Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 03.12.2009, Az.: 10 K 69/08

Berücksichtigung von Verzugszinsen bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung als Werbungskosten oder als Anschaffungskosten bei verspäteter Leistung einer Ausgleichszahlung für das Erlöschen des Erbbaurechts; Veranlassungszusammenhang der Verzugszinsen bei verspäteter Leistung eines Entgelts für die Übertragung der Verfügungsmacht

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
03.12.2009
Aktenzeichen
10 K 69/08
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2009, 30266
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2009:1203.10K69.08.0A

Verzugszinsen wegen verspäteter Ausgleichszahlung für das Erlöschen eines Erbbaurechts führen zu Werbungskosten.

Tatbestand

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Strittig ist, ob Verzugszinsen bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung als Werbungskosten oder als Anschaffungskosten zu berücksichtigen sind.

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Die Klägerin betrieb im Streitjahr 2004 ein Gewerbe und erzielte außerdem Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Da sie keine Einkommensteuererklärung abgab, schätzte der Beklagte, das Finanzamt (FA), die Besteuerungsgrundlagen mit Bescheid vom 10. Juli 2006. Im hiergegen geführten Einspruchsverfahren erklärte die Klägerin aus einem Objekt in Hannover Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung i.H.v. 21.136 Euro. An diesem in ihrem Eigentum stehenden Grundstück war mit Vertrag vom 19. Juni 1951 ein Erbbaurecht für die Dauer von 50 Jahren bestellt worden. Der Erbbauberechtigte bestellte der Klägerin in der Folgezeit an vier Wohnungen in dem auf dem Grundstück errichteten Gebäude ein Dauerwohnrecht. Im Jahre 2002 erlosch das Erbbaurecht. Gemäß § 9 des Erbbauvertrages wurde eine Ausgleichszahlung der Klägerin gegenüber dem Erbbauberechtigten, der D. GmbH&Co Grundbesitz OHG (im Folgenden: D.), fällig. Ein Anerkenntnisurteil des Landgerichts Hannover sprach der D. daraufhin eine Ausgleichzahlung i.H.v. 212.697 Euro zuzüglich Verzugszinsen in Höhe von 39.931 Euro zu. Zum 31. Dezember 2004 verkaufte die Klägerin das Grundstück an die OHG zu einem Kaufpreis von 460.000 Euro. Dabei sollte ein Kaufpreisanteil i.H.v. 212.697 Euro nebst bis zu 7,37 v.H. Zinsen seit dem 10. Mai 2002 mit der Forderung der D. verrechnet werden. In dem Kaufvertrag ist weiter festgehalten, dass die D. der Klägerin seit dem 1. April 2002 offene Mieten i.H.v 37.227 Euro schuldet. Der demnach noch zu zahlende Kaufpreis durch die D. i.H.v 244.598 Euro sollte zum 31.Dezember 2004 fällig werden.

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Mit Schreiben vom 26. März 2007 vertrat die Klägerin gegenüber dem FA die Auffassung, dass sich aufgrund der Verrechnung der Mieteinnahmen mit Kreditzinsen ein Verlust bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung ergebe. Mit Schreiben vom 5. April 2007 vertrat das FA eine andere Auffassung und wies die Klägerin auf die Möglichkeit der Verböserung des Bescheids hin.

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Im daraufhin ergangenen Einspruchsbescheid vom 17. März 2008 setzte das FA die Einkommensteuer höher fest und wies den Einspruch der Klägerin zurück. Die von der Klägerin an die D. gezahlten Verzugszinsen stellten Anschaffungskosten für das Gebäude dar und seien lediglich im Rahmen von Aufwendungen für Abschreibungen abzusetzen. Daneben seien die Mieteinnahmen, die die D. der Klägerin noch geschuldet habe, bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu berücksichtigen.

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Mit ihrer Klage macht die Klägerin geltend, bei den Verzugszinsen handele es sich um Finanzierungs- und damit um Werbungskosten. Zwar sei die Entschädigungszahlung zum Erwerb des durch die D. errichteten Hauses aufgewandt worden. Finanzierungskosten gehörten aber nicht zu den Anschaffungskosten, sondern zu den sofort abziehbaren Geldbeschaffungskosten. Die D. habe der Klägerin durch das Hinausschieben der Fälligkeit ein Darlehen in Höhe der Entschädigungszahlung gewährt und dies nach den gesetzlichen Konditionen verzinst. Die Zinsen seien nicht durch den Erwerb des Objektes sondern durch den Verzug begründet und somit auf Ausgleich des Verspätungsschadens bei der D. gerichtet.

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Die Klägerin beantragt,

bei den Einkünften der Klägerin aus Vermietung und Verpachtung weitere Werbungskosten in Höhe von 98 v.H. von 39.931 EUR zu berücksichtigen.

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Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

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Die Klägerin habe Aufwendungen erbracht, die auf einem Versäumnis ihrerseits beruhten und nicht mit der Finanzierung eines Wirtschaftsgutes zusammenhingen. Die Aufwendungen seien vielmehr als Schadensersatz anzusehen und gleichrangig wie Notarkosten oder Grunderwerbsteuer als Anschaffungsnebenkosten zu behandeln.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist teilweise begründet. Das FA hat die strittigen Verzugszinsen zu Unrecht nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung der Klägerin berücksichtigt. Allerdings sind sie nur insoweit berücksichtigungsfähig, als sie nicht auf die von der Klägerin selbst bewohnte Wohnung entfallen.

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1.

Zu den bei der Ermittlung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes --EStG--) abziehbaren Werbungskosten gehören auch Schuldzinsen, soweit sie mit dieser Einkunftsart in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG). Schuldzinsen sind hingegen nicht als Werbungskosten in voller Höhe abzuziehen, wenn sie als Anschaffungskosten zu beurteilen sind; dann sind sie nur in Form der Absetzung für Abnutzung gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 EStG, § 7 Abs. 4 und 5 EStG auf die Nutzungsdauer zu verteilen. Zu den Anschaffungskosten gehören alle Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben und ihn in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen, soweit sie dem Vermögensgegenstand einzeln zugeordnet werden können; dazu zählen auch die Nebenkosten der Anschaffung sowie die nachträglichen Anschaffungskosten (§ 255 Abs. 1 des Handelsgesetzbuchs --HGB--, der insoweit auch einkommensteuerrechtlich maßgeblich ist; BFH-Urteil vom 20. August 2002 IX R 70/00, BFHE 200, 227, BStBl II 2003, 585). Welche Vorgänge im Einzelnen noch in den Bereich der Anschaffung fallen, ist nicht nach bürgerlich-rechtlichen, sondern nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu entscheiden (BFH-Urteile vom 19. April 1977 VIII R 44/74, BFHE 122, 108, BStBl II 1977, 600; vom 19. April 1977 VIII R 119/75, BFHE 122, 111, BStBl II 1977, 601).

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2.

Nach diesen Grundsätzen stellen die im Streitfall gezahlten Verzugszinsen Werbungskosten dar. Zwar führt die Ausgleichszahlung der Klägerin an die D. für das Erlöschen des Erbbaurechts für sich genommen zu Anschaffungskosten für den Erwerb der vollständigen rechtlichen und wirtschaftlichen Verfügungsmacht an dem Grundstück (vgl. Niedersächsisches Finanzgericht-Urteil vom 12. Februar 2003 2 K 667/00, EFG 2003, 842 und nachfolgend BFH-Urteil vom 13. Dezember 2005 IX R 24/03, BStBl II 2006, 461). Die Verzugszinsen stellen aber unabhängig davon, warum verspätet gezahlt worden ist, ein Entgelt nicht für die Übertragung der Verfügungsmacht, sondern für die in der Verspätung liegende tatsächlich Überlassung von Kapital zur Nutzung dar; wirtschaftlich betrachtet hat die Klägerin für die Dauer der Nachzahlung fremdes Kapital zur Nutzung zur Verfügung gestanden. Die Verzugszinsen stehen daher in einem Veranlassungszusammenhang mit einer Kapitalüberlassung. Es handelt sich deshalb bei ihnen um Finanzierungskosten und nicht etwa um Anschaffungsnebenkosten (vgl. Merkt in Baumbach/Hopt, HGB, 33. Aufl., § 255 Rz. 3), zumal sich der im Entgelt für die Übertragung der Verfügungsmacht zum Ausdruck kommende Wert des Wirtschaftsguts durch die Zahlung der Verzugszinsen nicht erhöht. Nicht anders als Stundungszinsen, die nach allgemeiner Auffassung ebenfalls kein Entgelt für den Erwerb eines Wirtschaftsguts, sondern ein Entgelt für Kapitalnutzung darstellen (vgl. m.w.N. BFH-Urteil vom 27. Juli 2004, BStBl II 2004, 1002; Werndl in Kirchhof/Söhn, EStG, § 6 Rz. B 73), führen Verzugszinsen daher zu Werbungskosten.

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3.

Bei den demnach zu berücksichtigenden weiteren Werbungskosten der Klägerin bei ihren Einkünften aus Vermietung und Verpachtung ist ein Abzug für die von der Klägerin selbstgenutzte Wohnung zu machen, da die Verzugszinsen insoweit nicht mit der Erzielung von Einkünften im Veranlassungszusammenhang stehen. Bei einer gesamten Nutzfläche von 597 m² und der Größe der von der Klägerin selbstgenutzten Wohnung von 50 m² sind die geltend gemachten Werbungskosten um 1/12 zu kürzen. In diesem Umfang ist die Klage daher abzuweisen.

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4.

Die Ausrechnung der Steuer wird dem FA nach § 100 Abs. 2 S. 2 FGO übertragen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 FGO, der Ausspruch zur Vollstreckbarkeit auf § 151 Abs. 3 FGO.