fähigkeiten auch nach Beendigung der Schulzeit weiterzuentwickeln. Die Schule soll Lehrkräften sowie Schülerinnen und Schülern den Erfahrungsraum und die Gestaltungsfreiheit bieten, die zur Erfüllung des Bildungsauftrags erforderlich sind.

Schulen können diesem gesetzlichen Auftrag nur gerecht werden, wenn sie den Schülerinnen und Schülern auch die Grundlagen der politischen Bildung vermitteln und sie so in die Lage versetzen, politische Auffassungen zu werten und darauf aufbauend eigene sachlich fundierte Ansichten zu entwickeln. Das setzt eine Auseinandersetzung auch mit politisch in der Gesellschaft kontrovers diskutierten Fragen voraus, bei denen sich die Lehrkräfte kaum werden darauf beschränken können, die möglichen Standpunkte und die für und gegen sie sprechenden Argumente darzulegen (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.01.1990 - 2 C 50.88 -, juris Rn. 23 ff.). Denn die Unterrichtsgestaltung in den Fächern, in denen die politischen Aspekte des staatlichen Bildungs- und Erziehungsauftrags berührt werden, steht im besonderen Maße im Spannungsfeld zwischen der pädagogischen Freiheit der Lehrkraft einerseits und ihren dienstlichen Pflichten zu Objektivität, Neutralität, Toleranz und politischer Zurückhaltung andererseits. Deshalb ist die Lehrkraft, die sich zur Erfüllung ihres pädagogischen Auftrags in gewissem Maße auch mit ihrer Persönlichkeit einbringen muss, in den Schranken des Mäßigungsgebotes berechtigt, sich - im Rahmen der Grundwerte der Verfassung - zu ihrer eigenen politischen Auffassung zu bekennen; eine vollständige politische Enthaltsamkeit im Unterricht wird von ihr nicht verlangt (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 24.05.1984 - DH 18/83 -, NJW 1985, 1661 m.w.N.).

Der einer Lehrkraft einzuräumende Spielraum ist aber überschritten, wenn sie die ihr anvertrauten Schülerinnen und Schüler zugunsten einer Meinung aus dem Spektrum der Anschauungen in einer pluralistisch-demokratischen Gesellschaft einzunehmen versucht. Mit dem Gebot der politischen Neutralität der Lehrkräfte im Dienst, das nicht zuletzt dem Elternrecht und seinem Verhältnis zum verfassungsrechtlich festgelegten Erziehungsauftrag der Schule (Art. 6 Abs. 2 i. V. m. Art. 7 Abs. 1 GG) Rechnung trägt, verträgt sich eine Unterrichtsgestaltung nicht, mit der die Gefahr einhergeht, dass Schülerinnen und Schüler in gesellschaftspolitisch grundlegenden Kontroversen in der Schule einseitig indoktriniert werden. Der Staat hat daher die Pflicht, die Neutralität der Schule insoweit sicherzustellen, als für eine angemessene Rücksichtnahme auf die in einer pluralen Gesellschaft sehr unterschiedlichen Auffassungen gesorgt und jede einseitige Werbung politischer Art seitens der Lehrerschaft unterbunden wird. Die Akzeptanz des öffentlichen Schulsystems sowie das Vertrauen in die Objektivität und politische Neutralität der Schule kann nachhaltig erschüttert werden, wenn Lehrkräfte politische Auseinandersetzungen in die Schule hineintragen und dadurch die ihnen anvertrauten Kinder indoktrinieren. Der Dienstherr darf nicht hinnehmen, dass ihm politische Äußerungen zugerechnet werden oder auch nur der Eindruck erweckt wird, er stehe hinter ihnen, erst recht nicht, wenn ihm dadurch ein empfindlicher Vertrauensschaden in der Öffentlichkeit droht (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.01.1990 - 2 C 50.88 -, juris Rn. 22 ff.).

Gemessen an diesen Maßstäben ist kein Verstoß gegen das Mäßigungsgebot darin zu sehen, dass die Lehrkräfte durch die Schaffung der theoretischen und praktischen Theatergrundlagen den Schülerinnen und Schülern ermöglicht haben, das streitbefangene Theaterstück zu schreiben und aufzuführen. Denn nach der unwidersprochenen Darstellung der Lehrkräfte haben nicht diese, sondern die Schülerinnen und Schüler selbst das Stück entwickelt. Eine eigene politische Meinungsäußerung der Lehrkräfte ist darin nicht zu sehen. Aus der glaubhaften Stellungnahme der beiden Lehrkräfte, die den Kurs Darstellendes Spiel, in dem das Stück entstand, unterrichteten (Bl. 169 ff des Verwaltungsvorgangs), ergibt sich, dass sie den Schülerinnen und Schülern zunächst die Stücke "Iphigenie auf Tauris" und "Das Himbeerreich" vorschlugen, was die Schülerinnen und Schüler aber ablehnten. Nachdem auch eine Inszenierung von "Harry Potter" verworfen wurde, entstand die Idee, zu thematischen Ansätzen Stellung beziehen zu wollen. Die Aufgabe der Lehrkräfte bestand darin, den Diskussionsprozess zu begleiten und die Textrecherche zu forcieren. Parallel führten sie theatertheoretisch das Dokumentartheater in den Unterricht ein. Nach erneuter langer Diskussion wählten die Schülerinnen und Schüler dann das Thema "Rechtsruck/Rassismus". Die Rolle der Lehrkräfte während dieser und der folgenden Prozesse bestand darin, die theoretischen und praktischen Theatergrundlagen zu schaffen, mit denen die Schülerinnen und Schüler ein eigenes Theaterstück umsetzen konnten, sowie Arbeitsprozesse zu strukturieren und zu organisieren. Für die Realisierung des Stücks gaben die Lehrkräfte den Schülerinnen und Schülern die Aufgabe, einen Ort im Schulgebäude mithilfe von Tweets zu bespielen, die die Schülerinnen und Schüler wegen der Kürze und Pointiertheit zu ihrem Thema frei auswählen sollten. Dafür wählten die Schülerinnen und Schüler überwiegend Tweets von Mitgliedern der Klägerin aus, da diese nach Meinung der Schülerinnen und Schüler am besten das Thema "Rechtsruck" dokumentierten. In Eigenarbeit der Schülerinnen und Schüler entstanden Szenen, die zu einem Rundgang durch die Schule zusammengefügt wurden. Die Probenarbeiten wurden mittels einer Digitalkamera aufgezeichnet. Die Lehrkräfte erstellten durch Abtippen der Szenen und mit Hilfe der Schülertexte ein Skript, welches von den Schülerinnen und Schülern sowohl sprachlich als auch regietechnisch überarbeitet wurde, bis es von deren Seite keine Änderungswünsche mehr gab. Die Kammer hat keinen Anlass, dieser Darstellung nicht zu folgen. Die Klägerin hat sie nicht bestritten.

Dieses Vorgehen entspricht den Vorgaben des "Kerncurriculum(s) für das Gymnasium - gymnasiale Oberstufe, die Gesamtschule - gymnasiale Oberstufe, das Abendgymnasium, das Kolleg - Darstellendes Spiel" (im Folgenden: Kerncurriculum) des Beklagten aus dem Jahr 2017. Zur Rolle der Theaterlehrerinnen und -lehrer heißt es dort (S. 8 f.): "Der Unterricht im Fach Darstellendes Spiel ist in besonderem Maße geprägt durch Sozialformen wie Gruppen- und Projektarbeit sowie durch Partizipation der Schülerinnen und Schüler in Form von Eigeninitiative, Mitwirkung, Mitbestimmung und (Selbst-)Verantwortlichkeit. Theaterlehrerinnen und Theaterlehrer haben die Komplexität dieser Unterrichtssituation, die sich bei der Vermittlung theaterpraktischer Grundlagen und in Theaterprojekten ergibt, zu berücksichtigen. Theaterlehrerinnen und Theaterlehrer erkunden gemeinsam mit der Gruppe eigene und fremde Theaterauffassungen, setzen sich mit traditionellen und neueren Theaterkonzeptionen auseinander und erarbeiten, welche Theaterformen, welche Spielweisen dem gemeinsamen Darstellungsziel adäquat sind. Theaterlehrerinnen und Theaterlehrer gestalten den Unterricht als Probebühne, d.h. sie sorgen für eine Lernkultur, in der die Schülerinnen und Schüler selbstständig lernen und Entscheidungen treffen sowie Fehler und Umwege als bedeutsame Elemente von Lernprozessen erfahren. Je nach Stand des theatralen Prozesses übernehmen Theaterlehrerinnen und Theaterlehrer die Funktion des Impulsgebens, Moderierens, Beratens, Helfens oder des Anleitens. Sie initiieren, helfen, ordnen, lenken, delegieren und machen die Schülerinnen und Schüler auf vorhandene Potenziale aufmerksam und leiten sie an, diese auszuschöpfen und einzubinden. Sie sorgen für eine vertrauensvolle Atmosphäre, erkennen Störungen, übertragen Verantwortung, übernehmen aber letztlich als Spielleitung die Verantwortung für den theatralen Prozess und das Produkt. Dabei sind ihnen die Produktivität und die Risiken theatraler Grenzüberschreitungen bewusst." Nach dem Kerncurriculum ist auch die Eigenproduktion von Texten vorgesehen (S. 26). Diese setzt "die Kenntnis theaterästhetischer Grundlagen und Erfahrungen voraus. Prozesse wie Themenfindung, Recherche des szenischen Materials, ästhetische Umsetzung gehen von Impulsen der theatral Handelnden aus und werden mit projektbezogenen und zielgerichteten Übungen weiterentwickelt. Die Kenntnis von adäquaten ästhetischen Prinzipien und deren kompetente Umsetzung führen im Arbeitsprozess zu einer formal und inhaltlich überzeugenden Konzeption. Die Entscheidung für die Adaption einer nicht-dramatischen Vorlage setzt einen Klärungsprozess darüber voraus, welcher Aspekt für die Umsetzung der eigenen Spielidee produktiv genutzt werden soll (Thema, Handlungsstruktur, Motive, formale Merkmale). Nicht-fiktionale Texte (Zeitungsartikel, Interviews, Texte aus sozialen Medien) und Vorlagen aus anderen literarischen Gattungen (Lyrik, Epik) oder anderen Künsten (Bildende Kunst, Musik, Film) können Ausgangspunkt für die szenische Arbeit sein. Die Anpassung der Vorlage an die Spielsituation erfordert die Kenntnis der Zeichenhaftigkeit der theatralen Mittel und eröffnet somit spezifische Lösungsstrategien." Das Kerncurriculum betont zudem die gesellschaftliche Funktion des Gegenwartstheaters (S. 30): "Eine besondere Chance und Möglichkeit sowohl von Theaterbesuchen als auch von Theaterprojekten liegt in der Auseinandersetzung mit gesellschaftspolitischen Ereignissen und Themen, die im Medium des Theaters spielerisch verhandelt und reflektiert werden (Identitätssuche, Geschlechterstereotypien, Umgang mit dem Anderen). Ebenso können Inszenierungsformen des Alltags (Sport, Politik, Medien, ...) in der eigenen Theaterpraxis aufgegriffen und bearbeitet werden."

Der von den Lehrkräften dargestellte Ablauf des Unterrichts im Fach Darstellendes Spiel im 11. Jahrgang der H. bewegt sich innerhalb des im Kerncurriculum beschriebenen Rahmens. Die Eigenproduktion von Texten, bei der nicht-fiktionale Texte wie Beiträge aus sozialen Medien als Ausgangspunkt verwendet und gesellschaftspolitische Themen der Gegenwart bearbeitet werden, ist ausdrücklich vorgesehen. Die von den Lehrkräften in ihrer Stellungnahme beschriebene Rolle als Begleiter und Informationsgeber in einem von den Schülerinnen und Schülern selbstständig durchgeführten Lernprozess entspricht den Vorgaben des Kerncurriculums an Theaterlehrerinnen und -lehrer. Ein Verhalten der Lehrkräfte, das von diesen Vorgaben abweicht, ist weder vorgetragen noch erkennbar. Eine Überschreitung des Mäßigungsgebotes oder eine politische Indoktrination der Schülerinnen und Schüler sind nicht ersichtlich. Politische Neutralität bedeutet in der konkreten Unterrichtssituation vielmehr, die politische Auseinandersetzung der Schülerinnen und Schüler zu respektieren und auf den Ausdruck ihrer politischen Haltung mit theatralen Mitteln keinen Einfluss zu nehmen. Eine nach den oben dargestellten Maßstäben nicht zu billigende Indoktrination läge im Gegenteil dann vor, wenn die Lehrkräfte versucht hätten, auf die politische Schwerpunktsetzung, die die Schülerinnen und Schüler selbstständig für ihr Stück wählten, verändert einzuwirken. Die Darstellung der Lehrkräfte ergibt, dass die Schülerinnen und Schüler selbst das Thema "Rechtsruck/Rassismus" auswählten und auch die Texte beibrachten, von denen ausgehend sie selbstständig die verschiedenen Szenen entwickelten.

Die Letztverantwortung der Lehrkräfte für das Produkt, - hier: das aufgeführte Stück - wie auch das Kerncurriculum sie postuliert, gebietet aber, die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften zu überwachen und ggfs. einzuschreiten, wenn diese nicht mehr gewährleistet ist.

Die Lehrkräfte waren im konkreten Fall indes nicht verpflichtet, gegen das von den Schülerinnen und Schülern selbst entwickelte Theaterstück als Ganzes oder in Teilen in seiner zur Aufführung gelangten Fassung einzuschreiten und die Schülerinnen und Schüler anzuhalten, gewisse Szenen oder Textstellen zu verändern. Die Erstellung und Aufführung des Theaterstücks "Danke dafür, AfD" erfolgte im Rahmen der Ausübung des Grundrechts auf Kunstfreiheit der Schülerinnen und Schüler gemäß Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG.

Das Bundesverfassungsgericht hat als wesentlich für die künstlerische Betätigung die freie schöpferische Gestaltung betont, in der Eindrücke, Erfahrungen, Erlebnisse des Künstlers durch das Medium einer bestimmten Formensprache zu unmittelbarer Anschauung gebracht werden. Alle künstlerische Tätigkeit ist ein Ineinander von bewussten und unbewussten Vorgängen, die rational nicht aufzulösen sind. Beim künstlerischen Schaffen wirken Intuition, Phantasie und Kunstverstand zusammen; es ist primär nicht Mitteilung, sondern Ausdruck, und zwar unmittelbarster Ausdruck der individuellen Persönlichkeit des Künstlers (BVerfGE 30, 173 [BVerfG 24.02.1971 - 1 BvR 435/68] (189)).

Den so umschriebenen Anforderungen genügt das Theaterstück "Danke dafür, AfD". Schöpferische Gestaltung ist sowohl der Prozess der Entwicklung des Stücks in Form des Textes, der Regieanweisungen, der Kostüme, der Aufführungsorte sowie die Aufführung selbst. Allgemeine und persönliche Erfahrungen sollen - bezogen auf die aktuelle politische Situation - ausgedrückt und zu unmittelbarer Anschauung gebracht werden. Die vordergründige und eindeutige politische Ausrichtung des Theaterstücks ändert nichts an der Eröffnung des Schutzbereichs von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG. Verbindliche Regeln und Wertungen für die künstlerische Tätigkeit lassen sich auch dort nicht aufstellen, wo sich der Künstler mit aktuellem Geschehen auseinandersetzt; der Bereich der "engagierten Kunst" ist von der Freiheitsgarantie nicht ausgenommen (BVerfGE 30, 173 [BVerfG 24.02.1971 - 1 BvR 435/68] (190 f.)). Zudem ist die von den Schülerinnen und Schülern gewählte Theaterform des dokumentarischen Theaters gerade darauf ausgerichtet, politische Positionen auszudrücken. Ausgewogenheit ist nicht das Ziel dieser Theaterform. Die schöpferische Leistung der Autoren des dokumentarischen Theaters besteht in der Komposition des Roh-Stoffes und in der Konzentration aufs Wesentliche (vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Dokumentarisches_Theater, zuletzt abgerufen am 12.01.2024). Unwichtiges wird weggelassen, um Aufklärung, Konfrontation und Agitation zu erreichen. Angestrebt wird Realismus, nicht Naturalismus. Der Zweck bzw. das Ziel eines dokumentarischen Theaterstückes sind die politische Aufklärung und die Agitation (oft aber auch die Verurteilung einer der betroffenen Parteien). Zusätzlich wird auf einschüchternde Authentizität wie zum Beispiel genaue Nachbildung von Gerichtssälen etc. verzichtet, um den Zuschauer nicht unnötig von den Fakten abzulenken.

Die Kunst in ihrer Eigenständigkeit und Eigengesetzlichkeit ist durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG vorbehaltlos gewährleistet; weder die "Schrankentrias" des Art. 2 Abs. 1 Halbsatz 2 GG noch die Schranken des Art. 5 Abs. 2 GG gelten unmittelbar oder analog (BVerfGE 30, 173 [BVerfG 24.02.1971 - 1 BvR 435/68] (191 f.)). Aber auch die Kunstfreiheit kann Grenzen unmittelbar in anderen Bestimmungen der Verfassung finden, die ein in der Verfassungsordnung des Grundgesetzes ebenfalls wesentliches Rechtsgut schützen. Dies gilt namentlich für das durch Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützte Persönlichkeitsrecht. Allerdings zieht die Kunstfreiheit ihrerseits dem Persönlichkeitsrecht Grenzen. Um diese im konkreten Fall zu bestimmen, genügt es mithin im gerichtlichen Verfahren nicht, ohne Berücksichtigung der Kunstfreiheit eine Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts festzustellen: Es bedarf der Klärung, ob diese Beeinträchtigung derart schwerwiegend ist, dass die Freiheit der Kunst zurückzutreten hat; eine geringfügige Beeinträchtigung oder die bloße Möglichkeit einer schwerwiegenden Beeinträchtigung reichen hierzu angesichts der hohen Bedeutung der Kunstfreiheit nicht aus. Lässt sich allerdings eine schwerwiegende Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts zweifelsfrei feststellen, so kann sie auch nicht durch die Kunstfreiheit gerechtfertigt werden (BVerfG, Beschl. v. 17.07.1984 - 1 BvR 816/82 -, juris, Rn. 39). Eine weitere verfassungsimmanente Schranke kann das Grundrecht der Klägerin auf politische Chancengleichheit aus Art. 21. Abs. 1 GG darstellen. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass der Kunst kein allgemeines Neutralitätsgebot auferlegt werden darf, wo die politische Auseinandersetzung nicht im unmittelbaren politischen Bereich, sondern mit künstlerischen Mitteln und ggf. in staatlichen Einrichtungen oder mit öffentlicher Unterstützung geführt wird (Hufen: Die Kunstfreiheit (Art. 5 III Var. 1 GG), JuS 2022, 897). Grenzen bestehen dann allenfalls bei direkten und unmittelbaren Eingriffen in die Aktivitäten politischer Parteien, bei der Störung von Wahlveranstaltungen oder dem Übermalen von Plakaten.

Die Kammer kann weder eine schwerwiegende Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts der Klägerin noch eine Beeinträchtigung ihres Rechts auf politische Chancengleichheit durch das Theaterstück "Danke dafür, AfD" feststellen. Bei der Beurteilung dieser Frage legt die Kammer das Skript des Stücks - soweit nicht feststeht, dass hiervon abgewichen wurde - zugrunde und nicht das zu den Akten gereichte Video einer Probe, da diesem keine Aussagekraft für die tatsächlich aufgeführte Fassung zukommt.

a. Szene 3 des Theaterstücks "Danke dafür, AfD" beeinträchtigt die Klägerin weder schwerwiegend in ihrem Persönlichkeitsrecht noch in ihrem Recht auf politische Chancengleichheit. Diese Szene lautet wie folgt (Bl. 174 des Verwaltungsvorgangs):

"3. Grenze

Zeitungswand

Viele Menschen gehen hinter der Zeitungswand auf und ab. Einige wollen auf die andere Seite kommen und werden von den Grenzposten G. + La. weggeschubst.

La: Menschen, die aus Österreich einreisen, haben kein Asylrecht nach Artikel 16a Absatz 2 des Grundgesetzes. Ihnen ist die Einreise zu verweigern. Wenn sie das Halt an der Grenze nicht akzeptieren, können die Vollzugsbeamten im Grenzdienst Schusswaffen auch gegen Personen einsetzen.

Ga+ La: Schießen wir.

A. Dz und Le kommen durch die Grenze und werden erschossen. Die anderen hauen ab.

De: Das ist Schwachsinn. Wollt ihr etwa Frauen mit Kindern an der grünen Wiese den Zutritt mit Waffengewalt verhindern?

La: Ja. (Pause) Ach ne, wir verurteilen natürlich jede Gewalt gegen Minderjährige. Es entspricht nicht unseren Grundwerten Kinder zu erschießen. Bei Frauen ist das natürlich etwas anderes. Die sind Volljährig und damit selbst dafür verantwortlich.

Dz. wird gerettet und La redet weiter. Dz wird abgeführt. (...)"

Die Klägerin vertritt die Auffassung, ihr Persönlichkeitsrecht und ihr Recht auf politische Chancengleichheit würden schwerwiegend beeinträchtigt, indem ihr in Szene 3 des Stücks wahrheitswidrig unterstellt werde, sie trete dafür ein, Menschen durch Grenzposten erschießen zu lassen. Die zitierte Szene schreibt der Klägerin jedoch nicht wahrheitswidrig die Auffassung zu, der illegale Grenzübertritt von Erwachsenen sei notfalls mit Schusswaffengebrauch zu verhindern. Mit dieser Position ließen sich am 29.01.2016 die damalige Parteivorsitzende der Klägerin Frauke Petry gegenüber dem Mannheimer Morgen (https://www.mannheimer-morgen.de/politik_artikel,-politik-sie-koennen-es-nicht-lassen-_arid,751556.html, zuletzt abgerufen am 12.01.2024) sowie die Politikerin Beatrix von Storch auf facebook ein (https://www.spiegel.de/politik/deutschland/afd-beatrix-von-storch-schliesst-waffeneinsatz-gegen-kinder-nicht-aus-a-1074933.html, zuletzt abgerufen am 12.01.2024). Die Klägerin muss sich Aussagen ihrer Funktionärinnen und Mitglieder zurechnen lassen (vgl. BVerfG, Urt. v. 17.1.2017 - 2 BvB 1/13 - juris). Vor diesem Hintergrund stellt es sich nicht als wahrheitswidrig dar, wenn in dem Theaterstück Funktionäre der Klägerin entsprechende Aussagen tätigen.

b. Außerdem beeinträchtigt das Stück weder das Persönlichkeitsrecht der Klägerin noch ihr Recht auf politische Chancengleichheit durch Szene 4. Diese Szene lautet wie folgt (Bl. 176 des Verwaltungsvorgangs):

"4. Aquarium

Gang von der Zeitungswand/Aquarium

Das Publikum geht in Richtung Aquarium davon. J. steht an der oberen Treppe (C-Trakt) und ruft dem Publikum entgegen. K., L., M. sind im Aquarium.

M: Meine lieben Freunde, die Frage ist doch, wer Täter und wer Opfer ist. Hör zu! Kommt her! (Publikum folgt M. in den Flur. N., O., P., Q. schubsen das Publikum.) Machtlos der katastrophalen Asylpolitik der Bundesregierung ausgeliefert! Sind wir nicht alle eigentlich im Grunde unserer Herzen besorgte Bürger? Sind wir das nicht alle? SIND WIR DAS NICHT? (Im Aquarium) In den letzten Tagen sind immer wieder die Schwächsten unserer Gesellschaft Opfer von grauenhaften Gewalttaten und Verbrechen geworden. (Während J. spricht, wird De aus der Gruppe entfernt und vor den Augen der Zuschauer von Ca, Mj, L verprügelt.)

Dies sind wahrlich Besorgnis erregende Zeiten: Gewalttaten, Raubüberfälle, Vergewaltigungen, Verbrechen aller und der grauenhaftesten Art! Das ist Deutschland 2019!

M schickt das Publikum wieder aus dem Aquarium heraus. Unten an der C-Treppe stehen Dz und Le hinter der Glastür."

Die Klägerin meint, in dieser Szene werde ihr unterstellt, sie vertrete gewaltverherrlichende Ziele. Diese Interpretation der Szene ist weder die einzig mögliche noch stellt sie sich als naheliegend dar. In der Szene wird Gewalt zum einen gegenüber dem Publikum angewendet, welches von vier Darstellerinnen und Darstellern geschubst wird. Zum anderen erfährt die Figur "De" Gewalt, indem sie vor den Augen der Zuschauer von drei anderen Darstellerinnen und Darstellern verprügelt wird. Diese Gewaltausübung wird jedoch nicht erkennbar von Funktionären der Klägerin ausgeübt oder gebilligt. Eine Zuschreibung jedweder Verhaltensweise, die im streitbefangenen Theaterstück gezeigt wird, zum Verantwortungsbereich der Klägerin kann die Kammer nicht erkennen.

c. Überdies ist dem dritten Einschub weder eine Persönlichkeitsrechtsverletzung der Klägerin noch eine Verletzung ihres Rechts auf politische Chancengleichheit zu entnehmen. Dieser Einschub lautet (Bl. 180 f. des Verwaltungsvorgangs):

"EINSCHUB Text

Sprecher steht am Mikro, das vor der Treppe zur Bibliothek steht.

Texte werden neutral gelesen. Ablesen möglich.

N. - Granita

G: Als ich letztes Jahr in Italien im Urlaub war, fragte mich der Verkäufer aus der Eisdiele, ob ich Deutsche bin. Ich sagte:"Ja." Und bekam ein strahlendes Lächeln. Klar, was auch sonst. Ich bin schließlich Deutsche, meine Eltern sind Deutsche, meine Großeltern auch und so weiter. Ich bin blond, meine Augen sind blau. Mein Name ist R.. Hallo, N. !!!!! Deutscher geht's ja wohl nicht. Niemand hinterfragt, woher ich komme. Warum auch, es gibt schließlich keinen Grund zur Beunruhigung. Ehrlich gesagt spielt meine Herkunft für mich keine große Rolle, ja ja, ich weiß, ich lebe im Land des Überfluss, meine Zukunft ist rosarot, blablabla. Aber ich bin einfach N., 17 Jahre alt. Ich liebe Basketball und meine Freunde und gehöre in Deutschland dazu. Egal wo ich hinkomme, ich werde aufgenommen, als wäre ich schon immer da gewesen. Ich bin eine Person, neben die sich ältere Damen im Bus setzen und bei der sie sich über all die asozialen Jugendlichen beschweren. Ältere Damen, die Angst vor Fremden haben. Ich bin eine Person, die gefragt wird, was ich von den vielen Ausländern um mich herum halte. Ich bin auch eine Person, der freundlich begegnet wird ohne Argwohn. Kurz gesagt, weil ich Deutsch aussehe, freundlich und blond bin, hat niemand, wirklich niemand Angst vor mir."

Die Kammer teilt nicht Auffassung der Klägerin, in dieser Szene werde der Klägerin unterstellt, dass sie für ein "arisches Weltbild" eintrete. Der Einschub stellt die Ich-Perspektive einer 17jährigen Deutschen dar, die ihre subjektive Wahrnehmung beschreibt und schildert, welche - positiven - gesellschaftlichen Reaktionen sie aufgrund ihres Phänotyps hervorruft. Als blonde Blauäugige müsse sie sich nicht mit Ausgrenzung auseinandersetzen, werde nicht als fremd empfunden und löst keine Angst in anderen Menschen aus. Der Einschub befasst sich nicht mit der Klägerin und unterstellt ihr erkennbar kein Weltbild. Das Stück enthält insgesamt fünf Einschübe, in denen aus der subjektiven Perspektive einzelner Schülerinnen und Schülern deren Haltung zu den Themen Kopftuch, Diskriminierung aufgrund der Hautfarbe, Identität einer Doppelstaatlerin, Populismus und Wirksamkeit eines Theaterstücks wie des streitbefangenen dargestellt wird. Die Einschübe stehen neben szenischem Spiel, welches aufzuteilen ist in Szenen, die unmittelbar auf die Klägerin bezogen sind - etwa weil Funktionäre oder Mitglieder darin handeln - und solchen, die andere Protagonisten aufweisen. Das Stück ist dadurch in drei Ebenen gegliedert: die Darstellung von Handlungen und Aussagen von der Klägerin zuzuordnenden Personen, die Darstellung von Ereignissen, die einem Rechtsruck der Gesellschaft zugeschrieben werden, und Gedanken aus der Sicht einzelner. Auf diese Weise werden die Ansichten einzelner collagenartig neben die gespielten Szenen montiert, um so die Wirkung der dargestellten Entwicklung aus subjektiver Sicht zu zeigen.

d. Außerdem beeinträchtigt der zweite Teil der Szene 8 die Klägerin weder schwerwiegend in ihrem Persönlichkeitsrecht noch in ihrem Recht auf politische Chancengleichheit. Der zweite Teil dieser Szene lautet wie folgt (Bl. 181 ff. des Verwaltungsvorgangs):

"8. Die wahren Opfer

Gang vor der Treppe im B-Trakt zur Sporthalle

(...)

Applaus von P und Dz. S. kommt nach unten.

B und J treten auf und bleiben neben der Szene stehen. Scheinbar unbeteiligt schauen sie im Freeze in ihre Handys.

P: Mein lieber Alex, ich muss es dir nochmal sagen: Die Rede, die du gehalten hast, war echt bombastisch! Nochmal Applaus! (Applaus)

Wäre ich nicht schon in dieser Partei, ich würde eintreten!

Dz: Ganz deiner Meinung.

L: Ihr meint es zu gut. Aber mit mir an der Parteispitze, das verspreche ich euch, dauert es nicht mehr lange bis zur Machtergreifung - äh bis wir regierende Partei sind.

P: Ja, das sehen wir auch schon. Es dauert nicht mehr lange.

L: Naja, eins stört schon noch...

Alle: Die Ausländer.

Dz: Sie hindern uns daran, unser Deutschland zu alter Größe zu führen. Also zu bringen.

Erinnert ihr euch an den Anschlag auf mich? Auf einen AfD-Politiker?

Be und J sprechen die AfD an, bleiben aber stehen.

B: Stopp! Das ist kompletter Schwachsinn, den ihr da redet!

Inzwischen werden wieder Flüchtlingslager angegriffen und zwar, weil sie gegen Ausländer hetzten.

J: Außerdem gibt es Anschläge auf Juden und der Antisemitismus nimmt zu.

La, P, Dz: naja, aber daran sind ja - also das sind ja auch die Ausländer. Das verurteilen wir! Sehr. Also total. Und der Anschlag gegen uns ist viel schlimmer. Ich habe immer noch Albträume. Er hat geblutet.

B: Stopp! (ans Publikum, geht vor) Hört ihr, wie sie reden? Welche Behauptungen sie aufstellen? Warum hassen diese Menschen andere auf Grund der Herkunft ihrer Eltern? Es gibt keine Argumente.

J: Beurteilt die Menschen nicht nach ihrer Herkunft, Geschlecht oder Religion! Wenn ihr das tut, seid ihr einfach nur Nazis.

Gehen durch das Publikum ab."

Die Klägerin meint, in dieser Szene würden ihr pauschale Ausländerfeindlichkeit sowie die Verharmlosung von Anschlägen auf Juden unterstellt. Dies kann die Kammer nicht feststellen. Soweit in der Szene Funktionäre der Klägerin die Aussage tätigen, Ausländer würden stören, greift das Stück an dieser Stelle eine zur Zeit seiner Entstehung von Mitgliedern der Klägerin geführte Debatte auf, wer den inneren Frieden in Deutschland gefährde. Diese Frage war Gegenstand der Rede des damaligen Fraktionsvorsitzenden der Bundestagsfraktion der Klägerin, Alexander Gauland, der die Generaldebatte am 12.09.2018 im Deutschen Bundestag eröffnete (Plenarprotokoll 19/48). In seiner Rede führte der Fraktionsvorsitzende aus, es herrsche Konsens darüber, dass der innere Frieden gefährdet sei. Dissens gebe es hingegen in der Frage, von wem die Gefährdung ausgehe. An diese Frage schloss sich eine Aufzählung von Übergriffen mit gefährlicher Körperverletzung oder Belästigung durch Asylbewerber und mutmaßliche Ausländer an. Der Fraktionsvorsitzende der Klägerin im Thüringer Landtag, Björn Höcke, schrieb in einem Beitrag auf facebook, die zivilisatorische Leistung einer verhältnismäßig friedlichen und sicheren deutschen Gesellschaft, in der Gewalt geächtet gewesen sei, werde nun durch den Zuzug von Millionen Fremden in Frage gestellt (https://www.facebook.com/Bjoern.Hoecke.AfD/photos/a.1424703574437591/2186533684921239/?type=3&theater, zuletzt abgerufen am 12.01.2024). Als Beispiel führt er einen körperlichen Übergriff von "vermutlich arabischstämmigen Mitschülern" gegen einen Berufsschüler an. Wer die gewaltfreie Gesellschaft erhalten wolle, müsse sie vor jenen schützen, die diese neue Brutalität in die Gesellschaft hineintrügen. Diese Äußerungen stehen beispielhaft für weitere, mit denen Funktionäre der Klägerin öffentlich zur Rolle von Ausländern in Deutschland Stellung bezogen und dieses Thema damit zum Gegenstand der Außendarstellung der Klägerin machten. Die Klägerin hat es daher hinzunehmen, wenn ihr Beitrag in der politischen Debatte aufgegriffen und im Rahmen des Theaterstücks zugespitzt wird, indem den Funktionären der Klägerin im Stück eine entsprechende Aussage zum "Stören" der Ausländer zugeschrieben wird.

Soweit in der Szene durch Funktionäre der Klägerin angedeutet wird, am Antisemitismus seien "die Ausländer" schuld, greift das Theaterstück eine zum Zeitpunkt seiner Entstehung in Niedersachsen geführte Debatte über die Bestellung eines Antisemitismusbeauftragten auf. Hierzu hatte die Klägerin einen Gesetzesentwurf vom 19.02.2019 in den niedersächsischen Landtag eingebracht (Drs. 18/2903). Von politischen Gegnern war der Klägerin vorgeworfen worden, sie instrumentalisiere ein wichtiges Anliegen für ihre Zwecke, weil sie in der Begründung des Gesetzesentwurfs antisemitische Tendenzen durch "Zuwanderung aus den Ländern Nordafrikas, dem Nahen und Mittleren Osten, in denen Antisemitismus einen besonderen Nährboden hat" verstärkt sah (https://www.migazin.de/2019/03/04/niedersachsen-afd-instrumentalisiert-antisemitismus-fuer-fluechtlingshetze/, zuletzt abgerufen am 12.01.2024). Indem durch das Stück eine gegenwärtige politische Debatte aufgegriffen und der Klägerin eine von ihr selbst vertretene Position - wenn auch verkürzt - zugeschrieben wird, werden weder ihr Persönlichkeitsrecht noch ihr Recht auf politische Chancengleichheit beeinträchtigt. Die Klägerin selbst hat dieses Thema in der Öffentlichkeit gesetzt und sich dazu positioniert. Eine künstlerische Auseinandersetzung damit hat sie hinzunehmen.

Es liegt außerdem keine schwerwiegende Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts der Klägerin oder ihres Recht auf politische Chancengleichheit darin, dass in Szene 8 Anschläge auf Juden und Antisemitismus durch die Funktionäre der Klägerin zwar verurteilt, jedoch als weniger schlimm als ein Anschlag gegen ein Mitglied der Klägerin angesehen werden. Hier bedient sich das Stück der ironischen Darstellung einer formalen Distanzierung von antisemitischen Anschlägen und vom Antisemitismus als theatrales Mittel. Eine Verharmlosung ist dem nicht zu entnehmen.

e. Schließlich lässt sich auch Szene 10 weder eine schwerwiegende Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts der Klägerin noch ihres Rechts auf politische Chancengleichheit entnehmen. Diese Szene lautet wie folgt (Bl. 186 des Verwaltungsvorgangs):

"10. Twitterraum/Chaosraum

Bunker im Keller

La, P, Dz und Be bringt das Publikum in den Chaosraum. Tür wird geöffnet. Alle stehen im Kreis an den Wänden. M. atmet laut und langsam. Alle beginnen zu summen. Einzelne Tweets werden gerufen und als Echo wiederholt.

Es wird dauerhaft weiter gesummt. die Gruppe verlässt den Raum und schließt die Tür.

Black."

Die Klägerin ist der Auffassung, sie werde aufgrund der in dieser Szene erschaffenen "Gaskammeratmosphäre" mit den Verbrechen der NS-Zeit in Verbindung gebracht. Ausgangspunkt für diese Auffassung ist die Berichterstattung am 03.05.2019 in der Neuen Osnabrücker Zeitung, in der es unter anderem heißt, das Publikum sei in einem lichtlosen Kellerraum eingesperrt worden und habe dort eigentlich nur noch darauf gewartet, "das Geräusch von aus Duschdüsen strömendem Gas zu hören". Entscheidend kommt es hier darauf an, dass die Szene mehreren Interpretationen zugänglich ist, von denen die Wahrnehmung des Redakteurs, die Eingang in den genannten Artikel gefunden hat, lediglich eine ist. Künstlerische Äußerungen sind interpretationsfähig und interpretationsbedürftig; ein unverzichtbares Element dieser Interpretation ist die Gesamtschau des Werks. Es verbietet sich daher, einzelne Teile eines Kunstwerks aus dessen Zusammenhang zu lösen (BVerfG, Beschl. v. 17.07.1984, a.a.O.).

Die Szene 10 lässt sich auch als theatrale Umsetzung der Wirkmechanismen sozialer Medien wie der Plattform Twitter (nun: X) auffassen: Der Kellerraum kann als Darstellung des digitalen Raums, in dem die Tweets abgesetzt werden, interpretiert werden. Indem Tweets von den Darstellerinnen und Darstellern gerufen und als Echo wiederholt werden, wird die Wirkung des digitalen Raums als "Echokammer" inszeniert. Als Echokammer oder auch Filterblase bezeichnet man eine Umgebung, in der die Teilnehmer auf Überzeugungen stoßen, die ihre bereits bestehenden Überzeugungen durch Kommunikation und Wiederholung innerhalb eines geschlossenen Systems und abgeschirmt von Widerlegungen verstärken (Carlos Diaz Ruiz, Tomas Nilsson, Disinformation and Echo Chambers: How Disinformation Circulates on Social Media Through Identity-Driven Controversies, Journal of Public Policy & Marketing, Volume 42, Issue 1, https://journals.sagepub.com/doi/10.1177/07439156221103852, zuletzt abgerufen am 12.01.2024). Diese Interpretation liegt auch deshalb nahe, weil das gesamte Stück auf der Auseinandersetzung mit Tweets von Mitgliedern und Funktionären der Klägerin basiert. Vor diesem Hintergrund lässt sich gerade die Schlussszene als Darstellung der Wirkung von Meinungsäußerungen in Sozialen Medien verstehen. Intention der Schülerinnen und Schüler beim Verfassen dieser Szene war nach Auskunft der Lehrkräfte in ihrer schriftlichen Stellungnahme zudem, durch die Wahl des Ortes ihrer Sorge und Beklemmung, in einer gespaltenen und fremdenfeindlichen Gesellschaft leben zu müssen, Ausdruck zu verleihen. Die Darstellung einer Gaskammer sei nicht intendiert gewesen. Liegen mehrere Interpretationsmöglichkeiten der Szene 10 vor, von denen jedenfalls eine keinerlei Berührungspunkte zum Persönlichkeitsrechts der Klägerin aufweist, lässt sich eine Beeinträchtigung dieses Rechts durch das Stück nicht feststellen (vgl. zum Gebot, nicht auf die allein strafrechtlich relevante Interpretationsmöglichkeit eines Theaterstücks abzustellen: BVerfG, Beschl. v. 17.07.1984, a.a.O. Rn. 44 ff.).

Soweit das Skript als letzten Satz die Äußerung "Fick dich, Gauland" enthält und die Klägerin sich insoweit auf die Beeinträchtigung ihres Persönlichkeitsrechts durch eine Formalbeleidigung beruft, kann die Kammer eine solche nicht feststellen, weil sie davon ausgeht, dass dieser Satz in den öffentlichen Aufführungen des Stücks tatsächlich nicht gesagt wurde. Dies bestreitet die Klägerin mit Nichtwissen. Die Beklagte hat hierzu substantiiert und detailliert ausgeführt, dass sich die Schülerinnen und Schüler nach Diskussionen im Unterricht gegen diesen letzten Satz entschieden und stattdessen den Satz "Danke dafür, AfD" - entsprechend dem Titel des Stücks - gewählt hätten, dessen Ausspruch dann in den Aufführungen das Stück jeweils beendet habe. Die Klägerin hat demgegenüber nicht substantiiert dargelegt, dass der Satz "Fick dich, Gauland" tatsächlich bei einer der Aufführungen gesagt worden ist. Vor diesem Hintergrund reicht das bloße Bestreiten mit Nichtwissen nicht aus.

f. Die weiteren Szenen des Stücks, die von der Klägerin nicht gerügt worden sind, beeinträchtigen die Klägerin überdies ebenfalls nicht schwerwiegend in ihrem Persönlichkeitsrecht oder in ihrem Recht auf politische Chancengleichheit. Soweit im Stück eine fiktive Gesellschaft dargestellt wird, die im Sinne einer Dystopie auf der Grundlage von öffentlichen Äußerungen von Funktionärinnen und Funktionären der Klägerin durch die Schülerinnen und Schüler konstruiert wurde, stellt dies weder eine schwerwiegende Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts der Klägerin noch ihres Rechts auf politische Chancengleichheit dar. Eine künstlerische Auseinandersetzung mit den von der Klägerin vertretenen migrationspolitischen Positionen und Äußerungen und eine Projizierung einer möglichen künftigen Entwicklung der Gesellschaft auf Basis dieser Positionen ist von der Kunstfreiheit gedeckt. Soweit Äußerungen von Mitgliedern und Funktionärinnen und Funktionären der Klägerin in sozialen Medien oder sonst in der Öffentlichkeit Eingang in das Stück gefunden haben, begegnet dieses künstlerische Aufgreifen und Umsetzen von Elementen der eigenen Außendarstellung der Klägerin keinerlei rechtlichen Bedenken.

Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Titel des Stücks. Dieser nimmt offensichtlich Bezug auf das geflügelte Wort "Danke Merkel", mit dem während der Amtszeit der Bundeskanzlerin Merkel dieser - ironisch oder ernsthaft - Verantwortung für noch so fernliegende Sachverhalte zugewiesen wurde. Vor diesem Hintergrund lässt sich der Titel des Stücks als Überspitzung so verstehen, dass der Klägerin nicht die unmittelbare und alleinige Verantwortung für die geschilderten Ereignisse zugeschrieben wird.

II. Soweit die Klage hilfsweise darauf gerichtet ist festzustellen, die Duldung der Aufführung des Theaterstücks "Danke dafür, AfD" Anfang Mai 2019 an der H. in G. durch das Lehrpersonal sei rechtwidrig gewesen, ist die Klage zulässig. Insoweit gilt das oben unter I. 1. Gesagte entsprechend. Die Klage ist insoweit aber unbegründet. Wenn bereits die Unterstützung der Aufführung des Theaterstücks durch die Lehrkräfte - wie unter I. 2. gezeigt - nicht rechtswidrig war, dann kann auch die Duldung als Minus zu einer Unterstützung nicht rechtswidrig gewesen sein.

III. Die Klage ist unzulässig, soweit die Klägerin die Feststellung begehrt, es sei rechtswidrig gewesen, dass der Beklagte keine Aufsichtsmaßnahmen gegenüber der Niedersächsischen Landesschulbehörde, dem Schulleiter der H. und den Lehrkräften, die den Kurs Darstellendes Spiel im 11. Jahrgang der H. im Schuljahr 2018/2019 leiteten, ergriffen hat. Die Klägerin beruft sich insoweit nicht mit Erfolg auf eine Klagebefugnis gem. § 42 Abs. 2 VwGO. Die Sachurteilsvoraussetzung der Klagebefugnis ist unabhängig davon zu prüfen, ob es sich bei einem aufsichtsrechtlichen Einschreiten des Beklagten um einen Verwaltungsakt im Sinne des § 35 Satz 1 VwVfG i. V. m. § 1 Abs. 1 NVwVfG gehandelt hätte und damit ursprünglich die Anfechtungsklage die statthafte Klageart gewesen wäre oder ob mangels Verwaltungsaktqualität die Feststellungsklage statthaft wäre. Die Zulässigkeitsvoraussetzung der Klagebefugnis folgt bei einer Anfechtungsklage unmittelbar aus § 42 Abs. 2 VwGO und muss auch bei der Feststellungsklage zur Vermeidung der dem Verwaltungsprozessrecht fremden Popularklage in entsprechender Anwendung dieser Norm vorliegen (vgl. BVerwG, Urt. v. 29.06.1995 - 2 C 32.94 -, juris, Rn. 18; Urt. v. 26.11.2003 - 9 C 6.02 -, juris, Rn. 28; Urt. v. 05.04.2016 - 1 C 3.15 -, juris, Rn. 16; OVG NRW, Urt. v. 24.02.2016 - 7 A 1623/14 -, juris, Rn. 44). Gleiches gilt für die Fortsetzungsfeststellungsklage (Schoch/Schneider/Riese, 44. EL März 2023, VwGO § 113 Rn. 147).

Die Klägerin macht ohne Erfolg gemäß § 42 Abs. 2 VwGO (analog) geltend, in eigenen subjektiven Rechten verletzt zu sein. Zwar dürfen die Anforderungen an die Sachentscheidungsvoraussetzung des § 42 Abs. 2 VwGO nicht überspannt werden, so dass es in diesem Zusammenhang ausreichend ist, Tatsachen vorzutragen, die es denkbar und möglich erscheinen lassen, dass eine eigene rechtlich geschützte Position beeinträchtigt wird. Daran fehlt es allerdings dann, wenn offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise Rechtspositionen der Klägerin bestehen oder ihr zustehen oder - ihr Bestehen oder Zustehen unterstellt - unter keinem Gesichtspunkt verletzt sein können (vgl. BVerwG, Urt. v.1 19.11.2015 - 2 A 6.13 -, juris, Rn. 15).

Eine subjektive Rechtsposition kann die Klägerin nicht aus den Rechtsgrundlagen der Fachaufsicht für sich herleiten. Rechtsgrundlage für die von der Klägerin begehrte Maßnahme könnte nur § 120 Abs. 3 NSchG sein. Danach übte die Landesschulbehörde als die im Jahr 2019 nach § 120 Abs. 6 i. V. m. § 119 Nr. 2 NSchG - in der Fassung vom 3. März 1998 - (Nds. GVBl. S. 137 - VORIS 22410 01 00 00 000 - geändert durch Artikel 15 des Gesetzes vom 16. Mai 2018 (Nds. GVBl. S. 66)) zuständige nachgeordnete Schulbehörde die Fachaufsicht über die Schulen, zu denen auch die H. zählt, aus; Gegenstand der Fachaufsicht ist dabei die Kontrolle der Recht- und Zweckmäßigkeit des Handelns der Schule. Zu diesem Zweck kann die Schulbehörde - unter Beachtung der Vorgaben des § 121 NSchG - u.a. Weisungen gegenüber der Schule aussprechen (vgl. § 120 Abs. 4 NSchG). Der Beklagte selbst ist gemäß § 119 Nr. 1 NSchG oberste Schulbehörde.

Es gibt kein subjektiv-öffentliches Recht eines Bürgers auf Einschreiten der (Fach-) Aufsichtsbehörde gegenüber der beaufsichtigten Behörde - hier: der Schule. Die (Fach-) Aufsicht der übergeordneten Behörde gegenüber der nachgeordneten Behörde dient vielmehr allein der verwaltungsinternen Kontrolle des Verwaltungshandelns. Die Aufsicht hat objektiven Charakter und dient nicht der Durchsetzung subjektiver Rechte. Der außenstehende Bürger kann zwar durch eine (Fach- oder Dienst-) Aufsichtsbeschwerde ein Tätigwerden der Aufsichtsbehörde anregen (vgl. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 16. Aufl., 2006, § 22 Rn. 33). Ein gerichtlich durchsetzbarer Rechtsanspruch eines Bürgers auf Einschreiten der Aufsichtsbehörde gegenüber der beaufsichtigten Behörde im Rahmen der (Fach- oder Dienst-) Aufsicht besteht jedoch nicht (so bereits: Beschl. d. Kammer v. 06.02.2003 - 6 B 444/03 -, juris, Rn. 25; a.A.: VG Berlin, Beschl. v. 24.03.2023 - 3 L 24/23 -, juris; zum (fehlenden) Anspruch eines Dritten auf Einschreiten der Kommunalaufsicht: VG des Saarlandes, Urt. v. 26.09.2014 - 3 K 115/14 -; VG S-H, Beschl. v. 10.07.2023 - 6 B 10/23 -, juris, Rn. 5;). Hierfür besteht auch kein Bedürfnis, weil der durch Art. 19 Abs. 4 GG gebotene effektive Schutz subjektiver Rechte durch die Möglichkeit des gerichtlichen Vorgehens unmittelbar gegenüber der betreffenden Behörde - hier: der Schule - wie unter I. und II. gezeigt hinreichend gewährleistet ist. Die anderslautende Auffassung des VG Berlin ist abzulehnen. Es bejaht die Antragsbefugnis analog § 42 Abs. 2 VwGO unter Hinweis auf eine schlechterdings nicht ausgeschlossene Verletzung des in dem zugrundeliegenden Fall bedeutsamen elterlichen Erziehungsrechts aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG, ohne in diesem Zusammenhang zu problematisieren, ob ein Anspruch auf Einschreiten der Fachaufsicht überhaupt denkbar ist. Soweit es im Verlauf der weiteren Prüfung die Möglichkeit des Anspruchs eines privaten Dritten auf Einschreiten der Aufsichtsbehörde unter Verweis auf Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urt. v. 27.09.2018 - BVerwG 7 C 23.16 -, juris Rn. 13) davon abhängig macht, ob dieser durch einen rechtswidrigen Zustand in seinen Rechten verletzt ist, folgt die Kammer dem nicht. Denn während es in dem Fall, der dem genannten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zugrunde lag, um das Einschreiten der Abfallbehörde gegen einen Privaten ging, liegt dem vorliegenden Fall die insoweit nicht vergleichbare Konstellation der verwaltungsinternen Fachaufsicht zugrunde, die sich nicht auf einen privaten Dritten, sondern auf eine untergeordnete Behörde richtet. Eine Vergleichbarkeit der Sachverhalte besteht nicht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11 und § 711 Satz 1 und 2 ZPO.