Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 27.04.2010, Az.: 7 A 1820/08

Bundesautobahn; Geschwindigkeitsbegrenzung; Geschwindigkeitsbeschränkung; pauschales Tempolimit; Pilotprojekt; Tempolimit; Unfallvermeidung; Verkehrsbeeinflussanlage; Verkehrsbelastung; Verkehrszeichen; örtliche Gefahrenlage

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
27.04.2010
Aktenzeichen
7 A 1820/08
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2010, 47849
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, wird das Verfahren eingestellt.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zu 2/3 und die Beklagte zu 1/3.

Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des festgesetzten Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

1

Der Kläger wendet sich gegen Geschwindigkeitsbeschränkungen auf der Bundesautobahn (BAB) A 2 westlich von Hannover in Fahrtrichtung Dortmund. Zum 01.04.2007 sind - gestützt auf zwei verkehrsbehördliche Anordnungen vom 13.07.2007 (BS 1/2007 - A2 und BS 2 /2007 - A2) folgende Verkehrszeichen aufgestellt worden:

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1. von km 240,50 bis 250,60 das Verkehrszeichen 274 - 63 (130 km/h) als Pilotprojekt befristet bis zum 01.05.2009 und anschließend verlängert bis zur Inbetriebnahme der Verkehrsbeeinflussungsanlage (VBA),

3

2. von km 250,60 bis 268,50 das Verkehrszeichen 274 - 62 (120 km/h),

4

3. von km 268,50 bis 277,30 das Verkehrszeichen 274 - 60 (100 km/h),

5

4. von km 277,30 bis 283,70 das Verkehrszeichen 274 - 62 (120 Km/h).

6

Der Kläger, der eigenen Angaben nach diese Strecke regelmäßig befährt, hat am 20.03.2008 beim Verwaltungsgericht Hannover Klage erhoben und zur Begründung folgendes vorgetragen:

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Die Verkehrszeichen seien bereits formell rechtswidrig, weil diese vor Erlass der schriftlichen verkehrsbehördlichen Anordnungen vom 13.07.2007 aufgestellt worden seien.

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Die Verkehrszeichen seien auch materiell rechtswidrig, weil es bei ihrer Aufstellung an einer besonderen örtlichen Gefahrenlage gefehlt habe. Das hier streitgegenständliche Autobahnteilstück westlich von Hannover bis zur Landesgrenze Nordrhein-Westfalen sei nach neuestem Ausbaustand 3-spurig mit breitem Standstreifen, ohne Weiteres übersichtlich und auch mit zügiger Geschwindigkeit gut befahrbar. Häufungen von Anschlussstellen oder Autobahnkreuzen lägen ebenso wenig vor wie Fahrstreifenverschmälerungen. Die pauschale Limitierung eines 40 km langen Autobahnabschnittes könne auch nach großzügiger Auslegung des § 45 Abs. 9 Satz 2 der Straßenverkehrs-Ordnung - StVO - nicht dem Willen des Gesetzgebers entsprechen, da ein solch langer Autobahnabschnitt niemals komplett ein Unfallschwerpunkt sein könne. Die Geschwindigkeitsbegrenzungen seien auch nicht zielführend zur Unfallvermeidung. Die Unfälle, die in dem betreffenden Abschnitt in den vergangenen Jahren zu beklagen gewesen seien, hätten ihre Ursachen nicht in zu schneller Fahrweise gehabt. Die Beklagte habe nicht geprüft, ob ein milderes Mittel als die Geschwindigkeitsbegrenzung in Frage komme. Eine hohe Verkehrsbelastung allein rechtfertige noch kein Tempolimit.

9

In dem 4,5 km langen Abschnitt von km 268,50 bis km 273,00 sei die bereits zuvor geltende Geschwindigkeitsbegrenzung von 120 km/h ungerechtfertigt weiter auf 100 km/h abgesenkt worden. Die Maßnahme habe auch nicht zu einer Senkung der Unfallzahlen in diesem Abschnitt geführt. Auf dem 5 km langen Abschnitt von Bad Eilsen-Ost bis zum Parkplatz Papenbrink kurz vor der Landesgrenze Nordrhein-Westfalen (km 277 bis km 282) rechtfertigten die Unfallzahlen keine Geschwindigkeitsbegrenzung. Die Unfallrate liege hier auf extrem niedrigem Niveau (0,04 - 0,07). Hier dränge sich der Eindruck auf, dass es sich um ein reines Lückenschlusslimit zu der nach km 282 auf niedersächsischem bzw. nordrhein-westfälischem Gebiet angeordneten Geschwindigkeitsbegrenzung von 120 km/h handele.

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Der Kläger hatte zunächst beantragt, das Limit von 130 km/h zwischen km 240 und 251, das Limit von 120 km/h zwischen km 251 und 268 mit Ausnahme der bereits vorher bestehenden Beschränkung auf 2 km Länge zwischen km 254 und km 256 und das Limit von 120 km/h zwischen km 277 und 282 aufzuheben sowie das Limit von 100 km/h zwischen km 268 und km 273 durch das vor dem 01.04.2007 geltende Limit von 120 km/h zu ersetzen.

11

Im Februar bzw. März 2010 ist auf dem streitgegenständlichen, 42 km langen Streckenabschnitt eine Verkehrsbeeinflussungsanlage installiert worden, die nach der verkehrsbehördlichen Anordnung Nr. 1/2010-A2-VBA vom 13.04.2010 auf einer Länge von insgesamt 19 km in Kurvenbereichen sowie bei Gefällstrecken eine max. Geschwindigkeitsbegrenzung von 100 km/h bzw. 120 km/h vorsieht und im Übrigen verkehrs- und ereignisabhängig geschaltet ist.

12

Der Kläger hat daraufhin in der mündlichen Verhandlung seine Klage erweitert auf das Limit von 100 km/h der Verkehrsbeeinflussungsanlage zwischen km 268 und km 270 und das Limit von 120 km/h zwischen km 277 und km 281 sowie den Rechtsstreit im Übrigen in der Hauptsache für erledigt erklärt.

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Der Kläger beantragt nur noch:

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Folgende Geschwindigkeitsbeschränkungen auf der Bundesautobahn A 2 von Hannover in Richtung Dortmund zwischen der Anschlussstelle 41 (Garbsen) und der Landesgrenze Niedersachsen/Nordrhein-Westfalen werden aufgehoben: Das Limit von 100 km/h der Verkehrsbeeinflussungsanlage zwischen den Kilometern 268 bis 270 und das Limit der Verkehrsbeeinflussungsanlage von 120 km/h zwischen den Kilometern 277 und 281.

15

Die Beklagte hat sich der Teilerledigungserklärung des Klägers angeschlossen und beantragt,

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die Klage im Übrigen abzuweisen.

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Sie verweist darauf, dass die BAB A 2 auf den hier geregelten Abschnitten westlich von Hannover bis zur Landesgrenze Nordrhein-Westfalen geprägt sei durch eine hohe Verkehrsbelastung, einen hohen LKW-Anteil und hohe Unfallzahlen.

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Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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1. Soweit die Beteiligten übereinstimmend den Rechtsstreit in der Hauptsache teilweise für erledigt erklärt haben, war das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen; zugleich entscheidet das Gericht gemäß § 161 Abs. 2 VwGO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen über die Kosten.

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Der Kläger hätte bei Fortführung des Verfahrens insoweit nur teilweise obsiegt. Für die verkehrsbehördliche Anordnung vom 13.07.2007 (BS 2 /2007 - A2), mit der die Aufstellung des Verkehrszeichens 274 - 63 (130 km/h) von km 240,50 bis 250,60 als Pilotprojekt befristet bis zum 01.05.2009 angeordnet wurde, hat die Beklagte keine überzeugenden Gründe dargelegt. Gleiches gilt hinsichtlich des sich anschließenden Zeitraums bis zur Inbetriebnahme der Verkehrsbeeinflussungsanlage; insoweit ist dem Gericht nicht einmal eine verkehrsbehördliche Anordnung vorgelegt worden. Nach § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 StVO können die Straßenverkehrsbehörden die Benutzung bestimmter Straßenstrecken aus Gründen der Sicherheit des Verkehrs zur Erforschung des Unfallgeschehens, des Verkehrsverhaltens, der Verkehrsabläufe sowie zur Erprobung geplanter verkehrssichernder oder verkehrsregelnder Maßnahmen beschränken. § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 StVO setzt, ebenso wie die straßenverkehrsrechtliche Generalklausel des § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO, voraus, dass eine konkrete Gefahr für die Sicherheit oder Ordnung des Straßenverkehrs vorliegt. Es genügt also nicht, dass die Straßenverkehrsbehörde eine derartige Gefahr nur vermutet und durch den angeordneten Verkehrsversuch Aufschluss darüber erlangen will, ob sie tatsächlich gegeben ist. Dafür, dass die Vorschrift einen solchen Gefahrerforschungseingriff ermöglichen soll, gibt es keine greifbaren Anhaltspunkte. Ebenso wenig kann § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 StVO als Ermächtigungsgrundlage dienen, wenn lediglich einer abstrakten Gefahr für die Sicherheit oder Ordnung des Straßenverkehrs, wie sie beispielsweise mit hohen Geschwindigkeiten auf Autobahnen generell verbunden ist, begegnet werden soll (OVG Münster, Beschl. v. 19.12.1995 - 25 B 2750/95 -, NZV 1996, 214 = NJW 1996, 2049 mwN). Tatsachen für eine derartige konkrete Gefahr hat die Beklagte nicht vorgetragen; solche sind auch nicht offensichtlich, da die Unfallrate mit Personenschäden in diesem Abschnitt in den Jahren 2005 bis 2008 unstreitig immer deutlich unter dem Bundesdurchschnitt von 0,10 lag. Gleiches gilt für den sich anschließenden, mit der verkehrsbehördlichen Anordnung vom 13.07.2007 (BS 1 /2007 - A2) auf 120 km/h limitierten Streckenabschnitt von km 251 bis km 253.

21

Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit hinsichtlich des auf 120 km/h limitierten Streckenabschnitts von km 257 bis km 267 sowie des auf 100 km/h limitierten Abschnitts von km 271 bis km 272 übereinstimmend für erledigt erklärt haben, hätte die Beklagte bei Fortführung des Verfahrens voraussichtlich obsiegt. Entgegen der klägerischen Ansicht war die zum 01.04. 2007 aufgestellte Beschilderung nicht etwa deshalb formell rechtswidrig oder gar nichtig, weil diese vor Ergehen der verkehrsbehördlichen Anordnung vom 13.07.2007 erfolgt ist. Nach der zutreffenden Ansicht des VG Ansbach stellt eine verkehrsbehördliche Anordnung mangels Außenwirkung - im Gegensatz zum aufgestellten Verkehrszeichen - noch keinen Verwaltungsakt sondern zunächst nur ein bloßes Verwaltungsinternum dar und ist insofern nicht notwendige Voraussetzung für die Bekanntgabe eines Verkehrszeichens (Urt. v. 12.03.2008 - AN 10 K 06.01940, AN 10 K 06.03264, AN 10 K 07.00330 -, juris). Zum anderen kann sich der Kläger nicht auf mögliche behördeninterne Verfahrensfehler bei der Umsetzung von Beschlüssen der Unfallkommission berufen, weil Fehler im Verfahren und der Form gemäß § 46 VwVfG unbeachtlich sind und nicht zur Aufhebung des Verwaltungsaktes führen, wenn die Verletzung - wie hier - die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat.

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Die Geschwindigkeitsbeschränkung auf 120 km/h von km 257 bis km 267 sowie die auf 100 km/h von km 271 bis km 272 war auch materiell rechtmäßig; denn auch dieser Abschnitt ist durch eine überdurchschnittlich hohe Verkehrsbelastung und einen überproportional hohen Anteil von Schwerlastverkehr gekennzeichnet. Darüber hinaus lag auch die Unfallrate mit Personenschäden in diesem Abschnitt in den Jahren 2005 bis 2007 immer über dem Bundesdurchschnitt. Nach der von der Beklagten mit Schriftsatz vom 03.06.2009 vorgelegten Statistik waren auch in dem hier mit erfassten Bereich von Lauenau bis Rehren (km 259,50 bis 268,80) nicht angepasste Geschwindigkeit und ungenügender Abstand die häufigsten Unfallursachen.

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2. Im Übrigen ist die Klage zulässig (a), aber unbegründet (b).

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a) Soweit der Kläger nunmehr die durch eine Verkehrsbeeinflussungsanlage (VBA) im Frühjahr 2010 bekanntgegebenen Geschwindigkeitsbeschränkungen zwischen km 268 und km 279 sowie zwischen km 277 und km 281 anficht, liegt eine Klageänderung iSv § 91 VwGO vor (vgl. VGH München, Beschl. v. 31.03.2009 - 11 ZB 07.630 -, juris). Diese ist nach § 91 Abs. 2 VwGO zulässig, weil die Beklagte sich in der mündlichen Verhandlung hierauf rügelos eingelassen hat.

25

Die Klage ist fristgerecht erhoben, weil auch für Geschwindigkeitsbeschränkungen, die durch eine Verkehrsbeeinflussungsanlage bekannt gemacht werden, die Jahresfrist gilt, die hier eingehalten ist (vgl. VGH München, Urt. v. 29.07.2009 - 11 BV 08.481, 11 BV 08.482 -, juris).

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Der Kläger ist schließlich auch klagebefugt, weil er nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts als Verletzung seiner Rechte geltend machen kann, die rechtsatzmäßigen Voraussetzungen einer auch ihn treffenden Verkehrsbeschränkung nach § 45 Abs. 1 StVO seien nicht gegeben (BVerwG, Urt. v. 27.01.1993, BVerwGE 92, 32). Ausreichend ist danach, dass der Kläger eigenen Angaben nach den fraglichen Streckenabschnitt häufig befährt und sich durch die Geschwindigkeitsbeschränkung in seiner allgemeinen Handlungsfreiheit aus Artikel 2 Abs. 1 GG verletzt sieht.

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b) Die mit der VBA bekanntgegebenen Geschwindigkeitsbeschränkungen von max. 100 km/h auf dem Abschnitt von km 268 bis km 270 sowie von max. 120 auf dem Abschnitt von km 277 bis km 281 sind rechtmäßig; maßgebender Zeitpunkt der Sach- und Rechtslage ist der Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung.

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Rechtsgrundlage hierfür sind die §§ 45 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 9 StVO. Gemäß § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO können die zuständigen Straßenverkehrsbehörden die Benutzung bestimmter Straßenstrecken aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs beschränken. Diese Vorschrift stellt seit jeher die Rechtsgrundlage für Geschwindigkeitsbegrenzungen auf Autobahnen dar (vgl. BVerwG, Urt. v. 05.04.2001 - 3 C 23/00 -, Buchholz 442.151 § 45 StVO Nr. 41), die durch § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO zwar modifiziert und konkretisiert, aber nicht ersetzt wird. Zu den danach zulässigen Beschränkungen zählen auch Anordnungen einer Geschwindigkeitsbegrenzung (§ 41 Abs. 2 Nr. 7 StVO).

29

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der sich die Kammer anschließt, setzt § 45 Abs. 1 Satz 1 iVm § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO für Beschränkungen des fließenden Verkehrs auf Autobahnen eine Gefahrenlage voraus, die - erstens - auf besondere örtliche Verhältnisse zurückzuführen ist und - zweitens - das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der in den voranstehenden Absätzen genannten Rechtsgüter (hier insbesondere: Leben und Gesundheit von Verkehrsteilnehmern sowie öffentliches und privates Sacheigentum) erheblich übersteigt. Letzteres ist dann gegeben, wenn aus den örtlichen Besonderheiten die offensichtliche Befürchtung abzuleiten ist, dass, sähe die zuständige Straßenverkehrsbehörde von jeglicher gefahrenvermindernder Tätigkeit ab, alsbald mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit vermehrt Schadensfälle eintreten würden, womit das Vorliegen einer konkreten Gefahr belegt ist. Obgleich die Bejahung einer konkreten Gefahrenlage vor allem eine sorgfältige Prüfung der Verkehrssituation voraussetzt, bedarf es in einem solchen Fall nicht der Ermittlung eines Unfallhäufigkeitsprozentsatzes. Ebenso wenig bedarf es vertiefter Ermittlungen zur Frage, wie hoch konkret der Anteil an feststellbaren bzw. zu erwartenden Unfällen ist, der ausschließlich oder überwiegend auf die Ursache "überhöhte Geschwindigkeit" zurückzuführen ist. Einem solchen Erfordernis steht bereits das schlichte Erfahrungswissen entgegen, dass Unfälle, zumal Unfälle auf Autobahnen, selten "monokausal" sind, sondern ganz überwiegend auf einer Mehrzahl von zusammenwirkenden Ursachen beruhen, die in ihren Verursachungsanteilen nicht oder nur schwer festzulegen sind; zum anderen ist in diesem Zusammenhang auf den angesichts der deutlich erhöhten Unfallgefahr besonders bedeutsamen Umstand hinzuweisen, dass regelmäßig durch verminderte Geschwindigkeiten zumindest der Schweregrad geschehener oder zu erwartender Unfälle positiv beeinflusst werden kann (BVerwG, Urt. v. 05.04.2001, aaO).

30

Gemessen hieran erweisen sich die Geschwindigkeitsbeschränkungen auf beiden Teilstrecken als rechtmäßig.

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Für beide Teilstrecken gilt, dass die BAB A 2 durch eine überdurchschnittlich hohe Verkehrsbelastung und einen überproportional hohen Anteil des Schwerlastverkehrs gekennzeichnet ist. Beide Aspekte sind geeignet, besondere örtliche Verhältnisse zu begründen. Maßgeblich für die Verkehrsbelastung ist die im DTV-Wert (durchschnittliche tägliche Verkehrsstärke) ausgedrückte durchschnittliche Verkehrsstärke (vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 10.09.2009 - 12 LA 287/07 -, Datenbank OVG unter Hinweis auf BVerwG, Beschl. v. 04.07.2007 - 3 B 79.06 -, NJW 2007, 3015). Der DTV-Wert liegt in diesem Bereich bei über 70.000 Kfz/24h, während der mittlere DTV-Wert im Bundesdurchschnitt in den vergangenen Jahren bei unter 50.000 Kfz/24h lag (www.bast.de). Auch der Anteil des Schwerlastverkehrs lag mit über 20% etwa doppelt so hoch wie im Bundesdurchschnitt. Hinzu kommt, dass sich auf den hier noch streitigen Autobahnabschnitten unstreitig Kurven und Gefällestrecken abwechseln.

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Der Streckenabschnitt von km 268 bis km 270 weist auch in den Jahren 2005 bis 2008 eine gegenüber dem Bundesdurchschnitt von 0,10 erhöhte Unfallrate auf, nämlich 0,15 in 2005, 0,26 in 2006, 0,41 in 2007 und 0,12 in 2008. Dies rechtfertigt die angeordnete Geschwindigkeitsbeschränkung auf 100 km/h. Nach der von der Beklagten mit Schriftsatz vom 03.06.2009 vorgelegten Statistik waren im Bereich von Rehren bis Bad Eilsen (km 268,80 bis 278,90) sowie von Lauenau bis Rehren (km 259,50 bis 268,80) nicht angepasste Geschwindigkeit und ungenügender Abstand die häufigsten Unfallursachen. Schließlich zeigt die von der Beklagten mit Schriftsatz vom 26.02.2010 übersandte Tabelle "Gegenüberstellung der Unfallentwicklungen auf BAB der Jahre 2005 bis 2008" in 2008 eine überproportionale Abnahme der Zahl der Unfälle mit Personenschäden. Auch wenn diese Tabelle einen längeren Abschnitt als den von km 268 bis km 270 umfasst, spricht überwiegendes dafür, dass die angeordnete Geschwindigkeitsbeschränkung auch den gewünschten Erfolg gebracht hat.

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Hinsichtlich des noch streitgegenständlichen Streckenabschnitts von Bad Eilsen-Ost bei km 277 bis zum Parkplatz Papenbrink bei km 282 ist die angeordnete Geschwindigkeitsbeschränkung auf max. 120 km/h ebenfalls rechtmäßig. Die Unfallrate in dem Teilstück zwischen den Anschlussstellen Bad Eilsen-Ost bei km 277 und Bad Eilsen bei km 278,5 liegt in den Jahren 2005 bis 2007 mit 0,14, 0,15 und 0,23 über dem Bundesdurchschnitt.

34

Zwar weist der Kläger zutreffend daraufhin, dass die Unfallzahlen auf dem westlich angrenzenden Teilabschnitt zwischen der Anschlussstelle Bad Eilsen bei km 278,5 und dem Parkplatz Papenbrink bei km 282 allein eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 120 km/h nicht rechtfertigen können, weil diese dort deutlich unter dem Bundesdurchschnitt liegen. Die Kammer hält die für diesen 2,5 km langen Teilabschnitt angeordnete Geschwindigkeitsbeschränkung gleichwohl unter dem Aspekt "Lückenschluss" für gerechtfertigt. Das VG Ansbach sieht einen solchen bis 3 km Länge für zulässig an mit der Begründung, dass dieser deutlich den Verkehrsablauf harmonisiert, da dadurch die Beschleunigung von Fahrzeugen und die alsbald wieder notwendige Drosselung der Geschwindigkeit unterbunden werden. Darüber hinaus könne eine zu kurze Freigabe der Geschwindigkeit mit einer Erhöhung der Gefahren vor allem für ortsunkundige Verkehrsteilnehmer verbunden sein. Zudem seien Verkehrszeichen und Verkehrsbeschränkungen desto wirksamer, je weniger sie bei Verkehrsteilnehmern die Frage aufwerfen könnten, ob eine Beschränkung gerade gelte oder nicht (Urt. v. 12.03.2008, aaO). Die Kammer schließt sich dieser Auffassung an.

35

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 2 VwGO. Die danach vorgenommene Kostenquotelung entspricht dem Maß des Obsiegens bzw. Verlierens.

36

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.