Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 11.04.2000, Az.: 8 K 671/98
Abzugsfähigkeit von Kreditvermittlungsgebühren und eines Abwicklungshonorars und Informationshonorars bei einer Sicherheitskompaktrente
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 11.04.2000
- Aktenzeichen
- 8 K 671/98
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2000, 22782
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2000:0411.8K671.98.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BFH - 30.10.2001 - AZ: VIII R 29/00
Rechtsgrundlagen
- § 22 EStG
- § 20 EStG
Redaktioneller Leitsatz
Kosten für eine Kreditvermittlung und eines Honorars für Abwicklungs- und Informationstätigkeit zu einer "Sicherheitskompaktrente" können nicht deshalb nur beschränkt als Werbungskosten abzugsfähig sein, weil sie im Vergleich zu üblichen Finanzierungskosten von Banken als außergewöhnlich hoch anzusehen sind.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten im Wege der Fortsetzungsfeststellungsklage darum, ob das Finanzamt (FA) einen Freibetrag auf der Lohnsteuerkarte 1998 für eine Kreditvermittlungsgebühr und ein Abwicklungs- und Informationshonorar (zusammen 25.877,00 DM) in voller Höhe - so die Kläger (Kl.) - oder nur zu 1/3 - entsprechend dem Bauherrenerlass, so das FA - eintragen musste.
Die Kl. haben verschiedene Verträge im Rahmen eines von S, einem Finanzierungs- und Versicherungsvermittlungsunternehmen, angebotenen Modells einer "Sicherheits- und Kompaktrente" abgeschlossen.
Mit der Schweizer Filiale der Landesbank AG H vereinbarten sie im Dezember 1997 einen Darlehensvertrag über 488.246,00 DM. Nach Abzug eines Disagios von 10 % (48.824,00 DM) wurde das Darlehen wie folgt verwendet:
- a)
Zur Einzahlung eines Einmalbeitrages von 180.832,00 DM in eine Leibrentenversicherung mit eingeschlossener Hinterbliebenenrenten-Zusatzversicherung (HZV) bei der D Lebensversicherung. Die Kl. erwarben dafür den Anspruch auf eine vertraglich fest vereinbarte Rente von 7.243,00 DM jährlich und einer sog. Zuschlagrente, die sich nach der Höhe der Überschussbeteiligung bemisst und jährlich neu festgelegt wird, und zwar zunächst bis zum Ende der Mindestlaufzeit (15 Jahre). Nach Ablauf der Mindestlaufzeit wird die Rente gezahlt, solange die versicherte Person lebt. Als Hauptperson ist im Versicherungsschein die Klägerin - Kl.in. - (geb. 1965) angegeben, als Mitversicherter der Kl. (geb. 1948).
- b)
Zur Einzahlung eines Einmalbeitrages von 274.194,00 DM in eine Kapitallebensversicherung bei dem englischen Lebensversicherungsunternehmen C Investment Group Limited. Versicherungsnehmer sind beide Kl., Versicherter ist der Kl. Diese - als sog. "Tilgungsinstrument" bezeichnete - Lebensversicherung hat eine Laufzeit von 15 Jahren und soll dazu dienen, das Darlehen bei der H zurückzuführen und - nach den eingereichten Berechnungen - zusätzlich einen Überschuss von 269.640,00 DM zu erzielen.
- c)
Zur Zahlung einer Kreditvermittlungsgebühr von 14.647,00 DM und eines Abwicklungs- und Informationshonorars von 11.230,00 DM, zusammen 25.877,00 DM, um deren steuerliche Berücksichtigung die Beteiligten streiten. Die S hat insoweit mit Schreiben vom 30. März 2000 eine Rechnung der W Unternehmensberatung GmbH vom 2. Januar 1998 eingereicht, wonach sie den Kl. für die Beschaffung der finanzierenden Bank und die Vermittlung der Finanzierungsmittel zu deren Sicherheits-Kompakt-Rente 14.647,00 DM als Kreditvermittlungsgebühr gem. dem vorliegenden Angebot in Rechnung stellt und darauf hinweist, dass die Überweisung durch die finanzierende Bank direkt vorgenommen worden sei, und eine weitere Rechnung des V B vom 2. Januar 1998, in der dieser den Kl. für die Erarbeitung des Finanzierungskonzeptes zu deren Sicherheits-Kompakt-Rente, insbesondere hinsichtlich Finanzierungsdauer, Zinsfestschreibungsdauer und Refinanzierungsgewährung, der Zusammenstellung der notwendigen Bonitätsunterlagen und der Abstimmung dieser Bonitätsunterlagen und Verträge mit den Kl. und der Bank 11.230,00 DM als Abwicklungs- und Informationshonorar gem. Angebot in Rechnung stellt und darauf hinweist, dass die Überweisung durch die finanzierende Bank direkt vorgenommen worden sei. Beide Rechnungen sind nicht unterschrieben. Die beiden Rechnungsbeträge sind in dem Finanzierungsantrag der Kl. an die H vom 3. Dezember 1997 aufgeführt. Der Kontoauszug des für die Kl. bei der H eingerichteten Transaktionskontos vom 2. Januar 1998 weist eine einheitliche Überweisung eines Betrages von 25.877,00 DM (Wert 2. Januar 1998) für "Kreditverm.Geb. u. Abwicklung" an die W Unternehmensberatung GmbH aus.
Neben dem Darlehensbetrag leisteten die Kl. einen Eigenanteil, den sie auf ihr bei der H geführtes Transaktionskonto einzahlten. Zur Sicherung ihres Darlehens traten die Kl. ihre Ansprüche aus der Rentenversicherung und aus der Kapital-Lebensversicherung an die H ab. Ferner schlossen sie zur weiteren Absicherung eine Risikolebensversicherung bei der E Lebensversicherungs AG ab, deren Erstbeitrag von 1.236,62 DM sie von ihrem Transaktionskonto bei der H zahlten (Kontoauszug der H vom 29. Dezember 1997). Die Rente - im Streitjahr 12.000,00 DM - wurde erstmals per 1. Dezember 1998 gezahlt.
In ihrem Lohnsteuerermäßigungsantrag für 1998 setzten die Kl. als Einnahmen den Ertragsanteil der Rente an und machten als Werbungskosten die (laufenden) Schuldzinsen aus dem Kredit, ferner die Kreditvermittlungsgebühr und das Abwicklungs- und Informationshonorar geltend.
Das FA wich von diesem Antrag ab. Bei den Einnahmen setzte es den Ertragsanteil aus der garantierten Rente von 7.273,00 DM, dieÜberschussanteile von 4.727,00 DM jedoch in voller Höhe an. Im Verlaufe des Klageverfahrens ist das FA aufgrund eines
BMF-Schreibens insoweit von seiner Auffassung abgerückt und hat im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung für 1998 als Einnahmen den Ertragsanteil bezogen auf die gesamten 12.000,00 DM angesetzt (Einkommensteuerbescheid vom 5. Januar 2000).
Im Übrigen setzte das FA die Kreditvermittlungsgebühr und das Abwicklungs- und Informationshonorar - nach Abzug eines geringfügigen Anteils für die Risikolebensversicherung und den Risikoanteil der HZV - nicht in voller Höhe, sondern nur zu 1/3 als Werbungskosten an. Diese Gebühren seien nicht nur durch die Erzielung von Einnahmen veranlasst, sondern auch auf das Vermögen selbst getätigt worden. Zumeist habe ein Steuerpflichtiger für die Vermittlung des gesamten Vertragsmodells eine oder mehrere Provisionen (oftmals als Kredit- / Vermittlungsgebühren) zu zahlen. Diese Provisionen beträfen zum einen die angeschafften positiven Wirtschaftsgüter (Rentenstammrechte) und stellten insoweit Anschaffungsnebenkosten dar (BFH-Urteil vom 27. Juni 1989 VIII R 30/88, BStBl II 1989, 934 ff.). Zum anderen bezögen sie sich auf die vermittelten Darlehensverträge und seien insoweit Werbungskosten. Schließlich beträfen sie teilweise aber auch die gesamte Zusammenstellung der Verträge als Vertragsbündel, da nur insoweit der vermeintliche angestrebte steuerliche Effekt erreicht werden könne. Insoweit gehörten sie wiederum zu den Anschaffungskosten. Mangels anderer Anhaltspunkte für eine sachgerechte Aufteilung sei in Anlehnung an den Bauherrenerlass eine Provision von 2 % des berücksichtigungsfähigen Darlehensanteils, maximal 1/3 der gesamten Provision als Werbungskosten abziehbar.
Dagegen wenden sich die Kl. im Klageverfahren und machen geltend, sie hätten durchaus Anschaffungsnebenkosten getragen. Diese seien die in den an die Versicherung geleisteten Beiträgen enthaltenen Provisionen, die vom Versicherer dem Vermittler gezahlt wurden.
Die nicht an die Versicherung, sondern an andere gezahlten Gebühren seien dagegen den Finanzierungskosten gleichzustellen und in voller Höhe als Werbungskosten zu berücksichtigen. Die Kl. verweisen auf OFD-Verfügungen und auf das Urteil des BFH vom 15. Dezember 1999 X R 23/95.
Sie beantragen,
festzustellen, dass das Finanzamt weitere 17.156,00 DM für die Abwicklungsgebühr und für Kreditvermittlungsgebühr als Freibetrag auf der Lohnsteuerkarte hätte berücksichtigen müssen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält an seiner Auffassung fest. In der mündlichen Verhandlung hat die Vertreterin des FA geltend gemacht, die im Vergleich zu üblichen Finanzierungskosten unübliche Höhe der Gebühren spreche dafür, dass es sich bei diesen teilweise nicht um abzugsfähige Werbungskosten, sondern um Anschaffungs-(Neben-)Kosten des Stammrechts handele.
Im Verlaufe des Klageverfahrens hat das FA die Kl. zur Einkommensteuer 1998 veranlagt. Im Einkommensteuerbescheid für 1998 vom 5. Januar 2000 sind die Kreditvermittlungsgebühr und das Abwicklungs- und Informationshonorar (nach Abzug eines geringen Anteils für die Risiko-LV und die HZV) nur zu 1/3 als Werbungskosten berücksichtigt. Die Kl. haben gegen diesen Einkommensteuerbescheid keinen Einspruch eingelegt. Der Prozessbevollmächtigte hat beim FA telefonisch am 10. Januar 2000 beantragt, die Kosten von 9.711,00 DM (Kreditvermittlungsgebühr) und 7.445,00 DM (Abwicklungshonorar) als sofort abzugsfähige Werbungskosten bei den Einkünften aus §§ 20 und 22 EStG zu behandeln. Diesen Änderungsantrag hat das FA noch nicht beschieden.
Wegen des weiteren Sachverhalts und Vorbringens wird auf die Steuerakten, die gewechselten Schriftsätze und die eingereichten Vertragsunterlagen, Kontoauszüge und Berechnungen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und begründet.
Der ursprünglich von den Kl. gestellte Antrag auf Eintragung eines Freibetrages auf der Lohnsteuerkarte 1998 ist durch Zeitablauf und die Durchführung der Einkommensteuerveranlagung 1998 erledigt. Die Klage ist jedoch als Fortsetzungsfeststellungsklage gem. § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO zulässig, weil die Kl. ein berechtigtes Interesse an der Feststellung haben, in welcher Höhe die streitigen Gebühren bei ihrer Einkommensteuerveranlagung 1998, die in diesem Punkt aufgrund des von den Kl. gestellten Änderungsantrages (§ 172 Abs. 1 Nr. 2 a AO) noch offen ist, als Werbungskosten abzuziehen sind.
Die Kl. erzielen aus der Rentenversicherung sonstige Einkünfte i. S. d. § 22 Nr. 1 EStG. Über die Behandlung der im Streitjahr gezahlten 12.000,00 DM in voller Höhe als Leibrente (Ansatz mit dem Ertragsanteil) besteht zwischen den Beteiligten mittlerweile kein Streit mehr. Insoweit haben die Kl. nicht die Änderung des Einkommensteuerbescheids beantragt. Aus der Kapitallebensversicherung werden die Kl. bei deren Fälligkeit Einkünfte aus Kapitalvermögen i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG erzielen. Die Zinsen aus dieser Versicherung sind trotz der über zwölf Jahre hinausgehenden Laufzeit steuerpflichtig, weil die Kl. die Ansprüche aus der Kapitallebensversicherung an die H abgetreten haben und die Voraussetzungen für den Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a) und b) EStG nicht vorliegen (§ 20 Abs. 1 Nr. 6 Sätze 2 bis 4 EStG). Die Kl. können deshalb ihre zur Erzielung dieser Einkünfte getätigten Aufwendungen als (bei den Einkünften aus Kapitalvermögen: vorweggenommene) Werbungskosten abziehen, soweit es sich nicht um Aufwendungen auf das Vermögen (Anschaffungsnebenkosten zum Erwerb des Rentenstammrechts bzw. im Zusammenhang mit dem Kapitalrückzahlungsanteil der Lebensversicherung) handelt; Aufwendungen auf das Vermögen sind nicht als Werbungskosten abzugsfähig (vgl. Schmidt / Drenseck, Kommentar zum EStG, 19. Aufl. 1999 Rdz. 24 ff., 27 zu§ 9 EStG m. w. N.).
Werbungskosten sind gem. § 9 Abs. 1 Satz 3 EStG auch Schuldzinsen. Zu den Schuldzinsen gehören nach der Rechtsprechung des BFH auch die mit diesen zusammenhängenden Kreditnebenkosten (vgl. Schmidt / Drenseck, a. a. O., Rdz. 91 zu § 9 EStG m. w. N.).
Im Streitfall sind die Kreditabwicklungsgebühr und das Abwicklungs- und Informationshonorar in voller Höhe - mit Ausnahme des zwischen den Beteiligten nicht streitigen, auf die Risiko-LV und die HZV entfallenden Anteils - als Werbungskosten abzugsfähig. Sie sind, auch soweit sie auf die Finanzierung des nicht steuerbaren Kapitalrückzahlungsanteils der Rente und der Lebensversicherung entfallen, nach dem Urteil des BFH vom 15. Dezember 1999 nicht als Anschaffungsnebenkosten, sondern als Werbungskosten zu qualifizieren, weil sie dazu bestimmt sind, die Grundlagen der Renteneinkünfte bzw. der zukünftigen Einkünfte aus Kapitalvermögen zu finanzieren (vgl. BFH, Urteil vom 15. Dezember 1999, a. a. O., Ziff. II 4 b), bb), und die in dieser Entscheidung angeführten Urteile des BFH vom 21. Juli 1981 VIII R 32/80, BStBl II 1982, 41 ff., I 1, II 2 a), vom 23. Januar 1991 X R 37/86, BStBl II 1991, 398 ff., 1 b), und vom 5. Mai 1993 X R 128/90, 2).
Im Streitfall haben die Kl. die Kreditvermittlungsgebühr als auch das Informations- und Abwicklungshonorar nach den Rechnungen der W Unternehmensberatung GmbH und des V B und nach dem Kontoauszug der H an die W-Unternehmensberatung GmbH für Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Finanzierung und nicht als Provisionsausgleich an die D Lebensversicherung bzw. die C Investment Group Limited gezahlt. Dass die Gebühren im Vergleich zu den bei finanzierenden Banken üblichen Finanzierungsnebenkosten außergewöhnlich hoch sind, kann nicht zur beschränkten Abzugsfähigkeit der Aufwendungen führen. Sie sind deshalb in voller Höhe - soweit sie nicht auf den zwischen den Beteiligten nicht streitigen Risikoanteil entfallen - als Werbungskosten abzugsfähig.
Anhaltspunkte für eine fehlendeÜberschusserzielungsabsicht ("Liebhaberei") liegen nicht vor. Die Beteiligten sind sich zu Recht darüber einig, dass angesichts des Alters der versicherten Kl.in. von einem Total-Überschuss auszugehen ist. Einwendungen gegen den errechneten Total-Überschuss im Nachweis der Überschusserzielungsabsicht hat das FA nicht erhoben. Diese sind auch nicht ersichtlich.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
Das Gericht lässt die Revision gem. § 115 Abs. 1 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zu, weil es die Frage, ob die über die üblichen Finanzierungskosten hinausgehenden Gebühren in voller Höhe abzugsfähig sind, für nicht ausreichend geklärt hält; das Urteil des BFH vom 15. Dezember 1999 enthält insoweit keine Ausführungen.