Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 11.04.2000, Az.: 6 K 611/93
Bewertungsmethoden; Bestimmung des Unternehmenswertes nach dem Ertragswert
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 11.04.2000
- Aktenzeichen
- 6 K 611/93
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2000, 21886
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2000:0411.6K611.93.0A
Fundstellen
- DStRE 2001, 24-27 (Volltext mit amtl. LS)
- EFG 2001, 157-159 (Volltext mit red. LS)
- GmbH-StB 2001, 73-74
- GmbHR 2001, 310 (amtl. Leitsatz)
- NWB DokSt 2001, 451
- SteuerBriefe 2001, 454-455
Tatbestand
Die im Ausland ansässige Gesellschaft X ordnete im Jahre 1984 ihr weltweites Geschäft neu. Zu diesem Zweck brachte sie zwei deutsche Tochtergesellschaften in ein Jointventure mit einer anderen international tätigen Gesellschaft -C- in eine deutsche GmbH (F-GmbH) ein. An der F-GmbH war die X zu 51 v.H. beteiligt. Zur Ermittlung eines Kaufpreises für die beiden Tochtergesellschaften wurde ein unabhängiges Gutachten eingeholt. Zu dem vom Gutachter ermittelten Betrag veräußerte die X ihre Beteiligung an den beiden Tochtergesellschaften an die F-GmbH. Die Werk 1 A-GmbH wurde vom Gutachter nach dem Ertragswertverfahren bewertet. Dabei setzte er einen Kapitalisierungsfaktor von 19 v.H. an. Dieser setzte sich aus dem Marktzins für längerfristige Anlagen von 8 %, eines Immobilitätszuschlages von 2 % und eines Risikozuschlages von 9 % zusammen. Für den Risikozuschlag war maßgebend, daß das Unternehmen eine geringe Eigenfinanzierung aufwies und im übrigen von einzelnen prägenden Personen abhängig war. Hinsichtlich der Werk 2 A-GmbH ging der Gutachter wegen eines negativen Ertragswertes vom Liquidationswert einschließlich der Kosten der Liquidation aus. Die Betriebsprüfung kam zu wesentlichen höheren Unternehmenswerten als der Gutachter.
Gründe
Die Klage ist im wesentlichen begründet.
Der Beklagte hat zu Unrecht eine vGA hinsichtlich der Veräußerung der Anteile an der Werk 1 A-GmbH und der Werk 2 A-GmbH angesetzt.
Gemäß § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG darf eine vGA das Einkommen einer Körperschaft nicht mindern. Eine gleichwohl erfolgte Minderung ist daher außerhalb der Steuerbilanz dem Einkommen wieder hinzuzurechnen. Eine vGA liegt nach neuerer, ständiger Rechtsprechung dann vor, wenn eine Vermögensminderung bzw. eine verhinderte Vermögensmehrung zu einer Einkommensminderung führt, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist und die nicht im Zusammenhang mit einer auf gesellschaftsrechtlichen Vorschriften beruhenden Gewinnausschüttung steht (vgl. BFH-Urteile vom 28.06.1989, I R 89/95, BStBl II 1989, 854; BFHE 157, 408; 18.02.1999, I R 51/98, BFH/NV 1999, 1384).
Im Streitfall kommt es darauf an, ob beim Verkauf der Anteile der beiden Gesellschaften an die F-GmbH Unternehmenswerte zugrunde gelegt wurden, die unterhalb der Marktwerte im Veräußerungszeitpunkt lagen, und dass diese Unterbewertung ihre Ursache in der gesellschaftsrechtlichen Beziehung der Klägerin zu ihrer Muttergesellschaft, der X , gehabt hat. In diesem Fall ist es denkbar, dass die Klägerin ihrer Gesellschafterin durch Zuwendung eines Vermögensvorteils an ihre Schwestergesellschaft Gewinn verdeckt ausgeschüttet hat, wenn eine unabhängige Erwerberin der Anteile einen höheren Kaufpreis gezahlt hätte. Die Annahme eine vGA hängt somit davon ab, ob der Kaufpreis für die Anteile marktgerecht gewesen ist.
Die Findung eines Kaufpreises für ein Unternehmen oder die Anteile an einem solchen ist ein Prozess, auf den die unterschiedlichsten Faktoren einwirken. Einen objektiven Unternehmenswert gibt es dabei nicht (vgl. Piltz, Unternehmensbewertung, 2. Aufl., S. 9 ff.). Eine Veräußerung kommt überhaupt nur zustande, wenn die Einschätzung des Wertes auf Verkäufer- und auf Käuferseite derart übereinstimmt, dass der Verkäufer im Tausch des Unternehmens gegen Geld und der Käufer im Tausch von Geld gegen das Unternehmen einen Vorteil sieht. Dies bedeutet, dass der Verkäufer den Wert des Unternehmens geringer und der Käufer den Wert des Unternehmens höher als den Kaufpreis einschätzt. Der Kaufpreis ist somit ein Grenzpreis (oder: kritischer Preis, Entscheidungswert oder Verhandlungsgrenze) im Sinne eines Maximalpreises, den ein potenzieller Käufer zahlen darf, bzw. eines Minimalpreises, den ein potenzieller Verkäufer erlösen muss (vgl. Moxter, Grundsätze ordnungsgemäßer Unternehmensbewertung, 2. Aufl., S. 12; Piltz, Unternehmensbewertung, S. 11/12 ).
Der Unternehmenswert ist folglich aus einer konkreten, ggf. gedachten, Veräußerungssituation zu entwickeln, wobei das, was der bisherige Inhaber aus dem Unternehmen gemacht hat, nicht aber, was der neue Inhaber aus ihm machen wird oder machen kann, zu ermitteln ist (Piltz, Unternehmensbewertung, S. 6).
Die F-GmbH gehörte beteiligungsmäßig lediglich zu 51 v.H. zur A Gruppe. War der Kaufpreis zu niedrig, so hat die Klägerin nicht nur ihrer Gesellschafterin, sondern in nahezu gleichem Umfang dem unverbundenen Unternehmen der C einen Vorteil zugewendet. Nach Auffassung des erkennenden Senates spricht dieser Umstand in gewisser Hinsicht dagegen, dass die Kaufpreisfindung durch gesellschaftsrechtliche Beziehungen beeinflusst wurde; denn es ist nicht erkennbar, welche Gründe die Klägerin oder ihre Gesellschafterin dazu bewogen haben könnten, einen nach Ansicht des Beklagten deutlich höheren Unternehmenswert ohne Gegenleistung einem Dritten zu überlassen. Zudem wäre dann, wenn eine vGA vorläge, auch zu erwägen, ob diese nur 51 v.H. der Differenz zwischen Kaufpreis und Unternehmenswert betragen würde, da für die Zuwendung an den Dritten betriebliche Gründe maßgebend gewesen sein könnten.
Diese Frage kann jedoch dahingestellt bleiben, da nicht von einer gesellschaftsrechtlich beeinflussten Festlegung des Kaufpreises ausgegangen werden kann. Zwischen der Verkäufer- und der Käuferseite bestanden natürliche Interessengegensätze hinsichtlich der Festlegung des Kaufpreises. Dies wird auch daran erkennbar, dass man zur Kaufpreisfindung die Einholung eines Bewertungsgutachtens eines anerkannten Gutachters beschlossen hat. Offenkundig suchte man eine Basis für den Kaufpreis, die ein neutraler Gutachter ermitteln sollte. Bei Unternehmenskäufen ist es durchaus nicht ungewöhnlich, dass ein Bewertungsgutachten eingeholt wird, das der Kaufpreisfindung zugrunde gelegt wird (vgl. Piltz, Unternehmensbewertung S. 13; Olbrich, Unternehmensbewertung, 1981, S. 19).
Einigen sich die Vertragsparteien auf den vom Gutachter ermittelten Unternehmenswert als Kaufpreis, so übernehmen sie einen von neutraler Stelle ermittelten Wert. Dieser ist dann grundsätzlich auch der für die steuerliche Beurteilung maßgebliche Preis. Dies ist zwar nicht so zu verstehen, dass immer die Einschaltung eines unabhängigen Sachverständigen zur Kaufpreisfindung bei Geschäften zwischen einer Kapitalgesellschaft und ihren Gesellschaftern die Annahme eine vGA ausschlösse (vgl. BFH-Urteil vom 11.10.1977, VIII R 191/74, BStBl II 1978, 109). Die Annahme einer solchen ist auch in diesem Fall denkbar, wenn der Kaufpreis in einem Missverhältnis zum tatsächlichen Wert steht und ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter dieses Missverhältnis erkannt und keinen rechtlichen oder betrieblichen Anlass gesehen hätte, das Geschäft dennoch abzuschließen (vgl. BFH-Urteil vom 10.01.1973, I R 119/70, BStBl II 1973, 322, BFHE 108, 183). Das Gericht muss aber aus objektiven Beweisanzeichen ermitteln, ob Hinweise auf eine gesellschaftsrechtliche Veranlassung der Kaufpreisfestsetzung bestehen. Dabei kann eine erkennbare Fehlbewertung und deren Übernahme durch die Parteien des Geschäftes ein derartiges Beweisanzeichen darstellen.
Es besteht allgemeine Übereinstimmung, dass die Ermittlung eines Unternehmenswertes ein komplizierter Schätzvorgang ist, auf den eine Vielzahl von Faktoren einwirken und der ohne Wertung dieser Faktoren nicht möglich ist (vgl. Piltz, Unternehmensbewertung, S. 17 ff.; Moxter, Grundsätze, S. 5; Viel/Bredt/Renard, Die Bewertung von Unternehmen, 5. Aufl., S. 18; Olbrich, Unternehmensbewertung, S. 19). Das Ergebnis der Bewertung - jedenfalls für die Frage einer gesellschaftsrechtlichen Veranlassung für eine vGA - bewegt sich daher zwangsläufig im Rahmen eines gewissen Spielraums. Es ist nicht Aufgabe der Finanzbehörden und der Finanzgerichte eine eigene Wertermittlung vorzunehmen und der steuerlichen Würdigung zugrunde zu legen. Sie haben vielmehr nur zu überprüfen, ob bei der gutachterlichen Wertermittlung von zutreffenden Tatsachen ausgegangen wurde, anerkannte Bewertungsmethoden angewendet wurden und keine sachfremden Gesichtspunkte oder den Denkgesetzen bzw. allgemeinen Erfahrungen widersprechende Überlegungen in die Bewertung eingeflossen sind. Anders ist es dann, wenn die Gerichte - etwa bei der Bemessung von Abfindungen für ausscheidende Gesellschafter - den Wert selbst ermitteln müssen. Dann können sie sich nicht auf die Überprüfung eines Gutachtens beschränken (so auch die h.M. und Praxis, vgl. Piltz, Unternehmensbewertung, S. 89 ff.,126 ff., 317 ff. m.w.Nw.). In derartigen Fällen muss sich der Tatrichter selbst eine eigene Überzeugung vom Unternehmenswert bilden. Davon unterscheiden sich Situationen wie der Streitfall grundsätzlich. Gegenstand der richterlichen Überzeugungsbildung ist nicht der Unternehmenswert selbst, sondern die Frage der gesellschaftsrechtlichen Veranlassung, in deren Rahmen der Unternehmenswert lediglich ein Beweisanzeichen - neben anderen - darstellt.
Im Ergebnis beschränkt sich die Aufgabe des Gerichtes darauf zu prüfen, ob sich der gefundene Wert im Rahmen des durch die Methoden vorgezeichneten Spielraums bewegt, was der Fall ist, wenn die Methoden sachgerecht angewendet wurden.
In der Praxis der Unternehmensbewertung gibt es nicht nur unterschiedliche Bewertungsmethoden (vgl. Rosenbaum, Alternative Bewertungsansätze zur Ermittlung von Ertragswerten, DB 1993, 1988 ff), sondern auch eher "konservative", d.h. vorsichtig bewertende und alle Risiken einbeziehende, und "progressive", d.h. eher positive Zukunftserwartungen betonende, Gutachter. Die Auswahl eines eher konservativen, wie das Gericht aus eigener Sachkunde weiß, Gutachters im Streitfall ist ohne Bedeutung für die steuerrechtliche Würdigung, solange der Gutachter in seinem Bewertungen sachgemäße Maßstäbe anwendet. Dass ein anderer Gutachter möglicherweise zu einem anderen Wert käme, liegt in der Natur der Sache und ist hinzunehmen. Es ist nicht ein denkbares anderes Gutachten zugrunde zu legen, sondern das erstellte auf seine Schlüssigkeit und daraufhin zu überprüfen, ob das Gericht sich ihm anschließen kann.
Der erkennende Senat vermag keine Mängel im Gutachten zu finden. Vielmehr hat der Gutachter als Zeuge durch seine Erläuterungen in der mündlichen Verhandlung den Senat davon überzeugt, dass die von ihm gefundenen Vermögenswerte eine zutreffende, solide Schätzung der Unternehmenswerte im Veräußerungszeitpunkt darstellten.
Das Gutachten geht zutreffend bei beiden Unternehmen von einer Beschreibung der Unternehmen und ihrer Stellung auf dem Markte aus. Dadurch wird die Organisation der Unternehmen und die Konkurrenzsituation zutreffend einbezogen.
Als Bewertungsmethode wendet der Gutachter die Ertragswertmethode an, ermittelt aber auch den Netto-Substanzwert (vgl. Bl. 154 KSt-Akte). Dies entspricht nicht nur der heute ganz herrschenden Ansicht (vgl. Rosenbaum DB 1993, 1988 f.; Piltz, Unternehmensbewertung, S. 16; Helbling, Unternehmensbewertung und Steuern, 9. Aufl., S. 101 ff.; Moxter, Grundsätze, S. 9 ff.; Peemöller, Handbuch Unternehmensbewertung I 3 S. 3). Auch im Jahre 1984 hatte sich die Ertragswertmethode als vorherrschend durchgesetzt. Sowohl der BGH (24.09.1984, BB 1984, 2082; 22.05.1989, DB 1989, 1664; 20.10.1989, ZIP 1990, 1561; ihm folgend die st. Rspr. der Zivilgerichte), als auch der BFH (Urteil vom 06.02.1991, II R 87/88, BStBl II 1991, 459; BFHE 163, 471: ab Dezember 1977 Ertragswertmethode herrschend) folgen ihr seit Ende der 70er Jahre. In der betriebswirtschaftlichen Literatur hatte sie sich ebenfalls durchgesetzt (Vgl. die Darstellung bei Helbling, Unternehmensbewertung, S. 101 ff.; Moxter, Grundsätze, S. 13 f. jeweils m.w.Nw.).
Sie geht von der zutreffenden Annahme aus, dass ein potenzieller Erwerber eines Unternehmens den Kaufpreis auch anders anlegen kann. Würde er das Unternehmen nicht erwerben, so käme für ihn eine alternative, bestmögliche Kapitalanlage in Frage (Moxter, Grundsätze, S. 11). Der Grenzpreis des Käufers ist daher definiert als der Preis, der bei alternativer Erzielung des gegebenen Zahlungsstroms mindestens aufzuwenden wäre (so Moxter S. 12). Mehr als diesen Preis würde der Erwerber nicht zahlen, weil ihm eine andere Kapitalanlage höhere Erträge bringen würde. Daraus folgt, dass der Unternehmenswert nach der Ertragswertmethode definiert werden kann als der Barwert aller dem Unternehmen künftig entziehbaren Gewinne, einschl. etwaiger Einnahmen des Investors durch die Investition, wie Steuerrückvergütungen, Synergieeffekte usw., zuzüglich des Barwertes aller Vermögensteile, die zur Erzielung dieser Gewinne nicht absolut erforderlich sind. Dabei sind Gewinn- und Vermögensermittlung aufeinander abzustimmen (so Helbling, Unternehmensbewertung, S. 160 f.)
Ausgangspunkt der Ertragswertmethode ist somit der nachhaltig erzielbare Reingewinn (so auch BFH-Urteil 12.12.1990, I R 85/88, BFH/NV 1992, 591). Dies verlangt eine Prognose der in der Zukunft vom Unternehmen zu erzielenden Gewinne. Diese Prognose kann nur aus einer Betrachtung der Gewinnentwicklung in der Vergangenheit abgeleitet werden. Der Gutachter hat seiner Bewertung einen Fünf-Jahres-Zeitraum (1978 1983) als Ausgangspunkt gewählt und aus dem Mittel der Vergangenheitswerte eine Gewinnprognose vorgenommen (Bl. 167 ff KSt-Akte). Dies ist nach Überzeugung des Senates eine angemessene Vorgehensweise (zur sog. Phasenmethode vgl. Helbling, Unternehmensbewertung, S. 102).
Für die Werk 1 A-GmbH hat er die Umsatz- und Erlössituation detailliert aufgeschlüsselt und dabei die Ursachen für die stark schwankenden Jahresergebnisse dargelegt. Diese Jahresergebnisse hat er anschließend korrigiert. Diese Korrekturen betreffen außerordentlichen Erträge und Aufwendungen, Aufwand für Forschung und Entwicklung, Zinsaufwendungen, die Grundstückspacht und nicht berechnete Umlagen seitens der Muttergesellschaft. Diese Vorgehensweise ist nicht zu beanstanden, sondern stellt vielmehr eine sachgerechte Reingewinnermittlung dar.
Außerordentliche Erträge und Aufwendungen sind nicht Ergebnisse der regulären Geschäftstätigkeit. Sie sind daher zu eliminieren (vgl. Piltz, Unternehmensbewertung, S. 18; Peemöller, Handbuch I 3 S. 5), wenn man einen langfristigen regulären Reingewinn ermittelt. Etwaige zukünftige außerordentliche Erträge sind ggf. beim Ansatz nicht betriebsnotwendigen Anlagevermögens zu erfassen.
Beide bewerteten Unternehmen stellen Produkte her. Sie verfügen jedoch über keine eigene Forschungsabteilungen, sondern verwerten die Forschungsergebnisse der englischen Muttergesellschaft, die ihnen unentgeltlich die Verwertung erlaubt. Bei ihren Produkten ist jedoch eine ständige Fortentwicklung erforderlich. Daher besteht eine starke Forschungsabhängigkeit bei deren Produktion. Der Gutachter hat daher zurecht fiktive Kosten für eine Forschungsabteilung mindernd in Ansatz gebracht. Er hat sich dabei an dem Anteil ausgerichtet, den die Muttergesellschaft für Forschung und Entwicklung aufwendet. Dies ist nicht zu beanstanden. Alternativ hätte er auch fiktive Lizenzgebühren absetzen können. Dann wäre zu den Kosten noch ein Gewinnaufschlag vorzunehmen gewesen. Der dem Anteil bei der Muttergesellschaft entsprechenden Satz von 7,5% des Umsatzes ist somit eine vorsichtige Schätzung.
Die Werk 1 A-GmbH hat keine Bankkredite in Anspruch genommen, sondern sich über ein Verrechnungskonto der Muttergesellschaft finanziert. Zutreffend hat der Gutachter hierfür eine fiktive Zinsbelastung ermittelt.
Da die Pacht für das von der Muttergesellschaft gepachtete Betriebsgrundstück nicht marktkonform war und da die Muttergesellschaft eine Vielzahl weiterer Leistungen, die sie der Werk 1 A-GmbH erbracht hat, dieser nicht belastete, nahm der Gutachter weitere Kürzungen des Gewinns vor. Auch dies ist nicht zu beanstanden.
Die danach ermittelten Ergebnisse hat der Gutachter unter Einbeziehung der Planzahlen für zukünftige Geschäftsjahre gemittelt und so einen jährlich nachhaltig erzielbaren Gewinn ermittelt.
Bei der Ertragswertmethode besteht das zweite Element der Bewertung in der Anwendung eines Kapitalisierungsfaktors, um den Unternehmenswert als Barwert der künftigen Jahresüberschüsse unter Zugrundelegung einer ewigen Rente zu ermitteln (Helbling, Unternehmensbewertung, S. 102, 418; Moxter, Grundsätze, S. 18; Piltz, Unternehmensbewertung S. 26). Der Kapitalisierungsfaktor ergibt sich aus Zinskomponenten, in dem 100 durch den ermittelten Zinssatz geteilt wird und mit dem Ergebnis der nachhaltig erzielbare Gewinn multipliziert wird. Der Gutachter hat einen Zinssatz von 19% und dementsprechend einen Kapitalisierungsfaktor von 5,263 angewandt, so dass sich demgemäß der Unternehmenswert ergab.
Ausgangspunkt war der Marktzins für langfristige, risikoarme Kapitalanlagen im Jahre 1983 von 8%. Diesem hat der Gutachter einen Immobilitätszuschlag von 2% hinzugerechnet, weil eine Investition in ein Unternehmen eine Bindung des Kapital bedeutet, so dass der Investor nicht kurzfristig auf günstigere Anlagemöglichkeiten zugreifen kann. Schließlich hat er noch einen Risikozuschlag von 9% angesetzt.
Das Gericht stellt hierzu fest, dass die Umlaufrendite für langfristige, risikoarme Anlagen (vgl. hierzu Piltz, Unternehmensbewertung, S. 171) 1983 8% betragen hat (Monatsberichte der Deutschen Bundesbank 12/1984 S. 57). Erst ab September 1984 war eine leichte Tendenz zu einer Zinssenkung erkennbar.
Der vom Gutachter in Ansatz gebrachte, vom Beklagten nicht akzeptierte Immobilitätszuschlag entspricht üblichen Bewertungsgrundsätzen (Helbling, Unternehmensbewertung, S. 423: Fungibilitätszuschlag; Piltz, Unternehmensbewertung S. 17; Viel/Bredt/Renard S. 131), so dass kein Verstoß gegen anerkannte Bewertungsmethoden vorliegt.
Das gleiche gilt auch hinsichtlich des Risikozuschlages, dessen grundsätzliche Berechtigung (vgl. hierzu Helbling S. 403; Piltz S. 174; Moxter S. 34, 154; Viel/Bredt/Renard S. 127), nicht aber seine Höhe der Beklagte anerkennt. Den um sieben Prozentpunkte höheren Wert begründet der Gutachter mit seiner Erfahrung und mit drei unternehmensspezifischen Faktoren. Das Unternehmen sei von einer Vielzahl externer Faktoren abhängig, die sich aus der Marktlage bei derartigen Produkten ergäben. Es bestünde eine besondere Abhängigkeit des Unternehmenserfolge von einzelnen Persönlichkeiten. Angesichts einer unüblich geringen Eigenkapitalausstattung müsse ein Teil des zukünftigen Ertrages zum Zwecke der Selbstfinanzierung im Unternehmen bleiben.
Alle drei Aspekte sind als bei der Unternehmensbewertung zu berücksichtigende Faktoren anerkannt (Helbling S. 424 f.). Der Beklagte hat nicht vorgetragen, dass diese Ausführungen des Gutachters nicht den Tatsachen entsprochen hätten. Der erkennende Senat hat insbesondere durch die Vernehmung des Gutachters die Überzeugung gewonnen, dass ein Ansatz für alle drei Faktoren berechtigt war und dass der Gutachter bei der Bestimmung der Höhe nicht einen vertretbaren Schätzrahmen verlassen hat. Er sieht sich nicht als berechtigt an, einen anderen, möglicherweise ebenso vertretbaren Wert anzusetzen, da es um die Prüfung geht, ob gesellschaftsrechtliche Einflüsse die Wertermittlung geleitet haben. Dies ist, wie dargelegt, überhaupt erst dann in Erwägung zu ziehen, wenn ein vertretbarer Schätzrahmen verlassen wird.
Da das Gutachten einer anerkannten Methodik folgt und keine sachfremden Erwägungen feststellbar sind, sieht das Gericht in der Schätzung des Unternehmenswertes eine zutreffende Ermittlung des Unternehmenswertes. Da ein angemessener, dem vermutlichen Marktwert entsprechender Kaufpreis von der erwerbenden Gesellschaft für die Anteile gezahlt wurde, scheidet die Annahme aus, die Klägerin hätte gesellschaftsrechtlich veranlasst ihrer Schwestergesellschaft einen Vorteil beim Verkauf der Anteile an der Werk 1 A-GmbH zugewandt.
Auch in der Bewertung der Werk 2 A-GmbH kann der Senat keine methodischen oder sachlichen Mängel erkennen. Der Gutachter folgt im wesentlichen der gleichen Methode wie bei der Bewertung der Werk 1 A-GmbH. Er gelangt zur Feststellung eines negativen Ertragswertes. Aufgrund er besonderen Marktsituation sieht der Gutachter auch keine günstigere Zukunftsprognose. Dem folgt auch der Beklagte. Auch der Senat schließt sich diesen Erwägungen an.
Entsprechend anerkannter Methodik (Piltz S. 31, 34 f., 189; Peemöller I 9 S. 6; Viel/Bredt/Renard S. 38 f., Olbrich S. 82) ist bei einem negativen Ertragswert der Netto-Substanzwert als Unternehmenswert anzusetzen. Dies ist zutreffend. Kann ein Erwerber eines Unternehmens keine nachhaltig erzielbaren Jahresüberschüsse erwarten, so kann auch nicht deren Barwert als Ausgangspunkt dienen, denn offenbar bewegen den Erwerber andere Gründe als eine Kapitalanlage zur Erzielung regelmäßiger Überschüsse bei seiner Investition. Vielmehr geht es ihm dann um die Substanz des Unternehmens als solche. Daher wird der Unternehmenswert nach dem Substanzwert bestimmt.
Dies ist auch zwischen den Parteien nicht umstritten. Diese unterscheiden sich jedoch darin, dass der Gutachter den Liquidationswert und der Beklagte den Substanzwert ansetzt, sowie darin, dass sie in der Ermittlung des Substanzwertes selbst zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangen.
Der erkennende Senat hält den Ansatz des Liquidationswertes für eine zutreffende Methode (vgl. Piltz S. 189). Der Einwand des Beklagten, dass dem die Fortführungsabsicht entgegenstehe und dass folglich Liquidationskosten nicht berücksichtigt werden dürften, überzeugt den Senat nicht. Er vermag eine solche generelle Aussage auch nicht der BGH-Entscheidung vom 17.01.1973 (DB 1973, 563) zu entnehmen. Vor allem ist zu berücksichtigen, daß diese Entscheidung aus einer Zeit stammt, in der die Unternehmensbewertung anderen Grundsätzen als den heute anerkannten folgte. Nach Ansicht des Gerichtes kann man nicht auf die Fortführungsabsicht abstellen, denn dann müsste man wegen des negativen Ertragswertes erhebliche Abschläge vornehmen. Geht man von der Ertragswertmethode ab, so ist der Unternehmenswert danach zu bestimmen, was der Erwerber bei einer Zerschlagung des Unternehmens erlösen kann.