Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 12.02.2003, Az.: 2 K 667/00
Abzugsfähigkeit von Zahlungen zur Ablöse für ein Erbbaurecht als Werbungskosten
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 12.02.2003
- Aktenzeichen
- 2 K 667/00
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 17381
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2003:0212.2K667.00.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BFH - 13.12.2005 - AZ: IX R 24/03
Rechtsgrundlage
- § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 7 EStG
Fundstellen
- DStRE 2003, 909-911 (Volltext mit amtl. LS)
- EFG 2003, 842-844 (Volltext mit red. LS)
- ImmoStR 2003, 96
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Die Bestellung eines Erbbaurechts ist kein einkunftsrelevanter Vorgang.
- 2.
Im Rahmen des für die Dauer des Erbbaurechts bestehenden Leistungsaustauschs besteht die Leistung des Grundstückseigentümers nur in der Duldung der Nutzung des Grundstücks; hierfür erhält er den Erbbauzins und nur dieser ist einkunftsrelevant.
- 3.
Für den Berechtigten ist der Erwerb des Erbbaurechts ein Anschaffungsgeschäft.
- 4.
Die Löschung des Erbbaurechts ist für den Berechtigten mit einer Grundstücksveräußerung vergleichbar.
- 5.
Wendet der Erbbauverpflichtete für die Löschung seiner Erbbaurechtsverpflichtung etwas auf, so entstehen ihm hierdurch nachträgliche Anschaffungskosten auf das Grundstück.
Tatbestand
Streitig ist, ob der Kläger im Streitjahr 1997 Zahlungen zur Ablösung von Erbbaurechten als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abziehen kann.
Der Kläger wurde im Streitjahr 1997 mit seiner - im Jahr 2001 verstorbenen - Ehefrau zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger war im Streitjahr Kaufmann, seine Ehefrau Hausfrau. Die Ehefrau war Eigentümerin mehrerer Grundstücke A-Straße in X. Auf den befanden sich Gebäude mit Wohnungen und gewerblich genutzten Räumen. Die daran angrenzenden Grundstücke waren seit dem Jahre 1920 mit Erbbaurechten belastet, die bis zum Jahre 2010 laufen sollten. Im Streitjahr erhielt die Ehefrau des Klägers einen Erbbauzins von 1.265 DM.
Mit notariellem Vertrag vom März 1997 erwarb die Ehefrau des Klägers die Erbbaurechte mitsamt den aufstehenden Gebäuden für insgesamt 820.000 DM. Die Erbbaurechtsbelastungen wurden im Grundbuch gelöscht. Im Anschluss an die Ablösung wurden die auf den Erbbau-Grundstücken stehenden Gebäude und Garagen abgerissen. Danach errichtete die Ehefrau des Klägers einen Neubau. Der Neubau war mit dem gewerblich genutzten Teil des Nachbargebäudes bautechnisch verbunden und wurde nach seiner Fertigstellung zusammen mit diesem ab dem Folgejahr 1998 vermietet.
Die Mieten für die gewerblich genutzten Räume auf den Grundstücken entwickelten sich wie folgt:
1997 | 247.958,00 DM |
---|---|
1998 | 278.803,00 DM |
1999 | 425.478,00 DM |
In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machten die Eheleute Aufwendungen zur Ablösung des Erbbaurechts von insgesamt 853.706 DM als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung der Grundstücke A-Straße geltend. Der Beklagte versagte diesen Werbungskostenabzug und erließ einen entsprechenden Einkommensteuerbescheid.
Hiergegen richtet sich nach erfolglosem Vorverfahren die Klage. Der Kläger ist der Meinung, die Zahlungen für die Ablösung des Erbbaurechts seien Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung des Grundstücks A-Straße. Durch die vorzeitige Ablösung habe die Ehefrau das Grundstück für die Zukunft besser vermieten können. So wie Zahlungen an Mieter für eine vorzeitige Auflösung eines Mietverhältnisses regelmäßig als Werbungskosten zu berücksichtigen seien, müsse dies auch für die Ablösung eines dinglichen Rechts gelten. Eine Unterscheidung zwischen obligatorischen und dinglichen Rechten sei in diesem Zusammenhang nicht sachgerecht. Das Erbbaurecht berechtige wie Miete oder Pacht zum Gebrauch oder zur Nutzung. Zur steuermindernden Berücksichtigung von Ablösezahlungen komme es auch nach den entsprechend anzuwendenden Regelungen des sog. Nießbrauchserlasses (BMF-Schreiben vom 24. Juli 1997, IV B 3 - S 2253 - 59/98 - BStBl. I 1998, 914). So seien nach Tz. 63 dieses Erlasses die Zahlungen des Eigentümers zur Ablösung eines entgeltlich bestellten Zuwendungsnießbrauchs als negative Einnahmen im Jahr der Zahlung anzusetzen.
Die Ablösung des Erbbaurechts sei auch kein Erwerb von Gebäuden in Abbruchabsicht gewesen.
Der Kläger beantragt,
den Einkommensteuerbescheid 1997 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 15. September 2000 zu ändern und weitere 853.706 DM steuermindernd bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu berücksichtigen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält an seiner Auffassung fest, die Ablösezahlung sei weder als Werbungskosten noch als negative Einnahmen steuermindernd zu berücksichtigen. Der Erwerb des Erbbaurechts führe zu (weiteren) Anschaffungskosten der erworbenen Gebäude und des Grund und Bodens. Die Anschaffungskosten seien grundsätzlich auf die Nutzungsdauer zu verteilen und nur in Höhe einer Absetzung für Abnutzung (AfA) abzugsfähig. Der auf die Gebäude entfallende Teil der Ablösezahlung sei hier aber in die Herstellungskosten des Neubaus einzubeziehen, weil die Ehefrau des Klägers die Gebäude in Abbruchabsicht erworben habe. Die Gebäude seien nämlich im Zeitpunkt ihres Abrisses technisch noch nicht verbraucht gewesen. Die Ehefrau des Klägers habe sie nur abgerissen, um den Neubau errichten zu können. Eine AfA für den Neubau falle jedoch erst im Folgejahr 1998 erstmals an, da der Neubau erst im Jahre 1998 fertig gestellt worden sei. Die Regelungen des Nießbrauchserlasses führten zu keinem anderen Ergebnis. Der Streitfall sei nicht mit dem Fall der Ablösung eines entgeltlich erworbenen Zuwendungsnießbrauchs vergleichbar.
Gründe
Die Klage ist unbegründet. Der Beklagte hat zu Recht die Ablösezahlung für das Erbbaurecht nicht steuermindernd berücksichtigt.
1.
Die Ablösezahlung ist nicht als Werbungskosten zu berücksichtigen. Werbungskosten sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Die Aufwendungen müssen mit den Einnahmen der Einkunftsart zusammenhängen; sie dürfen keine Anschaffungskosten (oder Herstellungskosten) eines Vermögensgegenstands sein, mit dessen Hilfe erst der Tatbestand der Einkünfteerzielung verwirklicht wird, es sei denn, dass nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 Absetzungen von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten als Werbungskosten abgezogen werden können (BFH-Urteil vom 21. Dezember 1982, VIII R 215/78, BStBl. II 1983, 410). Zwar hängen die Anschaffungskosten (oder Herstellungskosten) eines zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung eingesetzten Vermögensgegenstands mit den Einkünften zusammen; sie sind jedoch nicht Werbungskosten im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG. Dies ergibt sich aus dem Dualismus der Einkunftsarten. Der Gesetzgeber hat im EStG zwischen den Gewinneinkünften und den Überschusseinkünften unterschieden. Im Gegensatz zu den Gewinneinkünften bleiben bei den Überschusseinkünften Wertveränderungen von Vermögensgegenständen, die zur Einkunftserzielung eingesetzt werden, bei der Einkünfteermittlung grundsätzlich außer Betracht. Dementsprechend haben der Erwerb und die Veräußerung von Vermögensgegenständen, die der Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung dienen, grundsätzlich keine einkommensteuerrechtlichen Folgen. Sie führen nicht zu Einkünften und dürfen sich nicht auf die Höhe des Überschusses der Einnahmen über die Werbungskosten auswirken.
Entsprechendes gilt für die Bestellung und Löschung eines Erbbaurechts (BFH-Urteil vom 21. Dezember 1982, VIII R 215/78, a.a.O.).
Die Bestellung des Erbbaurechts selbst ist kein einkunftsrelevanter Vorgang. Im Rahmen des für die Dauer des Erbbaurechts bestehenden Leistungsaustauschs besteht die Leistung des Grundstückseigentümers nur in der Duldung der Nutzung des Grundstücks, hierfür erhält er den Erbbauzins (BFH-Urteil vom 19. Januar 1982, VIII R 102/78, BStBl. 1982, 533). Nur dieser Erbbauzins ist einkunftsrelevant. Das Nutzungsrecht des Erbbauberechtigten wird in vielfacher Hinsicht wie ein Grundstück behandelt, so dass der Erwerb des Erbbaurechts für den Berechtigten ein Anschaffungsgeschäft ist (BFH-Urteil vom 20. November 1980, IV R 126/78, BStBl. II 1981, 398). Entsprechendes gilt bei der Löschung des Erbbaurechts. Die Löschung des Erbbaurechts ist für den Erbbauberechtigten mit einer Grundstücksveräußerung vergleichbar. Wendet der Erbbauverpflichtete für die Löschung seiner Erbbaurechtsverpflichtung - wie im Streitfall - etwas auf, so entstehen ihm hierdurch nachträgliche Anschaffungskosten auf das Grundstück.
2.
Die Ablösezahlung gehört zu den Anschaffungskosten des Grundstücks A-Straße.
a.
Anschaffungskosten sind nach § 255 Abs. 1 des Handelsgesetzbuchs (HGB) diejenigen Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben und ihn in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen. Erwerben bedeutet nach der Rechtsprechung des BFH das Überführen eines Gegenstands von der fremden in die eigene wirtschaftliche Verfügungsmacht (BFH-Urteil vom 29. Juli 1997, IX R 89/94, BStBl. II 1997, 772 m.w.N.). Steht einem Dritten an einem Grundstück ein dingliches Recht an einem Grundstück zu und löst der Eigentümer das dingliche Recht ab, so sind die Ablösezahlungen dann nachträgliche Anschaffungskosten i.S.d. § 255 Abs. 1 HGB, wenn durch das dingliche Recht die Befugnisse des Eigentümers i.S. von § 903 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), wozu u.a. das Recht auf Nutzung des Vermögensgegenstands zählt, beschränkt waren und der Eigentümer durch die Ablösezahlung die Beschränkung seiner Eigentümerbefugnisse beseitigt und sich damit die vollständige rechtliche und wirtschaftliche Verfügungsmacht an dem Grundstück verschafft (BFH-Urteile vom 21. Juli 1992, IX R 14/89, BStBl. II 1993, 484; vom 15. Dezember 1992, IX R 323/87, BStBl. II 1993, 488 und vom 6. Juli 1993, IX R 112/88, BStBl. II 1998, 429). So liegt es im Streitfall. Die Ehefrau des Klägers wäre als Grundstückseigentümerin noch bis zum Jahre 2010 durch das Erbbaurecht in ihrer Eigentümerstellung beschränkt gewesen. Sie hätte das Grundstück nicht im von ihr beabsichtigten Sinne nutzen können, insbesondere nicht die darauf errichteten Baulichkeiten abreißen und das Grundstück neu bebauen können. Mit der Ablösezahlung und Löschung des Erbbaurechts hat sie die Beschränkung der Eigentümerstellung aufgehoben. Sie war nach Löschung des Erbbaurechts voll verfügungsberechtigte Eigentümerin der bebauten Grundstücke.
Zwar war das Erbbaurecht noch nicht durch den Erwerb erloschen. Denn nach § 889 BGB erlischt ein Recht an einem fremden Grundstück nicht dadurch, dass der Eigentümer des Grundstücks das Recht oder der Berechtigte das Eigentum an dem Grundstück erwirbt (keine Konsolidation). Dieser Rechtsgedanke ist auch auf das Erbbaurecht anwendbar. So endet das Erbbaurecht nicht durch Erwerb des Erbbaurechts durch den Grundstückseigentümer (Palandt-Bassenge ErbbRVO § 11 Rz. 8).
Die Ehefrau des Klägers hätte also nicht das Erbbaurecht löschen müssen, sie hätte es auch bestehen lassen, nutzen oder veräußern können. Da die Ehefrau des Klägers das Erbbaurecht aber sofort löschte und die Gebäude abriss, verblieb dem Erbbaurecht keine Nutzungsdauer und kein Wert. Der gezahlte Betrag ist aber nicht im Wege einer Absetzung für außerordentliche Abnutzung anzusetzen. Das Erbbaurecht war im Zeitpunkt des Erwerbs noch nutzbar und nicht wirtschaftlich wertlos. Da die Ehefrau des Klägers das Erbbaurecht gerade nicht in der Absicht erworben hatte, es für den Rest der Laufzeit zu nutzen, sind die Grundsätze über den Erwerb eines Gebäudes in Abbruchabsicht entsprechend anzuwenden (sozusagen Erwerb eines Erbbaurechts in Löschungsabsicht). Danach wäre die Zahlung ebenfalls den Anschaffungs- und Herstellungskosten zuzurechnen.
b.
Die Ablösung des Erbbaurechts unterscheidet sich als Ablösung eines dinglichen Rechts von der Aufhebung eines Mietvertrag gegen Zahlungen an den Mieter. Durch einen Mietvertrag ist der Eigentümer eines Grundstücks nämlich nicht in seiner Eigentümerstellung nach § 903 BGB beeinträchtigt. Er macht sich bei Verletzung seiner Pflichten aus dem Mietvertrag allenfalls schadensersatzpflichtig. Die in der Literatur teilweise vertretene Meinung, dass Zahlungen zur Ablösung dinglicher und obligatorischer Rechte gleich zu behandeln seien (so Kirchhof/Söhn-Trzaskalik, EStG § 21 Rdnr. B 26 und B 468) ist abzulehnen.
c.
Es kann dahin stehen, inwieweit die nachträglichen Anschaffungskosten auf den Grund und Boden sowie die aufstehenden Gebäude aufzuteilen sind. Da die Gebäude nicht mehr der Einkunftserzielung dienten, sondern sogleich abgerissen wurden, kommt nämlich eine steuermindernde Berücksichtigung von AfA im Streitjahr nicht mehr in Betracht. Wie der Beklagte zutreffend ausführt, wäre eine AfA nur im Rahmen der AfA für den im Folgejahr 1998 fertiggestellten Neubau zu berücksichtigen. Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH gehört der Restwert eines Gebäudes, das bei Abriss weder technisch noch wirtschaftlich verbraucht war, zu den Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines nach dem Abriss errichteten Neubaus, wenn das Gebäude in Abrissabsicht erworben wurde (vgl. BFH-Urteil vom 6. Dezember 1995, X R 116/91, BStBl. II 1996, 358 m.w.N.). Er ist mit diesen zusammen ab dem Zeitpunkt der Fertigstellung des Neubaus abzusetzen.
3.
Die Ablösezahlung ist auch nicht als negative Einnahme steuermindernd zu berücksichtigen . Der Kläger kann sich insbesondere nicht mit Erfolg auf die Regelung in Tz. 63 des sog. Nießbrauchserlasses berufen. Zum einen sind die Gerichte grundsätzlich nicht an Verwaltungsanweisungen gebunden. Darüber hinaus ist der Fall der Ablösung eines Erbbaurechts auch nicht mit dem der Ablösung eines entgeltlich erworbenen Zuwendungsnießbrauchs vergleichbar. Die Regelung der Tz. 63 korrespondiert zu der in der Tz. 28 getroffenen Regelung. Danach ist das für die Bestellung des Nießbrauchs gezahlte Entgelt im Jahr des Zuflusses als Einnahme aus Vermietung und Verpachtung zu erfassen. Entsprechend soll die Rückzahlung des Entgelts als negative Einnahme zu erfassen sein. So liegt es im Streitfall aber nicht. Die Ablösezahlung ist im Streitfall keine Rückzahlung bereits vereinnahmter und steuererhöhend erfasster Entgelte für das Erbbaurecht. Bei der Bestellung von Erbbaurechten werden, wie auch im Streitfall, grundsätzlich keine Entgelte für die Bestellung an sich bezahlt, sondern lediglich für die Laufzeit Erbbauzinszahlungen vereinbart. Die Erbbauberechtigte hatte auch nicht etwa bei Ablösung schon im Voraus Erbbauzinsen entrichtet, sondern lediglich für die zurückliegende Zeit, in der das Erbbaurecht bestanden hatte. Dementsprechend bedarf es gerade keiner Kompensation der Ablösezahlung durch den Ansatz negativer Einnahmen.
4.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
5.
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen, da die unterschiedliche Behandlung dinglicher und obligatorischer Rechte bei Ablösezahlungen umstritten ist.