Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 19.04.2000, Az.: 4 K 186/94

Wirtschaftlicher Zusammenhang von Werbungskosten mit steuerfreien Aufwandsentschädigungen im Beitrittsgebiet

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
19.04.2000
Aktenzeichen
4 K 186/94
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2000, 19713
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2000:0419.4K186.94.0A

Fundstelle

  • DStRE 2000, 1124-1125 (Volltext mit amtl. LS)

Tatbestand

1

Die Klägerin war bis zum 31.05.1991 im öffentlichen Dienst in ... beschäftigt. Vom 01.06. bis zum 30.11.1991 war sie nach ... abgeordnet. Vom 01.12.1991 an war sie nach dahin versetzt worden. Der Klägerin ist gemäß § 3 Nr. 12 Einkommensteuergesetz- EStG nach der Richtlinie des Bundesinnenministeriums vom 17.04.1991 eine Aufwandsentschädigung in Höhe von monatlich 1.700,00 DM steuerfrei gemäß § 3 Nr. 12 gewährt worden. Auf die Anlage 1 zum Schreiben des Bundesministers des Innern vom 17. April 1991 D 2 4 221 170/36 (Bl. 13 ff der Einkommensteuerakte 1991) wird Bezug genommen.

2

In ihrer Einkommensteuererklärung 1991 machte sie für die Zeit vom 01.01. 31.05.1991 für Fahrten mit dem Pkw zwischen Wohnung und Arbeitsstätte geltend, sie habe ihn an 100 Tagen für eine Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte von 23 Kilometern benutzt. Für die Zeit vom 01.06. bis 30.11.1991 machte sie geltend, von ... nach ... an 115 Tagen 55 km gefahren zu sein. Für die Zeit vom 01.12. bis zum 31.12.1991 machte sie geltend, an 20 Tagen innerhalb von ... 10 km mit dem Pkw gefahren zu sein. Ergänzend wird auf Bl. 22 Rückseite der Einkommensteuerakte 1991 Bezug genommen.

3

Im Einkommensteuerbescheid 1991 vom 4. Januar 1993 ging das FA davon aus, dass der Klägerin in der Zeit vom 01.06. 30.09.1991 sowie in der Zeit vom 01.10. 30.11.1991 insgesamt 5.732,00 DM an Werbungskosten für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte entstanden seien. Auf die Berechnung Blatt 19 der Einkommensteuerakte 1991 wird Bezug genommen. Auf diesen Betrag einschließlich Kosten für die doppelte Haushaltsführung von 3.312,00 DM (insgesamt 9.044,00 DM) rechnete das FA steuerfreie Aufwandsentschädigungen für die Zeit von Juni bis Dezember 1991 in Höhe von 11.900,00 DM an und gewährte der Klägerin lediglich den Werbungskostenpauschbetrag für die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 2.000,00 DM.

4

Mit Einspruchsbescheid vom 16. März 1994 wies das FA den Einspruch als unbegründet zurück.

5

Nach § 3 c EStG dürften Aufwendungen, soweit sie mit steuerfreien Einnahmen in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stünden, nicht als Werbungskosten geltend gemacht werden. Diese Voraussetzungen lägen nicht vor. Mit der der Klägerin gemäß § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG steuerfrei gewährten Aufwandsentschädigungen von monatlich 1.700,00 DM seien auch die von ihr geltend gemachten Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte abgegolten. Die Aufwendungen und die Aufwandsentschädigungen hätten auch ihren Ursprung in der Tätigkeit für ein Land im Beitrittsgebiet. Ergänzend wird auf den Inhalt des Bescheides (vgl. Bl. 57 ff der Einkommensteuerakte 1991) Bezug genommen.

6

Mit der rechtzeitigen Klage macht die Klägerin weiterhin geltend, die ihr gewährte Aufwandsentschädigung sei steuerfrei. Der vom Beklagten gemäß § 3 c EStG angenommene unmittelbare wirtschaftliche Zusammenhang sei jedenfalls soweit er die Kosten für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte angehe nicht gegeben. Mit der Aufwandsentschädigung gemäß Richtlinie des BMI vom 17.04.1991 sei zusätzlicher Bedarf abgegolten, nicht jedoch Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Mehraufwendungen, die durch die Tätigkeit des Beitrittsgebiets entstanden seien, seien lediglich die Kosten der doppelten Haushaltsführung. Ein unlösbarer Zusammenhang wie vom BFH gefordert zwischen den steuerfreien Einnahmen und den Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte bestehe nicht. Fiele nämlich nach Umzug die doppelte Haushaltsführung weg, fielen die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte weiterhin an. Unter den vom FA indirekt zitierten Erlass des BMF vom 21.05.1991 falle sie nicht. Dieser Erlass sei rechtswidrig zu ihren Ungunsten angewandt worden. Ergänzend bezieht sich die Klägerin u. a. auf das Urteil des Finanzgerichts Münster vom 16.11.1995 16 K 2609/93 E (vgl. Bl. 12 ff der Gerichtsakte).

7

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Einkommensteuerbescheid 1991 vom 4. Januar 1993 in der Fassung des Einspruchsbescheides vom 16. März 1994 zu ändern, und unter Berücksichtigung weiterer Werbungskosten in Höhe von 5.006,00 DM die Einkommensteuer 1991 herabzusetzen.

8

Das FA beantragt

Klageabweisung.

9

Es hält an seiner Begründung aus dem Einspruchsbescheid fest.

10

Ergänzend wird auf die vorgelegten Steuerakten sowie den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

11

Die Klage ist nicht begründet.

12

Die Klage ist aus den in der Einspruchsentscheidung vom 16. März 1994 dargestellten Gründen abzuweisen, denn dort hat der Beklagte die Rechtslage im Wesentlichen zutreffend wiedergegeben. Der Senat sieht gemäß § 105 Abs. 5 Finanzgerichtsordnung (FGO) insoweit von der Darstellung der Entscheidungsgründe ab. Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass § 3 c EStG den Werbungskostenabzug von beruflich veranlassten Aufwendungen verbietet, soweit die Aufwendungen mit steuerfreien Einnahmen in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen. Im Streitfall besteht ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den in Rede stehenden Aufwendungen und der gezahlten Aufwandsentschädigung, die trotz des Verstoßes der hier zugrunde liegenden Vorschriften gegen das auf Art. 3 Abs. 1 GG folgende Gebot der Steuergerechtigkeit unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes nach § 3 Nr. 12 EStG für das Streitjahr als steuerfrei zu behandeln ist (vgl. Beschluss des BVerfG vom 11.11.1998 2 BvL 10/95, DB 1999, 512). Der unmittelbare wirtschaftliche Zusammenhang besteht darin, dass die Aufwandsentschädigung nach ihrer Zweckbestimmung dem Ausgleich der durch die dienstlich begründeten Aufenthalte im Beitrittsgebiet verursachten besonderen Aufwendungen dienen sollte und die in Rede stehenden Aufwendungen ausnahmslos durch die Tätigkeit der Klägerin im Beitrittsgebiet veranlasst worden sind. Da diese Aufwendungen von 9.044,00 DM die erhaltene Aufwandsentschädigung von 11.900,00 DM nichtübersteigen, war der Werbungskostenabzug insoweit zu verringern (vgl. FG Nds. EFG 1993, 572; SG Nürnberg EFG 1994, 747; FG Sachsen-Anhalt EFG 1996, 18). Der entgegenstehenden Auffassung des FG Münster (vgl. a.a.O.) folgt der Senat nicht. Der Senat hält an seiner Rechtsprechung aus dem den Beteiligten bekannten Urteil IV 131/94 vom 03.11.1999 fest.

13

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 FGO.

14

Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen, da der Rechtsstreit grundsätzliche Bedeutung hat. Dies ergibt sich aus der oben zitierten Rechtsprechung, die offensichtlich uneinheitlich ist.