Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 04.04.2000, Az.: 1 K 15/95

Versteuerung von Renditegutschriften als Kapitaleinkünfte

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
04.04.2000
Aktenzeichen
1 K 15/95
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2000, 35701
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2000:0404.1K15.95.0A

Fundstelle

  • DStRE 2001, 79-80 (Volltext mit amtl. LS)

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Tatsächliche ausgezahlte Renditen sind als Einnahmen aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG steuerpflichtig.

  2. 2.

    Es handelt sich dabei um Gewinnbeteiligungen und nicht um die Rückzahlung eines Teils des überlassenen Vermögens. Denn mit den Zahlungen sollten nach ausdrücklicher Bestimmung keine Rückzahlungen sondern Ansprüche der Investoren auf Gewinnbeteiligung getilgt werden.

  3. 3.

    Ein Zufluss der Renditen gem. § 11 Abs. 1 EStG setzt im Fall der Wiederanlage voraus, dass der potentielle Auszahler bereit und fähig war, die Renditen auszuzahlen.

Tatbestand

1

Umstritten ist, ob sog. Renditegutschriften, welche die Fa.... ausgewiesen hat, als Kapitaleinkünfte zu versteuern sind.

2

Die Klägerin (Kl-in) und ihr ... verstorbener Ehemann stellten in den Jahren ... der Fa. ... Kapitalbeträge in Höhe von insgesamt ... zur Verfügung. Im ... ließen sie sich ... auszahlen. Die Fa. ... ..., hatte hohe Renditen in Aussicht gestellt.

3

In dem sog. Verwaltervertrag zwischen der Kl-in, ihrem Ehemann und der Fa. ... heißt es:

4

2.1 Der Verwalter kann die Einlage mehrerer Investoren zu einheitlichen Transaktionen zusammenfassen, um Geschäfte an US-Börsen über einen oder mehrere Broker zu tätigen.

5

2.2 Getätigt werden überwiegend Stillhaltegeschäfte.

6

2.3 Die Anlagen haben spekulativen Charakter. Verluste können daher nicht ausgeschlossen werden. Eine Nachschusspflicht des Investors besteht nicht.

7

2.4 Das Kapital des Investors wird mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes verwaltet. Eine Garantie für die Erzielung eines bestimmten Anlageerfolges kann jedoch nicht übernommen werden.

8

2.5 Der Investor erhält 70 % vom Netto-Wertzuwachs.

9

2.6 Die Spesen für Verwaltung, Abwicklung und Kontoführung dürfen maximal 3.0 % per anno des Nettovermögens nicht übersteigen.

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2.7 Die Nettoergebnisse werden im monatlichen Kontoauszug mitgeteilt.

11

2.8 Eventuelle Verluste werden bis zu 3 Monaten vorgetragen.

12

2.9 Das Guthaben wird per Scheck bis zum 15. des auf das Quartalsende folgenden Monats an den Investor ausgezahlt.

13

Mit den gepoolten Kapitalbeiträgen zahlreicher Anleger tätigte die Fa. ... Spekulationsgeschäfte. Neben Gewinnen erzielte sie erhebliche Verluste. Insbesondere nach dem weltweiten Börsen-Kurssturz im Oktober 1987 stand ... nicht nur mittellos, sondern stark überschuldet da. Es gelang ... jedoch, den Verlust vor den Investoren zu verheimlichen, den folgenden Auszahlungstermin zu retten und das Finanzloch durch spätere Börsengewinne auszugleichen. In den Kontoauszügen spiegelte ... den Anlegern stets Renditen vor. Diese Renditen wurden - ebenso wie die angelegten Kapitalbeiträge - auf Anforderung bzw. Kündigung bis zum ... stets an die Anleger ausgezahlt. Diese Auszahlungen bestritt ... zunehmend im Schneeballsystem aus den Kapitaleinlagen neu hinzutretender Anleger.

14

...

15

Die Kl-in und ihr Ehemann erhielten auf ihre Kapitaleinlagen folgende Renditen:

16

...

17

Die Renditen wurden dem jeweiligen Kapital zugeschrieben und nahmen an der Rendite des nächsten Abrechnungszeitraums teil.

18

Zum Zusammenbruch der Fa. ... kam es anläßlich der am ... anstehenden Auszahlungsverpflichtungen. Zur Erfüllung dieser Verpflichtungen hätte ... DM benötigt, es war jedoch nur noch ein Kapital von ca. ... DM vorhanden. Das Konkursverfahren über das (...)Vermögen wurde mangels Masse eingestellt, die strafrechtlich Verantwortlichen von ...... sind zu mehrjährigen Freiheitsstrafen verurteilt worden.

19

Der Beklagte (Finanzamt, FA) versteuerte in geänderten Einkommensteuerbescheiden ... die der Kl-in und ihrem Ehemann gutgeschriebenen Renditen als Einkünfte aus Kapitalvermögen. Hiergegen richtet sich nach erfolglosem Vorverfahren - die Klage. ...

20

Die Kl-in trägt vor:

21

Die Fa. ... sei tatsächlich bereits Ende ... zusammengebrochen. Zu diesem Zeitpunkt sei ... völlig überschuldet, das eingezahlte Guthaben und die aufgelaufenen Scheingewinne seien verloren gewesen. Daher seien die auf das Jahr ... entfallenden Scheinrenditen keine Kapitaleinkünfte; im Gegenteil müsse ihr Forderungsverlust sogar als Werbungskosten des Jahres ... abgezogen werden.

22

Die Kl-in beantragt,

  1. den Einkommensteuerbescheid ... und den Einspruchsbescheid vom ... aufzuheben und die Einkommensteuer auf ... DM festzusetzen.

23

Das FA erkennt an, dass die im 4. Quartal ... gutgeschriebenen Renditen nicht mehr besteuert werden und beantragt im übrigen,

  1. die Klage abzuweisen.

24

...

25

Im übrigen wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen und die vorgelegten Steuerakten Bezug genommen.

Gründe

26

Die Klage hat nur teilweise Erfolg.

27

Die bis zum 30.09. ... gutgeschriebenen Renditen sind ebenso wie in anderen Fällen tatsächlich ausgezahlte Renditen als Einnahmen aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 1 Nr. 4 Einkommensteuergesetz (EStG) steuerpflichtig. Es handelt sich um Einnahmen aus der Beteiligung an einem Handelsgewerbe als stiller Gesellschafter.

28

Eine stille Gesellschaft entsteht nach § 230 Handelsgesetzbuch (HGB) , wenn der Inhaber eines Handelsgeschäftes und ein anderer vereinbaren, dass der andere sich mit einer Einlage an dem Unternehmen beteiligt und eine Gewinnbeteiligung erhält, ohne dass Gesellschaftsvermögen entstehen soll. Im vorliegenden Fall war die Fa. ... mit den in großem Stil getätigten Wertpapier-Optionsgeschäften gewerblich tätig. Die Kl-in und ihr Ehemann erbrachten eine Einlage von insgesamt ... DM. Es wurde eine Gewinnbeteiligung von 70 % vom Netto-Wertzuwachs vereinbart. Darüber hinaus ist eine Beteiligung am Geschäftsvermögen, insbesondere an möglichen stillen Reserven, nicht vereinbart worden. Nach alledem liegt eine typische stille Gesellschaft i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG vor.

29

Bei den ausgezahlten Renditen handelt es sich um Gewinnbeteiligungen, nicht etwa um die Rückzahlung eines Teils des überlassenen Vermögens. Maßgeblich für die Beurteilung von Zahlungen einer Firma an Dritte sind sowohl in zivil- als auch in steuerrechtlicher Hinsicht gemäß § 366 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) die von der Firma getroffenen Bestimmungen, wofür die Zahlungen erfolgen sollten (vgl. auch Dötsch, Scheingewinne aus Schneeballgeschäften, DStZ 1997, 837 , 841). Hier sollten mit den Zahlungen nach ausdrücklicher Bestimmung durch ........ die Ansprüche der Investoren auf Gewinnbeteiligung getilgt werden. Von Rückzahlungen auf das im übrigen nicht gekündigte eingelegte Kapital war keine Rede.

30

Die Renditen für die Zeit bis zum ... sind der Kl-in und ihrem Ehemann auch gem. § 11 Abs. 1 EStG zugeflossen. Geldbeträge fließen regelmäßig zu, wenn sie entweder ausgezahlt oder einem Konto des Empfängers gutgeschrieben werden, über das dieser verfügen kann. Die Kl-in hatte die freie Wahl, sich die von der Fa. ... gutgeschriebenen Renditen entweder vierteljährlich auszahlen zu lassen oder sie wieder anzulegen und ihre Kapitaleinlage entsprechend zu erhöhen. Der Zufluss im Fall der Wiederanlage setzt allerdings voraus, dass die Fa. ... bereit und fähig war, die Renditen auszuzahlen. Das war bei den Gutschriften bis zum 30.09. ... der Fall. Hätte die Kl-in die Auszahlung dieser Gutschriften verlangt, so besteht kein Zweifel daran, dass sie das Geld tatsächlich erhalten hätte. Dagegen ist der Kl-in die Gutschrift, die das letzte Quartal ... betraf, nicht zugeflossen. Sie hatte keine Möglichkeit, sich dieses Geld konkret auszahlen zu lassen. Denn der entsprechende Auszahlungstermin - der 15.01. ... führte zum Zusammenbruch von ..., weil entsprechende Mittel fehlten. Das ist zwischen den Beteiligten inzwischen auch unstreitig. Diese Rendite ist daher nicht zu versteuern.

31

...

32

Mit dem Einwand, die Fa. ... sei tatsächlich schon Ende des Jahres ... zusammengebrochen und deshalb habe die Kl-in einen Verlust erlitten, das als Werbungskosten bei ihren Einkünften aus Kapitalvermögen des Jahres ... abzugsfähig sei, kann die Kl-in keinen Erfolg haben. Denn der Zusammenbruch von ... erfolgte erst anläßlich des Zahlungstermins 15.01. ... Bis dahin war ... angesichts eines Kapitals von ca. ... DM durchaus noch in er Lage, auch größeren Zahlungsverpflichtungen nachzukommen. Daneben bestand z.B. durch Neueinlagen und erfolgreiche Börsengeschäfte auch noch eine gewisse Chance, bis zum nächsten Zahlungstermin die Finanzlücke von etwa ... DM zu schließen oder den Zahlungstermin auf andere Weise zu überstehen. In der Vergangenheit war es der Fa. ... zumindest einmal nämlich im Oktober ... gelungen, eine ähnlich kritische Situation zu meistern.

33

Die ESt ... ermäßigt sich somit wie folgt:

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...