Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 31.03.2005, Az.: 3 K 165/04

Möglichkeit der Abänderung eines bestandskräftigen Einkommensteuerbescheides wegen nachträglichen Bekanntwerdens von Tatsachen; Anforderungen an ein grobes Verschulden i. S. von § 173 Abs. 1 Nr. 2 Abgabenordnung (AO)

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
31.03.2005
Aktenzeichen
3 K 165/04
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2005, 14937
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2005:0331.3K165.04.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
BFH - 26.09.2005 - AZ: XI B 50/05

Fundstelle

  • NWB direkt 2005, 2

Verfahrensgegenstand

Einkommensteuer 2001

Amtlicher Leitsatz

Neue Tatsache bei nicht vollständiger Steuererklärung ?

Tatbestand

1

Zwischen den Parteien ist streitig, ob der bestandskräftige Einkommensteuerbescheid 2001 noch geändert werden kann.

2

Der Kläger reichte am 18.07.2003 beim Finanzamt die von seinem Steuerberater erstellte Einkommensteuererklärung 2001 ein. In der Einkommensteuererklärung machte er keinerlei Spenden geltend. Das Finanzamt folgte bei der Veranlagung den Angaben in der Einkommensteuererklärung und veranlagte erklärungsgemäß. Der Einkommensteuerbescheid 2001 wurde bestandskräftig.

3

Mit Schreiben vom 31.10.2003 beantragte der Kläger, die Einkommensteuerfestsetzung zu ändern und zwei Geldspenden an den Verein "A" e.V. in Höhe von insgesamt 1.431,62 EUR zu berücksichtigen.

4

Die Spendenbescheinigungen (Einkommensteuerakte 2001) wurden am 08.02.2002 ausgestellt. Als Tag der Zuwendung wurden der 23.02. und 03.07.2001 eingetragen.

5

Der Kläger stützte den Änderungsantrag auf § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Abgabenordnung (AO), später auf§ 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO.

6

Das Finanzamt lehnte den Antrag auf Änderung des bestandskräftigen Einkommensteuerbescheides mit der Begründung ab, den Kläger treffe ein grobes Verschulden an dem nachträglichen Bekannt werden der im Streitjahr geleisteten Spenden.

7

Hiergegen richtet sich nach erfolglosem Vorverfahren die Klage.

8

Der Kläger ist der Rechtsansicht, dass ein grobes Verschulden nicht vorliege. Das Finanzamt konstruiere ein grobes Verschulden, indem es unterstelle, dass die Zeile 88 des Mantelbogens zur Einkommensteuererklärung 2001 eine ausdrücklich gestellte, auf einen bestimmten Vorgang bezogene Frage beinhaltet. Der Kläger habe die fehlende Eintragung in Zeile 88 des Mantelbogens nicht bemerkt. Nicht zuletzt deshalb, weil die Einkommensteuererklärung 2001 des Klägers aus zwölf Erklärungsseiten, drei Anlagen, eine Ergänzungsliste zur Anlage Kinder sowie einer sehr großen Anzahl von beigehefteten Belegen bestanden habe. Die Spendenbescheinigung des Vereins für 2001 datiere aus Februar 2002. Sie sei versehentlich in dem Ordner für das Jahr 2002 falsch abgeheftet worden. Die Spendenbescheinigungen seien erst bei Erstellung der Einkommensteuererklärung für das Jahr 2002 aufgefunden worden. Es sei dann sofort Antrag auf Änderung nach §§ 173, 175 AO gestellt worden.

9

Ein grobes Verschulden scheide daher aus.

10

Der Kläger beantragt,

unter Änderung des Ablehnungsbescheides zur Einkommensteuer 2001 Geldspenden in Höhe von 1.431,62 EUR als Sonderausgaben auf Grund neuer Tatsachen gem. § 173 AO zu berücksichtigen und die Einkommensteuer entsprechend herabzusetzen.

11

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

12

Es hält an seiner bisherigen Rechtsauffassung fest. Den Kläger treffe ein grobes Verschulden an dem nachträglich Bekannt werden der Spenden für das Jahr 2001. Ein Steuerpflichtiger handele regelmäßig grob schuldhaft, wenn er eine im Steuererklärungsformular ausdrücklich gestellte, auf einen ganz bestimmten Vorgang bezogene Frage nicht beantworte. Grobes Verschulden eines Steuerpflichtigen sei ferner in der Regel auch dann zu bejahen, wenn dieser einen Steuerbescheid bestandskräftig werden lasse, obwohl sich ihm innerhalb der Einspruchsfrist hätte aufdrängen müssen, dass dem Finanzamt bisher nicht bekannte Tatsachen noch geltend zu machen seien. Der Kläger könne sich nicht darauf berufen, bei Durchsicht der von seinem Steuerberater gefertigten Einkommensteuererklärung 2001 auf Richtigkeit und Vollständigkeit das Fehlen von Spenden deswegen nicht bemerkt zu haben, weil die Spendenbelege falsch abgelegt worden seien. Die falsche Ablage eines Beleges reiche nicht aus, wenn die Hingabe der Zuwendungen dem Kläger im Gedächtnis gewesen sein müsse. Die Tatsache, dass der Kläger dem Verein auch in den Vorjahren Spenden in ähnlicher Höhe habe zukommen lassen, hätte ihn bei Durchsicht der von seinem Steuerberater angefertigten Steuererklärung auf Richtigkeit und Vollständigkeit auffallen müssen, zumindest aber zu besonderer Sorgfalt anhalten müssen.

13

Beide Parteien habe ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter erteilt.

Gründe

14

Die Klage ist nicht begründet.

15

Der bestandskräftige Einkommensteuerbescheid 2001 kann weder wegen neuer Tatsachen nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) geändert werden, da dem Kläger an dem nachträglichen Bekannt werden ein grobes Verschulden trifft, noch gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO geändert werden, da ein rückwirkendes Ereignis nicht vorliegt.

16

Das Gericht folgt dabei gem. § 105 Abs. 5 Finanzgerichtsordnung (FGO) den Gründen des Einspruchsbescheides.

17

Ergänzend weist das Gericht auf Folgendes hin:

18

1.

Nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO sind Steuerbescheide zu Gunsten des Steuerpflichtigen aufzuheben oder zu ändern, soweit nachträglich Tatsachen oder Beweismittel bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und dem Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden.

19

Als grobes Verschulden im Sinne von § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO hat der Steuerpflichtige Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu vertreten. Grobe Fahrlässigkeit ist anzunehmen, wenn der Steuerpflichtige die ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten und Verhältnissen zumutbare Sorgfalt in ungewöhnlichem Maße und in nicht entschuldbarer Weise verletzt hat. Ob ein Beteiligter in diesem Sinne grob fahrlässig gehandelt hat, ist im Wesentlichen eine Tatfrage. Abzustellen ist dabei auf die Gesamtumstände des Einzelfalles (hierzu BFH-Urteil vom 6. Oktober 2004 X R 14/02, n.v., mit weiteren Nachweisen). Zudem kann ein grobes Verschulden im Sinne des § 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 AO auch darin bestehen, dass der Steuerpflichtige es unterlässt, gegen einen Steuerbescheid Einspruch einzulegen, obwohl sich ihm innerhalb der Einspruchsfrist die Geltendmachung von dem Finanzamt bisher nicht bekannten Tatsachen hätte aufdrängen müssen (BFH-Urteil vom 25. November 1983 VI R 8/82, BStBl II 1984, 256).

20

2.

Danach trifft den Kläger im Streitfall ein grobes Verschulden an dem nachträglichen Bekannt werden der Tatsachen.

21

Die Steuererklärung hat zwar aus zahlreichen Anlagen und Belegen bestanden, gleichwohl sind in der Einkommensteuererklärung 2001 keinerlei Spenden geltend gemacht. Dem Kläger hätte deshalb bei Durchsicht der Einkommensteuererklärung, spätestens jedoch beiÜberprüfung des Einkommensteuerbescheides 2001 auffallen müssen, dass keinerlei Geldspenden an den Verein geltend gemacht worden sind. Da es sich bei diesen beiden Geldspenden um die einzigen Spenden im Streitjahr 2001 gehandelt hat, gleichwohl keinerlei Spenden in der Einkommensteuererklärung geltend gemacht worden sind, hätte es sich ihm aufdrängen müssen, dass hier die Geltendmachung der Spenden mit der Einkommensteuererklärung 2001 versehentlich unterblieben ist. Dies insbesondere auch deshalb, weil er bereits in den Vorjahren 1998 bis 2000 jeweils Geldspenden an den Verein steuerlich geltend gemacht hat. Ihm hätte deshalb aus den Vorjahren bekannt sein müssen, dass diese Spende mit steuerlicher Wirksamkeit geltend gemacht werden können. Allein dass die Spendenbescheinigungen fälschlicherweise mit den Belegen für das Jahr 2002 abgeheftet worden sind, vermag den Kläger nicht zu exkulpieren. Aus den Spendenbescheinigungen ergibt sich vielmehr ausdrücklich, dass beide für das Jahr 2001 ausgestellt worden sind. Die Zahlungen als solche dürften dem Kläger auf Grund der vorhergehenden Spenden in den Jahren 1998 bis 2000 auch bekannt gewesen sein. Es hätte ihm deshalb bei Durchsicht der Einkommensteuererklärung 2001 sowie bei der nachträglichen Prüfung des Einkommensteuerbescheides auffallen müssen, dass Spenden im Streitjahr nicht geltend gemacht worden sind. Er hat gleichwohl die Einspruchsfrist verstreichen lassen, ohne auf eine Korrektur des Steuerbescheides hinzuwirken. Damit trifft ihn an der nicht rechtzeitigen Geltendmachung der Spenden ein grobes Verschulden.

22

Eine Änderung wegen neuer Tatsachen gem. § 173 AO hat deshalb nicht zu erfolgen.

23

3.

Es scheidet zudem auch eine Änderung des bestandskräftigen Steuerbescheides nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO aus. Die Spendenbescheinigungen für das Jahr 2001 sind erteilt worden am 08.02.2002. Die Einkommensteuererklärung für das Streitjahr ist beim Finanzamt eingegangen am 18. Juli 2003. Bei Unterzeichnung der Einkommensteuererklärung 2001 haben deshalb beide Spendenbescheinigungen bereits vorgelegen. Sie waren ausgestellt und wären deshalb auch beizeiten steuerlich geltend zu machen gewesen. Ein rückwirkendes Ereignis liegt nicht vor.

24

Die Klage war mit der Kostenfolge des § 135 FGO abzuweisen.