Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 27.02.2003, Az.: 14 K 526/00
Kindergeldanspruch der Ehefrau eines ausländischen Konsulatsmitarbeiters in Deutschland
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 27.02.2003
- Aktenzeichen
- 14 K 526/00
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 12842
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2003:0227.14K526.00.0A
Rechtsgrundlagen
- § 62 Abs. 1 Nr. 1 EStG
- Art. 1 Abs. 3 WienKoÜbk
- Art. 49 WienKoÜbk
Fundstellen
- EFG 2003, 868-870 (Volltext mit red. LS)
- IWB 2003, 635
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Sog. Ortskräfte sind alle bei einer diplomatischen oder konsularischen Vertretung beschäftigten Mitarbeiter, die bereits vor Eintritt in die Vertretung am Ort wohnhaft waren oder aber im Inland - am Ort - unter Vertrag genommen wurden.
- 2.
Anders als Mitarbeiter, die vom ausländischen Staat in die Vertretung entsandt werden, gelten Ortskräfte nach allgemeiner völkerrechtlicher Praxis als am Ort ansässig.
- 3.
Der Status einer sog. Ortskraft ist nicht mit derjenigen eines Berufs-Konsularbeamten zu vergleichen.
- 4.
Zu den Auswirkungen der VO - EWG - 1408/81 und des Wiener Übereinkommens über konsularische Beziehungen (WÜK) auf den Kindergeldanspruch ausländischer Staatsbürger gem. § 62 Abs. 1 Nr. 1 EStG.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Frage, ob die Klägerin als Ehefrau eines ausländischen Konsulatsmitarbeiters in Deutschland einen Kindergeldanspruch hat.
Die Klägerin ist Staatsangehörige des EG-Landes S . Ihr Ehemann - ebenfalls Staatsangehöriger des Landes S - lebt seit 1966 in der norddeutschen Stadt H. Im Jahre 1968 trat er als kaufmännischer Angestellter in den Dienst des Generalkonsulats des Landes S in H. Nach ihrer Heirat im Jahre 1974 reiste auch die Klägerin nach Deutschland ein und wohnt seither mit ihrem Mann in H. Aus der Ehe sind zwei Kinder hervorgegangen, der am 16. September 1977 geborene Sohn R und der am 25. Februar 1982 geborene Sohn M. Beide Kinder sind in H aufgewachsen und dort zur Schule gegangen. R hat nach der Schule ein Studium aufgenommen, das auch heute noch nicht beendet ist. Über eigenes Einkommen verfügt er nicht. M hat in der Zeit vom 1. August 1998 bis 14. Juni 2001 eine Berufsausbildung als Reiseverkehrskaufmann absolviert. Vom 15. - 30. Juni 2001 war er arbeitslos und hat Arbeitslosengeld bezogen. Im Monat Juli 2001 stand er in einem Beschäftigungsverhältnis, in der Zeit vom 1. August 2001 bis 10. März 2002 war er wieder arbeitslos. Wegen der Höhe der Ausbildungsvergütung und des Arbeitslosengeldes für M wird Bezug genommen auf die Lohnsteuerkarten für 2000 und 2001 (Bl. 94 und 95 der Gerichtsakten) sowie auf die Leistungsnachweise des Arbeitsamtes H vom 16. Oktober 2001 und 11. März 2002 (Bl. 96 und 97 der Gerichtsakten).
Zum 1. Januar 1987 entschied sich der Ehemann der Klägerin gem. Art. 16 Abs. 2 der EG Verordnung Nr. 1408/71 des Rates über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (VO (EWG) 1408/71) für die Anwendung der Rechtsvorschriften der sozialen Sicherheit seines Heimatlandes S. Wenig später, nämlich am 3. Februar 1987, beantragte die Klägerin beim Arbeitsamt H Kindergeld für ihre beiden Söhne. Der Beklagte gab dem Antrag zunächst statt und zahlte das Kindergeld an die Klägerin aus.
Mit Bescheid vom 30. November 1988 hob der Beklagte ein erstes Mal die Kindergeldfestsetzung auf, und zwar rückwirkend ab März 1987. Der Aufhebungsbescheid hatte keinen Bestand. Im Zuge der dagegen erhobenen Klage 20 Kg 45/89 vor dem Sozialgericht H hob der Beklagte den Bescheid wieder auf.
Mit weiterem Bescheid vom 1. April 1992 hob der Beklagte die Kindergeldfestsetzung erneut auf, und zwar zunächst mit Wirkung ab November 1988. Durch Änderungsbescheide vom 4. Oktober 1993 und 24. Januar 1995 erkannte er einen Teil des Kindergeldanspruchs an und beschränkte die Aufhebung auf die Zeit ab Februar 1995. Gegen die Aufhebung wandte sich die Klägerin mit einer Klage vor den Sozialgerichten. Das Sozialgericht H hob die Aufhebungsbescheide mit Urteil vom 30. Juni 1994 auf. Im Zuge des dagegen vom Beklagten angestrengten Berufungsverfahrens regte er nach gesetzlicher Neuregelung und Umstellung des Kindergeldes als Steuervergütung die Neubeantragung des Kindergeldes an. Die Klägerin kam der Anregung nach und beantragte am 11. Juni 1996 erneut Kindergeld für ihre beiden Söhne. Der Beklagte lehnte auch diesen Antrag ab und setzte durch Bescheid vom 17. Juli 1996 das Kindergeld ab dem 1. Januar 1996 auf 0,00 DM fest. Der dagegen eingelegte Widerspruch führte zur Anschlussberufung im Berufungsverfahren vor dem Landessozialgericht. Während des Berufungsverfahrens hat das Landessozialgericht dem Europäischen Gerichtshof ein Vorabentscheidungsersuchen zur Auslegung des Art. 16 Abs. 2 der VO (EWG) 1408/71 vorgelegt. Durch Urteil vom 3. Juni 1999 hat der Europäische Gerichtshof erkannt, daß ".... die Entscheidung eines Mitglieds des Geschäftspersonals einer konsularischen Dienststelle gem. Art. 16 Abs. 2 S 1 der VO (EWG) 1408/71 nicht bewirkt, daß sein Ehegatte keinen Anspruch mehr auf eine Vergünstigung der sozialen Sicherheit hat, die ihm die Rechtsvorschriften des Mitgliedsstaates, in dem er wohnt, unabhängig von der sozialen Absicherung seines Ehegatten sichern." Auf den Tatbestand und die Gründe der Entscheidung der Fünften Kammer des Europäischen Gerichtshofs vom 3. Juni 1999 (Bl. 30 - 37 der Gerichtsakten) wird Bezug genommen. Nach dieser Entscheidung hat das Landessozialgericht mit rechtskräftigem Urteil vom 7. September 1999 die Berufung des Arbeitsamtes gegen das Urteil des Sozialgerichtes verworfen und auf die Anschlussberufung der Klägerin den Ablehnungsbescheid vom 17. Juli 1996 aufgehoben. In den Entscheidungsgründen kam das Landessozialgericht zu der Erkenntnis, daß der Anspruch bestehe, weil die Klägerin und ihre Kinder ihren Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hätten. Wegen des Tatbestandes und der Urteilsgründe im Einzelnen wird auf das schriftliche Urteil (Bl. 11 - 29 der Gerichtsakten) Bezug genommen.
Mit neuerlichem Bescheid vom 19. Juni 2000 hat der Beklagte abermals die Kindergeldfestsetzung aufgehoben, und zwar ab 1. Januar 1996. Gegen diesen Aufhebungsbescheid richtet sich nach erfolglosem Vorverfahren die streitgegenständliche Klage, zu deren Begründung die Klägerin vorträgt, dass ihres Erachtens alle Voraussetzungen für die Kindergeldgewährung des § 62 EStG vorlägen. Insbesondere hätten sowohl sie als auch ihre Kinder ihren ständigen Wohnsitz in H. Sie verweist dazu auf Aufenthaltsbescheinigungen der Landeshauptstadt H, in denen bestätigt wird, dass sie und ihre Kinder in H mit Hauptwohnung gemeldet seien. Wenn der Beklagte darauf abstelle, dass für ihren Ehemann die Wiener Konsularrechtskonvention (WÜK) anwendbar sei, so treffe diese Annahme nicht zu. Wie bereits das Sozialgericht und das Landessozialgericht festgestellt hätten, sei ihr Mann lediglich als gewöhnlicher kaufmännischer Angestellter im Generalkonsulat beschäftigt. Solche Personengruppen würden als Ortskräfte vom Regelungsbereich des WÜK nicht erfasst. Die Tatsache, dass sich ihr Mann gem. Art 16 der VO (EWG) 1408/71 für die Sozialrechtsordnung des Heimatlandes S entschieden habe, spreche nicht gegen sondern für ihren Anspruch. Daraus ergebe sich nämlich, dass ihr Mann nicht vom Heimatstaat nach Deutschland entsandt worden sein könne. Anderenfalls wäre er von Anfang an in der Sozialversicherung des Landes S versichert gewesen, sodass es einer Wahl nach Art 16 der VO (EWG) 1408/71 gar nicht bedurft hätte. Im Übrigen habe sowohl das Sozialgericht als auch das Landessozialgericht erkannt, dass die Bestimmungen des WÜK dem Kindergeldanspruch nach dem BKGG nicht entgegenstünden. Was das Landessozialgericht für die Anwendung des BKGG festgestellt habe, müsse auch für die Anwendung des EStG gelten. Für die Entscheidung des Streitfalles sei es egal, ob sich der Kindergeldanspruch aus dem BKGG oder dem EStG herleiten lasse. Ihr genüge eine der beiden Anspruchsgrundlagen. Es sei auch nicht richtig, wenn der Beklagte annehme, dass in den Verhältnissen für die Gewährung des Kindergeldes seit dem Urteil des Landessozialgerichtes eine Änderung eingetreten sei. Sie - die Klägerin - sei zu keiner Zeit versicherungspflichtig beschäftigt gewesen. Sie habe lediglich gelegentlich eine geringfügige Tätigkeit als Haushaltshilfe ausgeübt. Steuerpflichtige Einkünfte habe sie aus dieser Tätigkeit nicht erzielt.
Die Klägerin beantragt,
den Aufhebungsbescheid des Beklagten vom 19.06.2000 in der Fassung des Einspruchsbescheides aufzuheben, und zwar mit der Maßgabe, dass für den Sohn M das Kindergeld für folgende Zeiträume festzusetzen ist:
vom 01.01.1996 bis 28.02.2000
vom 01.01.2001 bis 30.06.2001
vom 01.08.2001 bis 28.02.2002.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält an seiner bereits im Einspruchsbescheid vertretenen Auffassung fest, dass die Klägerin nicht zum Kreis der Anspruchsberechtigten des § 62 Abs. 1 EStG zähle. Sie sei weder im Inland ständig ansässig noch sei sie unbeschränkt einkommensteuerpflichtig oder als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig zu behandeln. Nach den Art. 49 und 71 Abs. 2 des WÜK sei die Klägerin in Deutschland nur beschränkt einkommensteuerpflichtig. Beschränkt einkommensteuerpflichtige ausländische Beschäftigte konsularischer Vertretungen sowie deren zum Haushalt gehörende Ehegatten mit nicht deutscher Staatsangehörigkeit seien nicht ständig in Deutschland ansässig. Das gelte gem. Art. 57 Abs. 2 Buchtstabe c des WÜK nur dann nicht, solange die Klägerin im Aufnahmestaat eine private Erwerbstätigkeit ausübe. Diese Ausnahme greife im Streitfall nicht - mehr - ein. Die Klägerin habe durch Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 17. Januar 2000 vorgetragen, dass sie "zur Zeit" nicht mehr erwerbstätig sei. Damit sei eine wesentliche Voraussetzung für die Gewährung des Kindergeldes nach § 62 Abs. 1 EStG weggefallen. Ohne Einfluss auf diese Rechtslage sei die Frage, ob und in welchem Maße der Ehemann der Klägerin als sogenannte Ortskraft vom Regelungsbereich des WÜK erfasst werde. Die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung sei auch trotz der Rechtskraft des Urteils des Landessozialgerichts möglich gewesen. Das Landessozialgericht habe nur über Ansprüche nach dem BKGG entschieden. Durch die Umstellung des Kindergeldes als Steuervergütung sei das BKGG als Anspruchsgrundlage erloschen. Nunmehr leite sich der Kindergeldanspruch aus dem EStG her. Dafür sei ausschließlich der Rechtsweg zu den Finanzgerichten gegeben. Er, der Beklagte, habe daher die Festsetzung ab dem 1. Januar 1996 mit Beginn der Umstellung des Kindergeldes als Steuervergütung aufheben können. Das gelte auch im Hinblick darauf, dass das Landessozialgericht den Ablehnungsbescheid vom 17. Juli 1996 aufgehoben habe. Rechtsfolge dieser Aufhebung sei die Weitergeltung der ursprünglichen Kindergeldbewilligung, und zwar auch über den 31. Dezember 1995 hinaus. Diese Fortgeltung ende jedoch dort, wo eine Korrekturnorm eingreife. Eine solche Korrekturnorm sei im Streitfall § 70 Abs. 2 EStG. Nach dieser Norm sei eine Festsetzung aufzuheben, sobald sich in den Verhältnissen, die für die Festsetzung maßgeblich seien, eine Änderung ergebe. Die Änderung liege mit der Aufgabe der Erwerbstätigkeit der Klägerin vor.
Wegen des Vortrags der Parteien im Übrigen wird auf den Inhalt ihrer Schriftsätze im Klage- und im Vorverfahren sowie auf den Tatbestand der Urteile des Landessozialgerichts vom 7. September 1999 (L 3 Kg 6/99) und des Sozialgerichts H vom 30. Juni 1994 (20 Kg 90/92) Bezug genommen. Das Gericht hat jene Akten zugezogen.
Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat den Protokollausweis ihres Mannes für Ortskräfte vorgelegt. Der Ausweis ist vom Auswärtigen Amt der Bundesrepublik Deutschland ausgestellt und bescheinigt dem Inhaber, dass er nach Deutschland einreisen und sich hier aufhalten darf. Ferner heißt es in dem Ausweis: "Der Inhaber dieses Protokollausweises genießt in der Bundesrepublik Deutschland keine Vorrechte und Immunitäten und unterliegt uneingeschränkt der deutschen Gerichtsbarkeit". Auf die Fotokopie dieses Ausweises Bl. 102, 103 der Gerichtsakten wird verwiesen.
Gründe
I.
Die Klage hat Erfolg.
Der angefochtene Aufhebungsbescheid vom 19. Juni 2000 und der diesen Aufhebungsbescheid bestätigende Einspruchsbescheid vom 20. Juli 2000 erweisen sich als rechtswidrig und sind daher aufzuheben (§ 100 Abs. 1 S. 1 FGO).
Eine Rechtsgrundlage für die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung liegt nicht vor.
1.
Entgegen der Auffassung des Beklagten läßt sich die Aufhebung nicht auf § 70 Abs. 2 EStG stützten. Nach dieser Norm ist die Festsetzung des Kindergeldes aufzuheben oder zu ändern, soweit in den Verhältnissen, die für den Anspruch auf Kindergeld erheblich sind, Änderungen eintreten.
Im Streitfall sind diese Änderungen nicht eingetreten. Die Tatsache, dass die Klägerin in der Vergangenheit - und zwar, wie sie einräumt, seit 1994 - geringfügig beschäftigt war und sie diese Beschäftigung "zur Zeit" nicht mehr ausübt, berechtigt nicht zur Aufhebung der Kindergeldfestsetzung. Weder die Erwerbstätigkeit noch deren Aufgabe sind für den Kindergeldanspruch erheblich.
a)
Der Kindergeldanspruch der Klägerin leitet sich ab aus § 62 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Nach dieser Norm hat Anspruch auf Kindergeld, wer im Inland einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Eine Erwerbstätigkeit ist nicht erforderlich.
aa)
Die Klägerin hat ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in H. Nach § 8 AO hat jemand einen Wohnsitz dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird. Nach § 9 der Norm unterhält jemand einen gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort nicht nur vorübergehend weilt. Dabei gilt ein zeitlich zusammenhängender Aufenthalt von mehr als sechs Monaten stets und von Beginn an als gewöhnlicher Aufenthalt.
Die Klägerin wohnt seit 1975 - also seit mehr als 27 Jahren - ununterbrochen in H. Sie hat hier eine Wohnung, einen Ehemann und zwei Kinder. Damit hat sie einen Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt begründet.
bb)
Dieser Erkenntnis steht auch nicht die Tatsache entgegen, dass der Ehemann der Klägerin in einer konsularischen Vertretung beschäftigt ist. Dabei kommt dem Umstand Bedeutung zu, dass der Ehemann, wie sein Protokollausweis belegt und wie bereits die Sozialgerichte in den früheren Rechtsstreiten der Klägerin erkannt haben, eine sogenannte Ortskraft ist. Ortskräfte sind alle bei einer diplomatischen oder konsularischen Vertretung beschäftigten Mitarbeiter, die bereits vor Eintritt in die Vertretung am Ort wohnhaft waren oder aber im Inland - am Ort - unter Vertrag genommen wurden (vgl. FG Köln, Urteil vom 24. Januar 2001 12 K 7040/98, EFG 2001, 538). Im Gegensatz zu den Mitarbeitern, die vom ausländischen Staat in die Vertretung entsandt worden sind, gelten Ortskräfte nach allgemeiner völkerrechtlicher Praxis als am Ort ständig ansässig. Das entspricht nicht nur der Auffassung der Finanzrechtsprechung (FG Köln, EFG 2001, 538), sondern auch der Literatur (Richtsteig, Wiener Übereinkommen über diplomatische und konsularische Beziehungen, Art. 38 WÜD Anm. 3; Hoffmann, Konsularrecht, § 18 Konsulargesetz Rdnr. 6) und der Verwaltung (FinMin Niedersachsen, Erlass vom 26. Januar 1995 S 1310-7-33). Selbst das Bundesministerium für Finanzen geht in der DA-FamEStG vom 12. Mai 2000 BStBl I 2000, 636 davon aus, dass Mitarbeiter diplomatischer Missionen und konsularischer Vertretungen als im Inland ständig anwesend anzusehen sind, wenn sie hier bereits einen Wohnsitz oder einen gewöhnlichen Aufenthalt hatten, bevor sie ihre Tätigkeit für die diplomatische Mission bzw. konsularische Vertretung aufnahmen (DA 62.6). Dieser Auffassung schließt sich auch der erkennende Senat an.
Das Urteil des BFH vom 13. November 1996 I R 119/95, BFH/NV 1997, 664 steht dieser Auffassung nicht entgegen. Darin hatte der BFH erkannt, dass ausländische Konsularbeamte kraft völkerrechtlicher Fiktion im Inland als nicht ständig anwesend gelten. Jenes Urteil ist jedoch zu einem Sachverhalt ergangen, der mit dem des Streitfalles nicht vergleichbar ist. Während im Streitfall der Ehemann der Klägerin eine am Ort eingestellte Ortskraft ist, hatte der BFH über die Klage eines Berufs-Konsularbeamten zu befinden. Anders als der Ehemann der Klägerin sind Konsularbeamte gem. Art 1 Abs. 1 Buchst. d WÜK unmittelbar mit der Wahrnehmung konsularischer Aufgaben einschließlich der Leitung der Vertretung betraut. Sie sind der Rechtsordnung des Staates, in den sie entstand sind, nur begrenzt unterworfen. Nach Art. 49 Abs. 1 Buchst. d WÜK sind sie und die mit ihnen im gemeinsamen Haushalt lebenden Familienmitglieder von allen Personal- und Realsteuern befreit, mit Ausnahme der Steuern von privaten Einkünften, deren Quellen sich im Empfangsstaat befinden. Diese beschränkte Steuerpflicht ist maßgeblich für die Erkenntnis des BFH, nach der Konsulatsbeamte im Inland als nicht ständig anwesend gelten. Im Streitfall zeigt jedoch schon der Ortskräfteausweis, den der Ehemann der Klägerin erhalten hat, dass er in nahezu vollem Umfang der deutschen Rechtsordnung unterworfen ist. Das einzige Vorrecht, das ihm zugebilligt worden ist, besteht darin, nach Deutschland einreisen und sich hier aufhalten zu dürfen. Sein Status ist daher nicht mit dem des Kläger zu vergleichen, über dessen Klage der BFH zu entscheiden hatte. Insbesondere gilt die Regelung des Art. 49 WÜK und die daraus folgende beschränkte Steuerpflicht, aus der der BFH seine Erkenntnis über die nicht ständige Anwesenheit herleitet, für den Ehemann der Klägerin nicht. Nach Art. 1 Abs. 3 WÜK gilt für Mitglieder konsularischer Vertretungen, die Angehörige des Empfangsstaat oder dort anwesend sind, lediglich die Sonderregelung des Art. 71 WÜK. Nach Art. 71 Abs. 2 S. 2, 3 des Vertrages gelten die im WÜK vereinbarten Vorrechte und Immunitäten für Angehörige solcher Mitarbeiter konsularischer Vertretungen, die nicht Konsularbeamte sind und die sich im Empfangsstaat ständig aufhalten, nur in dem Umfang, in dem sie vom Empfangsstaat zugelassen worden sind. Der Empfangsstaat darf seine Hoheitsgewalt über diese Personen allerdings nur so ausüben, dass die Wahrnehmung der Aufgaben der konsularischen Vertretung nicht ungebührlich behindert wird. Von dieser Ermächtigung hat der Deutsche Staat in dem im Ortskräfteausweis beschriebenen Umfang Gebrauch gemacht.
Auch die weitere Regelung des Art. 57 WÜK, die Sonderbestimmungen über private Erwerbstätigkeiten von Mitgliedern konsularischer Vertretungen enthält und auf die sich der Beklagte beruft, gilt für Ortskräfte kraft der Anwendungsregelung in Art 1 Abs. 3 WÜK nicht.
Der Senat teilt nicht die zuletzt noch in der mündlichen Verhandlung vertretene Auffassung des Beklagten, dass die Rechtsstellung einer Ortskraft für den Streitfall deshalb irrelevant sei, weil lediglich der Ehemann der Klägerin, nicht aber die Klägerin selber eine Ortskraft sei. Unabhängig von der Tatsache, dass des Regelungsbereich des Art. 71 Abs. 2 S. 2 WÜK nach seinem Wortlaut gerade auch die Familienangehörigen von Konsulatsmitarbeitern erfasst, kann der Klägerin auch deshalb keine andere Rechtsstellung als die ihres Mannes zukommen, weil sie ihren Status von ihrem Mann ableitet.
b)
Da die Klägerin nach den vorangestellten Ausführungen ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, greift § 62 Abs. 1 Nr. 2 EStG als anderweitige Anspruchsnorm nicht mehr ein.
c)
§ 62 Abs. 2 S. 1 EStG steht dem Anspruch nicht entgegen. Nach dieser Norm haben Ausländer nur dann Anspruch auf Kindergeld, wenn sie im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis sind. Der Klägerin ist bereits am 1. November 1988 eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis für Angehörige eines Mitgliedstaates der EWG erteilt worden. Auf die Ablichtung des von der Landeshauptstadt H ausgestellten Ausweises Bl. 64 der Gerichtsakten wird verwiesen.
Der Anspruch der Klägerin ist auch nicht nach S. 2 der Norm ausgeschlossen. Danach haben ausländische Arbeitnehmer, die zur vorübergehenden Dienstleistung ins Inland entsandt worden sind, keinen Anspruch auf Kindergeld und ihre Ehegatten nur unter weiteren einschränkenden Voraussetzungen. Im Streitfall gehören weder die Klägerin noch ihr Ehemann dieser Personengruppe an.
d)
Schließlich steht auch § 65 Abs. 1 Ziff. 2 EStG dem Anspruch nicht entgegen. Danach wird Kindergeld nicht für ein Kind gezahlt, für das vergleichbare Leistungen im Ausland gezahlt werden oder bei entsprechender Antragstellung zu zahlen wären. Die Klägerin bezieht vom Staat S kein Kindergeld. Nach den Erkenntnissen, die bereits das Landessozialgericht von der Deutschen Botschaft in...erhalten hatte, überschreiten die Klägerin und ihr Ehemann die für den Bezug von Kindergeld in S maßgebliche Einkommensgrenze. Auf das Schreiben der Deutschen Botschaft vom 4. Dezember 1996 an das Landessozialgericht nebst Anlagen Bl. 98 ff. der Sozialgerichtsakten 3 Kg 6/99 wird Bezug genommen. Zusätzlich hat die Klägerin dem Senat eine Bescheinigung des Generalkonsulats S in H vom 13. Februar 2003 vorgelegt, in der bestätigt wird, dass die Klägerin nach dem Recht des Staates S keinen Kindergeldanspruch hat (vgl. Bl. 85 der Gerichtsakten). Dieser Bescheinigung einer amtlichen Behörde des Landes S folgt das Gericht.
e)
In Verbindung mit den vorangestellten Anspruchsnormen kann die Klägerin ihren Anspruch zusätzlich auch noch auf Artikel 3 der VO (EWG) 1408/71 stützen. Nach diesem mit "Gleichbehandlung" überschriebenem Artikel der Vorordnung haben Staatsangehörige eines Mitgliedstaates, die in einem anderen Mitgliedsstaat wohnen, dort die gleichen Rechte und Pflichten wie Staatsangehörige des anderen Mitgliedsstaates. Die Klägerin ist hinsichtlich ihres Kindergeldanspruchs folglich rechtlich so zu stellen, wie wenn sie Deutsche wäre. Unter dieser Prämisse kann die Erkenntnis, dass sie im Inland einen Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt unterhält, nicht zweifelhaft sein.
2.
Weitere Änderungsnormen greifen im Streitfall nicht ein.
§ 70 Abs. 3 EStG findet deshalb keine Anwendung, weil sich die Kindergeldfestsetzung nach den vorangestellten Ausführungen nicht als fehlerhaft erweist.
Die Aufhebungsnormen der AO sind ebenfalls nicht einschlägig. § 173 I Nr. 2 AO greift nicht ein, weil sich die Umstände, die für die Kindergeldgewährung erheblich sind, nicht verändert haben. Gleiches gilt auch für § 175 Abs. 2 AO.
3.
Da sich nach den vorangestellten Ausführungen der angefochtene Aufhebungsbescheid als rechtswidrig erweist und daher aufzuheben war, brauchte der Senat die weitere Frage, ob die Rechtskraft des Urteils des Landessozialgerichts vom 7. September 1999, in dem ein Kindergeldanspruch auch für die Zeit nach dem 1. Januar 1996 erkannt worden ist, dem Aufhebungsbescheid ebenfalls entgegenstand, nicht mehr zu prüfen.
II.
Dem Klagantrag konnte auch hinsichtlich der beantragten Höhe des zu zahlenden Kindergeldes und der Zahlungszeiträume der Erfolg nicht versagt bleiben.
1.
Für R besteht der Kindergeldanspruch gem. § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 a EStG uneingeschränkt fort. Nach dieser Norm ist Kindergeld für Kinder bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres zu gewähren, sofern sie noch für einen Beruf ausgebildet werden. Das trifft für R zu. Er hat nach der Schule ein Studium aufgenommen, dass ohne Unterbrechung bis heute andauert. Über eigene Einkünfte, die dem Anspruch entgegenstehen könnten, verfügt R nicht.
2.
a)
Für M hat die Klägerin im Jahre 2000 Kindergeld für die Monate Januar und Februar beantragt. Dieser Anspruch ergibt sich aus § 32 Abs. 3 i.V.m. § 66 Abs. 2 EStG, weil M erst am 25. Februar dieses Jahres sein 18. Lebensjahr vollendet hat.
b)
Für das Jahr 2001 begehrt die Klägerin durchgängig Kindergeld, mit Ausnahme des Monats Juli, in dem M einer Vollbeschäftigung nachgegangen ist. Auch dieser Anspruch ist berechtigt. Er ergibt sich für die Zeit vom 1. Januar bis 30. Juni aus § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 a i.V.m. § 66 Abs. 2 EStG, weil sich M bis zum 14. Juni in einer Berufsausbildung zum Reiseverkehrskaufmann befand. Für die Zeit ab 1. August folgt der Anspruch aus § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 EStG. Nach dieser Norm wird Kindergeld für ein über 18 Jahre altes Kind gewährt, wenn es das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet hat und arbeitslos ist. M war in der Zeit vom 1. August bis 31. Dezember arbeitslos und hatte das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet.
M hat in dieser Zeit mit seinen Einkünften und Bezügen den Grenzbetrag des § 32 Abs. 4 S. 2 EStG nicht überschritten. Nach dieser Norm wird ein Kind, dass das 18. Lebensjahr vollendet hat und für einen Beruf ausgebildet wird oder das arbeitslos ist, nur dann berücksichtigt, wenn es Einkünfte und Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt sind, von nicht mehr als - im Kalenderjahr 2001 - 14.040,00 DM erzielt hat. Der Betrag ist nach S. 5 der Norm für jeden Kalendermonat um ein Zwölftel zu kürzen, in dem die Voraussetzungen für den Bezug von Kindergeld nicht vorliegen. Einkünfte und Bezüge des Kindes, die auf die Kürzungsmonate entfallen, bleiben dabei außer Ansatz (§ 32 Abs. 4 S. 6 EStG). Im Streitfall ist der Grenzbetrag um ein Zwölftel für den Monat Juli - in dem M einer Vollbeschäftigung nachging und keinen Anspruchstatbestand erfüllte - zu kürzen. Er ermäßigt sich somit auf 12.870,00 DM. Die auf die Anspruchsmonate entfallenden Einkünfte errechnen sich ausweislich der vorgelegten Verdienstausweise und Leistungsnachweise Bl. 94 ff. der Gerichtsakten wie folgt:
Verdienst aus Berufsausbildungsverhältnis 01.01. - 14.06.2001 | 8.019,10 DM |
---|---|
Arbeitslosengeld 15.06. - 40.06. | 417,35 DM |
Arbeitslosengeld 01.08. - 31.12. | 3.756,15 DM |
zusammen | 12.192,60 DM |
Damit ist der Grenzbetrag nicht überschritten.
c)
Für das Jahr 2002 beansprucht die Klägerin Kindergeld für M für die Monate Januar und Februar. In diesen Monaten war das Kind arbeitslos und erfüllte den Anspruchstatbestand des § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 EStG. M hat erst am 11. März 2002 wieder eine Arbeit aufnehmen können.
Der Grenzbetrag ist nicht überschritten. Er beläuft sich für 2002 auf 7.188 Euro. Er ist um 9/12 auf 1.797 Euro zu kürzen, weil M in allen Monaten ab April an keinem Tag (§ 32 Abs. 4 S. 6 EStG 2002) den Anspruchstatbestand mehr erfüllte. Das Arbeitslosengeld des Kindes für die Zeit vom 01.01.-10 03.2002 ist mit 866,14 Euro ausgewiesen und bleibt damit hinter dem Grenzbetrag zurück.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).
Die übrigen Nebenentscheidungen ergeben sich aus § 151 Abs. 3 i.V.m. § 155 FGO und §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozeßordnung.