Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 25.07.2019, Az.: 1 A 2188/17
Anhörung; Bestattungskosten; Ermessen; Ersatzvornahme; Gesamtschuldner; Leistungsbescheid; Subsidiäre Bestattungspflicht
Bibliographie
- Gericht
- VG Hannover
- Datum
- 25.07.2019
- Aktenzeichen
- 1 A 2188/17
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2019, 69980
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 8 BestattG ND 2005
- § 74 SGB 12
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Der Heranziehung eines nachrangig Verpflichteten zu Bestattungskosten steht es nicht entgegen, dass die Gemeinde nach Erfüllung ihrer subsidiären Bestattungspflicht den vorrangig Verpflichteten zunächst irrtümlich oder aufgrund einer Bearbeitungsverzögerung nicht herangezogen hat und dieser dann selbst verstorben ist.
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich mit ihrer Klage gegen ihre Inanspruchnahme für die anlässlich der Bestattung ihres Vaters entstandenen Kosten.
Die Klägerin ist die Tochter des am 11. Februar 2015 verstorbenen C. D.. Er und seine Ehefrau E. D., bei der es sich nicht um die Mutter der Klägerin handelt, lebten beide in einem Alten- und Pflegeheim im Stadtgebiet der Beklagten. Am Todestag des Vaters der Klägerin meldete sich die Betreuerin der Ehefrau des Verstorbenen bei der Beklagten und teilte mit, dass deren Heimunterbringung vom Sozialamt Hannover finanziert werde und sie keine finanziellen Mittel zur Verfügung habe, um die Bestattung zu bezahlen. Mit dem Bestattungsunternehmen F. sei aber schon besprochen worden, dass die Witwe eine Einäscherung mit anschließender Urnenbeisetzung in G. wünsche. Die Beklagte beauftragte daraufhin das genannte Bestattungsunternehmen mit der Überführung der Leiche ins Krematorium. Unter dem 12. Februar 2015 schrieb die Beklagte die Klägerin und deren Schwester an und wies darauf hin, dass die Ehefrau des Verstorbenen wirtschaftlich nicht zur Sorge für die Beisetzung in der Lage sei und nach der gesetzlichen Reihenfolge die leiblichen Kinder des Verstorbenen für die Bestattung Sorge zu tragen hätten. Dies geschah nicht. Die Klägerin machte vielmehr unter dem 14. Februar 2015 geltend, dass der Verstorbene sich 50 Jahre nicht um sie gekümmert und keinen Unterhalt gezahlt hätte. Ihre leibliche Mutter – die alkohol- und tablettensüchtig gewesen sei und von der sie geschlagen worden sei – sei früh verstorben und sie habe seit ihrem elften Lebensjahr bei ihrem Onkel mütterlicherseits gelebt. Zudem habe sie nur ein geringes Einkommen und ihr Mann eine niedrige Rente. Die Klägerin legte zudem ein Schreiben der Landeshauptstadt Hannover vom 11. Oktober 1994 vor, aus dem sich ergibt, dass diese anlässlich des Sozialhilfebezuges des Vaters auf eine Inanspruchnahme der Klägerin als Unterhaltspflichtige verzichtet hatte, weil dieser seine eigene Unterhaltspflicht gröblich vernachlässigt habe. Die Beklagte beglich die Kosten der Bestattung i. H. v. 1.330,70 EUR, die ihr vom Bestattungsunternehmen F. unter dem 18. Februar 2015 in Rechnung gestellt wurden.
Nachdem die Beklagte im Dezember 2015 vom Fachbereich Soziales der Landeshauptstadt Hannover darauf aufmerksam gemacht worden war, dass die Ehefrau des Verstorbenen auch bei Soziallleistungsbezug grundsätzlich in Anspruch genommen werden könne, forderte sie diese mit Bescheid vom 8. Januar 2016 auf, einen Betrag i. H. v. 1.405,70 EUR (Rechnung Bestattungsunternehmen i. H. v. 1.330,70 EUR und Verwaltungsgebühr i. H. v. 75,00 EUR) innerhalb eines Monats zu erstatten. Das Bestattungsunternehmen sei nach dem Tod von C. D. im Rahmen der Ersatzvornahme nach § 66 Nds. SOG beauftragt worden. Die Bestattungspflicht ergebe sich aus § 8 Abs. 3 BestattG und sei unabhängig vom Erbrecht zu betrachten. Sollten die angeforderten Kosten nicht bestritten werden können, bestehe die Möglichkeit, die Übernahme der Bestattungskosten nach § 74 SGB XII bei der Landeshauptstadt Hannover zu beantragen. Die Ehefrau des Verstorbenen E. D. verstarb selbst am 18. Januar 2016. Der zuständige Fachbereich der Beklagten erhielt davon nach eigener Darstellung erst am 12. Januar 2017 Kenntnis.
Mit Bescheid vom 7. Februar 2017 wurde dann die Klägerin aufgefordert, den für die Bestattung verauslagten Betrag i. H. v. 1.330,70 EUR zuzüglich einer Verwaltungsgebühr i. H. v. 75,00 EUR zu erstatten. Da die Ehefrau des Verstorbenen mittlerweile ebenfalls verstorben sei, hätten die Klägerin und deren Schwester anstelle der zunächst verpflichteten Person die Kosten der Bestattung zu tragen. Ein Ausgleich der Kosten sei im Innenverhältnis mit der Schwester herbeizuführen. Der Schwester der Klägerin wurde unter dem 7. Februar 2017 eine Kopie des Leistungsbescheides zur Kenntnis übersandt. Dabei wurde diese darauf hingewiesen, dass sie gemeinsam mit der Klägerin als Tochter des Verstorbenen die zur Übernahme der Bestattungskosten verpflichtete Person sei.
Die Klägerin hat gegen den Leistungsbescheid am 10. März 2017 Klage erhoben. Es sei eine Verantwortliche nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 BestattG vorhanden gewesen, bei der die Beklagte die Beitreibung der Kosten über ein Jahr hinweg versäumt habe. Bei Vorhandensein eines Verpflichteten nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 BestattG bestehe eine Sperrwirkung aufgrund des Rangverhältnisses, sodass bei dessen Versterben eine Verpflichtung nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 BestattG nicht automatisch auflebe. Ansonsten würden die Verpflichteten auf verschiedenen Stufen faktisch und rechtlich wie Gesamtschuldner behandelt, die es aber nur auf einer Stufe gebe; die Untätigkeit des vorstufig Verpflichteten würde immer zu einer Verpflichtung des nachrangigen Schuldners führen. Die nächste Stufe solle nur eintreten, wenn keine andere Stufe vorhanden sei; es könne nicht später auf eine andere Stufe ausgewichen werden. Insbesondere gelte dies, wenn bereits ein Bescheid gegen einen vorrangig Verpflichteten erwirkt worden sei oder hätte erwirkt werden können. Die Klägerin sei nicht in die Fußstapfen der vorrangig Verpflichteten getreten. Es werde vom Gesetz nur auf die Verwandtschaft und nicht auf finanzielle Verhältnisse abgestellt. Das Bestattungsgesetz bürde weder das Insolvenzrisiko eines anderen Verpflichteten auf noch gestatte es eine Untätigkeit der Behörde. Es werde bestritten, dass eine zeitintensive Aufklärung vor der Heranziehung der Ehegattin des Verstorbenen erforderlich gewesen sei und dass diese keine liquiden Mittel gehabt hätte. Darüber hinaus habe der Verstorbene jedwede Verpflichtungen gegenüber der Klägerin vernachlässigt; er habe nie Kontakt zu ihr gehabt und auch keinerlei Unterhalt gezahlt.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 7. Februar 2017 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Klägerin sei als leibliche Tochter des Verstorbenen herangezogen worden, nachdem sich die Kosten aufgrund des Todes der Ehegattin von dieser nicht mehr hätten erlangen lassen. Alle bekannt gewordenen Erben hätten das Erbe ausgeschlagen. In der Rangfolge des § 8 Abs. 3 BestattG folgten nachrangige Personen nach, wenn die vorrangig Verpflichteten ihrer Verpflichtung nicht nachkämen. Nächste nachrangige Person i. S. d. § 8 Abs. 4 Satz 4 BestattG sei die Klägerin. An diese müsse per Leistungsbescheid herangetreten werden können. Eine Heranziehung des nächstrangig Verpflichteten setze auch nicht den Abschluss eines Vollstreckungsverfahrens voraus. Da für die Bestattung im Rahmen der Ersatzvornahme gesorgt worden sei, sei die Beklagte ermächtigt, die Kosten der Bestattung von den Bestattungspflichtigen als Gesamtschuldner zurückzufordern. Die Inanspruchnahme der Ehegattin des Verstorbenen sei innerhalb der gesetzlich zulässigen Verjährungsfrist erfolgt. Die verwaltungsinterne Abwägung zu ihrer Heranziehung habe auf einer zeitintensiven Recherche und Aufklärung beruht. Die Voraussetzungen für eine eventuell mögliche Übernahme der Kosten durch den Sozialleistungsträger hätten erst im Dezember 2015 abschließend geklärt werden können. Ziel sei es aber gewesen, die zunächst vorrangig Verpflichtete heranzuziehen. Selbst bei einer um ein oder zwei Monate früheren Inanspruchnahme hätte keine Gewähr für die Erlangung der Kosten bestanden. Eine Vernachlässigung der unterhaltsrechtlichen und persönlichen Verpflichtungen durch den verstorbenen Vater sei für die gesetzliche Bestattungspflicht und Kostenerstattungspflicht der Klägerin ohne Belang; ein Ausnahmefall für das Entfallen der öffentlich-rechtlichen Bestattungspflicht sei nicht zu erkennen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage, über die nach dem Übertragungsbeschluss der Kammer vom 20. Juni 2019 der Einzelrichter entscheidet (§ 6 Abs. 1 VwGO), hat keinen Erfolg.
Rechtsgrundlage für die Heranziehung der Klägerin zu den Kosten für die Bestattung ihres Vaters ist § 8 Abs. 4 Sätze 2 und 4 BestattG. Danach haften die nach § 8 Abs. 3 BestattG vorrangig Bestattungspflichtigen der Gemeinde als Gesamtschuldner für die Bestattungskosten; lassen sich die Bestattungskosten von den vorrangig Verpflichteten nicht erlangen, so treten die nächstrangig Verpflichteten an deren Stelle. Voraussetzung für die Heranziehung der nach § 8 Abs. 3 BestattG gesetzlich Bestattungspflichtigen zu den Kosten einer Bestattung auf dieser Grundlage ist, dass die subsidiäre Bestattungspflicht der für den Sterbe- oder Auffindungsort zuständigen Gemeinde nach § 8 Abs. 4 Satz 1 BestattG entstanden und durch diese erfüllt worden ist. Nach § 8 Abs. 4 Satz 3 BestattG werden die Bestattungskosten durch Leistungsbescheid festgesetzt.
In formeller Hinsicht ist der Leistungsbescheid der Beklagten vom 7. Februar 2017 nicht zu beanstanden. Zwar wurde die Klägerin vor Erlass des Leistungsbescheides nicht nochmals gesondert angehört. Dem sich aus § 1 Abs. 1 Nds. VwVfG i. V. m. § 28 Abs. 1 VwVfG ergebenden Anhörungserfordernis wurde aber bereits hinreichend durch das Schreiben der Beklagten vom 12. Februar 2015 Rechnung getragen, mit dem die Klägerin auf ihre sich aus § 8 BestattG ergebenden Verpflichtungen hingewiesen wurde und mit dem ihr angekündigt wurde, dass sie bei Beauftragung der Bestattung durch die Beklagte gemeinschaftlich mit ihrer Schwester für die dadurch entstehenden Kosten hafte. Auf die Bitte der Beklagten, sich mit dieser in Verbindung zu setzen, reagierte die Klägerin auch umfassend und lehnte dabei ausdrücklich jegliche Zahlung ab. Damit bestand für die Klägerin auch im Hinblick auf einen Leistungsbescheid nach § 8 Abs. 4 Satz 3 BestattG hinreichend Gelegenheit, sich zu den für die Entscheidung maßgeblichen Tatsachen zu äußern; diese Gelegenheit wurde von ihr auch wahrgenommen. Selbst wenn man das Schreiben vom 12. Februar 2015 nicht als Anhörung betrachten wollte, war nach Auffassung des Einzelrichters eine weitere gesonderte Anhörung zur Geltendmachung des Kostenerstattungsanspruchs i. S. v. § 28 Abs. 2 VwVfG nach den Umständen des Einzelfalls nicht geboten.
Der Bescheid ist auch in der Sache nicht zu beanstanden. Die subsidiäre Bestattungspflicht der Gemeinde nach § 8 Abs. 4 Satz 1 BestattG, also die eigene gesetzliche Pflicht, die Bestattung zu veranlassen (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 14.06.2017 – 8 LB 127/16 –, juris Rn. 38), entstand vorliegend infolge des Umstands, dass weder die Ehegattin des Verstorben als vorrangig Verpflichtete nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 BestattG noch die von der Beklagten über den Sterbefall informierten Töchter als zweitrangig Verpflichtete nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 BestattG noch eine andere Person innerhalb der Fristen des § 9 BestattG für die Bestattung sorgen wollten bzw. gesorgt haben. Die Ehegattin des Verstorbenen und die Klägerin haben dabei gegenüber der Beklagten deutlich zum Ausdruck gebracht, eine Bestattung nicht veranlassen zu wollen; eine Reaktion der Schwester der Klägerin ist hingegen nicht erfolgt. Infolge der Erfüllung der subsidiären Bestattungspflicht durch die Beklagte sind die originären Verpflichtungen der in § 8 Abs. 3 BestattG genannten Personen nach den Bestimmungen in § 8 Abs. 4 Sätze 2 bis 4 BestattG in sekundäre Verpflichtungen zur Kostenerstattung übergegangen. Auch auf der Sekundärebene der Kostenerstattung spiegelt sich indessen die in § 8 Abs. 3 BestattG verankerte Rangfolge wieder; aus § 8 Abs. 4 Satz 2 und 4 BestattG ergibt sich, dass die Verpflichteten auf der jeweiligen Rangstufe gesamtschuldnerisch für die Bestattungskosten einzustehen haben. Lassen sich die Kosten von den Verpflichteten auf der jeweiligen Rangstufe nicht erlangen, treten die jeweils nachrangigen Verpflichteten an die Stelle des vorangehenden Rangs. Erst wenn alle Ränge erschöpft sind, soll die Gemeinde mit den Kosten belastet bleiben.
Nach der Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts sind nachrangig Bestattungspflichtige nur dann zu Kosten heranzuziehen, wenn gegen vorrangig Bestattungspflichtige ein Leistungsbescheid ergangen und die Vollstreckung hieraus erfolglos geblieben oder ersichtlich aussichtslos ist. Für die Frage, ob von einem Verpflichteten die Kosten erlangt werden können, soll nicht nur eigenes Einkommen und Vermögen des Verpflichteten zu berücksichtigen sein, sondern auch ein etwaiger Anspruch auf Übernahme der Bestattungskosten nach § 74 SGB XII (Nds. OVG, Beschl. v. 26.06.2009 – 8 PA 87/09 –, juris Rn. 4). Maßgeblich für die Heranziehung der primär Bestattungspflichtigen zu den Bestattungskosten ist dabei entsprechend allgemeinen Grundsätzen auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Erlasses des Leistungsbescheides nach § 8 Abs. 4 Satz 3 BestattG abzustellen (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 10.11.2011 – 8 LB 238/10 –, juris Rn. 33, 41). Dies hat nach Auffassung des Einzelrichters grundsätzlich auch dann zu gelten, wenn es um die Inanspruchnahme von Bestattungspflichtigen geht, die nach § 8 Abs. 4 Satz 4 BestattG nachgerückt sind. Die äußere zeitliche Grenze der Verwirklichung eines Erstattungsanspruchs durch Leistungsbescheid ergibt sich dabei durch die für diesen Anspruch geltende Verjährungsfrist von drei Jahren in entsprechender Anwendung des § 195 BGB (vgl. zur Verjährungsfrist etwa: Horn, Niedersächsisches Bestattungsgesetz, 2. Aufl., § 8 Nr. 6 d).
Daraus ergibt sich, dass bei Wegfall eines Verpflichteten des "ersten Ranges" infolge eines späteren eigenen Versterbens eine Gemeinde nicht etwa darauf beschränkt ist, sich gegebenenfalls an dessen Erben zu halten. Dies ist zwar der Fall, wenn die subsidiäre Bestattungspflicht der Gemeinde aufgrund einer Veranlassung der Bestattung noch durch den später verstorbenen Verpflichteten gar nicht entstanden ist (vgl. zu einem solchen Ausnahmefall, in dem der Ehemann kurz nach der Beauftragung der Bestattung seiner Ehefrau selbst verstarb: Urt. d. Kammer v. 21.05.2014 – 1 A 6027/12 –, juris). Ist die subsidiäre Bestattungspflicht der Gemeinde aber – wie hier – entstanden und erfüllt worden, ist gerade auch bei einem Versterben des oder der vorrangig Verpflichteten – auf Sekundärebene der Kostenerstattung – ein Zugriff auf die Verpflichteten des nächsten Rangs vorgesehen. Entgegen der Auffassung der Klägerin sperrt deshalb der gegenüber der Ehegattin des Verstorbenen erlassene Leistungsbescheid nach deren Tod keineswegs den Erlass eines (weiteren) Leistungsbescheides gegenüber der Klägerin. Mit dem Tod der Ehegattin des Verstorbenen nach Erlass des Leistungsbescheides vom 8. Januar 2016 stand vielmehr fest, dass sich von dieser als vorrangig Verpflichteter die Bestattungskosten i. S. d. § 8 Abs. 4 Satz 4 BestattG nicht mehr erlangen ließen. Selbst man der Auffassung wäre, dass ein "Erlangen" der Kosten auch noch von einem Erben des vorrangig Verpflichteten in Betracht kommt, auf den die durch Leistungsbescheid konkretisierte Erstattungspflicht im Wege der Universalsukzession übergegangen sein könnte, würde dies einen Zugriff auf den nächsten Rang vorliegend nicht sperren. Es haben nämlich nach unwidersprochener Darstellung der Beklagten alle in Betracht kommenden Personen das Erbe der im laufenden Sozialhilfebezug stehenden Ehegattin des Verstorbenen ausgeschlagen.
Einer Heranziehung der Klägerin als nachrangig Verpflichteter steht auch nicht entgegen, dass der Leistungsbescheid gegenüber der vorrangig verpflichteten Ehegattin des Verstorbenen erst nach Ablauf fast eines Jahres nach dessen Tod erlassen wurde. Zwar wäre es tatsächlich denkbar gewesen, dass bei einem (deutlich) früheren Erlass dieses Bescheides die Kostenerstattung noch mit der Ehegattin des Verstorbenen erfolgreich hätte "abgewickelt" werden können, denn diese hätte zu Lebzeiten voraussichtlich erfolgreich einen Antrag auf Übernahme der Bestattungskosten bei dem für sie zuständigen Sozialhilfeträger stellen und damit die Forderung aus dem Bescheid begleichen können. Der Umstand, dass dies – wohl seitens der Beklagten irrtümlich – nicht geschehen ist, führt aber nicht dazu, dass die Anwendung des § 8 Abs. 4 Satz 4 BestattG und damit der Erlass eines Leistungsbescheides gegenüber der Klägerin gesperrt wäre. Für die Anwendung des § 8 Abs. 4 Satz 2 BestattG macht es keinen Unterschied, ob eine Gemeinde in der Absicht der Heranziehung eines vorrangig Verpflichteten in jeder Hinsicht zügig arbeitet und dieser gleichwohl selbst kurz nach Bescheiderlass verstirbt, oder ob diese Situation nach längerer Bearbeitungszeit eintritt. Die äußere zeitliche Grenze der Verwirklichung eines Erstattungsanspruchs durch Leistungsbescheid wird letztlich durch den Eintritt der Verjährung markiert. Bewegen sich die Aktivitäten der Gemeinde zur Realisierung des Erstattungsanspruchs innerhalb der Verjährungsfrist, ist grundsätzlich maßgeblich, wer zum Zeitpunkt des Erlasses des Leistungsbescheides auf der dann einschlägigen Rangstufe kostentragungspflichtig ist. Das waren hier im Februar 2017 die Klägerin und ihre Schwester. Die Bearbeitungsverzögerung bei der Beklagten und ihre später korrigierte Fehlvorstellung hinsichtlich der Möglichkeit der Heranziehung der Ehegattin des Verstorbenen ändern daran nichts. Ob etwas anderes gelten würde, wenn eine Gemeinde den Erlass eines Leistungsbescheides gegenüber einem vorrangig Verpflichteten in rechtsmissbräuchlicher Weise verzögert, kann dahinstehen, da eine solche Situation hier ersichtlich nicht vorliegt. Entgegen der von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vertretenen Auffassung war die Möglichkeit des Erlasses eines Leistungsbescheides auch nicht etwa verwirkt. Die Verwirkung als Hauptanwendungsfall des Verbots widersprüchlichen Verhaltens bedeutet, dass ein Recht nicht mehr ausgeübt werden kann, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung eine längere Zeit verstrichen ist und besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen (vgl. etwa BVerwG, Beschl. v. 07.03.2013 - 4 BN 33/12 -, juris Rn. 5; BGH, Urt. v. 23.01.2014 - VII ZR 177/13 -, juris Rn. 13). Ersichtlich sind hier weder das Zeit- noch das Umstandsmoment einer Verwirkung gegeben. Die Heranziehung der Klägerin erfolgte nicht ganz zwei Jahre nach dem Todesfall. Eine solche Zeitspanne kann sich für die Heranziehung eines nachrangig Verpflichteten durchaus auch ohne Bearbeitungsverzögerung ergeben, wenn sich etwa Vollstreckungsversuche gegenüber einem vorrangig Verpflichteten als schwierig und im Ergebnis als erfolglos darstellen. Ein nachrangig Verpflichteter kann jedenfalls nicht damit rechnen, zwei Jahre nach dem Todesfall nicht mehr in Anspruch genommen zu werden. Zudem fehlt es an bestimmten Verhalten der Beklagten, aus dem die Klägerin den Schluss hätte ziehen können, dass eine Inanspruchnahme nicht mehr erfolgen würde.
Der Kostenerstattungsanspruch ist auch nicht aufgrund dessen entfallen, dass die Klägerin – wie sie geltend macht – nie Kontakt zu ihrem verstorbenen Vater gehabt hatte und dieser auch keine Unterhaltszahlungen erbracht hatte. In der Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts ist geklärt, dass bei der Heranziehung zu Bestattungskosten auf der Grundlage § 8 Abs. 4 BestattG grundsätzlich keine allgemeinen Billigkeitserwägungen geboten sind. Als Ausnahmesituationen kommen nur solche in Betracht, in denen einem Angehörigen schlichtweg unzumutbar ist, für die Bestattung des Verstorbenen Sorge zu tragen. Dies ist für den Fall anerkannt worden, dass dem Verstorbenen nach §§ 1666, 1666a BGB die elterliche Sorge dauerhaft entzogen worden war. Darüber hinaus ist eine Ausnahme erwogen worden, wenn der Verstorbene zu einer schweren Straftat zu Lasten des Bestattungspflichtigen verurteilt wurde (vgl. etwa Nds. OVG, Beschl. v. 09.07.2013 – 8 ME 86/13 –, juris; Beschl. v. 04.04.2008 - 8 LA 4/08 -, juris). Um solche Konstellationen geht es hier nicht. Die von der Klägerin geltend gemachte Vernachlässigung und ausbleibende Unterhaltszahlungen reichen für die Annahme einer Ausnahmesituation ersichtlich nicht aus (vgl. dazu etwa Nds. OVG, Beschl. v. 19.12.2012 – 8 LA 150/12 –, juris; Beschl. v. 19.05.2003 – 8 ME 76/03 –, juris; Beschl. v. 13.07.2005 – 8 PA 37/05 –, juris).
Der Bescheid stellt sich auch nicht wegen der Auswahl der Klägerin als Adressatin des Leistungsbescheides als rechtswidrig dar. Eine Ermessensbetätigung der Gemeinde in Form einer Auswahlentscheidung ist dann erforderlich, wenn mehrere im gleichen Rang Bestattungspflichtige der Gemeinde gemäß § 8 Abs. 4 Satz 2 BestattG als Gesamtschuldner für die Bestattungskosten haften. Das Ermessen, von welchem Gesamtschuldner die (ganze) Leistung gefordert werden soll, ist allerdings sehr weit und regelmäßig nur durch das Willkürverbot und offenbare Unbilligkeit begrenzt (Nds. OVG, Urt. v. 10.11.2011 – 8 LB 238/10 –, juris Rn. 42 unter Hinweis auf VGH Bad.-Württ., Urt. v. 15.11.2007 – 1 S 1471/07 –, juris Rn. 19; Nds. OVG, Beschl. v. 05.04.2019 – 10 PA 350/18 –, V. n. b.). Dass die Beklagte sich für die 1959 geborene Klägerin und nicht für deren 1966 geborene Schwester entschieden hat, erscheint weder willkürlich noch offenbar unbillig. Im Bescheid wurde darauf hingewiesen, dass ein Kostenausgleich im Innenverhältnis mit der Schwester der Klägerin herbeizuführen sei. Zudem wurde die Schwester über die gemeinschaftliche Verpflichtung der Geschwister informiert. Die telefonische Mitteilung der Tochter der Klägerin nach Erlass des Leistungsbescheides, dass die Klägerin bei ihrer Tante und die Schwester der Klägerin bei dem Verstorbenen aufgewachsen sei, mag als relevanter Gesichtspunkt für die Gesamtschuldnerauswahl erscheinen, macht aber die schon zuvor getroffene und aufrechterhaltene Auswahlentscheidung nicht etwa nachträglich (ermessens-)fehlerhaft.
Die festgesetzte Verwaltungsgebühr i. H. v. 75,00 EUR beruht auf §§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 3, 5 Abs. 1 NVwKostG i. V. m. § 1 und Anlage Nr. 56.8 der Verordnung über die Gebühren und Auslagen für Amtshandlungen und Leistungen (Allgemeine Gebührenordnung – AllGO –) und ist weder dem Grunde nach noch hinsichtlich der Höhe zu beanstanden, auch wenn im Bescheid insoweit von Gebühren für die Durchführung einer Ersatzvornahme die Rede ist. Bei einem Handeln der Gemeinde zur Erfüllung ihrer eigenen subsidiären Bestattungspflicht handelt es sich indessen nur im weiteren Sinne um eine Ersatzvornahme. Dass sich die Beklage gleichwohl in Anlehnung an Nr. 26.1 der Anlage zu § 1 Abs. 1 AllGO orientiert hat und für den maßgeblichen Gebührenrahmen von 35 EUR bis 1.410 EUR annimmt, dass die Gebühr 10 v.H. der Kosten für die Veranlassung der Bestattung nicht übersteigen soll, entspricht der Rechtsprechung des Eufach0000000009s (Urt. v. 10.11.2011 – 8 LB 238/10 –, juris Rn. 45). Die Gebührenfestsetzung, die sich im unteren Bereich des Gebührenrahmens bewegt und auch deutlich unterhalb von 10 v. H. der zu erstattenden Kosten liegt, verletzt die Klägerin jedenfalls nicht in ihren Rechten.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11 und § 711 Satz 1 und 2 ZPO.
Beschluss
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 1.405,70 EUR festgesetzt.
Gründe
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG. Die Höhe des Streitwertes folgt aus § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.