Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 25.02.2003, Az.: 8 K 85/02

Berechtigung eines vertretungsberechtigten Geschäftsführers zur Einlegung des Einspruchs ; Wirksamkeitsvoraussetzungen eines Einspruchs im finanzbehördlichen Verfahren

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
25.02.2003
Aktenzeichen
8 K 85/02
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 15818
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2003:0225.8K85.02.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
BFH - 29.06.2004 - AZ: IX R 39/03

Fundstellen

  • DStRE 2004, 660-661
  • EFG 2004, 704

Redaktioneller Leitsatz

Legt ein zur Vertretung berufener Geschäftsführer gegen einen Bescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen im eigenen Namen und zugleich mit Vollmacht des einzigen Mitgesellschafters Einspruch ein, so war er zur Einlegung des Einspruchs berechtigt. Einer Einlegung des Einspruchs durch den in der Feststellungserklärung benannten Empfangsbevollmächtigten bedarf es in derartigen Fällen nicht.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob die Klägerin wirksam Einspruch eingelegt hat.

2

Die Klägerin ist eine Grundstücksgesellschaft, an der A und Rechtsanwalt B zu je 50 % beteiligt sind.

3

In der am 27.01.1999 eingereichten Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung (Feststellungserklärung) für 1997 war als gemeinsame Empfangsbevollmächtigte der beiden Beteiligten die Steuerberatungssozietät X, eingetragen. Auf dem Steuererklärungsvordruck befand sich unterhalb der Eintragungsmöglichkeit eines Empfangsbevollmächtigten der Hinweis, dass für den Fall, dass kein vertretungsberechtigter Geschäftsführer vorhanden ist, dem benannten Empfangsbevollmächtigten im Feststellungsverfahren grundsätzlich die ausschließliche Einspruchs- und Klagebefugnis zustehe (§ 352 Abgabenordnung -AO-, § 48 Finanzgerichtsordnung - FGO -).

4

Der Beklagte stellte die Einkünfte für das Streitjahr 1997 mit Bescheid vom 31.03.1999 unter Anforderung der Mietverträge und einer Wohnflächenberechnung zunächst unter Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 AO erklärungsgemäß in Höhe von ./. ....... DM fest. Die angeforderten Unterlagen legte die Klägerin nicht vor. In der Feststellungserklärung für das Folgejahr erklärte die Klägerin keine Mieteinnahmen mehr. Daraufhin änderte der Beklagte den Feststellungsbescheid 1997 gemäß § 164 Abs. 2 AO und stellte Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung mangels erkennbarer Einkünfteerzielungsabsicht in Höhe von 0 DM fest. Den Vorbehalt der Nachprüfung hob er auf und gab den an die Empfangbevollmächtigte adressierten Bescheid am 27.11.2000 zur Post.

5

Gegen diesen Bescheid legte B im eigenen Namen und in Vollmacht für A Einspruch ein mit der Begründung, dass eine Vermietungsabsicht gegeben sei. Im Rahmen des Einspruchsverfahrens teilte der Beklagte mit Schreiben vom 15.06.2001 mit, dass der Einspruch nach Auffassung des Finanzamtes unzulässig sei, da ihn nicht die Einspruchsbevollmächtigte eingelegt habe.

6

Der Beklagte verwarf den Einspruch als unzulässig. Die ausschließliche Einspruchsbefugnis für die Klägerin stehe mangels eines zur Vertretung der Gesellschaft berufenen Geschäftsführers gemäß § 352 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 AO der gemeinsamen Empfangsbevollmächtigten im Sinne des § 183 Abs. 1 Satz 1 AO, der Steuerberatungssozietät X zu. Eine Belehrung sei in der Feststellungserklärung des Streitjahres erfolgt. Den Einspruch habe aber B im eigenen Namen und im Namen von A eingelegt, mithin nicht die allein einspruchsbefugte gemeinsame Empfangsbevollmächtigte. Ein Sonderfall des § 352 Abs. 1 Nr. 2-5 AO sei im Streitfall nicht gegeben.

7

Im Klageverfahren trägt die Klägerin vor, B habe den Einspruch auch nach Rücksprache und im Auftrag der Steuerberatungssozietät X eingelegt. B führe die Geschäfte der Gemeinschaft seit Beginn. Eine Belehrung darüber, dass die Gemeinschaft nicht selbst Einspruch einlegen könne, sei nicht erfolgt. Hilfsweise werde Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Für den Abänderungsbescheid sei die Sozietät ohnehin nicht mehr Empfangsberechtigte gewesen. Es gehe nicht an, dass nach zwei Jahren ein Bescheid geändert werde, ohne die Gemeinschaft hiervon zu verständigen. Im Übrigen bestehe bis heute Vermietungsabsicht.

8

Die Klägerin beantragt,

den Einspruchsbescheid vom 11.01.2002 aufzuheben.

9

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

10

Er führt aus, die Klage sei mangels zulässigem Einspruch unbegründet. Er verweist auf die Ausführungen im Einspruchsbescheid.

11

Eine inhaltliche Überprüfung des Feststellungsbescheides sei durch dessen formelle Bestandskraft nicht möglich.

12

Mit Schreiben vom 03.05.2002, das am gleichen Tag bei dem Beklagten einging, erklärten A und B den Widerruf der Zustellungsbevollmächtigung für die Steuerberatungssozietät X und bestellten B als Zustellungsbevollmächtigten.

13

Wegen des weiteren Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird Bezug genommen auf die Klage- und Steuerakte.

Gründe

14

Die Klage ist begründet. Der Beklagte hat den Einspruch zu Unrecht als unzulässig verworfen.

15

Nach § 352 Abs. 1 Nr. 1 AO können gegen Bescheide über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen u.a. zur Vertretung berufene Geschäftsführer Einspruch einlegen. Von dieser Möglichkeit hat die Klägerin Gebrauch gemacht, denn den Einspruch vom 15.12.2000 hat B im eigenen Namen und zugleich in Vollmacht des einzigen Mitgesellschafters/-gemeinschafters eingelegt. Zwar steht nach §§ 709, 744 BGB den Gesellschaftern/Gemeinschaftern die Geschäftsführung bzw. das Verwaltungsrecht gemeinschaftlich zu. Da der einzige Mitgesellschafter/Mitgemeinschafter A der Einspruchseinlegung durch B nach dem Vortrag der Klägerin ausdrücklich zugestimmt hatte, war B allein insoweit zur Geschäftsführung und damit zur Einlegung des Einspruchs nach § 352 Abs. 1 Nr. 1 AO berechtigt. Der Einspruch vom 15.12.2001, der fristgerecht eingelegt worden ist, war damit zulässig. Einer Einlegung des Einspruchs durch den in der Feststellungserklärung benannten Empfangsbevollmächtigten bedurfte es nicht.

16

Danach konnte der Einspruchsbescheid vom 11.01.2002 keinen Bestand haben und war aufzuheben.

17

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151, 155 FGO i.V.m.§§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.