Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 17.07.2019, Az.: 7 A 7457/17

Anfechtung Zusatzzeichen; Mindestabstand; Verwaltungsvorschrift

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
17.07.2019
Aktenzeichen
7 A 7457/17
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2019, 69794
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Die verkehrsbehördliche Anordnung einer „Fahrradstraße“ ist mit dem Zusatzzeichen „Kraftfahrzeuge frei“ in beiden Richtungen untrennbar verbunden. Das Zusatzzeichen „Kraftfahrzeuge frei“ in beiden Richtungen stellt in dieser konkreten Konstellation keinen eigenständigen, angreifbaren Verwaltungsakt, sondern vielmehr einen Bestandteil einer einheitlichen Gesamtregelung dar.

2. Die Anordnung einer Fahrradstraße ist in einer gesondert angeordneten Tempo-30-Zone mit einer - wegen des zugelassenen ruhenden Verkehrs verbleibenden - Fahrgasse mit einer Breite zwischen etwa 3,00 bis 3,45 Metern bei gleichzeitig mit Zusatzzeichen zugelassenem und nicht auf Anlieger beschränktem Zweirichtungsverkehr von Kraftfahrzeugen wegen der Nichtgewährleistung des erforderlichen seitlichen Mindestsicherheitsabstandes zu entgegenkommenden Radfahrern bereits nicht zwingend erforderlich im Sinne des § 45 Abs. 9 Satz 1 StVO.

(Berufung zugelassen)

Tenor:

Der Bescheid der Beklagten vom 11. August 2017 wird aufgehoben.

Die verkehrsbehördliche Anordnung der Beklagten vom 25. Februar 2013 in Gestalt der Anordnung vom 5. September 2016 wird aufgehoben, soweit darin die „Kleefelder Straße“ zwischen „Michael-Ende-Platz“ und „Gneisenaustraße“ zur Fahrradstraße mit den Verkehrszeichen 244.1 und 244.2 einschließlich jeweils des Zusatzzeichens „Kraftfahrzeuge frei“ in beiden Richtungen erklärt worden ist.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen den Bescheid vom 11. August 2017, mit dem die Beklagte eine Aufhebung der verkehrsbehördlichen Anordnung der Verkehrszeichen 244.1 und 244.2 („Beginn bzw. Ende einer Fahrradstraße“) einschließlich jeweils des Zusatzzeichens „Kraftfahrzeuge frei“ in beiden Richtungen vom 25. Februar 2013 in Gestalt der Anordnung 5. September 2016 auf der „Kleefelder Straße“ zwischen dem „Michael-Ende-Platz“ und der Einmündung der „Gneisenaustraße“ in A-Stadt abgelehnt hat, sowie gegen die verkehrsbehördliche Anordnung selbst.

Der streitbefangene Abschnitt der „Kleefelder Straße“ wurde durch verkehrsbehördliche Anordnung in voller Länge zwischen der Einmündung der „Gneisenaustraße“ und „Michael-Ende-Platz“ - unterbrochen durch die kreuzende „Plathnerstraße“ - zur Fahrradstraße erklärt. Gemäß der laufenden Nummer 23 der Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO gelten für Fahrradstraßen besondere Ge- und Verbote: Anderer Fahrzeugverkehr als Radverkehr darf Fahrradstraßen nicht benutzen, es sei denn, dies ist durch Zusatzzeichen erlaubt. Für den Fahrverkehr gilt eine Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h. Der Radverkehr darf weder gefährdet noch behindert werden. Wenn dies nötig ist, muss der Kraftfahrzeugverkehr die Geschwindigkeit weiter verringern. Das Nebeneinanderfahren mit Fahrrädern ist erlaubt. Im Übrigen gelten die Vorschriften über die Fahrbahnbenutzung und über die Vorfahrt. Nach der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung (VwV-StVO) zu Zeichen 244.1 und 244.2 kommen Fahrradstraßen dann in Betracht, wenn der Radverkehr die vorherrschende Verkehrsart ist oder dies alsbald zu erwarten ist. Anderer Fahrzeugverkehr als der Radverkehr darf nur ausnahmsweise durch die Anordnung entsprechender Zusatzzeichen zugelassen werden (z. B. Anliegerverkehr). Daher müssen vor der Anordnung die Bedürfnisse des Kraftfahrzeugverkehrs ausreichend berücksichtigt werden (alternative Verkehrsführung).

Der Kläger ist Miteigentümer eines Grundstücks in der „Kleefelder Straße“ in A-Stadt. Die „Kleefelder Straße“ verläuft in gerader Linie in Ost-West-Richtung parallel zu einem Eisenbahndamm. Die Südseite der Straße grenzt an diesen Bahndamm, an der Nordseite der Straße befinden sich bebaute Grundstücke.

In den streitgegenständlichen Teilabschnitt der „Kleefelder Straße“ münden am östlichen Ende zunächst die „Gneisenau“- und die „Nettelbeckstraße“ ein. Sodann kreuzt die „Plathnerstraße“ die „Kleefelder Straße“. Am westlichen Ende des Teilabschnitts mündet der „Michael-Ende-Platz“ ein. Die Länge der Abschnitte der „Kleefelder Straße“ beträgt zwischen den Einmündungen der „Gneisenau“- sowie der „Nettelbeckstraße“ etwa 100 Meter, zwischen der Einmündung der „Nettelbeckstraße“ und der die „Kleefelder Straße“ kreuzenden „Plathnerstraße“ ebenfalls etwa 100 Meter und zwischen der „Plathnerstraße“ und der Einmündung des „Michael-Ende-Platzes“ etwa 166 Meter. Die Breite der Fahrbahn beträgt ungefähr 4,60 Meter. Auf der Nordseite der „Kleefelder Straße“ befindet sich ein optisch abgesetzter Streifen auf Straßenniveau, an diesen schließt sich höhengleich die Gosse der Fahrbahn an. Auf der Südseite verläuft parallel zum Bahndamm ein von der Fahrbahn durch Bordsteine und einen mit Bäumen bepflanzten Grünstreifen getrennter Gehweg. Die Straße ist für den Kraftfahrzeug- sowie den Radverkehr in beide Richtungen befahrbar.

Die Nordseite der „Kleefelder Straße“ wird zum Parken von Kraftfahrzeugen (ruhender Verkehr) genutzt. Die Fahrzeuge werden dabei mit zwei Rädern auf dem optisch abgesetzten Seitenstreifen bis zur jeweiligen Grundstückseinfriedung und mit der überwiegenden Fahrzeugbreite auf der Fahrbahn abgestellt. Hierdurch reduziert sich die Fahrbahnbreite von ungefähr 4,60 Metern auf eine effektive Fahrgasse von ungefähr knapp 3,00 bis 3,45 Metern.

Die „Kleefelder Straße“ liegt in einer gesondert ausgewiesenen Tempo 30-Zone (Zeichen 274.1-50). Im Abschnitt zwischen „Michael-Ende-Platz“ und „Plathnerstraße“ besteht ein Verbot für Kraftfahrzeuge mit einer zulässigen Gesamtmasse über 3,5 Tonnen, einschließlich ihrer Anhänger, und für Zugmaschinen. Ausgenommen sind Personenkraftwagen und Kraftomnibusse (Zeichen 253).

Die Beklagte führte zunächst im Jahr 2002 eine Verkehrserhebung in der „Kleefelder Straße“ durch. Der Stadtbezirksrat Mitte beschloss am 15. November 2010, dass die Beklagte gebeten werde, die Einrichtung einer Fahrradstraße in der „Kleefelder Straße“ zwischen „Michael-Ende-Platz“ und „Clausewitzstraße“ zu prüfen und bei Eignung durchzuführen. Im Jahr 2012 wurde eine weitere Verkehrserhebung in der „Kleefelder Straße“ durchgeführt. Unter dem 18. Januar 2013 stellte die Beklagte fest, dass die Prüfphasen abgeschlossen seien und sich die „Kleefelder Straße“ als Fahrradstraße eigne. Zur Begründung wurde auf das Ergebnis der durchgeführten Verkehrserhebungen und die Beurteilung der „Kleefelder Straße“ im Netzzusammenhang verwiesen.

Unter dem 25. Februar 2013 ordnete die Beklagte die Einrichtung einer Fahrradstraße in der „Kleefelder Straße“ gemäß dem Beschluss des Stadtbezirksrates Mitte vom 18. Januar 2013 an: Das Zeichen 244.1 StVO (Beginn einer Fahrradstraße) mit dem Zusatzzeichen „Kraftfahrzeuge frei entsprechend Zeichen 260 StVO“ wurde an insgesamt sechs Stellen entlang der „Kleefelder Straße“ verkehrsbehördlich angeordnet. Für die Zeichen 244.1 StVO an den Einmündungen „Gneisenau“- und „Nettelbeckstraße“ wurde überdies das Zeichen 1000-30 StVO angeordnet (beide Richtungen, zwei gegengerichtete waagerechte Pfeile). An vier Stellen entlang der „Kleefelder Straße“ wurde das Zeichen 244.2 StVO (Ende der Fahrradstraße) angeordnet. Die Verkehrszeichen wurden sodann errichtet.

Mit Schreiben vom 27. Mai 2016 wandte sich der Kläger erstmals an die Beklagte, um Konflikte mit Radfahrern aufzuzeigen und um verkehrsregelnde Maßnahmen zu beantragen. Seit der Einrichtung der Fahrradstraße habe sich das einst stabile Miteinander der Verkehrsarten zu einem immer stärker werdenden Gegeneinander entwickelt. Er sehe die wesentlichen Ursachen in der mangelnden Breite des Straßenkörpers der „Kleefelder Straße“, der durch parkende Fahrzeuge nochmals verringert werde, und in dem Fehlverhalten einer Gruppe von Radfahrern. Der Ausbauzustand sei für eine Fahrradstraße ungeeignet und die „Kleefelder Straße“ sei verkehrstechnisch mangelhaft. Die Beklagte plane demgegenüber, den Radfahrern in der „Yorckstraße“ eine 3,10 Meter breite Fahrradbahn zur Verfügung zu stellen, dies sei in etwa die Breite der „Kleefelder Straße“, die sich Rad- und Autofahrer teilen müssten. Im Unterschied zu den anderen Fahrradstraßen fehle ein an der Nordseite mit einem Bordstein abgetrennter Gehweg, gut wahrnehmbare Markierungen auf der Straße und ausreichende Parkmöglichkeiten. Die Anwohner gerieten beim Ausparken ihrer Fahrzeuge und beim Ausfahren mit ihren Rädern in Konflikte mit den passierenden Radfahrern. Insbesondere an der Kreuzung „Kleefelder Straße“ / „Plathnerstraße“ würden Radfahrer auf dem Gehweg fahren. Die Beschilderung führe hier zu Missverständnissen. Vor Einrichtung der Fahrradstraße seien die Radfahrer durchweg auf der Straße gefahren und nicht auf dem Gehweg.

Mit Schreiben vom 12. Juni 2016 ergänzte der Kläger seine Ausführungen unter anderem mit zahlreichen Beispielen etwa für das Fahren auf dem Gehweg und die zunehmende Aggressivität. Die Vorfahrtsregelungen würden missachtet, weil sich Radfahrer auf der Fahrradstraße grundsätzlich als vorfahrtberechtigt ansehen würden.

Mit Schreiben vom 23. Juli 2016 ergänzte er erneut seine Ausführungen. Die „Kleefelder Straße“ erfülle nicht die Anforderungen von Feuerwehr und Müllabfuhr für die Einrichtung einer Fahrradstraße. Die Beklagte vertrete selbst die Auffassung, dass allgemein eine Fahrbahnbreite von 3,50 Metern vorhanden sein müsse, um die Anforderungen von Müllabfuhr und Feuerwehr zu erfüllen. So habe sie auf eine Anfrage einer Fraktion in der Sitzung des Stadtbezirksrats A-Stadt Mitte am 20. September 2010 zum Radverkehr in der „Yorckstraße“ ausgeführt, dass die Feuerwehr und städtische Müllabfuhr eine Fahrbahnbreite von mindestens 3,50 Metern benötigten (unter Verweis auf Drucksache 1789/2010). Er schilderte weitere konkrete Vorfälle und Konversationen.

Mit verkehrsbehördlicher Anordnung der Beklagten vom 5. September 2016 wurde unter anderem das zunächst aufgebrachte Piktogramm an der Einmündung der „Plathnerstaße“ in die „Kleefelder Straße“ entfernt. Überdies wurden die Verkehrszeichen 244.1 (Beginn der Fahrradstraße) und 274.1-50 (Beginn Tempo 30-Zone) getauscht, der Fünf-Meter-Bereich an allen Einmündungen der Kreuzung „Plathnerstaße“ / „Kleefelder Straße“ mit dem Verkehrszeichen 299 (Grenzmarkierung) markiert, sowie das Verkehrszeichen 239 StVO (Gehweg) angeordnet. Zur Begründung hieß es, dass durch diese Maßnahmen die Wahrnehmung der „Kleefelder Straße“ als Fahrradstraße verbessert werden solle. Derzeit komme es zur Gefährdung von Fußgängern, da Radfahrer rechtswidrig auf dem Gehweg fahren würden. Durch die Grenzmarkierung solle das Falschparken und die damit verbundenen Sichtbehinderungen vermieden werden. Insgesamt solle eine deutlichere Führung der Radfahrer erzielt werden.

Mit Schreiben vom 23. November 2016 beantragte der Kläger bei der Beklagten, die fünf Verkehrszeichen 244.1 und 244.2 in der „Kleefelder Straße“ ab „Michael-Ende-Platz“ bis „Gneisenaustraße“ aufzuheben. Seinen Antrag begründete er mit den bereits in seinen vorhergehenden Schreiben vorgebrachten Argumenten. Er trug überdies im Wesentlichen vor: Im Hinblick auf die Einrichtung von Fahrradstraßen gebe es kein die Beklagte verpflichtendes Planungskonzept insbesondere zur Beteiligung der Öffentlichkeit. Wäre ein solches vorhanden, hätte dies zur Vermeidung von Konflikten im Vorfeld führen können. Die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung bilde keine wirksame Rechtsgrundlage für die Aufstellung der Verkehrszeichen, da diese zu unbestimmt sei. Es sei etwa unklar, über welchen Zeitraum eine Verkehrsart vorherrschen müsse und wie das Vorherrschen der Verkehrsart zu messen bzw. nachzuweisen sei. Die Verkehrserhebungen der Beklagten seien etwa zu einer von Radfahrern bevorzugten Jahreszeit durchgeführt worden, so dass sie nicht repräsentativ seien. Letztlich komme es zu einer uneinheitlichen Anwendung der Vorgaben durch die Behörden, die durch die VwV-StVO jedoch verhindert werden solle. Es verstoße gegen den Vorbehalt des Gesetzes in analoger Anwendung, dass der Begriff der „vorherrschenden Verkehrsart“ nicht in der Straßenverkehrs-Ordnung, sondern lediglich in der allgemeinen Verwaltungsvorschrift geregelt sei. Belange der Verkehrssicherheit seien nicht berücksichtigt worden und das Erfordernis der Sichtbarkeit von Verkehrszeichen sei verletzt. Die „Kleefelder Straße“ sei objektiv wegen ihres Ausbauzustandes mit einseitigem Fußweg und einer geringen Fahrbahnbreite als Fahrradstraße ungeeignet. Andere Städte würden für die Einrichtung von Fahrradstraßen eine Mindestbreite vorsehen. Umfangreichen Untersuchungen des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft zu der Verkehrssicherheit von Fahrradstraßen und für Radfahrer in Gegenrichtung geöffneten Einbahnstraßen befürworteten eine Fahrgassenbreite von mindestens 4,00 Metern zuzüglich eines Sicherheitsabstandes zu parkenden Fahrzeugen. Wegen der Rechtswidrigkeit der Aufstellung der Verkehrszeichen 244.1 und 244.2 in der „Kleefelder Straße“ im Februar 2013 und der inzwischen eingetretenen gravierenden Änderungen der Sachlage sei die Maßnahme aufzuheben. Das Ermessen der Beklagten sei bei der Entscheidung über seinen Antrag auf „Null“ reduziert.

Unter dem 17. Februar 2017 wendete sich die Beklagte an den Kläger: Die „Kleefelder Straße“ stelle eine wichtige Achse des Radverkehrsnetzes dar. Der Radverkehr sei dort die vorherrschende Verkehrsart. Dies belegten Zählungen aus dem Jahr 2002 und stichprobenartige Kontrollen aus dem Jahr 2012. Es werde davon ausgegangen, dass sich die Verkehrszahlen, seitdem die verkehrsbehördliche Anordnung einer Fahrradstraße in der „Kleefelder Straße“ im Jahr 2013 ergangen sei, nicht deutlich zu Ungunsten des Radverkehrs verändert hätten. Gleichwohl nehme man den Antrag des Klägers zum Anlass, im Frühjahr 2017 eine erneute Verkehrszählung durchzuführen. Danach werde die Situation unter Umständen neu bewertet. Die Beklagte wies überdies darauf hin, dass es für Fahrradstraßen keine Vorgaben für Mindestbreiten gebe.

Die von der Beklagte veranlasste gutachterliche Auswertung der Verkehrserhebungen in der „Kleefelder Straße“ vom 3. April 2017 ergab, dass der Anteil des Radverkehrs sowohl bei den Messungen am 11. September 2012 als auch am 23. März 2017 gegenüber dem Kraftfahrzeugverkehr überwog: In dem Abschnitt östlich der „Plathnerstraße“ ergab sich 2012 ein Verhältnis von 168 Kraftfahrzeugen Richtung Osten und 178 Kraftfahrzeugen Richtung Westen zu 580 Radfahrern Richtung Osten und 718 Radfahrern Richtung Westen. 2017 wurden 157 Kraftfahrzeuge Richtung Osten und 142 Kraftfahrzeuge Richtung Westen sowie 616 Radfahrer Richtung Osten und 721 Radfahrer Richtung Westen gezählt. In dem Abschnitt westlich der „Plathnerstraße“ ergab sich 2012 ein Verhältnis von 182 Kraftfahrzeugen Richtung Osten und 201 Kraftfahrzeugen Richtung Westen zu 274 Radfahrern Richtung Osten und 440 Radfahrern Richtung Westen. 2017 wurden 102 Kraftfahrzeuge Richtung Osten und 142 Kraftfahrzeuge Richtung Westen sowie 318 Radfahrer Richtung Osten und 429 Radfahrer Richtung Westen gezählt; hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Verwaltungsvorgang der Beklagten verwiesen.

Mit Bescheid vom 11. August 2017 lehnte die Beklagte den klägerischen Antrag vom 23. November 2016 ab. Die „Kleefelder Straße“ stelle eine wichtige Achse des Radverkehrsnetzes der Beklagten dar. Der Radverkehr sei hier die vorherrschende Verkehrsart. Dies sei durch Zählungen aus den Jahren 2002, 2012 und 2017 belegt. Die vorhandene Fahrbahnbreite, die für den Kraftfahrzeugverkehr zugelassen sei, sei auch für den Radverkehr ausreichend. Die Beklagte verwies außerdem auf § 12 StVO, wonach das Halten an engen Straßenstellen, sowie das Parken auf schmalen Fahrbahnen unzulässig sei.

Gegen diesen Bescheid hat der Kläger am 21. August 2017 Klage erhoben; die Begründung hat er mit weiteren Schriftsätzen ergänzt, zudem hat er unter anderem zahlreiche Lichtbilder vorgelegt.

Er wiederholt und vertieft sein Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren und führt darüber hinaus im Wesentlichen aus: Er vertrete die Rechtsauffassung, dass die VwV-StVO die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Einrichtung einer Fahrradstraße bestimme. Im Hinblick auf die Formulierung „wenn der Radverkehr die vorherrschende Verkehrsart ist oder dies bald zu erwarten ist“ stelle sich die Frage, mit welcher Verkehrsart der Radverkehr zu vergleichen sei. Bei dem Radverkehr in der „Kleefelder Straße“ handele es sich fast ausnahmslos um Durchgangsverkehr, während der Kraftfahrzeugverkehr in der Regel Ziel- und Quellverkehr sei. Im Lichte von Art. 3 Abs. 1 GG seien diese beiden Verkehrsarten kein adäquates Vergleichspaar. Es sei überdies nicht bestimmt, für welchen Zeitraum der Radverkehr vorherrschen und mit welchen Messverfahren dies ermittelt werden müsse. Die Ergebnisse der Messungen der Beklagten stellten Zufallsbefunde oder Momentaufnahmen dar; eine derartige Vorgehensweise verstoße gegen das Willkürverbot. Bei der Verkehrszählung im Jahr 2012 sei die „Kleefelder Straße“ in vier Teilstrecken aufgeteilt worden, die jeweils gesondert gezählt worden seien. Dadurch sei es für den gesamten Bereich in östlicher Richtung zu Mehrfacherfassungen der einzelnen Verkehrsteilnehmer gekommen, die zwangsläufig zu falschen Ergebnissen führten. Die von der Beklagten vorgenommenen Messungen berücksichtigten keine durch die Jahreszeit oder die Witterung bedingten Schwankungen, sie seien nicht repräsentativ und könnten keine Grundlage für einen Dauerverwaltungsakt darstellen. Der Kläger habe vorsorglich eine eigene Verkehrsmessung vorgenommen; hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Klagebegründung verwiesen. Dabei habe er nach Fahrtrichtung und Abbiegeverhalten an der „Plathnerstraße“ unterschieden. Hierbei habe sich ergeben, dass die „Kleefelder Straße“ allenfalls eine untergeordnete Bedeutung als Ost-West- bzw. West-Ost-Verbindung habe. Vielmehr habe sie ganz überwiegend eine Verteilerfunktion für den Radverkehr aus Richtung Südstadt und Innenstadt und umgekehrt. Folglich habe die „Kleefelder Straße“ als Fahrradstraße keine „wichtige“ Funktion im Netzzusammenhang. Solch differenzierte Verkehrserhebungen habe die Beklagte im Jahr 2016 für die Fahrradstraße „Ohefeldweg“ in Anderten nachgeholt und habe daraufhin die Anordnung der Fahrradstraße aufgehoben.

Die VwV-StVO verstoße auch deshalb gegen den Bestimmtheitsgrundsatz, weil sie „systemwidrig“ keine konkreten Vorgaben zur Beachtung der Belange der Verkehrssicherheit enthalten würden. Im Gegensatz dazu enthielten beispielsweise die Vorgaben der VwV-StVO zu den Verkehrszeichen 237 bis 240 konkrete Vorgaben über die Anlage von Radwegen auch unter Berücksichtigung der Verkehrssicherheit.

Mit der Fahrradnovelle 1997 sei das entscheidende Tatbestandsmerkmal für die Anordnung einer Fahrradstraße - die Feststellung des Radverkehrs als „vorherrschende Verkehrsart“ - nicht in der Anlage 2 zu § 41 StVO, sondern im Rahmen der VwV-StVO zu den Zeichen 244.1 und 244.2 normiert worden. Mit dieser Regelungstechnik würde eine grundsätzliche Rechtskontrolle unmöglich gemacht, da es sich bei der VwV-StVO nicht um revisibles Bundesrecht handele und auch die Zulassung einer Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung deshalb nicht in Betracht komme.

Die Beklagte habe es versäumt, die Bedürfnisse des Kraftfahrzeugverkehrs zu prüfen und ausreichend zu berücksichtigen, wie dies in Randnummer 2 der VwV-StVO zu den Verkehrszeichen 244.1 und 244.2 vorgeschrieben sei. Diese habe sich vorliegend aufgedrängt, weil die Verkehrszählung im Jahr 2012 einen auffallenden Parksuchverkehr festgestellt habe, mit dem die Beklagte sich hätte beschäftigen müssen. Die Beklagte habe auch eingeräumt, sich mit den Bedürfnissen des Kraftfahrzeugverkehrs nicht beschäftigt zu haben. Damit habe sie inzident eingeräumt, alle anderen mit der Anordnung einer Fahrradstraße zu klärenden Gesichtspunkte, wie beispielsweise die Eignung, Sicherheit und Konfliktbewältigung nicht geprüft zu haben.

Die „Kleefelder Straße“ sei zu schmal für die Anordnung einer Fahrradstraße. Die Beklagte selbst vertrete - darauf habe er bereits in seinem Schreiben vom 23. Juli 2016 hingewiesen - die Auffassung, dass allgemein eine Fahrbahnbreite von 3,50 Metern vorhanden sein müsse, um die Anforderungen von Müllabfuhr und Feuerwehr zu erfüllen. Unter dem Gesichtspunkt der Selbstbindung der Verwaltung habe die Beklagte daher die abzüglich der parkenden Fahrzeuge teilweise weniger als 3,00 Meter breite „Kleefelder Straße“ nicht zur Fahrradstraße machen dürfen. Die Beklagte halte sich auch unter dem Gesichtspunkt der Selbstbindung der Verwaltung nicht an ihre eigenen Maßstäbe. Die „Kleefelder Straße“ unterscheide sich einerseits im Hinblick auf die konkrete Ausgestaltung mit Piktogrammen oder etwa Aufpflasterungen und andererseits im Hinblick auf ihren Ausbauzustand von allen anderen Fahrradstraßen in A-Stadt. Lediglich die Verkehrszeichen 244.1 und 244.2 seien aufgestellt worden. Die „Lange Laube“ etwa sei bautechnisch und gestalterisch besonders hervorgehoben worden. Im Anschluss an dieses Vorhaben seien alle anderen Fahrradstraßen ähnlich ausgestaltet worden. Alle anderen Fahrradstraßen wiesen eine den Begegnungsverkehr von Radfahrenden und Kraftfahrzeugen ermöglichende Fahrbahnbreite sowie getrennte Parkstreifen auf beiden Seiten auf. Hierdurch habe die Beklagte den Anspruch der Anlieger der „Kleefelder Straße“ auf Gleichbehandlung und auf die Beachtung ihrer schützenswerten Interessen verletzt.

Die Intention des Verordnungsgebers sei eindeutig. Art. 1 Nr. 10 der VwV-StVO vom 7. August 1997 zur Fahrradnovelle bestimme, dass durch Verwaltungsvorschrift geregelt werde, zu welchem Zweck und unter welchen Voraussetzungen eine Fahrradstraße eingerichtet und unter welchen Voraussetzungen anderer Fahrzeugverkehr als Radfahrverkehr dort zugelassen werden könne. Daraus folge, dass nur eine strikte Bindung der Straßenverkehrsbehörden an die von dem Verordnungsgeber vorgegebenen Voraussetzungen für die Einrichtung einer Fahrradstraße die bundeseinheitliche Anwendung der VwV-StVO gewährleisten könne.

Die VwV-StVO müssten aufgrund ihres Rangverhältnisses unter den Gesetzen auf der Verwaltungsebene von vornherein konkreter als die Gesetze gefasst sein, um ihre bundeseinheitliche Anwendung durch die Straßenverkehrsbehörden zu garantieren. Dies sei für das Tatbestandsmerkmal des „Vorherrschens des Radverkehrs“ weiterhin nicht der Fall.

Ein wesentliches Qualitätsmerkmal einer Fahrradstraße sei überdies ihre durchgängige Befahrbarkeit innerhalb des Radverkehrsnetzes einer Stadt. Dies trage dem mit der Fahrradnovelle 1997 verfolgten Ziel der Förderung des Radverkehrs Rechnung, nachdem Fahrradstraßen nur für untergeordnete Straßen, nicht aber für Hauptverkehrsstraßen oder Sammelstraßen des Kraftverkehrs geeignet seien. Die „Kleefelder Straße“ werde jedoch ungefähr in der Hälfte durch die „Plathnerstraße“ zerschnitten. Diese Sperrwirkung der „Plathnerstraße“ werde durch zwei Bauvorhaben im Nahbereich noch zusätzlich verstärkt werden.

Schließlich teilte der Kläger mit, dass die Beklagte plane, die „Kleefelder Straße“ als Fahrradstraße in das geplante Vorhaben „Radschnellweg A-Stadt - Lehrte, 1. Bauabschnitt“ aufzunehmen. Hierfür solle die Straße mit einem zusätzlichen blauen Begleitstrich markiert werden. Die Beklagte erwarte aufgrund ihrer seit dem Jahr 2016 mit einer im Erdreich eingelassenen stationären Messstelle auf der Ostseite der „Clausewitzstraße“ am Anfang des Stadtparkweges, dass 2.000 Personenbewegungen mit Rad pro Tag erreicht werden würden. Im Durchschnitt würden an der Messstelle bereits jetzt täglich etwa 1.800 Radfahrende an Werktagen auf der Strecke gezählt (unter Verweis auf Beschlussdrucksache 1856/2018).

Der Kläger beantragt,

1. den Bescheid der Beklagten vom 11. August 2017 aufzuheben,

2. die verkehrsbehördliche Anordnung der Beklagten vom 25. Februar 2013 in Gestalt der Anordnung vom 5. September 2016 aufzuheben, soweit darin die „Kleefelder Straße“ zwischen „Michael-Ende-Platz“ und „Gneisenaustraße“ zur Fahrradstraße mit den Verkehrszeichen 244.1 und 244.2 einschließlich jeweils des Zusatzzeichens „Kraftfahrzeuge frei“ in beiden Richtungen erklärt worden ist,

hilfsweise,

den Bescheid der Beklagten vom 11. August 2017 aufzuheben sowie die Beklagte zu verpflichten, die verkehrsbehördliche Anordnung vom 25. Februar 2013 in Gestalt der Anordnung vom 5. September 2016 aufzuheben, soweit darin die „Kleefelder Straße“ zwischen „Michael-Ende-Platz“ und „Gneisenaustraße“ zur Fahrradstraße mit dem Verkehrszeichen 244.1 und 244.2 einschließlich jeweils des Zusatzzeichens „Kraftfahrzeuge frei“ in beiden Richtungen erklärt worden ist.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen für die streitgegenständliche Anordnung aus § 45 Abs. 1 Satz 1, Abs. 9 Satz 1 StVO vorlägen. Die Anordnung der Fahrradstraße sei aus Gründen der Sicherheit und Ordnung erfolgt und auch aufgrund besonderer Umstände zwingend erforderlich. Schutzgüter der Sicherheit und Ordnung des Verkehrs seien insbesondere die körperliche Unversehrtheit und das Eigentum. Aus den zwar engen, aber nicht zu engen Straßenverhältnissen in Verbindung mit dem überdurchschnittlichen hohen Anteil an Radverkehr am Gesamtverkehrsaufkommen in der „Kleefelder Straße“ ergebe sich eine konkrete Gefahr für die körperliche Unversehrtheit und das Eigentum der Radfahrer und damit auch die Sicherheit des Straßenverkehrs. Der Anteil des Radverkehrs habe bei der Verkehrserhebung im Jahr 2017 in Richtung Osten 81 % und in Richtung Westen 75 % am Gesamtverkehrsaufkommen betragen. Die befahrbare Breite liege zwischen 3,10 und 3,50 Metern. Bei einer durchschnittlichen Breite eines Pkw von 2,50 Metern bliebe einem Radfahrer, der neben einem Pkw fahre, eine Breite von 60 bis 80 Zentimetern. Aus dem Öffnen von Türen parkender Pkw oder ausscherendem Fahrverhalten von Autofahrern würden sich weitere Risiken für Radfahrer ergeben. Diese Risiken würden durch den hohen Radverkehrsanteil potenziert. Dieser Gefahr könne mit der Anordnung einer Fahrradstraße begegnet werden, denn diese habe zur Folge, dass der Radverkehr weder gefährdet noch behindert werden dürfe und der Kraftfahrzeugverkehr seine Geschwindigkeit notfalls verringern müsse. Im Ernstfall müsse der Kraftfahrzeugverkehr also verlangsamt hinter den Radfahrern fahren, um gefährliche Situationen, die durch die Enge bedingt würden, zu vermeiden. Die Anordnung sei wegen der Breite der Straße und des intensiven Radverkehrs auch zwingend erforderlich.

Die Beklagte habe ihr Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt. Selbst wenn die Verwaltungsvorschrift wegen Unbestimmtheit unwirksam wäre, käme es bei einer Unwirksamkeit allein auf das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen und eine im Übrigen fehlerfreie Ermessensausübung an.

Die VwV-StVO sei eine ermessenslenkende Verwaltungsvorschrift. Ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften unterlägen nicht in gleicher Weise der richterlichen Auslegung wie Rechtsnormen. Sei der Wortlaut unklar und deswegen auslegungsbedürftig, komme es darauf an, wie die zuständige Behörde die Verwaltungsvorschrift im maßgeblichen Zeitpunkt in ständiger Praxis gehandhabt habe. Die Regelungen der VwV-StVO zur Fahrradstraße seien auch nicht unbestimmt. Es ergebe sich hinreichend deutlich, dass bei der Bestimmung des „Vorherrschens“ ein Vergleich zwischen Radverkehr und anderen Verkehrsarten (Kfz, Lkw usw.) vorzunehmen sei. Die Behörde bestimme nach ihrem Ermessen, welche Methode sie hierfür anwende. Auch der Einwand des Klägers hinsichtlich der zeitlichen Perspektive gehe fehl. Denn auch nach Einrichtung einer Fahrradstraße müsse regelmäßig überprüft werden, ob der Radverkehr noch vorherrsche. Die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung zu Zeichen 244.1 und 244.2 sei auch nicht deshalb zu unbestimmt, weil sie - anders als es bei Radwegen der Fall sei - keine Vorgaben im Hinblick auf die Breite des Weges enthalte. Anders als eine Fahrradstraße werde der Radweg neben der Fahrbahn oder gesondert auf der Fahrbahn angelegt. Das der Beklagten zustehende Ermessen sei in Teilbereichen auf „Null“ reduziert, weil über die Vorgaben der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung zu Zeichen 244.1 und 244.2 eine Selbstbindung der Verwaltung eingetreten sei. Die Durchführung einer Tagesmessung liege im Rahmen der ordnungsgemäßen Ermessensausübung der Beklagten. Dieses sei auch nicht über eine Selbstbindung der Verwaltung auf „Null“ reduziert, weil eine bundesweite Verwaltungspraxis noch nicht bestehe. Auf das Vorliegen einer solchen komme es aber an, weil die VwV-StVO der Vereinheitlichung im gesamten Bundesgebiet dienten. Eine Selbstbindung der Beklagten ergebe sich allerdings daraus, dass der Radverkehr die „vorherrschende Verkehrsart“ im Sinne der Verwaltungsvorschrift sein müsse. Diese Voraussetzung liege indes vor. Sowohl die Verkehrszählungen aus den Jahren 2012 und 2017 als auch die vom Kläger durchgeführte Verkehrszählung würden ein deutliches Überwiegen des Radverkehrs gegenüber anderen Verkehrsarten ergeben.

Die streitbefangene Anordnung sei auch nicht wegen eines Verstoßes gegen Randnummer 2 der VwV-StVO zur Fahrradstraße ermessensfehlerhaft: Diese beziehe sich ausschließlich auf die Anordnung der Zusatzzeichen, gegen die der Kläger sich aber nicht wende. Ob die Bedürfnisse des Kraftfahrzeugverkehrs vorliegend im Sinne der Randnummer 2 der VwV-StVO ausreichend berücksichtigt worden seien, könne daher dahinstehen. Die Ausführungen des Klägers zur „Yorckstraße“ verfingen nicht. Es sei bereits fraglich, ob eine Antwort in einer Sitzung des Stadtbezirksrates eine Selbstbindung begründen könne. Zudem seien die beiden Fälle nicht vergleichbar. In der „Yorckstraße“ habe ein abgegrenzter Zweirichtungsradweg in Rede gestanden, der von der übrigen Fahrbahn durch Poller habe abgegrenzt werden sollen, während auf der „Kleefelder Straße“ die Fahrbahn gemeinsam genutzt werden solle.

Die Fahrbahnbreite zwischen 3,10 und 3,30 Metern führe nicht zu einer Rechtswidrigkeit der Ermessensentscheidung. Eine Selbstbindung der Verwaltung lasse sich auf dem Gebiet der Mindestbreiten von Fahrradstraßen nicht feststellen, da es keine bundeseinheitliche Praxis gebe. Die geringe Breite der „Kleefelder Straße“ gefährde die Radfahrer unter dem Aspekt der Fahrradstraße nicht. Vielmehr würden auch bei Aufhebung der Anordnung Radfahrer diese Straße nutzen; allerdings fiele der Schutz, den die Fahrradstraße durch das Gebot, dass der motorisierte Verkehr Rücksicht auf Radfahrer nehmen müsse, weg. Eine Aufhebung der Anordnung der Fahrradstraße würde also zu einer Gefährdung der Radfahrer führen.

Das regelwidrige Befahren des Gehweges durch Radfahrer lasse sich nicht mit der notwendigen Sicherheit auf die Anordnung der Fahrradstraße zurückführen. Es erscheine wahrscheinlicher, dass bei Aufhebung der Fahrradstraße dieses Phänomen aufgrund der geringen Straßenbreite und des Wegfalls der Privilegierung des Radverkehrs noch zunehmen würde. Die Beklagte habe mit der Anordnung vom 5. September 2016 bereits Maßnahmen ergriffen, um dieses Verhalten zu unterbinden. Dass einige Verkehrsteilnehmer sich rechtswidrig verhielten, weil ihnen die Regelungswirkung der Fahrradstraße nicht bekannt sei, sei keine Frage der Rechtmäßigkeit der Anordnung einer Fahrradstraße.

Mit Schriftsatz vom 15. Juli 2019 hat die Beklagte ergänzend vorgetragen, dass sie in unmittelbarer Nähe und Verlängerung der „Kleefelder Straße“ eine Dauerzählstelle aufgestellt habe, die Radfahrer kontinuierlich erfasse. Diese Zählstelle zähle ca. 1500 Radfahrer täglich; dies unterstütze die Ergebnisse der Verkehrszählung aus dem Jahr 2017.

Die Kammer hat gemäß Beweisbeschluss die Örtlichkeit am 17. Juli 2019 in Augenschein genommen; wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Niederschrift verwiesen.

Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I. Die Klage ist zulässig.

1. Statthafte Klageart ist die Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO. Über die hilfsweise vom Kläger erhobene Verpflichtungsklage musste daher nicht entschieden werden.

a) Die verkehrsbehördliche Anordnung der Fahrradstraße beruht in Teilen auf einer schon im Jahr 2013 angebrachten Beschilderung. Diese Regelung wurde dem Kläger gegenüber unstreitig bestandskräftig. Ihm wurde jedoch die Möglichkeit einer Anfechtungsklage dadurch wiedereröffnet, dass die Beklagte über sein Überprüfungs- und Aufhebungsbegehren durch die Ablehnung seines Antrags vom 23. November 2016 mit dem angegriffenen Bescheid vom 11. August 2017, der mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen ist, in der Sache entschieden hat, ohne sich auf die Bestandskraft der Regelung zu berufen (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 8. November 2010 - 3 C 42.09 -, www.bverwg.de, Rn. 13 m.w.N.; VG Köln, Urteil vom 8. Mai 2015 - 18 K 189/14 - juris, Rn. 32).

b) Gegenstände der Anfechtungsklage sind der angegriffene Bescheid der Beklagten vom 11. August 2017 sowie die verkehrsbehördliche Anordnung der Beklagten vom 25. Februar 2013 in Gestalt der Anordnung vom 5. September 2016, soweit darin die „Kleefelder Straße“ zwischen „Michael-Ende-Platz“ und „Gneisenaustraße“ zur Fahrradstraße mit den Verkehrszeichen 244.1 und 244.2 erklärt worden ist. Damit untrennbar verbunden ist das Zusatzzeichen „Kraftfahrzeuge frei“ in beiden Richtungen. Dieses Zusatzzeichen „Kraftfahrzeuge frei“ in beiden Richtungen stellt in dieser konkreten Konstellation keinen eigenständigen, angreifbaren Verwaltungsakt, sondern vielmehr einen Bestandteil einer einheitlichen Gesamtregelung dar (so ausdrücklich auch VG Augsburg, Urteil vom 30. Oktober 2018 - 3 K 15.1803 -, juris, Rn. 18; vgl. ferner VG Cottbus, Urteil vom 19. September 2017 - 1 K 2164/16 -, juris, Rn. 35 „ein Verwaltungsakt“; vgl. ferner in anderem Zusammenhang BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - 3 C 18/07 -, juris, Rn. 23 ff.; BayVGH, Urteil vom 3. Juli 2015 - 11 B 14.2809 -, NZV 2016, S. 149 [BVerwG 09.09.2015 - BVerwG 6 C 28.14], Rn. 16 ff.; für eine isolierte Anfechtbarkeit des Zusatzzeichens im konkreten Fall: VG Augsburg, Urteil vom 30. September 2008 - Au 3 K 07.1404 -, juris, Rn. 23). Das Zusatzzeichen hätte in dieser konkreten Konstellation im Falle einer Aufhebung der straßenverkehrsbehördlichen Anordnung die Fahrradstraße betreffend keinen Bezugspunkt mehr: Wird das Vorschriftzeichen „Fahrradstraße“ aufgehoben, ist dem Kraftfahrzeugverkehr das Befahren der Fahrbahn erlaubt, so dass das Zusatzzeichen überflüssig ist und leerläuft (vgl. § 2 Abs. 1 StVO, Randnummer 2 Satz 1 zu VwV-StVO zu den §§39 bis 43). Auch § 39 Abs. 3 Satz 3 StVO bestätigt diesen Befund, denn aus der Vorgabe ergibt sich, dass ein Zusatzzeichen stets einen Bezugspunkt benötigt. Das Zusatzzeichen „Kraftfahrzeuge frei“ ist untrennbar mit dem Vorschriftzeichen über die verkehrsbehördliche Anordnung der Fahrradstraße verbunden. Diese Akzessorietät kommt unter anderem auch in dem streitbefangenen Bescheid der Beklagten vom 11. August 2017 zum Ausdruck: Dieser nimmt sowohl auf den ruhenden als auch den fließenden Kraftfahrzeug- und nicht etwa ausschließlich auf den Radverkehr Bezug.

2. Der Kläger ist klagebefugt im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO. Er ist als Nutzer der streitgegenständlichen Straße Adressat der aufgestellten Verkehrszeichen sowie Adressat des streitbefangenen Bescheides vom 11. August 2017. Nach allgemeiner Meinung reicht es zur Bejahung der Klagebefugnis bereits aus, dass nach dem substantiierten Vorbringen des Klägers eine Verletzung seiner Rechte möglich erscheint. Für den Adressaten eines belastenden Verwaltungsakts in Form eines verkehrsbehördlich angeordneten Ge- oder Verbots bedeutet dies stets die Bejahung der Klagebefugnis, da zumindest eine Verletzung der allgemeinen Freiheitsgewährleistung nach Art. 2 Abs. 1 GG in Betracht kommt (BVerwG, Urteil vom 21. August 2003 - 3 C 15/03 -, juris, Rn. 12 f.; vgl. auch VG Berlin, Urteil vom 5. Dezember 2018 - VG 11 K 298.17 -, nicht veröffentlicht, Urteilsabdruck, S. 4).

II. Die Klage ist begründet.

Die straßenverkehrsbehördliche Anordnung der Beklagten vom 25. Februar 2013 in Gestalt der Anordnung vom 5. September 2016, soweit darin die „Kleefelder Straße“ zwischen „Michael-Ende-Platz“ und „Gneisenaustraße“ zur Fahrradstraße mit den Verkehrszeichen 244.1 und 244.2 erklärt worden ist, sowie der Bescheid der Beklagten vom 11. August 2017 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

1. Verkehrsbezogene Ge- und Verbote in Form von Verkehrszeichen - zu denen auch die hier in Rede stehenden Verkehrszeichen 244.1 und 244.2 gehören - sind den Dauerverwaltungsakten zuzurechnen (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 18. November 2010 - 3 C 42/09 -, juris, Rn. 14 m.w.N.). Maßgeblich für den Erfolg einer Anfechtungsklage ist daher die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten tatsachengerichtlichen Verhandlung (vgl. ibid.).

2. Rechtsgrundlage für die streitgegenständliche verkehrsbehördliche Anordnung ist § 45 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 9 Satz 1 StVO in der zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung geltenden Fassung dieser Vorschrift.

a) Gemäß § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO können die Straßenverkehrsbehörden die Benutzung bestimmter Straßen oder Straßenstrecken aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs beschränken oder verbieten und den Verkehr umleiten. Nach § 45 Abs. 9 Satz 1 StVO sind Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen nur dort anzuordnen, wo dies auf Grund der besonderen Umstände zwingend erforderlich ist. Nach § 45 Abs. 9 Satz 4 Nr. 2 StVO ist im Falle der Anordnung einer Fahrradstraße die Anwendung von Satz 3 ausgeschlossen. Es kommt daher nicht darauf an, ob aufgrund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der in den vorstehenden Absätzen genannten Rechtsgüter erheblich übersteigt (vgl. zu dieser Problematik im Hinblick auf die Anordnung einer Tempo 30-Zone für ein Teilstück einer Straße: BVerwG, Beschluss vom 1. September 2017 - 3 B 50/16 -, juris, Rn. 7 m.w.N.; vgl. auch VG Berlin, ibid., Bl. 6 f.; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 6. Mai 2019 - OVG 1 N 6.19 -, nicht veröffentlicht; Koehl: Fahrradstraßen - Unfall Kfz/Rad, SVR 2018, S. 421; vgl. ferner Schiller, Rechtliche Stellungnahme zur Vereinbarkeit des Gesetzentwurfs Volksentscheid Radverkehr mit Bundesrecht [im Auftrag der Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt], abrufbar unter https://www.berlin.de/senuvk/verkehr/politik_planung/rad/download/rechtliche_stellungnahme_redeker-sellner-dahs.pdf, letzter Abruf 25. Juli 2019).

b) § 45 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 9 Satz 1 StVO stellt eine taugliche Rechtsgrundlage für die verkehrsbehördliche Anordnung einer Fahrradstraße dar.

aa) Die verfassungsrechtlichen Vorgaben des Bestimmtheitsgebots führen nicht dazu, dass in der Straßenverkehrs-Ordnung die konkreten Voraussetzungen für die Anordnung des Vorschriftzeichens „Beginn einer Fahrradstraße“ - insbesondere der Begriff „Radverkehrs als vorherrschende Verkehrsart“ - geregelt werden müssen.

(1) Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 24. Januar 2019 (- 3 C 7/17 -, juris, Rn. 23 f.) die Anforderungen des verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebots im Hinblick auf die Straßenverkehrs-Ordnung konkretisiert. So heißt es in der Entscheidung:

„Nach dem im Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) gründenden Bestimmtheitsgebot müssen gesetzliche Regelungen - und ebenso Rechtsverordnungen wie die hier zu beurteilende Straßenverkehrs-Ordnung - so gefasst sein, dass der Betroffene seine Normunterworfenheit und die Rechtslage so konkret erkennen kann, dass er sein Verhalten daran auszurichten vermag. Die Anforderungen an die Normenklarheit sind dann erhöht, wenn die Unsicherheit bei der Beurteilung der Gesetzeslage die Betätigung von Grundrechten erschwert [...]. Das Gebot hinreichender Bestimmtheit zwingt den Gesetzgeber indes nicht dazu, den Tatbestand mit genau fassbaren Maßstäben zu umschreiben. Es liegt in der ihm bei der Normsetzung eingeräumten Gestaltungsfreiheit, auch unbestimmte Rechtsbegriffe zu verwenden [...]. Dies kann notwendig werden, um der sonst nicht zu bewältigenden Vielgestaltigkeit des Lebens Herr zu werden [...]. Umgekehrt ist der Normgeber gehalten, seine Vorschriften so bestimmt zu fassen, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist. Die Notwendigkeit der Auslegung einer gesetzlichen Begriffsbestimmung nimmt ihr noch nicht die Bestimmtheit, die der Rechtsstaat fordert [...]; die Ausfüllung ist eine herkömmliche und anerkannte Aufgabe der Rechtsanwendungsorgane [...] Für den nach dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz zu fordernden Grad an Bestimmtheit ist von Bedeutung, dass die Straßenverkehrs-Ordnung der Regelung von Massenvorgängen dient und mit ihren rechtlichen Vorgaben einer Vielzahl unterschiedlicher Situationen und Einzelumstände Rechnung tragen muss. Damit erweist sich die Verwendung von unbestimmten Rechtsbegriffen als unverzichtbar [...]. Bereits die amtliche Begründung zur Straßenverkehrs-Ordnung weist darauf hin, dass in diesem Regelwerk zwar grundsätzlich einfache, der Allgemeinheit geläufige Begriffe verwendet werden sollten, unerläuterte, abstrakte Begriffe freilich nicht gänzlich zu vermeiden seien [...].“

(2) Der Tatbestand von § 45 Abs. 1 Satz 1, Abs. 9 Satz 1 StVO enthält eine den Anforderungen des Art. 20 Abs. 3 GG entsprechende Konturierung: So verlangt § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO auf Tatbestandsebene Gründe der Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs, um die Benutzung bestimmter Straßen oder Straßenstrecken beschränken oder verbieten zu können. § 45 Abs. 9 Satz 1 StVO erfordert zusätzlich besondere Umstände, die eine Anordnung von Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen zwingend erforderlich macht. § 45 StVO enthält damit zwar unbestimmte Rechtsbegriffe auf der Tatbestandsebene; dies ist jedoch auch geboten: Nur auf diese Weise kann die Befugnisnorm die vielfältigen Sachverhalte und Konstellationen im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts erfassen und bündeln.

Überdies ist festzustellen, dass sich die Ge- und Verbote, die für den Einzelnen aus der verkehrsbehördlichen Anordnung einer Fahrradstraße folgen, aus der Straßenverkehrs-Ordnung, mithin aus § 41 Abs. 1 StVO i.V.m. Nummer 23 der Anlage 2 zu Zeichen 244.1 ergeben: Diejenigen Erfordernisse, die an ein normgerechtes Verhalten im Straßenverkehr an den Einzelnen gestellt werden - etwa die zulässige Höchstgeschwindigkeit oder die Zulässigkeit des Nebeneinanderfahrens von Fahrrädern -, sind daher durch die Straßenverkehrs-Ordnung geregelt.

bb) Anders als der Kläger annimmt, folgt aus dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes nicht, dass sich die konkreten Voraussetzungen für die straßenverkehrsbehördliche Anordnung einer Fahrradstraße aus der Straßenverkehrs-Ordnung selbst und nicht aus der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift ergeben müssten. Nichts Anderes ergibt sich aus der vom Kläger zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Juni 2014 - 3 CN 1/13 -, juris, Rn. 37 ff.). Diese Rechtsprechung betrifft die Auslegung des Begriffs „Gesetz“ in Art. 84 Abs. 1 GG und die Frage, ob es zulässig ist, dass eine abweichende Länderregelung nicht in einem Parlamentsgesetz, sondern in einer Rechtsverordnung des Landes geregelt werden darf.

3. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 45 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 9 Satz 1 StVO liegen nicht vor. Die verkehrsbehördliche Anordnung der Beklagten war nicht zwingend erforderlich (siehe unter c). Dessen ungeachtet wäre die Anordnung ermessensfehlerhaft (siehe unter 4.).

a) Die streitbefangene straßenverkehrsrechtliche Anordnung stellt eine Beschränkung des Verkehrs im Sinne von § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO dar, da die Kehrseite der Anordnung einer Fahrradstraße die Einschränkung des Kraftfahrzeugverkehrs durch das besondere Behinderungsverbot ist (vgl. Nummer 23 der Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO; vgl. wohl auch VG Berlin, ibid., Bl. 5).

b) Die Anordnung ist überdies aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs erfolgt.

aa) Der Erlass einer verkehrsregelnden Anordnung setzt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine konkrete Gefahr für die Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs voraus (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 1979 - 7 C 46/78 -, juris, Rn. 18; VG Berlin, ibid.). Das Schutzgut der Sicherheit und Ordnung des Verkehrs umfasst unter anderem die Grundrechte (BVerwG, ibid., Rn. 22 ff.; Koehl, in: Haus/Krumm/Quarch, Gesamtes Verkehrsrecht, 2014, § 45 StVO Rn. 15). Zur Annahme einer derartigen Gefahrenlage bedarf es aber nicht des Nachweises, dass jederzeit während der Aufstellung des Verkehrszeichens mit einem Schadenseintritt zu rechnen ist; es genügt, dass irgendwann in überschaubarer Zukunft mit hinreichender Wahrscheinlichkeit Schadensfälle eintreten können (BVerwG, ibid., Rn. 18). Dies beurteilt sich danach, ob die konkrete Situation an einer bestimmten Stelle oder Strecke einer Straße die Befürchtung nahelegt, dass - möglicherweise durch Zusammentreffen mehrerer gefahrenträchtiger Umstände - die zu bekämpfende Gefahrenlage eintritt (ibid.).

bb) Eine Gefährdung der Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs ist zunächst aufgrund der geringen Fahrbahnbreite in der „Kleefelder Straße“ anzunehmen (vgl. dazu auch VG Berlin, ibid.). Die Breite der Fahrbahn beläuft sich einschließlich der Gossen zwar auf durchschnittlich etwa 4,60 Meter. Diese wird - jedenfalls einseitig - von diversen Sperrflächenmarkierungen sowie parkenden Autos eingeengt, so dass für den Straßenverkehr lediglich eine Fahrgasse mit einer Breite von etwa knapp 3,00 bis 3,45 Metern zur Verfügung steht. Da der Verkehr in der „Kleefelder Straße“ bereits vor Erlass der streitigen Anordnung in beiden Fahrtrichtungen für den Kraftfahrzeug- und den Radverkehr zugelassen war, war die Sicherheit der Radfahrer aufgrund der Enge besonders gefährdet. Ein weiteres Kriterium für die Beurteilung der konkreten Gefahr für die Sicherheit und Ordnung des Straßenverkehrs dürften die Art und die Stärke des Verkehrs darstellen (vgl. dazu auch VG Berlin, ibid.). Nach den Verkehrszählungen der Beklagten (zu Fragen der Rechtmäßigkeit der konkreten Erhebung vgl. sogleich unter 4 c) stellt der Radverkehr einen überdurchschnittlichen hohen Anteil am Gesamtverkehrsaufkommen in der „Kleefelder Straße“ dar. Risiken, die durch das Aufeinandertreffen von Kraftfahrzeug- und Radverkehr entstehen, dürften durch diesen hohen Radverkehrsanteil - worauf die Beklagte zutreffend hingewiesen hat - vergrößert werden (so auch VG Berlin, ibid.). Aus diesen Gegebenheiten dürfte sich jedenfalls eine Gefährdung des Rechts auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) und des Eigentumsrechts (Art. 14 Abs. 1 GG) der Radfahrer ergeben.

c) Die streitbefangene verkehrsbehördliche Anordnung ist jedoch nicht zwingend erforderlich im Sinne von § 45 Abs. 9 Satz 1 StVO.

aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist eine Anordnung dann zwingend erforderlich, wenn die allgemeinen und besonderen Verhaltensregeln der Verordnung für einen sicheren und geordneten Verkehrsablauf nicht ausreichen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 1. September 2017 - 3 B 50/16 -, juris, Rn. 6 f. unter anderem unter Verweis auf BR-Drs. 374/97, S. 8; vgl. ferner Koehl, in: Haus/Krumm/Quarch, Gesamtes Verkehrsrecht, 2014, § 45 StVO Rn. 44 m.w.N.). Mangels Erforderlichkeit im Sinne von § 45 Abs. 9 Satz 1 StVO scheide, so das Bundesverwaltungsgericht weiter, eine Anordnung nur dort aus, wo die mit der Anordnung bezweckten Wirkungen aufgrund der allgemeinen und besonderen Verhaltensregeln der Verordnung ohnehin erreicht würden (ibid., Rn. 7).

Das Verkehrszeichen muss sich überdies jedoch, damit dessen Anordnung zwingend erforderlich ist, als sachgerecht und zweckmäßig erweisen (vgl. ausdrücklich VG Braunschweig, Urteil vom 18. Juli 2006 - 6 A 389/04 -, juris, Rn. 23; Verwaltungsgericht des Saarlandes, Beschluss vom 19. Januar 2011 - 10 L 1655/10 -, juris, Rn. 26; Kettler, Recht für Radfahrer, 3. Auflage 2013, S. 110 f. m.w.N.). Eine Anordnung ist nur dann zwingend erforderlich im Sinne der Vorschrift, wenn es sich um die zur Gefahrenabwehr unbedingt erforderliche und allein in Betracht kommende Maßnahme handelt (vgl. etwa VG Braunschweig, ibid., Rn. 23 m.w.N.; Verwaltungsgericht des Saarlandes, ibid., Rn. 28; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 25. Juli 2011 - 11 B 11.921 -, juris, Rn. 28; König, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 45. Auflage 2019, § 45 StVO Rn. 49 c m.w.N.).

bb) Nach diesen Maßstäben stellt sich die konkrete verkehrsbehördliche Anordnung der Beklagten, durch die die „Kleefelder Straße“ in dem streitbefangenen Teilabschnitt zur Fahrradstraße mit den Verkehrszeichen 244.1 und 244.2 einschließlich jeweils des Zusatzzeichens „Kraftfahrzeuge frei“ in beiden Richtungen erklärt worden ist, nicht als zwingend erforderlich dar; auch der streitbefangene Bescheid vom 11. August 2017 ist aus diesem Grund rechtswidrig.

Es ist zwar zutreffend, dass die besondere Situation auf der „Kleefelder Straße“, die durch die geringe Breite der Fahrgasse sowie die Art und die Stärke des Verkehrs entstanden ist, eine verkehrsbehördliche Anordnung durch die Beklagte nahelegt, um eine weitere Gefährdung der Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs oder einen Schadenseintritt zu verhindern. Die getroffene Anordnung erweist sich jedoch nicht als sachgerecht und zweckmäßig; sie ist nicht geeignet, einen sicheren und geordneten Verkehrsablauf im Sinne der zuvor dargestellten Maßgaben zu ermöglichen. Gemäß der laufenden Nummer 23 der Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO gelten für Fahrradstraßen besondere Ge- und Verbote: Insbesondere darf anderer Fahrzeugverkehr als Radverkehr Fahrradstraßen grundsätzlich nicht benutzen. Von diesem generellen Verbot kann allerdings abgewichen werden. Für den Fahrverkehr gilt auf Fahrradstraßen eine Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h. Der Radverkehr darf weder gefährdet noch behindert werden. Wenn dies nötig ist, muss der Kraftfahrzeugverkehr die Geschwindigkeit weiter verringern. Das Nebeneinanderfahren mit Fahrrädern ist erlaubt. Im Übrigen gelten die Vorschriften über die Fahrbahnbenutzung und über die Vorfahrt.

Die konkrete verkehrsbehördliche Anordnung einer Fahrradstraße mit den Verkehrszeichen 244.1 und 244.2 einschließlich jeweils des Zusatzzeichens „Kraftfahrzeuge frei“ in beide Richtungen der „Kleefelder Straße“ durch die Beklagte hat allerdings eine exklusive Nutzung der „Kleefelder Straße“ durch den Radverkehr gerade nicht zur Folge. Anderem Verkehr als dem Radverkehr ist es weiterhin erlaubt, die Straße in beiden Richtungen zu befahren. Lediglich in dem Teilabschnitt der „Kleefelder Straße“ zwischen „Michael-Ende-Platz“ und „Plathnerstraße“ besteht ein Verbot für Kraftfahrzeuge über 3,5 Tonnen. Außerdem galt bereits zeitlich vor der streitbefangenen Anordnung eine Begrenzung der Höchstgeschwindigkeit auf 30 km/h für die „Kleefelder Straße“ aufgrund der gesondert angeordneten Tempo-30-Zone. Die streitbefangene Anordnung hat daher lediglich zur Folge, dass das Nebeneinanderfahren mit Fahrrädern gestattet und es überdies verboten ist, den Radverkehr zu gefährden oder zu behindern; hierzu muss der Kraftfahrzeugverkehr die Geschwindigkeit unter Umständen weiter verringern.

Diese konkreten Folgen der Anordnung haben allerdings keine Reduzierung derjenigen Gefahren, die aus der geringen Breite der Fahrgasse sowie der Art und Stärke des Verkehrs in der „Kleefelder Straße“ resultieren, zur Folge. Die streitbefangene verkehrsbehördliche Anordnung ist vielmehr geeignet, weitere, teilweise kaum lösbare Konflikte im öffentlichen Straßenraum zu provozieren: Die Fahrgasse der „Kleefelder Straße“ wird insbesondere durch die zahlreichen Kraftfahrzeuge, die entlang der Nordseite der Straße geparkt sind, auf nur etwa knapp 3,00 bis 3,45 Meter reduziert. Ausweislich § 32 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StVZO dürfen Kraftfahrzeuge und Anhänger allgemein 2,55 Meter breit sein, Personenkraftwagen dürfen gemäß § 32 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StVZO 2,50 Meter breit sein. Es verbleibt daher dann, wenn ein Kraftfahrzeug diese Breiten aufweist, eine Fahrgassenbreite von 45 bis 90 Zentimetern. Es liegt auf der Hand, dass auf dieser verbleibenden Fahrgassenbreite - bei Beachtung der seitlichen Mindestabstände etwa zwischen dem parkenden und dem fahrenden Kraftfahrzeug einerseits sowie zwischen dem Radverkehr und dem fahrenden Kraftfahrzeug anderseits - nicht genug Raum für ein entgegenkommendes Fahrrad ist. Der seitliche Mindestsicherheitsabstand für einen Kraftfahrer, der einen Radfahrer überholt, beträgt nach der Rechtsprechung 1,00 bis 2,00 Meter (vgl. nur Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 11. August 2009 - 11 B 08.186 -, juris, Rn. 84 unter Verweis auf KG Berlin, Urteil vom 12. September 2002 - 12 U 9590/00 -, juris, Rn. 42; Kettler, ibid., S. 45 m.w.N. für einen seitlichen Mindestabstand von 1,50 bis 2,00 Metern; nach BT-Drs. 19/8980; S. 5 m.w.N. werde von der Rechtsprechung überwiegend ein seitlicher Mindestsicherheitsabstand von 1,50 Metern angenommen). Diesen seitlichen Mindestsicherheitsabstand hat der Kraftfahrer auch gegenüber einem entgegenkommenden Radfahrer einzuhalten (vgl. nur Schleswig-Holsteinisches OLG, Urteil vom 15. April 2010 - 7 U 17/09 -, juris, Rn. 21 für einen Mindestabstand von 1,00 Metern; Kettler, ibid., S. 46 m.w.N.). Da aber bereits dieser seitliche Mindestsicherheitsabstand zu einem Radfahrer von einem entgegenkommenden Führer eines zweispurigen Kraftfahrzeuges bei der vorgefundenen Restfahrgassenbreite von 45 bis 90 Zentimetern nicht eingehalten werden kann, ist ein Begegnungsverkehr mit zwei nebeneinanderfahrenden Radfahrern nicht möglich (vgl. VG Hamburg, Urteil vom 21. Juli 2015 - 15 K 5050/13 -, juris, Rn. 30 ff. zur Zulassung gegenläufigen Fahrradverkehrs in Einbahnstraßen; Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen, Empfehlungen für Radverkehrsanlagen (ERA), 2010, S. 60 ff.; Graf, Einrichtung von Fahrradstraßen, 2018, S. 74 ff.; vgl. VG Berlin, ibid. sowie OVG Berlin-Brandenburg, ibid.: diese Entscheidungen betrafen jedoch eine dem Verkehr zur Verfügung stehende Fahrbahnbreite von durchschnittlich fünf Metern). Bei voller Parkauslastung der Nordseite der „Kleefelder Straße“ bestehen für den Führer des Kraftfahrzeuges sehr wenige bis gar keine Ausweichmöglichkeiten. Folgt aber aus der verkehrsbehördlichen Anordnung einer Fahrradstraße, dass der Radverkehr nicht behindert werden darf, so muss der Führer eines Kraftfahrzeuges unter Umständen über 100 bis 150 Meter bis zur Einmündung in die nächste Querstraße zurücksetzen, um die entgegenkommenden Radfahrer nicht zu behindern, mithin passieren zu lassen. Es sind überdies kaum lösbare Konflikte denkbar, in dem ein Kraftfahrzeug zwischen zwei von vorn und zwei von hinten kommenden Radfahrern „eingekesselt“ wird.

Erachtet man das Behinderungsverbot, das für Fahrradstraßen aus der laufenden Nummer 23 der Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO folgt, entgegen der Auffassung der Kammer nicht als derart weitreichend, dass etwa der entgegenkommende Kraftfahrzeugverkehr dem Radverkehr zu weichen hat (so könnte etwa Hentschel, NJW 1998, S. 344 verstanden werden), stellt sich in der Folge die Frage, welche Veränderung die verkehrsbehördliche Anordnung für die „Kleefelder Straße“ überhaupt nach sich gezogen hat: Werden auch die zuvor beschriebenen Situationen über die allgemeine Regelung in § 1 Abs. 1, 2 StVO gelöst und führt dies dazu, dass auch das Nebeneinanderfahren von Fahrräder in den allermeisten Fällen wegen des entgegenkommenden Verkehrs nicht möglich ist und der Radverkehr dem Kraftfahrzeugverkehr zu weichen hat, so scheidet die Anordnung mangels Erforderlichkeit im Sinne von § 45 Abs. 9 Satz 1 StVO ebenfalls aus. Die mit der Anordnung bezweckten Wirkungen werden aufgrund der allgemeinen und besonderen Verhaltensregeln der Straßenverkehrs-Ordnung ohnehin erreicht.

Die Kammer hält deshalb die Anordnung einer Fahrradstraße in einer gesondert angeordneten Tempo-30-Zone mit einer wegen des zugelassenen ruhenden Verkehrs verbleibenden Fahrgasse mit einer Breite zwischen knapp 3,00 bis 3,45 Metern bei gleichzeitig mit Zusatzzeichen zugelassenem und nicht auf Anlieger beschränktem Zweirichtungsverkehr von Kraftfahrzeugen wegen der Nichtgewährleistung des seitlichen Mindestsicherheitsabstandes zu entgegenkommenden Radfahrern bereits für nicht zwingend erforderlich, um dem Gebot der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs und den Zwecken einer Fahrradstraße zu genügen.

4. Die verkehrsbehördliche Anordnung sowie der streitbefangene Bescheid wären überdies ermessensfehlerhaft. Es ist vorliegend jedenfalls nicht erkennbar, dass sich die Beklagte hinreichend mit den bestehenden Gefahrenpotenzialen, die aus dem Aufeinandertreffen des fließenden sowie ruhenden Kraftfahrzeugverkehrs, den Fußgängern und dem Radverkehr, der Breite der Fahrbahn und der Zulassung des Kraftfahrzeugverkehrs in beide Fahrtrichtungen folgen, auseinandergesetzt und auf dieser Grundlage abgewogen hat, ob trotz dieser Aspekte und unter diesen Bedingungen die Anordnung bzw. die unveränderte Aufrechterhaltung der verkehrsbehördlichen Anordnung einer Fahrradstraße in der „Kleefelder Straße“ in Betracht kommt.

a) Die Beklagte hat einen Ermessensspielraum, wie sie die Konfliktlage im Hinblick auf die Benutzung des öffentlichen Straßenraumes in der „Kleefelder Straße“ bewältigt. In ihrer Ermessensentscheidung hat sie die betroffenen bzw. widerstreitenden Interessen der verschiedenen Arten von Verkehrsteilnehmern umfassend gegeneinander abzuwägen und die Konfliktlage für alle Verkehrsteilnehmer zumutbar aufzulösen (vgl. VG Hannover, Urteil vom 14. Juni 2016 - 7 A 13494/14 -, juris, Rn. 27). Gemäß §114 Satz 1 VwGO ist die verwaltungsgerichtliche Kontrolle in diesem Zusammenhang auf die Überprüfung beschränkt, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist (ibid.). Dabei ist die Straßenverkehrsbehörde bei ihrer Ermessensentscheidung zunächst an die Vorgaben der VwV-StVO gebunden (vgl. ibid., unter Verweis auf Nds. OVG, Beschluss vom 5.Dezember 2003 - 12 LA 467/03 -, juris, Rn. 14 m.w.N.). Die Verwaltungsvorschrift soll - im Rahmen der Bundesaufsicht bei landeseigenem Vollzug von Bundesrecht - gewährleisten, dass verkehrsbehördliche Anordnungen im ganzen Bundesgebiet nach den gleichen Grundsätzen erfolgen. Es handelt sich dabei um eine ermessenslenkende Verwaltungsvorschrift, die eine einheitliche Ermessensausübung auf der Rechtsfolgenseite sicherstellen soll (vgl. VG Hannover, ibid.; Nds. OVG, ibid., Rn. 15). Die Straßenverkehrsbehörde kann im Ergebnis der Abwägung auch von den Vorgaben der VwV-StVO abweichen. Dies setzt aber einen atypisch gelagerten Sachverhalt voraus (VG Hannover, ibid., m.w.N.).

b) Im konkreten Fall wird die Ausübung des Ermessens insbesondere durch zwei Vorgaben geprägt: Gemäß § 40 VwVfG hat die Behörde erstens dann, wenn sie ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, das Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten. Aus dem Wortlaut von § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO ergibt sich, dass der Zweck der Ermächtigung die Erhaltung der Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs ist. Zudem wird das Ermessen der Beklagten in der streitbefangenen Konstellation durch die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zu Zeichen 244.1 und 244.2 determiniert. Nach dieser Vorgabe kommen Fahrradstraßen dann in Betracht, wenn der Radverkehr die vorherrschende Verkehrsart ist oder dies alsbald zu erwarten ist. Anderer Fahrzeugverkehr als der Radverkehr darf nur ausnahmsweise durch die Anordnung entsprechender Zusatzzeichen zugelassen werden (z. B. Anliegerverkehr). Daher müssen vor der Anordnung die Bedürfnisse des Kraftfahrzeugverkehrs ausreichend berücksichtigt werden (alternative Verkehrsführung).

c) Unabhängig davon, dass es für verwaltungsgerichtliche Entscheidungen grundsätzlich nicht auf den Inhalt von Verwaltungsvorschriften ankommt, sondern regelmäßig die Verwaltungspraxis maßgeblich ist (vgl. nur OVG Berlin-Brandenburg, ibid. Bl. 5), verfangen die Einwände des Klägers gegen die Verwaltungsvorschriften selbst (aa) oder deren Anwendung (bb) in diesem Zusammenhang nicht.

aa) Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers sind die Vorgaben der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung zu Zeichen 244.1 und 244.2 über die Einrichtung von Fahrradstraßen nicht zu unbestimmt. Sie sind insbesondere nicht an den strengen Voraussetzungen des verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebots zu messen (vgl. nur VG Greifswald, Urteil vom 21. Februar 2019 - 3 A 1794/17 HGW -, juris, Rn. 17; vgl. ferner OVG NRW, Urteil vom 28. Juni 2018 - 6 A 2014/17 -, juris, Rn. 154). Die Straßenverkehrsbehörden sind als Normadressaten dieser Verwaltungsvorschrift nicht in einer Weise schutzbedürftig wie der von gesetzlichen Regelungen betroffene Bürger. Die kommunalen Straßenverkehrsbehörden sind jedenfalls keine Träger von Grundrechten; Einschränkungen ihres Handlungsspielraumes sind daher nicht am Bestimmtheitsgebot zu messen.

bb) Dass die Verwaltungsvorschrift keine detaillierten Vorgaben zu den Modalitäten der Verkehrsmessung im Hinblick auf die Bestimmung einer Verkehrsart als „vorherrschend“ enthält, führt auch nicht zu einer Anordnungspraxis, die durch die Vorgaben der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung zu Zeichen 244.1 und 244.2 gerade verhindert werden soll. Es ist zwar zutreffend, dass die Verwaltungsvorschrift - im Rahmen der Bundesaufsicht bei landeseigenem Vollzug von Bundesrecht - gewährleisten soll, dass verkehrsbehördliche Anordnungen im ganzen Bundesgebiet nach den gleichen Grundsätzen erfolgen (vgl. nur VG Hannover, Urteil vom 14. Juni 2016 - 7 A 13494/14 -, juris, Rn. 27 m.w.N.). Jedoch zielen die Vorgaben der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung zu Zeichen 244.1 und 244.2 nicht auf eine vollständige Vereinheitlichung der Anordnungspraxis im Hinblick auf Fahrradstraßen: In Randnummer 1 heißt es vielmehr, dass Fahrradstraßen dann in Betracht kommen, wenn der Radverkehr bereits die vorherrschende Verkehrsart darstellt oder dies alsbald zu erwarten ist. Das bedeutet im Umkehrschluss jedoch nicht, dass immer dann, wenn der Radverkehr die vorherrschende Verkehrsart darstellt oder dies alsbald zu erwarten ist, stets eine Fahrradstraße verkehrsbehördlich angeordnet werden muss. Diese Regelungstechnik führt dazu, dass auch solche Straßen, die die Voraussetzungen für die verkehrsbehördliche Anordnung einer Fahrradstraße erfüllen würden, gleichwohl nicht als solche beschildert werden müssen. Der Behörde steht also weiterhin ein Ermessen zu, welche verkehrsbehördliche Anordnung sie trifft bzw. ob sie tätig wird. Dies bestätigt auch die folgende Überlegung: Selbst wenn die Vorgaben der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung zu Zeichen 244.1 und 244.2 detailliert festlegen würden, wie die Straßenverkehrsbehörden den Radverkehr als vorherrschende Verkehrsart zu bestimmen hätten, hätte dies keine einheitliche Anordnungspraxis zur Folge. Die Rechtsfolge der Feststellung ist vielmehr, dass eine Fahrradstraße in Betracht kommt, nicht aber, dass sie anzuordnen bzw. das Ermessen der Behörde auf „Null“ reduziert ist (die fehlenden Vorgaben im Hinblick auf das Verfahren wurden auch in anderen Entscheidungen hingenommen, vgl. VG Berlin, ibid., Bl. 6 f.; OVG Berlin-Brandenburg, ibid., Bl. 2 f.). Dass eine absolute Vereinheitlichung der Anordnungspraxis im Hinblick auf die Einrichtung von Fahrradstraßen auch durch den Verordnungsgeber bei der Schaffung der maßgeblichen Vorgaben der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift nicht bezweckt wurde, bestätigt - neben deren Wortlaut - auch die Begründung der 46. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung und des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit vom 12. Februar 2009. Dort heißt es, dass den Planungs- und Straßenverkehrsbehörden durch eine Straffung und Vereinfachung der Radverkehrsvorschriften ein größerer Handlungsspielraum sowie eine größere Flexibilität bei der Anlage der Radverkehrsanlagen und der Anordnung der Benutzungspflicht durch Verkehrszeichen eingeräumt werden solle (BR-Drs. 153/09, S. 3, 84). Gleiches geht auch aus der Begründung der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Änderung der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung hervor (vgl. BR-Drs. 154/09, S. 42, 90). Nichts Anderes ergibt sich aus der vom Kläger zitierten Fundstelle (VkBl. 1997, S. 689 f., 704). Auch dort heißt es, dass in der Verwaltungsvorschrift geregelt sei, zu welchem Zweck und unter welchen Voraussetzungen Fahrradstraßen angeordnet werden könnten, es handele sich um eine der Möglichkeiten.

d) Die Anordnung der Beklagten vom 25. Februar 2013 in Gestalt der Anordnung vom 5. September 2016 enthält insbesondere zu der Frage der Zulassung des Kraftfahrzeugverkehrs keine hinreichenden Erwägungen. In dem streitbefangenen Verwaltungsakt vom 11. August 2017 weist die Beklagte zur Begründung lediglich darauf hin, dass die „Kleefelder Straße“ eine wichtige Achse des Radverkehrsnetzes der Beklagten darstelle und der Radverkehr die vorherrschende Verkehrsart sei. Die vorhandene Fahrbahnbreite der Straße, die für den Kraftfahrzeugverkehr zugelassen sei, sei auch für den Radverkehr ausreichend; das Halten an engen Straßenstellen und das Parken an schmalen Fahrbahnen seien unzulässig. Im Rahmen der Klageerwiderung ergänzte die Beklagte ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes in zulässiger Weise (§ 114 Satz 2 VwGO) dahingehend, dass die Anordnung einer Fahrradstraße im Hinblick auf die Breite der Straße nicht ermessenfehlerhaft sei, da keine bundeseinheitliche Mindestbreite vorgeschrieben sei. Auch im Falle der Aufhebung der Anordnung der Fahrradstraße würde die Fahrbahn weiterhin von Fahrradfahrern genutzt, für diese entfiele dann aber der Schutz, den die Anordnung einer Fahrradstraße biete. Das vorschriftswidrige Befahren des durch die Baumreihe abgegrenzten Gehweges durch Fahrradfahrer lasse sich nicht mit der notwendigen Sicherheit auf die Anordnung der Fahrradstraße zurückführen. Ob die Bedürfnisse des Kraftfahrzeugverkehrs tatsächlich berücksichtigt seien, könne dahinstehen.

e) Aus dem Verwaltungsvorgang der Beklagten sowie der Klageerwiderung geht nicht hervor, dass die Beklagte Aspekte der Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs in hinreichender Art und Weise in ihre Erwägungen einbezogen hat. Für eine Ermessensreduzierung auf „Null“ ist nichts ersichtlich. Die Beklagte hätte bei der Ermessensentscheidung auch diejenigen Aspekte der Sicherheit und Ordnung des Verkehrs hinreichend berücksichtigen müssen, die aus der Zulassung des Kraftfahrzeugverkehrs in beide Fahrtrichtungen auf der „Kleefelder Straße“ als Fahrradstraße resultieren.

aa) Die verkehrsbehördliche Anordnung einer Fahrradstraße in der „Kleefelder Straße“ wäre auch dann ermessenfehlerhaft, wenn - entgegen der hier vertretenen Auffassung - angenommen würde, dass die verkehrsbehördliche Anordnung einer Fahrradstraße und diejenige die Zusatzzeichen betreffend eigenständige Verwaltungsakte darstellen und keine einheitliche Gesamtregelung bilden.

(1) Die Beklagte hat die Entscheidung über die verkehrsbehördliche Anordnung einer Fahrradstraße in der „Kleefelder Straße“ und diejenige die Zusatzzeichen betreffend am selben Tag - am 25. Februar 2013 - in einer einheitlichen Entscheidung getroffen. Sie hätte daher im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung über die verkehrsbehördliche Anordnung einer Fahrradstraße auch Aspekte des fließenden Kraftfahrzeugverkehrs beachten müssen, wenn sie die gleichzeitige Zulassung des Kraftfahrzeugverkehrs auf dieser Fahrradstraße anordnet. Die Beklagte muss sich bei der Ermessensausübung im Hinblick auf die verkehrsbehördliche Anordnung einer Fahrradstraße in der „Kleefelder Straße“ von dem Zweck der Ermächtigung - die Erhaltung der Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs (§ 45 Abs. 1 Satz 1 StVO) - leiten lassen. Eine Bewertung der Sicherheit des Verkehrs in der „Kleefelder Straße“ ist allerdings ohne eine Einbeziehung der Frage, ob auch oder zumindest im welchem Umfang der Kraftfahrzeugverkehr die Straße befahren darf, nicht möglich. Eine andere Sichtweise würde zu einer Aufspaltung eines - wie zuvor im Rahmen der Zulässigkeit dargelegt - einheitlichen Lebenssachverhaltes führen.

Die Beklagte war schließlich auch deshalb gehalten, die Vorgaben des Zusatzzeichens und die Folgen in ihre Ermessenserwägungen im Hinblick auf die verkehrsbehördliche Anordnung einer Fahrradstraße in der „Kleefelder Straße“ einzustellen, da sie, weil es sich bei den Verkehrsregelungen durch Verkehrszeichen um Dauerverwaltungsakte handelt, fortdauernd die Rechtmäßigkeit der Regelung zu kontrollieren hat (vgl. bereits VG Hannover, Urteil vom 17. Januar 2018 - 7 A 2194/16 -, juris, Rn. 27; vgl. ferner Rn. 56 VwV-StVO zu § 45, wonach die Straßenverkehrsbehörden bei jeder Gelegenheit die Voraussetzungen für einen reibungslosen Ablauf des Verkehrs zu prüfen haben).

(2) Die isolierte Aufhebung der verkehrsbehördlichen Anordnung die Zusatzzeichen betreffend kommt deshalb nicht in Betracht, weil dies jedenfalls Belange des grundrechtlich geschützten Anliegergebrauch aus Art. 14 Abs. 1 GG bzw. Rechte aus § 20 NStrG nicht ausreichend berücksichtigen würde. Das Grundrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG vermittelt dem Grundeigentümer insbesondere das Recht auf Anschluss an das öffentliche Straßen- und Wegenetz, das heißt auf Zufahrten und Zugänge (vgl. etwa VG Hannover, Urteil vom 17. November 2010 - 7 A 4096/10 -, BeckRS 2010, 56520).

bb) Die Beklagte hätte sich nach alledem mit den bestehenden Gefahrenpotenzialen, die aus dem Aufeinandertreffen des fließenden sowie ruhenden Kraftfahrzeugverkehrs, den Fußgängern und dem Radverkehr, der Breite der Fahrbahn und der Zulassung des Kraftfahrzeugverkehrs in beide Fahrtrichtungen folgen, auseinandersetzen müssen und in diesem Zuge insbesondere weitere Varianten - mithin andere oder ergänzende verkehrsbehördliche Anordnungen nach § 45 Abs. 1 Satz 1, Abs. 9 Satz 1 StVO - zur Auflösung der bestehenden Spannungslage zwischen dem fließenden und ruhenden Kraftfahrzeugverkehr, den Fußgängern sowie dem Radverkehr in Erwägung ziehen müssen (vgl. auch Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen, Empfehlungen für Radverkehrsanlagen (ERA), 2010, S. 60 ff.; Graf, Einrichtung von Fahrradstraße, 2018, S. 74 ff., 88 ff., 104 ff.). Es ist nicht erkennbar, dass die Beklagte hinreichend erwogen hat, auf der „Kleefelder Straße“ allein den Anliegerverkehr zuzulassen (Zeichen 1020-30) oder die Befahrbarkeit der „Kleefelder Straße“ durch den Kraftfahrzeugverkehr in beide Fahrtrichtungen - etwa durch Anordnung einer Einbahnstraßenregelung (Zeichen 220) zumindest in dem Teilabschnitt der „Kleefelder Straße“ zwischen „Michael-Ende-Platz“ und „Plathnerstraße“ - in Frage zu stellen. Bei diesen Überlegungen hätte sie jedenfalls Randnummer 2 Satz 1 der Verwaltungsvorschrift zu Zeichen 244.1 und 244.2 einbeziehen müssen; danach darf anderer als der Radverkehr nur ausnahmsweise durch die Anordnung entsprechender Zusatzzeichen zugelassen werden. Ebenso fehlen Erwägungen, an der Nordseite der „Kleefelder Straße“ in Teilbereichen ein eingeschränktes Haltverbot (Zeichen 286) anzuordnen, um dem Kraftfahrzeugverkehr in Fahrtrichtung Westen bei entgegenkommenden Verkehr Raum zum Ausweichen zu geben. Die in unregelmäßigen Abständen vorgefunden Grenzmarkierungen für Halt- und Parkverbote vor Grundstücksein- und -ausfahrten (Zeichen 299) reichen nach Auffassung der Kammer nicht aus, zumal Grundstücksberechtigte vor ihren eigenen Grundstücksein- und -ausfahrten parken oder Anderen das Parken gestatten dürfen (vgl. König, in: Hentschel/König/Dauer, ibid., § 12 StVO Rn. 47 m.w.N.).

5. Der streitbefangene Bescheid vom 11. August 2017 sowie die verkehrsbehördliche Anordnung vom 25. Februar 2013 in Gestalt der Anordnung vom 5. September 2016, soweit darin die „Kleefelder Straße“ zwischen „Michael-Ende-Platz“ und „Gneisenaustraße“ zur Fahrradstraße mit den Verkehrszeichen 244.1 und 244.2 einschließlich jeweils des Zusatzzeichens „Kraftfahrzeuge frei“ in beiden Richtungen erklärt worden ist, verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die konkrete verkehrsbehördliche Anordnung hat für den Kläger zur Folge, dass er als Anlieger sowie Verkehrsteilnehmer die daraus resultierenden - und im konkreten Fall rechtswidrigen - Ge- und Verbote befolgen muss. Es tritt hinzu, dass die streitbefangene verkehrsbehördliche Anordnung geeignet ist, weitere, teilweise kaum lösbare Konflikte im öffentlichen Straßenraum zu provozieren, von denen der Kläger - wiederum als Anlieger und Verkehrsteilnehmer - betroffen ist. Insoweit ist er jedenfalls in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG verletzt.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

IV. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11 und § 711 Satz 1 und 2 ZPO.

IV. Die Berufung wird zugelassen, weil die Kammer der Frage, welche Anforderungen im Falle der Anordnung einer Fahrradstraße an die Zulassung einer Ausnahme für den Kraftfahrzeugverkehr zu stellen sind, grundsätzliche Bedeutung beimisst (§§ 124a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).