Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 13.09.2023, Az.: 1 A 2294/22

Interessenvertretung; Katastrophenschutz; Lobbyismus; Verbandsbeteiligung; Kein Rechtsanspruch eines Interessenvertreters auf Beteiligung im Rahmen der Verbandsanhörung

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
13.09.2023
Aktenzeichen
1 A 2294/22
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2023, 37216
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGHANNO:2023:0913.1A2294.22.00

Fundstelle

  • NVwZ-RR 2024, 121-123

Amtlicher Leitsatz

Der Vorschrift des § 31 Abs. 1 Satz 2 der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Landesregierung und der Ministerien in Niedersachsen, wonach bei der Erstellung von Gesetzentwürfen durch die Ministerialverwaltung "sonstigen Stellen" im öffentlichen Interesse Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben werden kann, korrespondiert keine subjektive Rechtsposition. Auch in Verbindung mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz ergibt sich kein "Rechtsanspruch auf Lobbyismus".

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht das beklagte Land vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand

Der Kläger begehrt eine Verpflichtung des beklagten Landes, ihn bei der Erstellung von Gesetzentwürfen der Landesregierung zum Katastrophenschutzgesetz zu beteiligen.

In Deutschland ist der Schutz der Bevölkerung vor kriegsbedingten Gefahren ("Zivilschutz") eine Aufgabe des Bundes; die Länder sind für den Schutz vor großen Unglücken und Katastrophen in Friedenszeiten zuständig ("Katastrophenschutz"). In Niedersachsen obliegt der Katastrophenschutz als Aufgabe des übertragenen Wirkungskreises den Landkreisen und kreisfreien Städten sowie den Städten Cuxhaven und Hildesheim (untere Katastrophenschutzbehörden). Der Kläger ist ein eingetragener Verein, der 1983 gegründet wurde und sich als A. der Helfer in den Regieeinheiten und -einrichtungen des Katastrophenschutzes in der Bundesrepublik Deutschland bezeichnet. Er sieht es als fachübergreifende Organisation des 1Katastrophenschutzes und als Vertretung der in der Regie der Katastrophenschutzbehörden tätigen Helferinnen und Helfer u. a. als seine Aufgabe an, die Verwaltung der für den Katastrophenschutz zuständigen Bundes-, Landes- und Kreisbehörden sowie bei der Gesetzgebung zu beraten. Regieeinheiten werden als Einheiten und Einrichtungen von den unteren Katastrophenschutzbehörden bei Bedarf selbst aufgestellt; sie treten ergänzend neben die von anderen öffentlichen und privaten Trägern aufgestellten Einheiten und Einrichtungen (§ 13 Abs. 1 NKatSG).

Von 1968 bis 1997 gab es in Deutschland einen "erweiterten Katastrophenschutz", der die Nachfolge eines geplanten - aber letztlich nicht aufgestellten - Zivilschutzkorps und des seit 1957 existierenden Luftschutzhilfsdienstes übernahm. Rechtsgrundlage war das "Gesetz zur Erweiterung des Katastrophenschutzes" - KatSchErwG - von 1968. Nach § 1 Abs. 1 KatSchErwG sollten die Einheiten und Einrichtungen des Katastrophenschutzes ihre Aufgaben auch hinsichtlich der besonderen Gefahren und Schäden wahrnehmen, die im Verteidigungsfall drohen. Im Zuge des erweiterten Katastrophenschutzes wurde zusätzliche - dem Zivilschutz dienende - Ausrüstung aus Bundesmitteln angeschafft und über die Länder auf die kreisfreien Städte und Landkreise aufgeteilt, die sie an die Einheiten und Einrichtungen des Katastrophenschutzes weitergeben sollten (§ 5 Abs. 1 KatSchErwG). In § 7b Abs. 2 KatSchErwG in der seit dem 1. Februar 1990 geltenden Fassung wurde ein Beteiligungsrecht bei der Vorbereitung allgemeiner Regelungen verankert, bei dem auch der Kläger Erwähnung fand; die Regelung lautete wie folgt:

"Die Bundesverbände der nach diesem Gesetz mitwirkenden privaten Organisationen, der Deutsche Feuerwehrverband, die THW-Helfervereinigung und der A. der Helfer in den Regieeinheiten und -einrichtungen des Katastrophenschutzes werden bei der Vorbereitung allgemeiner Regelungen des Bundes über die Erweiterung des Katastrophenschutzes angehört, die die Organisationen, die Feuerwehren, das Technische Hilfswerk und die Regieeinheiten und -einrichtungen unmittelbar betreffen."

Die Regelungen zum "erweiterten Katastrophenschutz" traten 1997 im Zuge des Gesetzes zur Neuordnung des Zivilschutzes außer Kraft.

Aus einem Artikel des vom Kläger vorgelegten "Bevölkerungsschutzmagazins 9/93" mit dem Titel "{C.} Gastgeber beim 7. Koordinationsgespräch des niedersächsischen Katastrophenschutzes" geht hervor, dass auf Initiative des niedersächsischen Innenministeriums seit 1990 in jährlich mindestens zweimaligen Zusammenkünften Abstimmungen mit den im Katastrophenschutz des Landes mitwirkenden Funktionsträgern stattfanden. Teilnehmer waren Repräsentanten der Bezirksregierungen, der Katastrophenschutzschule, des Bundesverbandes für den Selbstschutz, der Landesverbände des Deutschen Roten Kreuzes, der Johanniter-Unfallhilfe, des Malteser-Hilfsdienstes, des Arbeiter-Samariter-Bundes und der deutschen Lebensrettungsgesellschaft, der Feuerwehr, des Technischen Hilfswerks, der Regieeinheiten, der Bundeswehr und der Polizei.

Anfang März 2022 gab die Landesregierung einen Gesetzentwurf zur Änderung des Niedersächsischen Katastrophenschutzgesetzes zur Verbandsbeteiligung frei. Bei dem Gesetzentwurf wurden u. a. die kommunalen Spitzenverbände, der Landesfeuerwehrverband, das Deutsche Rote Kreuz, die Johanniter-Unfallhilfe, der Malteser-Hilfsdienst, der Arbeiter-Samariter-Bund und die deutsche Lebensrettungsgesellschaft angehört, nicht aber der Kläger. Dieser wandte sich deshalb am 14. März 2022 an die Niedersächsische Staatskanzlei und bat um Anhörung zu dem Gesetzentwurf. Der Kläger sei kraft Bundesgesetzes anerkannter Dachverband der Regieeinheiten des Katastrophenschutzes, deren ehrenamtliche Helferinnen und Helfer auch in Niedersachsen in nennenswerter Größenordnung in Einheiten zur behördennahen Führungsunterstützung und im Fernmeldedienst aktiv mitwirkten. Das Bundesinnenministerium und das Bundesamt für Bevölkerungsschutz zählten den Kläger zu den acht großen Katastrophenschutzorganisationen in Deutschland. Frühere Landesregierungen hätten den Landesverband des Klägers stets beteiligt.

Mit Schreiben vom 24. März 2022 antwortete der Staatssekretär des Niedersächsischen Ministeriums für , dass der Bitte des Klägers, im Rahmen der Verbandsbeteiligung angehört zu werden, nicht entsprochen werden könne. Die Interessen der von den unteren Katastrophenschutzbehörden aufgestellten Regieeinheiten würden in der Verbandsbeteiligung durch die kommunalen Spitzenverbände wahrgenommen.

Der Kläger hat am 24. April 2022 Klage erhoben. Er sei als Vertretung und gesetzlich anerkannter Verband der Regieeinheiten (§ 7b Abs. 2 KatSchErwG i. d. F. vom 01.02.1990) nicht angehört worden. Auf Bundesebene werde der Kläger gleichberechtigt bei allen den Zivil- und Katastrophenschutz betreffenden Regelungen beteiligt; in anderen Bundesländern sei die Beteiligung unmittelbar betroffener Katastrophenschutzorganisationen gesetzlich verankert. Er sei in Deutschland gemessen an den 30.000 Mitgliedern nach den Feuerwehren, THW und DRK die viertstärkste Kraft im Katastrophenschutz und werde vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe als wichtiger Partner und Mitgestalter des Bevölkerungsschutzes bezeichnet. Die Ehrenamtlichen in den niedersächsischen Regieeinheiten seien im Bereich der Einheiten der Führung (technische Einsatzleitungen und Einheiten der Führungsunterstützung), bei Information und Kommunikation (Fernmeldezentralen und -einrichtungen) sowie der Logistik von herausragender Bedeutung. So würden Aufgaben der Führung und Kommunikation in der Region B-Stadt, in den Städten Cuxhaven, Wilhelmshaven und Wolfsburg sowie in den Landkreisen Cloppenburg und Wesermarsch wahrgenommen. Diese Aufgaben würden von privaten Hilfsorganisationen gerade nicht abgedeckt. Originäre Fachdienste dieser Organisationen seien der Sanitätsdienst, der Betreuungsdienst und der Wasserrettungsdienst. Jede der acht großen Katastrophenschutzorganisationen halte Einheiten in unterschiedlichen Fachdiensten vor. Die kommunalen Spitzenverbände hätten die Belange der Regieeinheiten nie wirklich vertreten und blieben die Wertschätzung der im behördlichen Katastrophenschutz mitwirkenden Ehrenamtlichen schuldig. Auf Schreiben sowohl an den Deutschen Landkreistag und den Niedersächsischen Landkreistag sowie an den Deutschen und Niedersächsischen Städte- und Gemeindebund habe der Kläger nie eine Antwort erhalten. Der Gesetzentwurf enthalte Regelungen, von denen die Ehrenamtlichen in den Regieeinheiten direkt betroffen seien; zudem beabsichtige das Land die Aufstellung von zentralen Landeseinheiten in eigener Trägerschaft, bei denen es sich wegen der behördlichen Trägerschaft ebenfalls um Regieeinheiten handele, auch wenn dort Kräfte anderer Organisationen mitwirken sollten. Die Ausgrenzung der Regieeinheiten habe System und sei teilweise sogar rechtsmissbräuchlich. Der Kläger sei auch von einer Mitwirkung in dem 2017 geschaffenen Landesbeirat Katastrophenschutz Niedersachsen, welches beim Innenministerium unter dessen Vorsitz angesiedelt sei, ausgeschlossen worden. Offenbar sei eine Aufnahme des Klägers auch unter Einflussnahme auf das Stimmverhalten vom Landesfeuerwehrverband und den Verbänden der privaten Hilfsorganisation einstimmig abgelehnt worden. Für frühere Landesregierungen sei die Beteiligung des Klägers gelebte Praxis gewesen. In den 1990er-Jahren habe sich das Innenministerium regelmäßig mit dem Kläger im damaligen Vorläufer des heutigen Beirates abgestimmt und den Wert der Regieeinheiten hervorgehoben. Soweit das beklagte Land ausführe, dass auch der Landesfeuerwehrverband als unmittelbarer Träger im Katastrophenschutz mitwirke, sei dies nicht zutreffend. Träger der Feuerwehren seien wie bei den Regieeinheiten die Kommunen. Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens werde der Gleichheitsgrundsatz verletzt, wenn den kommunalen Feuerwehren mit ihrem niedersächsischen Dachverband und den fünf Landesverbänden der privaten Hilfsorganisation ein Recht auf Anhörung gewährt werde, nicht aber dem Kläger als Spitzenverband der kommunalen Regieeinheiten. Durch die Novellierung seien die Regieeinheiten besonders betroffen und die Beteiligung nach § 31 Abs. 1 der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Landesregierung und der Ministerien in Niedersachsen - GGO - von öffentlichem Interesse. Die Argumentation des beklagten Landes habe das Vertrauen der Ehrenamtlichen in die Objektivität der obersten Katastrophenschutzbehörde erheblich in Zweifel gezogen. Der Zusammenhalt der acht Katastrophenschutzorganisationen und der integrierte Ansatz im deutschen Hilfeleistungssystem seien ein hohes Gut. Der Kläger werde diskriminiert und ausgegrenzt. Nach Abschluss des streitgegenständlichen Gesetzgebungsverfahrens sei das Klageverfahren wegen der Grundsätzlichkeit der Angelegenheit fortzusetzen, weil das beklagte Land nicht zu erkennen gebe, eine Beteiligung bei künftigen Novellierungen des Niedersächsischen Katastrophenschutzgesetzes vorzunehmen.

Der Kläger beantragt,

das beklagte Land zu verurteilen, ihn bei künftigen Gesetzentwürfen, die den niedersächsischen Katastrophenschutz als Ganzes sowie die ehrenamtlichen Helfer und Helferinnen betreffen, zu beteiligen.

Das beklagte Land beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Kläger habe keinen Anspruch auf Verbandsbeteiligung im Zuge von Novellierungen des Niedersächsischen Katastrophenschutzgesetzes. Bei den von der obersten Landesbehörde aufzustellenden zentralen Landeseinheiten handele es sich nicht um Regieeinheiten. Der Landesbeirat Katastrophenschutz, bei dem es sich nicht um eine Einrichtung der Landesverwaltung oder der Landesregierung handele, habe sich 2018 einstimmig dafür ausgesprochen, dem Antrag des Klägers auf Aufnahme nicht stattzugeben. Tragende Gründe für dieses Votum seien die fehlende signifikante Repräsentanz der Regieeinheiten sowie der Umstand gewesen, dass lediglich die behördliche Ebene der unteren Katastrophenschutzbehörden über Inhalte, Aufgaben und Zuständigkeiten entscheiden könne. Auch in der Vergangenheit habe keine Verbandsbeteiligung des Klägers durch das Innenministerium stattgefunden. Soweit das bei der Verbandsanhörung des Landtages anders gewesen sei, habe der zuständige Ausschuss beim aktuellen Gesetzgebungsvorhaben von einer Beteiligung des Klägers ausdrücklich abgesehen. Die Voraussetzungen des § 31 Abs. 1 GGO seien nicht erfüllt. Die beteiligten Hilfsorganisationen wirkten unmittelbar als Träger von Einheiten im Katastrophenschutz mit. Die Aufstellung von Regieeinheiten durch die Katastrophenschutzbehörden sei gesetzessystematisch und tatsächlich die Ausnahme; nahezu alle Einheiten des Katastrophenschutzes in Niedersachsen würden durch die Hilfsorganisationen getragen. Angesichts der geringen Anzahl von Regieeinheiten sei ein öffentliches Interesse an einer Beteiligung nicht gerechtfertigt. Auch stehe dem Kläger aufgrund des § 31 Abs. 1 GGO kein subjektiv-öffentliches Recht auf Beteiligung bei der Vorbereitung von Rechts- und Verwaltungsvorschriften zu. Die Gemeinsame Geschäftsordnung der Landesregierung und der Ministerien stelle bloßes Innenrecht dar. Zu den aufgrund formeller Gesetze Anhörungsberechtigten gehöre der Kläger nicht. § 31 Abs. 1 GGO räume der Landesregierung lediglich die Möglichkeit ein, andere Stellen zu beteiligen. Auch andere Rechtsvorschriften räumten dem Kläger keine subjektiv-öffentlichen Rechte auf Beteiligung im Rahmen von Gesetzgebungsverfahren ein. Eine Beteiligung des Klägers sei aber auch im öffentlichen Interesse nicht geboten gewesen, weil eine Beteiligung der von den unteren Katastrophenschutzbehörden aufgestellten Regieeinheiten bei der Vorbereitung von Rechts- und Verwaltungsvorschriften durch die kommunalen Spitzenverbände als Vertreter der Kommunen erfolge. Zudem würden in Niedersachsen nahezu alle Einheiten und Einrichtungen des Katastrophenschutzes durch Hilfsorganisationen abgedeckt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage hat keinen Erfolg.

1.

Der Verwaltungsrechtsweg ist nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO eröffnet. Die Streitigkeit ist als öffentlich-rechtlich und zudem nichtverfassungsrechtlicher Art zu qualifizieren. Auch wenn die für den geltend gemachten Anspruch in Betracht kommenden Rechtsgrundlagen insgesamt dem materiellen Verfassungsrecht zuzuordnen wären, fehlt es dem Kläger ersichtlich an der Eigenschaft eines unmittelbar am Verfassungsleben beteiligten Rechtsträgers (vgl. zu diesem aus dem Grundsatz der doppelten Verfassungsunmittelbarkeit resultierenden Erfordernis etwa Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth/von Albedyll, VwGO, 8. Aufl., § 40 Rn. 87 f.). Die Klage ist als vom ursprünglichen Begehren auf Beteiligung im seinerzeit laufenden Gesetzgebungsverfahren losgelöste allgemeine Leistungsklage zulässig. Spätestens nach Inkrafttreten der Fassung des Niedersächsischen Katastrophenschutzgesetzes vom 26. August 2022 hat sich das ursprüngliche Begehren auf Anhörung im laufenden Gesetzgebungsverfahren erledigt. Der Kläger hat indessen ein fortbestehendes Rechtsschutzinteresse an der Klärung der Frage, ob er bei der künftigen Erstellung von Gesetzentwürfen in die Verbandsbeteiligung einzubeziehen ist. Ob die Ausgestaltung des auf alle künftigen Gesetzgebungsvorhaben bezogenen Leistungsantrags mit den zugleich formulierten Einschränkungen (Betroffenheit des Katastrophenschutzes als Ganzes sowie der ehrenamtlichen Helfer und Helferinnen) erfolgreich sein kann, ist eine Frage der Begründetheit der Klage (vgl. zu einem Globalantrag etwa ArbG Bonn, Beschl. v. 06.10.2022 - 3 BV 116/21 -, juris Rn. 337).

2.

Die Klage ist nicht begründet. Der Kläger hat in keiner der vom Klageantrag erfassten Konstellationen der Erstellung von Gesetzentwürfen zum Katastrophenschutzgesetz einen Anspruch darauf, von der Landesregierung beteiligt zu werden.

a) Ein unmittelbar einfachgesetzlich verankertes Recht des Klägers auf Beteiligung bei der Erstellung von Gesetzentwürfen - wie es im Bund in Gestalt des § 7b Abs. 2 KatSchErwG für einen längeren Zeitraum bestand - existiert im Landesrecht nicht.

b) Ein Beteiligungs- bzw. Stellungnahmerecht des Klägers resultiert auch nicht aus der Geschäftsordnungsvorschrift des § 31 GGO. § 31 Abs. 1 Satz 1 GGO regelt, dass bei der Vorbereitung von allgemeinen Regelungen, insbesondere von Rechts- und Verwaltungsvorschriften, über die gesetzlichen Beteiligungspflichten hinaus zum einen die Spitzenorganisationen der Gewerkschaften und Berufsverbände nach § 104 des Niedersächsischen Beamtengesetzes und zum anderen die kommunalen Spitzenverbände zu beteiligen sind, soweit deren Belange berührt sind. Nach § 31 Abs. 1 Satz 2 GGO kann anderen Stellen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben werden, soweit dies im öffentlichen Interesse geboten ist. Dem Kläger als "anderer Stelle" i. S. d. § 31 Abs. 1 Satz 2 GGO erwächst aus dieser Bestimmung indessen schon kein subjektiv-öffentliches Recht darauf, Gelegenheit zur Stellungnahme zu erhalten. Die Gemeinsame Geschäftsordnung der Landesregierung und der Ministerien in Niedersachsen stellt eine regierungsinterne gemeinsame Regelung der Geschäftsabläufe dar. Bei der Verbandsbeteiligung im Zuge der Erarbeitung von Gesetzentwürfen durch die Ministerialverwaltung handelt es sich um eine Form des geregelten "vorgezogenen Lobbyismus". Die Ministerialverwaltung nimmt bei der Erarbeitung von Gesetzentwürfen funktional legislative Aufgaben wahr, denn es ist nach Art. 42 Abs. 3 Nds. Verf. Aufgabe der Landesregierung als Teil des Gesetzgebungsverfahrens Gesetzentwürfe beim Landtag als Gesetzgebungsorgan einzubringen. Die Verbandsbeteiligung schon bei der Erarbeitung von Gesetzentwürfen dient allein dem öffentlichen Interesse an einer möglichst guten Gesetzgebung; schon im frühen Stadium des Gesetzgebungsverfahrens sollen - ansonsten vielleicht verborgen bleibende - Sichtweisen und Interessen berücksichtigt und abgewogen werden können. Gerade die vorliegend nur in Betracht kommenden Regelung des § 31 Abs. 1 Satz 2 GGO betont das öffentliche Interesse ausdrücklich. Ein einklagbares subjektives Recht auf Beteiligung bei der ministeriellen Erarbeitung von Gesetzentwürfen korrespondiert dem nach Auffassung der Kammer nicht.

Diese Sichtweise entspricht auch derjenigen, wie sie etwa von der Bundesregierung zu den funktional ähnlichen Vorschriften der §§ 47, 48 der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien vertreten wird. § 47 Abs. 3 der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien regelt die Beteiligung von Verbänden und Fachkreisen; Zeitpunkt, Umfang und Auswahl bleiben, soweit keine Sondervorschriften bestehen, dem Ermessen des federführenden Bundesministeriums überlassen. Subjektive Rechte sollen dem aber nicht korrespondieren. In Teil II Abschnitt 5 des Handbuchs des Bundesministeriums des Innern zur Vorbereitung von Rechts- und Verwaltungsvorschriften (im Internet abrufbar unter https://www.verwaltung-innovativ.de) heißt es diesbezüglich:

"Am Entwurf der Gesetzesvorlage sind die Länder, kommunalen Spitzenverbände, Fachkreise und Verbände nach § 47 GGO frühzeitig zu beteiligen. Die Unterrichtung anderer Stellen (z.B. Presse, Dritte) gemäß § 48 GGO ist die Regel. Zwischen Bundes- und Länderressorts bestehen traditionell auf vielen Ebenen formelle und informelle Arbeitsbeziehungen (Fachministerkonferenzen, Fachreferentengremien). Hier werden häufig politische und fachliche Probleme erörtert, bevor diese in ein Gesetzgebungsverfahren einfließen. Ebenso verfügen die kommunalen Spitzenverbände, die Fachkreise und die sonstigen Verbände in der Regel über gute Kontakte zu den Bundesressorts, so dass sie meist frühzeitig über anstehende Gesetzgebungsvorhaben informiert sind und häufig bereits im Anfangsstadium des Gesetzgebungsverfahrens versuchen, ihre Positionen einzubringen. Aufgrund der zunehmenden Komplexität der zu regelnden Sachverhalte und des damit verbundenen Informationsbedarfs der Ministerialverwaltung ist dies de facto unverzichtbar. Allerdings ist der Einfluss der Verbände angesichts ihrer Funktion als Interessenvertretung nicht unproblematisch und bedarf einer kritischen Distanz auf Seiten der zuständigen Bearbeiter des Fachressorts. Aus der Beteiligung nach den §§ 47, 48 GGO erwachsen den Verbänden, Fachkreisen oder sonstigen Dritten keine eigenen Verfahrens- oder Vetorechte. Sie können im Rahmen der Verfahrensleitung durch das federführende Ressort lediglich für ihre Positionen werben und versuchen, fachliche Argumente einzubringen und politischen Druck auszuüben."

c) Ein Anspruch des Klägers auf Einräumung der Gelegenheit zur Stellungnahme ergibt sich auch nicht aus dem allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 19 Abs. 3 GG mit Blick darauf, dass Organisationen des Katastrophenschutzes und der Landesfeuerwehrwehrverband Niedersachsen entsprechend beteiligt werden.

aa) Der Kläger kann sich als Interessenvertreter im Gesetzgebungsverfahren schon nicht auf das Gleichheitsgrundrecht berufen. Zwar unterliegen nach Art. 1 Abs. 3 GG alle Staatsgewalten der Grundrechtsbindung; auch die Gesetzgebung ist nicht etwa im Sinne einer parlamentarischen Souveränität von der Grundrechtsbindung ausgenommen. Weder aus dem Wortlaut des Art. 3 Abs. 1 GG noch aus der in der verfassungsrechtlichen Rechtsprechung diesbezüglich entwickelten Dogmatik zur Rechtssetzungsgleichheit (zunächst "klassische Willkürformel", seit 1980 "neue Formel", vgl. BVerfG, Beschl. v. 07.10.1980 - 1 BvL 50/79 -, juris Rn. 50; Beschl. v. 25.06.2014 - 1 BvR 668/10 -, juris Rn. 47) ergeben sich aber grundrechtliche Rechtspositionen von Akteuren im Gesetzgebungsverfahren.

(1) Den engeren Akteuren - etwa Abgeordneten und Fraktionen - stehen mangels Grundrechtsträgerschaft nur die ihnen spezifisch zustehenden Innenrechtspositionen zur Verfügung. Dabei begründet die bloße Zuweisung einer Kompetenz nur dann eine wehrfähige Rechtsposition, wenn sie nicht dem übergreifenden Interesse der juristischen Person, der das Organ angehört, sondern dem eigenen Interesse des Organs zu dienen bestimmt ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 06.12.2022 - 4 CN 4/21 -, juris Rn. 11). Innerhalb eines Hoheitsträgers sind dessen einzelnen funktionalen Einheiten Innenrechte allerdings nicht um ihrer selbst willen eingeräumt, sondern ausschließlich zur Gewährleistung der ihnen zugeordneten Funktionen (vgl. auch Beschl. d. Kammer v. 30.10.2019 - 1 B 4400/19 -, juris Rn. 43). Die Träger von Innenrechten können sich hingegen im Rahmen eines Gesetzgebungsverfahren nicht auf Art. 3 Abs. 1 GG berufen.

(2) Interessenvertreter sind zwar keine Innenrechtsträger. Die Einbringung der von Einzelnen vertretenen Partikularinteressen in ein Gesetzgebungsverfahren kommt indessen der Wahrnehmung von Innenrechten gleich. Interessenvertreter agieren mit ihren Lobbyinteressen lediglich als ein kleiner Teil des Staatsvolkes als alleinigem Souverän (Art. 2 Abs. 2 Nds. Verf., Art. 20 Abs. 2 GG). Ob und welche Rechte sie insoweit wahrnehmen können, entscheidet das Staatsorganisationsrecht. Die Erstellung von Gesetzentwürfen durch die Landesregierung gehört nach Art. 42 Abs. 3 Nds. Verf. als integraler Bestandteil zum Gesetzgebungsverfahren und genießt deshalb - ähnlich der Parlamentshoheit - legislative Autonomie. In diesem Zusammenhang können Interessenvertretern nur Rechtspositionen zukommen, die ihnen durch Gesetze oder Geschäftsordnungsregeln zugeordnet werden. Sehen diese spezifischen Vorschriften - wie hier § 31 Abs. 1 Satz 2 GGO - gerade keine subjektiven Rechtspositionen im Sinne einer prozessualen Durchsetzungsmacht vor, hat es damit sein Bewenden. Dem Regelungsgehalt der Vorschrift mittels des Gleichbehandlungsgrundsatzes aus Art. 3 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 19 Abs. 3 GG letztlich gleichwohl subjektiv-rechtlichen Charakter zu verleihen, wäre damit nicht vereinbar. Auch über den Gleichbehandlungsgrundsatz lässt sich mithin kein "Rechtsanspruch auf Lobbyismus" konstruieren. Eine andere Sichtweise liefe in letzter Konsequenz darauf hinaus, dass ein "enttäuschter Lobbyist" über die Annahme der Verletzung des Gleichheitsgrundrechts den Gang eines Gesetzgebungsverfahrens mittels einer einstweiligen Anordnung aufhalten können müsste, wie es etwa ein einzelner Abgeordneter bei der Verletzung von Beteiligungsrechten kann (vgl. dazu jüngst BVerfG, Beschl. v. 05.07.2023 - 2 BvE 4/23 -, juris). Dies ginge nach Auffassung der Kammer zu weit.

bb) Der Kläger kann schon aufgrund dieser grundsätzlichen Erwägungen nicht mit Erfolg argumentieren, dass bei dem - bei der Verbandsanhörung beteiligten - Landesfeuerwehrverband wegen Aufstellung der Feuerwehren durch die Kommunen (vgl. §§ 9 und 11 NBrandSchG) die Verhältnisse im Wesentlichen mit denjenigen des Klägers und den durch die Kommunen aufgestellten Regieeinheiten vergleichbar seien. Selbst wenn man indessen den allgemeinen Gleichheitssatz für anwendbar hielte, könnte der Kläger keine Gleichbehandlung mit dem Landesfeuerwehrverband bei der Beteiligung in Gesetzgebungsverfahren zum Katastrophenschutz beanspruchen. Art. 3 Abs. 1 GG verwehrt dem Gesetzgeber nicht alle Differenzierungen. Sie bedürfen der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Dabei gilt ein stufenloser am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen (Beschl. v. 25.06.2014 - 1 BvR 668/10 -, juris Rn. 47). Auch wenn der Kläger selbst die Beteiligung in Gesetzgebungsverfahren als eine seiner Kernaufgaben betrachtet, kann bei der Ausübung von Lobbyismus nicht von einer Ungleichbehandlung von großer Intensität gesprochen werden. Den deshalb allein erforderlichen sachlichen Grund dafür, dem Kläger im Gegensatz zum Landesfeuerwehrverband im Gesetzgebungsverfahren keine Gelegenheit zur Stellungnahme im Gesetzgebungsverfahren einzuräumen, liegt nach Auffassung der Kammer ersichtlich schon darin, dass Feuerwehren in jeder niedersächsischen Gemeinde verpflichtend bestehen, während kommunale Regieeinheiten des Katastrophenschutzes von den Katastrophenschutzbehörden nur bei Bedarf aufgestellt werden und nach eigener Darstellung des Klägers in Niedersachsen tatsächlich auch nur in kleinerer Zahl existieren. Ein geringer Organisationsgrad kommt hinzu, da nach der Darstellung des Klägers in der mündlichen Verhandlung typischerweise (nur) die Führungskräfte einer Regieeinheit Mitglied beim Kläger sind. Dass das beklagte Land in einer solchen Situation bei der Verbandsbeteiligung eine "Mitrepräsentation" über die kommunalen Spitzenverbände als ausreichend erachtet, kann nicht als sachwidrig angesehen werden. Dass es dem Kläger bislang tatsächlich nicht gelungen sein mag, die Interessen der bei ihm organisierten Helferinnen und Helfer des Katastrophenschutzes über die kommunalen Spitzenverbände in konkrete Gesetzgebungsverfahren "einzuspeisen", ändert an dieser Betrachtungsweise nichts. Es ist durchaus vorstellbar, dass die kommunalen Spitzenverbände sich nur deshalb nicht in der Pflicht sahen, sich für die Positionen des Klägers einzusetzen, weil dieser bislang auf unmittelbare Möglichkeiten der Einflussnahme beim Land gepocht hatte.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11 und § 711 Satz 1 und 2 ZPO.