Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 28.06.2012, Az.: 2 W 171/12
Vergütung des Sachverständigen für eine Stellungnahme im Ablehnungsverfahren
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 28.06.2012
- Aktenzeichen
- 2 W 171/12
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2012, 18840
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2012:0628.2W171.12.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Bückeburg - 31.05.2012
Rechtsgrundlagen
- § 8 JVEG
- § 406 ZPO
- § 413 ZPO
Fundstellen
- BauR 2012, 1685-1687
- BauSV 2012, 78-79
- BauSV 2014, 70
- GuG 2012, 379-381
- GuG aktuell 2012, 39
- IBR 2012, 485
- KfZ-SV 2015, 19-20
- KfZ-SV 2012, 32-33
- Mitt. 2013, 47 "Sachverständiger; Sachverständigenkosten"
Amtlicher Leitsatz
Der Sachverständige erhält für eine Stellungnahme zu einem gegen ihn gerichteten Ablehnungsantrag einer Partei keine Vergütung.
Tenor:
Die Beschwerde des Antragstellers vom 9. Juni 2012 gegen den Beschluss des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des Landgerichts Bückeburg vom 31. Mai 2012 wird zurückgewiesen.
Die Entscheidung ergeht gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Gründe
I. Die gem. § 4 Abs. 3 JVEG zulässige Beschwerde des Sachverständigen ist nicht begründet. Mit Recht hat das Landgericht die vom Sachverständigen für seine Stellungnahme vom 25. Februar 2012 zu dem Befangenheitsgesuch des Klägers mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 3. Februar 2012 beantragte Vergütung versagt, weil eine solche Stellungnahme grundsätzlich nicht zu vergüten ist.
1. In Rechtsprechung und Literatur ist umstritten, ob ein Sachverständiger für eine Stellungnahme zum Ablehnungsantrag einer Partei eine Entschädigung erhält. Während die wohl herrschende Meinung dem Sachverständigen für seinen Aufwand einer solchen Stellungnahme grundsätzlich keine Vergütung zubilligt (OLG München, MDR 1994, 1050; OLG Düsseldorf MDR 1994, 1050; OLG Köln, VersR 1995, 1508; OLG Koblenz, MDR 2000, 416 [OLG Koblenz 08.12.1999 - 10 W 788/99]; KG MDR 2010, 719 [KG Berlin 26.01.2010 - 19 AR 2/09]; Zöller-Greger, ZPO, 29. Aufl., Rdnrn. 12a zu § 406 und 1 zu § 413; Hartmann, Kostengesetze, 42. Aufl., Rdnr. 12 zu § JVEG; Meyer/Höver/Bach, JVEG, 25. Auflage, Rdnr. 8.39 zu § 8), wird mit unterschiedlichen Begründungen und unter unterschiedlichen Voraussetzungen auch vertreten, dass dem Sachverständigen dafür eine Entschädigung zustehen kann (OLG Frankfurt, MDR 1993, 474 [BGH 03.12.1992 - IX ZR 229/91]; OLG Stuttgart MDR 2007, 1456 [OLG Stuttgart 11.09.2007 - 10 W 23/07][OLG Stuttgart 11.09.2007 - 10 W 23/07]; LSG Chemnitz, Beschluss vom 19. Dezember 2007 - L 2 U 77/06 -, juris; LSG Stuttgart, Beschluss vom 17. Februar 2004 - L 12 RA 1624/03 KO-A-, juris; Musielak-Huber, ZPO, 8. Aufl., Rdnr. 1 zu § 413). Der Senat erachtet die erstgenannte Auffassung für richtig.
2. Der Sachverständige kann gem. § 413 ZPO eine Vergütung nur nach Maßgabe der Vorschriften des JVEG verlangen. Nach § 8 JVEG erhält der Sachverständige eine Vergütung für seine Leistung (§§ 9 und 10 JVEG), Ersatz von Fahrtkosten (§ 5 JVEG) und für sonstige und besondere Aufwendungen (§§ 7 und 12 JVEG) und eine Aufwandsentschädigung (§ 6 JVEG). Nach all diesen Vergütungstatbeständen, die eine abschließende Regelung enthalten, ist eine Stellungnahme zu einem Befangenheitsgesucht nicht zu vergüten.
a. Eine Vergütung für seine Leistung nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 JVEG i.V.m. §§ 9 bis 11 JVEG kann der Sachverständige (entgegen der Auffassung des OLG Frankfurt aaO., das einen Vergütungsanspruch ohne weitere Voraussetzungen annimmt) nicht verlangen, weil seine Stellungnahme keine Leistung im Sinne des JVEG ist. Gemeint ist damit seine Leistung als Sachverständiger, mithin der besondere Sachverstand, auf dem die erbrachte Leistung gründet. Das zeigt sich bereits in der Struktur der Vorschrift des § 9 JVEG, der die Höhe der Vergütung von einer Zuordnung gerade dieser Leistung (nicht der grundsätzlichen Qualifikation des Sachverständigen) zu einer nach Sachgebieten zu bestimmenden Honorargruppe abhängig macht. Umgekehrt formuliert bedeutet das, dass eine Leistung im Sinne der Vorschrift nur das ist, was auf einem bestimmten Sachgebiet erbracht wird (so auch ausdrücklich der Wortlaut des § 9 Abs. 1 S. 3 JVEG:
"... wird die Leistung auf einem Sachgebiet erbracht ...").
Die Stellungnahme zu einem Befangenheitsgesuch ist aber gerade keine auf irgendeinem Sachgebiet erbrachte Leistung, sie setzt nicht den für die Erstellung des Gutachtens gebotenen Sachverstand voraus. Dass es bei der Leistung mithin nur um das Gutachten in der Sache gehen kann, belegt auch gerade die Überschrift der ersten Spalte der Tabelle zu den Honorargruppen M 1 bis M 3 in der Anlage 1 zu § 9 Abs. 1 JVEG. Diese Spalte, in der die jeweiligen Tatbestände für die Zuordnung zu einer der Honorargruppen M 1 bis M 3 geregelt sind, ist mit
"Gegenstand medizinischer und psychologischer Gutachten"
überschrieben. Diese - und nur diese - sind Leistungen, die einer Honorargruppe zugeordnet werden können. Eine Stellungnahme zu einem Befangenheitsgesuch ist aber weder ein medizinisches noch ein und psychologisches Gutachten.
b. Auch die systematische Stellung des Sachverständigen im prozessualen Gefüge spricht gegen eine Vergütung. Zutreffend weist das OLG Düsseldorf (aaO.) darauf hin, dass die entschädigungspflichtigen Aufgaben des Sachverständigen ungeachtet ihres Umfangs nicht die Tätigkeiten des Sachverständigen umfassen, die das rechtliche Grundverhältnis zwischen ihm einerseits sowie Gericht, Landeskasse und Parteien andererseits betreffen. Nach der gesetzlichen Regelung in den §§ 42, 406 ZPO ist das Risiko des Sachverständigen, von einer Partei als befangen abgelehnt zu werden, untrennbar mit seiner forensischen Tätigkeit verbunden, ihr quasi immanent. Wenn der Sachverständige vor diesem Hintergrund zu einem Ablehnungsgesuch Stellung nimmt, betrifft dies seine prozessuale Grundstellung und nicht zu entschädigende Bemühungen als fachkundiger Gehilfe des Richters im Rahmen der Beweisaufnahme.
c. Dass eine solche Stellungnahme nicht von §§ 8, 9 JVEG erfasst werden soll, zeigt auch der Umstand, dass auch andere Stellungnahmen des Sachverständigen, die nicht der unmittelbaren Abarbeitung des eigentlichen Gutachtenauftrages dienen, keine Vergütungsansprüche auslösen. So liegt der Fall etwa dann, wenn der Sachverständige sich mit einer Kürzung der von ihm begehrten Vergütung auseinandersetzt. Gerade weil aber ein Ablehnungsgesuch unter weiteren Voraussetzungen auch zum Entfallen des Vergütungsanspruchs insgesamt führen kann, ist eine Stellungnahme zu einem Ablehnungsgesuch jedenfalls aus Sicht des Sachverständigen dieselben Interessen zu verteidigen geeignet. Regelmäßig wird der Sachverständige eine Stellungnahme abgeben, um sich des seinen Vergütungsanspruch gefährdenden Vorwurfs der verschuldeten Herbeiführung eines Ablehnungsgrundes zu erwehren. Damit korrespondiert auch, dass gerade dieses Risiko dem Gericht Anlass gibt, eine keinesfalls grundsätzlich gebotene Anhörung eines Sachverständigen zu einem Ablehnungsgesuch (vgl. Zöller-Greger, aaO., Rdnr. 12a zu § 406) vorzunehmen. Schon deswegen erschiene eine unterschiedliche Behandlung im Vergleich zu einer Stellungnahme wegen einer Kürzung der beantragten Vergütung nicht gerechtfertigt.
Hinzu kommt, dass der Sachverständige - anders als bei der zu vergütenden Leistung des Gutachtens selbst nach § 407 ZPO - keine Pflicht zur Abgabe einer Stellungnahme hat. Deswegen erscheint auch eine Unterscheidung eines Vergütungsanspruchs danach, ob der Sachverständige zur Stellungnahme aufgefordert (dann soll der Sachverständige nach Auffassung des LSG Chemnitz aaO. dafür vergütet werden) oder ihm bloß dazu Gelegenheit gegeben wurde (dann soll kein Vergütungsanspruch entstehen) nicht nur zu unscharf zur Differenzierung (wie ist es zu beurteilen, wenn das Gericht eine bloße Bitte um Stellungnahme ausspricht?). Sie verkennt auch, dass es dem Sachverständigen in beiden Fällen und damit unabhängig von der Formulierung einer gerichtlichen Anfrage freisteht, sich zu äußern und er durch Zwangsmittel dazu nicht angehalten werden kann.
d. Soweit das LSG Stuttgart (aaO.) zwar eine Stellungnahme zu einem Befangenheitsgesuch wegen des Verhaltens des Sachverständige nicht vergütet sehen möchte, die Frage aber anders bewertet, wenn sich der vorgebrachte Befangenheitsgrund auf den Inhalt des Gutachtens bezieht, vermag auch das nicht zu überzeugen. Entgegen der Ansicht des LSG Stuttgart wäre der Sachverständige nämlich auch dann nicht zu Beweiszwecken herangezogen worden. Das ist erst dann der Fall, wenn das Gericht dem Sachverständigen eine inhaltliche Ergänzung seines Gutachtens aufgibt. Wenn dem Sachverständigen mit einem Befangenheitsgesucht fachliche Fehler vorgeworfen werden, so mag er Anlass haben, diese auszuräumen oder ggf. auch zuzugestehen. Der Auftrag der Ergänzung des Gutachtens wird damit aber regelmäßig schon deswegen nicht verbunden sein können, weil vom Gericht zunächst als Vorfrage zu klären ist, ob die Befangenheit der Verwertbarkeit der Leistung und damit auch einer Ergänzung des Gutachtens entgegensteht. Eine Stellungnahme zum Befangenheitsgesuch dient aber lediglich der Klärung dieser Vorfrage. Soweit der Sachverständige sich dabei und deswegen ggf. auch in Teilen mit dem Inhalt seines Gutachtens auseinanderzusetzen hat, ändert das indes nichts daran, dass seine Stellungnahme unverändert nicht das Gutachten oder dessen Ergänzung ist und seine Ausführungen ausschließlich im Hinblick auf seine prozessuale Stellung geboten sind.
e. Eine Vergütung aus einem anderen Grund kommt ebenfalls nicht in Betracht. Weder liegt eine besondere Leistung nach §§ 8 Abs. 1 Nr. 1, 10 JVEG vor noch sind Fahrtkosten (§§ 8 Abs. 1 Nr. 2, 5 JVEG) oder Aufwendungen (§§ 8 Abs. 1 Nr. 4, 7, 12 JVEG) entstanden noch ist ein Termin wahrzunehmen gewesen (§§ 8 Abs. 1 Nr. 3, 6 JVEG).
3. Soweit das OLG Stuttgart (aaO.) meint, der Sachverständige sei bei einer Stellungnahme zu einem Ablehnungsgesuch wie ein Zeuge zu entschädigen, hat der Gesetzgeber eine solche Vergütung gerade nicht vorgesehen. Der Sachverständige ist als Gehilfe des Gerichts kein von den Parteien angebotener, vom Gericht als solcher durch Beweisbeschluss bestimmter und vor seiner "Aussage" belehrter Zeuge, er hat nicht dessen Pflichten und er hat auch nicht dessen Rechte. Insoweit ist auch die Entschädigung des Zeugen als Strengbeweismittel der ZPO abschließend durch § 401 ZPO i.V.m. den Vorschriften des JVEG geregelt. Hätte der Gesetzgeber eine Vergütung des Sachverständigen nach den Grundsätzen der Zeugenvergütung herbeiführen wollen, so hätte er in Kenntnis der Diskussion in der Rechtsprechung (das JVEG hat das ZSEG erst im Jahr 2004 abgelöst) hierzu eine Regelung treffen müssen.
Nach alledem ist die Stellungnahme des Antragstellers zu dem gegen ihn gerichteten Ablehnungsgesuch nicht gesondert zu vergüten.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 4 Abs. 8 JVEG.
Die Entscheidung ist unanfechtbar. Die Voraussetzungen für eine weitere Beschwerde nach § 4 Abs. 5 JVEG liegen nicht vor, weil das Oberlandesgericht als Beschwerdegericht entschieden hat und weil gemäß § 4 Abs. 4 Satz 3 JVEG eine Beschwerde an den Bundesgerichtshof nicht stattfindet.