Verwaltungsgericht Hannover
Beschl. v. 12.04.2010, Az.: 13 B 1466/10

Ausreise; Einreise, unerlaubte; Heirat; Visum

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
12.04.2010
Aktenzeichen
13 B 1466/10
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2010, 41086
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGHANNO:2010:0412.13B1466.10.0A

Amtlicher Leitsatz

Einreise ohne Visum und Heirat einer deutschen Staatsbürgerin.

Tenor:

  1. Der Antrag wird abgelehnt.

  2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000,00 EURO festgesetzt ( §§ 52 Abs. 2, 53Abs. 2 GKG ).

Gründe

1

I.

Der Antragsteller, ein türkischer Staatsbürger, begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen eine Ausreiseaufforderung und Abschiebeandrohung.

2

Er reiste vor dem 16.02.2010 ohne das erforderliche Visum in die Bundesrepublik Deutschland ein, nach eigenen Angaben will er sich bereits seit August 2009 in Deutschland aufhalten (Bl. 24 der Verwaltungsvorgänge). Ein Visumantrag hatte die Deutsche Botschaft in Ankara zuvor abgelehnt.

3

Mit Schreiben seines jetzigen Verfahrensbevollmächtigten vom 16.02.2010 beantragte der Antragsteller bei der Antragsgegnerin zunächst eine Duldung und nach erfolgter Eheschließung dann eine Aufenthaltserlaubnis. Er teilte darin mit, dass er eine deutsche Staatsbürgerin - wohl mit türkischem Migrationshintergrund - ehelichen wolle. Er vertrat in dem Schreiben weiterhin die Ansicht, dass auch ohne vorgeschaltetes Visumsverfahren in seinem Fall eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen sei.

4

Zwischenzeitlich erfolgte am 05.03.2010 die Eheschließung.

5

Bereits zuvor, mit Verfügung vom 22.02.2010, forderte die Antragsgegnerin den Kläger zur Ausreise auf und drohte die Abschiebung an.

6

Der Antragsteller hat am 18.03.2010 Klage dagegen erhoben und gleichzeitig um Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nachgesucht.

7

Er trägt vor: Er sei zwar ohne Visum eingereicht, lebe aber jetzt mit einer deutschen Staatsangehörigen in ehelicher Lebensgemeinschaft zusammen. Da er einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis habe, könne auf das Visum gem. § 5 Abs. 2 S. 2 AufEnthG verzichtet werden.

8

Der Antragsteller beantragt,

  1. die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen,

9

hilfsweise,

  1. die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihn, den Antragsteller, vorläufig nicht abzuschieben.

10

Die Antragsgegnerin beantragt,

  1. den Antrag abzulehnen

11

Der angestrebten Aufenthaltserlaubnis stehe die unerlaubte Einreise entgegen. Auch habe der Antragsteller keine ausreichenden Sprachkenntnisse nachweisen können. Unzumutbar sei das Nachholen des Visumverfahrens ebenfalls nicht. Weiterhin machte die Antragsgegnerin Ausführungen zu ihren Ermessenserwägungen.

12

Die Kammer hat die Sache mit Beschluss vom 09.04.2010 dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.

13

Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

14

Die Entscheidung ergeht gemäß § 6 Abs. 1 VwGO durch den Einzelrichter.

15

Das Gesuch um vorläufigen Rechtsschutz hat weder mit dem Haupt- noch mit dem Hilfsantrag Erfolg.

16

Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Verwaltungsgericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelf ( § 80 Abs. 1 VwGO ) ganz oder teilweise wiederherstellen bzw. in Fällen des § 80 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 VwGO die aufschiebende Wirkung anordnen. Dabei prüft das Gericht zum einen, ob im Fall des § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO die Anordnung der sofortigen Vollziehung ordnungsgemäß nach § 80 Abs. 3 VwGO begründet wurde. Zum anderen trifft das Gericht eine eigene Interessenabwägung zwischen dem privaten Interesse des bzw. der Antragsteller, vorläufig von den Wirkungen des angefochtenen Verwaltungsaktes verschont zu bleiben (Aufschubinteresse) und dem besonderen öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung dieses Verwaltungsaktes (Sofortvollzugsinteresse). Bei dieser Interessenabwägung sind wiederum zunächst die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs des bzw. der Antragsteller in der Hauptsache zu berücksichtigen, soweit diese bei summarischer Prüfung absehbar sind. Bestehen bereits bei summarischer Prüfung ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes (vgl. § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO ) und wird der Rechtsbehelf deshalb in der Hauptsache mit überwiegender Wahrscheinlichkeit Erfolg haben, ist dem Antrag regelmäßig stattzugeben, denn ein überwiegendes öffentliches (oder anderes privates) Interesse am sofortigen Vollzug eines offensichtlich rechtswidrigen Verwaltungsaktes kommt nicht in Betracht. Bestehen solche Zweifel nicht, erweist sich also der angegriffene Verwaltungsakt bei summarischer Prüfung als offensichtlich rechtmäßig und wird der Rechtsbehelf in der Hauptsache deshalb mit überwiegender Wahrscheinlichkeit keinen Erfolg haben, so ist der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes in der Regel abzulehnen. So liegt es hier. Die Ausreiseaufforderung und Abschiebeandrohung ist nach im Eilverfahren gebotener summarischer Prüfung zu Recht ergangen.

17

Eine einstweilige Anordnung - wie hilfsweise beantragt - kann das Gericht gem. § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO zur vorläufigen Regelung eines streitigen Rechtsverhältnisses dann erlassen, wenn glaubhaft gemacht ist, dass der geltend gemachte Anspruch gegenüber der Antragsgegnerin besteht und ohne eine vorläufige Regelung wesentliche, in § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO näher beschriebene Nachteile zu entstehen drohen. Im vorliegenden Fall ist es dem Antragsteller nicht gelungen, einen Anordnungsanspruch glaubhaft zu machen, § 123 Abs. 3 VwGO, § 920 Abs. 2 ZPO. Der Antragsteller hat keinen Anspruch gegen die Antragsgegnerin, dass diese ihn vorläufig weiterhin duldet. Die Ermessensentscheidungen der Antragsgegnerin sind nicht zu beanstanden.

18

Nach § 50 Abs. 1 AufEnthG ist der Antragsteller zur Ausreise verpflichtet. Er besitzt keinen Aufenthaltstitel. Seine Ausreisepflicht ist vollziehbar, § 58 Abs. 2 AufEnthG. Denn er ist unerlaubt iSd § 14 AufEnthG in die Bundesrepublik eingereist. Er ist, wenn er nicht freiwillig ausreist, gem. § 58 Abs. 1 AufEnthG abzuschieben.

19

Der Antragsteller kann sich nicht mit Erfolg auf § 5 Abs. 2 Satz 2 AufEnthG berufen. Zwar dürfte nicht allein der Umstand, dass der Antragsteller entgegen § 5 Abs. 2 Satz 1 AufEnthG ohne Visum eingereist ist, dem Anspruch entgegengehalten werden können. Dies würde nämlich zu einem Zirkelschluss in der Vorschrift des § 5 Abs. 2 S. 2 AufEnthG führen (vgl. auch VG Hannover, Beschl. v. 14.01.2010 - 13 B 6214/09 -).

20

Dem Vortrag der Antragsgegnerin, der Antragsteller erfülle nicht die Anforderungen (vgl. §§ 28 Abs. 1 S. 5, 30 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AufEnthG), sich in einfacher deutscher Sprache zu verständigen, ist der Antragsteller aber nicht entgegengetreten. Von daher besteht kein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis.

21

Zudem ist eine kurzfristige Trennung den Eheleuten durchaus zuzumuten. Es ist dem Antragsteller ebenfalls zuzumuten, entsprechende Deutschkenntnisse zu erwerben und das Visumsverfahren nachzuholen. Zudem besteht natürlich daneben die Möglichkeit, dass ihm seine Ehefrau solange in die Türkei begleitet; da ihr der dortige Kulturkreis nicht fremd ist, erscheint diese Möglichkeit auch nicht allzu fernliegend.

22

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung erfolgt gemäß § 52 Abs. 2 GKG n.F.