Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 26.02.2003, Az.: 2 K 881/99
Wiedereinsetzung in vorigen Stand bei Erhalt des "Ratgebers für alle Steuerzahler"
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 26.02.2003
- Aktenzeichen
- 2 K 881/99
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 17243
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2003:0226.2K881.99.0A
Rechtsgrundlagen
- § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG
- § 110 AO
Fundstellen
- DStRE 2003, 953 (Volltext mit amtl. LS)
- EFG 2003, 1058
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Die 2-Jahresfrist des § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG ist eine gesetzliche Ausschlussfrist, die nicht nach behördlichem Ermessen verlängert werden kann.
- 2.
Auch ein steuerlicher Laie (hier: Lehramtsanwärter) muss wissen, dass das FA Steuererklärungen nur berücksichtigen muss, wenn sie innerhalb von bestimmten Fristen abgegeben werden.
- 3.
Hat der Stpfl. den <betonung>"Ratgeber für alle Lohnsteuerzahler"</betonung> als Anlage zur Lohnsteuerkarte erhalten, wird die Frist des § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG i.d.R. nicht ohne Verschulden versäumt. Eine Wiedereinsetzung kommt deshalb nicht in Betracht.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob dem Kläger Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand wegen der Versäumnis der zweijährigen Ausschlussfrist zur Abgabe der Einkommensteuererklärung 1995 zu gewähren ist.
Der Kläger begann 1995 seine Referendarzeit als Lehrer bei der Bezirksregierung in X. Im Jahre 1995 erzielte der Kläger aus dieser Tätigkeit Einnahmen in Höhe von ca. 28.500 DM. In den Vorjahren hatte der Kläger noch studiert und in den Semesterferien geringe Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielt. Erst am 30.12.1998 reichte er - durch seine Bevollmächtigte - die Einkommensteuererklärung 1995 beim Beklagten ein und beantragte Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand. Er habe - bedingt durch seinen Eintritt ins Berufsleben - erst Mitte Dezember 1998 durch seine Steuerberaterin von der zeitlichen Befristung der Antragstellung auf 2 Jahre erfahren (Bl. 5 EStA).
Das FA lehnte die Veranlagung im angefochtenen Bescheid ab.
Gegen den Einspruchsbescheid richtet sich die Klage nach erfolglos durchgeführtem Einspruchsverfahren.
Der Kläger ist der Auffassung, die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand lägen vor. Er habe die zweijährige Ausschlussfrist nicht schuldhaft versäumt, da ihm nicht bekannt gewesen sei, dass die Möglichkeit, eine Steuererklärung einzureichen, von Fristen abhängig sei. Außerdem sei er auch nicht zur Abgabe der Steuererklärung aufgefordert worden. Er sei eine rechtsunkundige, ungewandte Person und in 1995 erstmalig dafür verantwortlich gewesen, seine steuerlichen Pflichten selbst zu erledigen. In den Vorjahren, als er noch Student gewesen sei und bei seinen Eltern gelebt habe, habe seine Mutter die Steuererklärung für ihn erstellen lassen.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 11.02.1999, mit dem die Durchführung einer Antragsveranlagung abgelehnt wird, in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 14.09.1999 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, für das Streitjahr eine Veranlagung zur Einkommensteuer nach Maßgabe der eingereichten Steuererklärung durchzuführen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand lägen nicht vor. Dem Kläger sei die Existenz von Fristen zur Abgabe der Steuererklärung bekannt gewesen, da er für 1991, 1992 und 1994 jeweils fristgerecht die Erklärungen eingereicht habe. Außerdem sei der Kläger in öffentlichen Aufforderungen und in den Anleitungen zur Einkommensteuererklärung auf die 2-jährige Abgabefrist hingewiesen worden. Er sei 1995 lediglich deshalb nicht zur Abgabe der Steuererklärung aufgefordert worden, weil im Vorjahr keine Pflichtveranlagung durchgeführt worden sei.
Gründe
Die Klage ist unbegründet. Das Finanzamt hat zu Recht eine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand abgelehnt.
Gem. § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG muss das Finanzamt im Streitjahr Steuerpflichtige mit Einkommen von weniger als 27.000 DM (§ 46 Abs. 1 Nr. 2 EStG), wie im Falle des Klägers, nur veranlagen, wenn sie dies bis zum Ablauf des zweiten Jahres nach Ablauf des jeweiligen Veranlagungszeitraumes, hier also bis zum 31.12.1997, beantragen. Diese Frist hat der Kläger nicht eingehalten. Bei der Zwei-Jahresfrist des § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG handelt es sich um eine gesetzliche Ausschlussfrist, die nicht nach behördlichem Ermessen verlängerbar ist.
Dem Kläger kann keine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand gewährt werden. Nach § 110 Abgabenordnung ist Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand zu gewähren, wenn ein Steuerpflichtiger eine gesetzliche Frist ohne Verschulden versäumt, er innerhalb von einem Monat nach Wegfall des Hindernisses die Wiedereinsetzung beantragt und die Tatsachen zur Begründung des Antrages glaubhaft macht. Den Kläger trifft der Vorwurf eines Verschuldens dafür, dass er die Abgabefrist nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG versäumt hat. Er hätte - auch als steuerlicher Laie - wissen müssen, dass in seinem Falle jedenfalls, das Finanzamt Steuererklärungen nur berücksichtigen muss, wenn sie innerhalb von bestimmten Fristen abgegeben werden. Hierüber hätte er sich vergewissern müssen. Auch ein steuerlicher Laie weiß oder müsste jedenfalls wissen, dass Behörden Erklärungen, die den Steuerpflichtigen begünstigen, nur innerhalb gewisser zeitlicher Grenzen berücksichtigen.
Überdies hätte der Kläger sich über diese Grenzen schon anhand des "Ratgebers für alle Lohnsteuerzahler" in Kenntnis setzen können, den er, wie alle Steuerpflichtigen, die Arbeitslohn unter Abzug von Lohnsteuer beziehen, als Anlage mit der Lohnsteuerkarte erhalten hat. Dort wird auf die Notwendigkeit hingewiesen, innerhalb der 2-jährigen Ausschlussfrist die Durchführung einer Veranlagung zu beantragen. Der Kläger war zudem angehender Lehrer und wurde im Streitjahr bereits Y Jahre alt. Auch unter Berücksichtigung seines persönlichen Hintergrundes konnte von ihm erwartet werden, sich bei Zweifeln über die Möglichkeit, die Durchführung einer Veranlagung zu beantragen, an fachkundiger Stelle zu erkundigen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 FGO.