Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 07.06.2012, Az.: 2 W 149/12

Grundsätze zum Beginn der Verjährung des Kostenansatzes gegen den Zweitschuldner

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
07.06.2012
Aktenzeichen
2 W 149/12
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2012, 16994
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2012:0607.2W149.12.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hannover - 23.04.2012

Fundstellen

  • JurBüro 2012, 538-539
  • NJW 2012, 8

Amtlicher Leitsatz

Erhebt der Zweitschuldner, der mehr als 4 Jahre nach dem Schluss des Jahres, in dem das Verfahren beendet worden ist, auf Zahlung der Gerichtskosten in Anspruch genommen worden ist, die Einrede der Verjährung, hat der Kostenbeamte zu ermitteln, wann erstmals eine Vollstreckung gegen den Erstschuldner erfolglos geblieben bzw. aussichtslos erschienen ist.

Tenor:

Auf die als Beschwerde geltende sofortige Beschwerde des Antragstellers vom 11. Mai 2012 werden der am 30. April 2012 zugestellte Beschluss des Vorsitzenden der 5. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Hannover vom 23. April 2012 und die Nichtabhilfeentscheidung der Kostenbeamtin vom 28. März 2012 aufgehoben.

Die Sache wird an die Kostenbeamtin zur erneuten Entscheidung über die Abhilfe hinsichtlich der Erinnerung des Antragstellers vom 22. März 2012 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats zurückverwiesen.

Im Übrigen wird die Beschwerde des Antragstellers zurückgewiesen.

Die Entscheidung ergeht gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

1

I. Der Antragsteller, der im zugrundeliegenden einstweiligen Verfügungsverfahren einen Beschluss vom 26. Mai 206 erwirkt hat, in dem die Kosten des Verfahrens dem Antragsgegner auferlegt worden sind, wendet sich mit der Beschwerde gegen die Zurückweisung seiner Erinnerung gegen die Kostenrechnung vom 14. März 2012, mit der er als Zweitschuldner für die angefallenen Gebühren gemäß Nr. 1311 des Kostenverzeichnisses der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG auf Zahlung von 588,00 € in Anspruch genommen wird. Mit dem am 14. März 2012 eingegangenen Schreiben vom 7. März 2012 hatte die Zentrale Vollstreckungsstelle der Oberfinanzdirektion N. zuvor mitgeteilt, dass die Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen des Antragsgegners und Entscheidungsschuldners erfolglos geblieben sei bzw. aussichtslos erscheine.

2

Der Antragsteller erhebt die Einrede der Verjährung und vertritt die Ansicht, dass der Landeskasse die wegen des Zeitablaufs von rund 6 Jahren zu vermutende frühere Kenntnis der Oberfinanzdirektion hinsichtlich der zu vermutenden Erfolglosigkeit eventueller Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen den Erstschuldner anzulasten sei.

3

Die durch den Bezirksrevisor vertretene Landeskasse hat auf fernmündliche Nachfrage mitgeteilt, dass sie auch für das Beschwerdeverfahren an ihrer im Erinnerungsverfahren abgegebenen Stellungnahme vom 30. März 2012 festhalte.

4

II. Die gemäß § 66 Abs. 2 GKG zulässige Beschwerde hat in der Sache vorläufigen Erfolg.

5

Zwar hat das Landgericht die Erinnerung des Antragstellers als das gemäß § 66 Abs. 1 GKG zuständige Gericht des ersten Rechtszuges durch den Vorsitzenden Richter der Kammer für Handelssachen, der insoweit nicht als Einzelrichter zu entscheiden hatte, zu Unrecht mit der Erwägung zurückgewiesen, dass die Verjährungsfrist für den Zweitschuldner nicht vor der Kenntniserlangung der Landeskasse von dem Schreiben der OFD N. vom 7. März 2012 über die erfolglose Vollstreckung gegen den Erstschuldner habe beginnen können.

6

Eine endgültige Entscheidung über die Erinnerung kann jedoch erst erfolgen, wenn die Kostenbeamtin ermittelt hat, wann die tatsächlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Antragstellers als Zweitschuldner gemäß §§ 31 Abs. 2 Satz 1, 22 Abs. 1 Satz 1 GKG in Verbindung mit §§ 8, 33 Abs. 2 KostVfg eingetreten sind.

7

1. Der Senat teilt die Auffassung des Oberlandesgerichts Düsseldorf (vgl. BeckRS 2010, 04544), dass der Lauf der vierjährigen Verjährungsfrist gemäß § 5 Abs. 1 GKG für den Zweitschuldner regelmäßig nicht bereits mit dem Schluss des Jahres beginnt, in dem das Verfahren beendet worden ist, also hier mit dem 31. Dezember 2006, sondern erst mit dem Vorliegen der Voraussetzungen des §§ 31 Abs. 2 GKG, 8 Abs. 1 KostVfg. Nach dieser zwingenden Vorschrift soll der neben dem Erstschuldner gemäß § 30 Abs. 1 GKG als Gesamtschuldner haftende Zweitschuldner erst dann in Anspruch genommen werden, wenn eine Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen des Erstschuldners erfolglos geblieben ist oder aussichtslos erscheint.

8

Die Inanspruchnahme des Zweitschuldners ist mithin nur zulässig, wenn sich seine Sekundärhaftung dadurch in eine Primärhaftung umwandelt, dass der Erstschuldner zahlungsunfähig ist (vgl. Oestreich, GKG, 2010 § 5 Rdnr. 4).

9

Der Senat lässt es in Übereinstimmung mit dem OLG Düsseldorf (aaO.) offen, ob § 31 Abs. 2 GKG die Wirkung einer aufschiebenden Bedingung oder einer gesetzlichen Stundung zukommt. In beiden Fällen beginnt die Verjährungsfrist für den Zweitschuldner nicht vor Eintritt der Voraussetzungen für eine Zweitschuldnerinanspruchnahme zu laufen. Die Verjährungsfrist, auf die gemäß § 5 Abs. 3 GKG die Vorschriften des BGB anzuwenden sind, mag zwar durch ein gesetzliches Leistungsverweigerungsrecht gemäß § 205 BGB nicht gehemmt sein (vgl. OLG Celle - 19. Zivilsenat - JurBüro 2008, 324[OLG Celle 29.02.2008 - 19 WF 41/08]). Sie beginnt jedoch gemäß § 199 BGB nicht vor dem Entstehen des Anspruchs. Dies setzt entweder den Eintritt der Bedingung für die Inanspruchnahme des Zweitschuldners oder den erstmaligen Eintritt der Fälligkeit des Anspruchs gegen den Zweitschuldner voraus, die im Falle der anfänglichen Stundung hinausgeschoben ist (vgl. OLG Düsseldorf aaO.).

10

Die Kostenbeamtin war nach der Erhebung der Verjährungseinrede in der Erinnerung des Antragstellers nicht zu der Annahme berechtigt, dass die Verjährungsfrist für die Inanspruchnahme des Zweitschuldners deshalb noch nicht abgelaufen war, weil ihr erst am 14. März 2012 die Mitteilung der Oberfinanzdirektion N. über die Erfolglosigkeit der Zwangsvollstreckung gegen den Erstschuldner bekannt geworden ist.

11

Gibt die Gerichtskasse oder, wie im vorliegenden Fall, die für sie tätige Oberfinanzdirektion N. als Vollstreckungsbehörde die Kostenrechnung zurück, weil der darin genannte Kostenschuldner nach ihrer Kenntnis zahlungsunfähig ist, so hat der Kostenbeamte diese Beurteilung zwar seiner weiteren Prüfung zugrunde zu legen, wenn ihm nicht Tatsachen bekannt sind, die der Auffassung der Gerichtskasse entgegenstehen, § 33 Abs. 2 KostVfg.

12

Indessen gilt dies nur für die Tatsache des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit, nicht aber für den Zeitpunkt des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit, auf den es für den Beginn der Verjährungsfrist ankommt. Dem Schutzgedanken der §§ 31 Abs. 2 GKG, 8 Abs. 1 KostVfg ist nämlich eine - wenn auch nur eingeschränkte - Verpflichtung der Kostenbeamtin zu entnehmen, vor Geltendmachung der Zweitschuldnerhaftung zu prüfen, ob Tatsachen bekannt sind, die seiner Inanspruchnahme weiterhin entgegenstehen (vgl. KG KGR Berlin 2005, 27).

13

Dazu gehört - jedenfalls nach Ablauf von mehr als 4 Jahren seit dem auf die Beendigung des zugrundeliegenden Verfahrens folgenden Schlusses des Kalenderjahres - auch die Ermittlung des für den Beginn der Verjährungsfrist maßgeblichen Zeitpunktes der Zahlungsunfähigkeit des Erstschuldners durch Nachfrage bei der Zentralen Vollstreckungsstelle der Oberfinanzdirektion Niedersachsen, wann erstmals eine Zwangsvollstreckung in das Vermögen des Erstschuldners erfolglos verlaufen ist oder ggfs. worauf ohne einen derartigen Vollstreckungsversuch die Beurteilung gestützt worden ist, dass eine Zwangsvollstreckung aussichtslos erscheint. Dabei ist zu beachten, dass es mehr als einer erfolglosen Vollstreckung nicht bedarf. Ist auch nur eine Zwangsvollstreckung gegen den Erstschuldner fruchtlos ausgefallen, ist damit die Vorzugsstellung des Zweitschuldners mit der Folge erloschen, dass er für die Gerichtskosten uneingeschränkt zahlungspflichtig wird (vgl. Oestreich aaO. Rdnr. 14). Der Lauf der Verjährungsfrist für Ansprüche gegen den Zweitschuldner beginnt damit ohne Rücksicht darauf, wann die Kostenbeamtin von diesem Zeitpunkt Kenntnis erlangt, sofern der Zeitpunkt nicht vor dem gemäß § 5 Abs. 1 GKG für den Verjährungsbeginn maßgeblichen Schluss des Jahres liegt, in dem das zugrundeliegende Verfahren beendet worden ist. Die Erkundigungspflicht des Kostenbeamten hinsichtlich des Zeitpunktes des Eintritts der Zahlungsfähigkeit des Erstschuldners nach Erhebung der Verjährungseinrede durch den Zweitschuldner ist auch deshalb geboten, weil der Zweitschuldner keine Kenntnis darüber besitzt, wann die Gerichtskasse welche Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen den Erstschuldner ergriffen hat.

14

2. Die Beschwerde des Antragstellers rechtfertigt allerdings ohne den Eintritt der Verjährung nicht die Aufhebung der Zweitschuldnerkostenrechnung.

15

Insbesondere entfällt die Zweitschuldnerhaftung nicht allein deshalb, weil seit der Beendigung des zugrunde liegenden Verfahrens rund 6 Jahre verstrichen sind.

16

Eine unrichtige Sachbehandlung im Sinne von § 21 Abs. 1 GKG, welche die Nichterhebung der Kosten bei dem Zweitschuldner rechtfertigen könnte, liegt darin nicht. Ein Gebot, den Erstschuldner alsbald und zügig in Anspruch zu nehmen, damit die Zweitschuldnerhaftung nicht zum Tragen kommt, kann dem Gesetz nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit entnommen werden (KG aaO.; OLG Düsseldorf aaO.).

17

Ebenso wenig kann eine Verwirkung des Anspruchs angenommen werden, weil keine vertrauensbegründenden Handlungen der Justizkasse ersichtlich sind und ein reiner Zeitablauf hierfür nicht ausreicht. Zudem hat der Antragsteller auch nicht dargetan, Vermögensdispositionen getroffen zu haben, die er nicht getroffen hätte, wenn er weiter von der Möglichkeit einer Inanspruchnahme als Zweitschuldner ausgegangen wäre.

18

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 66 Abs. 8 GKG.