Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 14.03.2005, Az.: 3 K 644/04
Definition des lohnsteuerlichen Begriff des Arbeitgebers; Geschäftsführer einer GmbH als Arbeitnehmer im steuerrechtlichen Sinn; Übernahme des Geschäftsführeramtes als unselbstständiger Bestandteil eines Arbeitsvertrages; Behandlung mehrerer Dienstverhältnisse als eines bei Identität des Schuldners; Gesonderte Einbehaltung der Lohnsteuer bei Bezug von Arbeitslohn von verschiedenen Arbeitgebern trotz des Bestehens eines engen wirtschaftlichen Zusammenhangs zwischen den Dienstverhältnissen; Zweites Arbeitsverhältnis bei Tätigkeit eines Kommunalbeamten in von Stadt beherrschter Gesellschaft
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 14.03.2005
- Aktenzeichen
- 3 K 644/04
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2005, 14878
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2005:0314.3K644.04.0A
Rechtsgrundlagen
- § 40a EStG
- § 38 Abs. 1 EStG
- § 1 Abs. 2 LStDV
Fundstellen
- DStR 2005, VIII Heft 34 (Kurzinformation)
- DStRE 2005, 1002-1003 (Volltext mit amtl. LS)
- GK 2005, 378-380
- GK 2006, 187-189
- INF 2005, 483
Verfahrensgegenstand
Einkommensteuer 1998 - 2001
Redaktioneller Leitsatz
Die an den Geschäftsführer einer GmbH gezahlte Aufwandsentschädigung ist neben dem Arbeitslohn aus seinem Arbeitsverhältnis als Beamter der Kommune pauschal zu besteuern, wenn die GmbH neben der Kommune als zweiter Arbeitgeber anzusehen ist. Dies ist der Fall, wenn die Kommune nur in ihrer Stellung als Gesellschafter auf die Geschäftsführertätigkeit Einfluss nehmen kann.
Tatbestand
Zwischen den Parteien ist in den Jahren 1998 bis 2001 streitig, ob Einnahmen des Klägers aus seiner Tätigkeit als Geschäftsführer bei der Stadtwerke A GmbH (fortlaufend GmbH) pauschal versteuert werden können, oder aber ob sie als Arbeitslohn aus seinem Arbeitsverhältnis als Beamter bei der Stadt B zu versteuern sind.
Der Kläger ist als Beamter auf Lebenszeit bei der Stadt B beschäftigt. Mit Beschluss der Gesellschafterversammlung der GmbH vom 02.06.1995 wurde der Kläger zum zweiten Geschäftsführer der GmbH bestimmt. Der Verwaltungsausschuss der Stadt B hatte zuvor diese Nebentätigkeit durch Beschluss vom 31.05.1995 genehmigt. An der GmbH ist die Stadt B zu 80 v.H. beteiligt, die Firma C mit 20 v.H. Die monatliche Aufwandsentschädigung für seine Geschäftsführertätigkeit betrug 300,00 DM und wurde von der GmbH mit 20 % pauschal versteuert. Die GmbH teilte dem Beklagten mit, dass Voraussetzung für die Tätigkeit als Geschäftsführer nicht ein bestehendes Dienstrechtsverhältnis bei der Stadt B sei (Schreiben vom 28.01.2003 Bl. 37 ff. Einkommensteuerakte 2001). Es handele sich um eine völlig selbständige, nur auf die Stadtwerke A ausgerichtete Tätigkeit. Bei der an den Kläger ausgezahlten Vergütung handele es sich nicht um eine Lohnzahlung von dritter Stelle, die im Dienstverhältnis mit der Stadt B zu versteuern sei. Der Kläger sei als Geschäftsführer im Nebenamt tätig. Die Geschäftsführertätigkeit für die GmbH betrage ca. 10 % für die Gesamttätigkeit für die Stadt B. Die GmbH versteuerte zunächst die monatlichen Zahlungen an den Kläger pauschal mit 20 % gemäß § 40 a EStG.
Nach einer Lohnsteueraußenprüfung kam das Finanzamt (FA) zu der Rechtsansicht, dass aus lohnsteuerlicher Sicht die Geschäftsführertätigkeit für die GmbH Ausfluss der Tätigkeit bei der Stadt B sei und die Lohnzahlungen durch die GmbH im Rahmen des Dienstverhältnisses mit der Stadt B zu versteuern seien. Es änderte daraufhin die Einkommensteuerbescheide 1998 bis 2001 und erhöhte die Bruttoarbeitslöhne um die jährlichen Lohnzahlungen der GmbH von 3.600,00 DM.
Hiergegen richtet sich nach erfolglosem Einspruchsverfahren die Klage.
Der Kläger ist der Rechtsansicht, dass es sich nicht um Lohnzahlungen von dritter Seite handele, die im Dienstverhältnis mit der Stadt B zu versteuern seien, sondern dass ein gesondertes Dienstverhältnis mit der GmbH vorliege. Dies ergäbe sich insbesondere auch daraus, dass er als Geschäftsführer im Handelsregister eingetragen sei und diese Nebentätigkeit bei seiner Dienststelle genehmigt worden sei. Es lägen zudem keine gleichwertigen Tätigkeiten vor. Insbesondere reiche eine 80-%ige Mehrheitsbeteiligung nicht aus, um hier zu einem einheitlichen Arbeitsverhältnis zu gelangen. In der Folge wäre sonst bei dieser Rechtsauslegung auch jede im Mehrheitsbesitz stehende Gesellschaft, nicht nur der öffentlichen Hand, sondern auch der Privatwirtschaft davon betroffen. Es komme hinzu, dass der Kläger als Geschäftsführer auch der besonderen Geschäftsführerhaftung bei der GmbH unterliege.
Es liege insbesondere weder eine wirtschaftliche, noch eine tatsächliche Verpflichtung vor. Diese könne nur dann bejaht werden, wenn ein Organverhältnis i.S.d. § 14 Körperschaftsteuergesetz (KStG) vorliege. Da jedoch zwischen der Stadt B und der GmbH ein Gewinnabführungsvertrag nicht abgeschlossen worden sei, liege eine Organschaft nicht vor.
Im Streitfall liege auch nicht eine Lohnzahlung durch Dritte vor, da die GmbH eine völlig eigenständige juristische Person sei, die aufgrund des abgeschlossenen Geschäftsführervertrages mit dem Kläger ein eigenes Vertragsverhältnis mit diesem bekundet habe. Die GmbH sei deshalb nicht bloße Zahlstelle der Stadt B. Es handele sich bei den Zahlungen der GmbH auch nicht um eine Drittzahlung, da die Aufwandsentschädigungen nicht im Rahmen des Dienstverhältnisses mit der Stadt für eine dieser gegenüber geschuldeten Arbeitsleistung gezahlt worden seien. Der Kläger arbeite seit 1995 neben seiner Kämmereitätigkeit bei der Stadt als zweiter Geschäftsführer der GmbH. Da er bis 1992 als Leiter der Bauverwaltung bei der Stadt für den damaligen "Regiebetrieb" Wasserversorgung zuständig gewesen sei, sei er nach dem teilweisen Verkauf der Wasserwerke an C (20 %) für die Funktion als zweiter Geschäftsführer prädestiniert gewesen. Diese Nebentätigkeit nehme neben seiner Tätigkeit bei der Stadt (40 Stunden Arbeitszeit) ca. 4 bis 6 Stunden wöchentlich in Anspruch. Für diese Tätigkeit erhalte er von der GmbH ein festes Gehalt i.H.v. DM 300 monatlich. Die Höhe seines Arbeitslohnes bei der Stadt bleibe hiervon unberührt. Es liege daher ein eigenständiges Dienstverhältnis zwischen dem Kläger und der GmbH vor.
Eine Lohnzahlung durch Dritte i.S.v. § 38 Abs. 1 Satz 3 EStG liege nicht vor. Die Zahlungen der GmbH seien deshalb nicht als Arbeitslohn durch die Stadt B zu erfassen.
Der wesentliche Teil der Geschäftsführertätigkeit werde zudem in den privaten Räumen des Klägers durchgeführt. Diese Zeiten seien nicht als Arbeitszeit bei der Stadt B erfasst. Die Sitzung des Aufsichtsrates und der Gesellschafterversammlung der GmbH fänden zudem jeweils außerhalb der regulären Arbeitzeit bei der Stadt B statt.
Die Kläger beantragen,
die Einkommensteueränderungsbescheide 1998 bis 2001 vom 03.03.2003 in Gestalt des Einspruchsbescheides vom 20.07.2004 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Nach den im Prüfungsbericht getroffenen Feststellungen werde die Geschäftsführertätigkeit des Klägers bei der GmbH innerhalb der Regelarbeitszeit seines ersten Dienstverhältnisses im Auftrag der Stadt B ausgeübt. Damit seien die Voraussetzungen des § 38 Abs. 1 Satz 2 EStG erfüllt. Der Kläger erbringe die Leistungen als Geschäftsführer der GmbH im Rahmen seines Dienstverhältnisses für die Stadt B. Dies dokumentiere sich auch dadurch, dass die Arbeitszeit als Geschäftsführer als Wochenarbeitszeit angerechnet werde.
Beide Parteien haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter erteilt.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Die dem Kläger als Geschäftsführer der GmbH gezahlte Aufwandsentschädigung ist nicht als Arbeitslohn bei der Stadt B zu erfassen. Die Aufwandsentschädigungszahlungen i.H.v. jährlich 3.600,00 DM sind gemäß § 40 a EStG mit dem Pauschalsatz zu versteuern. Die GmbH ist neben der Stadt B zweiter Arbeitgeber für den Kläger.
1.
Das Einkommensteuerrecht definiert weder den lohnsteuerlichen Begriff des Arbeitgebers noch enthält es Regelungen dazu, wer bei mehreren Arbeitgebern als Arbeitgeber i.S.d. § 38 Abs. 1 EStG anzusehen ist. Der Begriff kann auch nicht durch Rückgriff auf den arbeits- oder sozialrechtlichen Arbeitgeberbegriff als definiert angesehen werden, da Steuerrecht einerseits - bzw. Sozialrecht andererseits unterschiedlichen Zwecken folgen (ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - BFH - , Urteil vom 17. Februar 1995 VI R 41/92, BStBl II 1995, 390).
In Rechtsprechung und Literatur allerdings wird mangels gesetzlicher Definition des lohnsteuerlichen "Arbeitgebers" in Umkehr zum Arbeitnehmerbegriff des § 1 Abs. 2 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung (LStDV) als Arbeitgeber derjenige angesehen, dem der Arbeitnehmer die Leistung schuldet, unter dessen Leitung er tätig wird, oder dessen Weisungen er zu befolgen hat (BFH-Urteil vom 21. Februar 1986 VI R 9/80, BStBl II 1986, 768; Frotscher, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 38 Rdz. 20; Kirchhoff/Söhn, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 38 Rdz. B 6 ff). Arbeitgeber ist demnach regelmäßig der Vertragspartner des Arbeitnehmers aus dem jeweiligen Dienstvertrag (BFH-Urteil vom 19. Februar 2004 VI R 122/00, BStBl II 2004, 620). Der BFH hat insbesondere für den Fall der Arbeitnehmerüberlassung entschieden, dass derjenige als Arbeitgeber anzusehen ist, der dem Arbeitgeber den Lohn im eigenen Namen und für eigene Rechnung unmittelbar auszahlt (BFH-Urteil vom 24. März 1999 I R 64/98, BStBl II 2000, 41). Der Geschäftsführer einer GmbH ist steuerlich grundsätzlich Arbeitnehmer, weil er als Organ in den Organismus in der Gesellschaft eingegliedert ist und den Weisungen zu folgen hat, die sich aus dem Anstellungsvertrag und aus den Gesellschafterbeschlüssen i.V.m. den gesetzlichen Vorschriften ergeben (BFH-Urteil vom 19. Februar 2004 VI R 122/00, a.a.O.). Die Übernahme des Geschäftsführeramtes kann allerdings unselbständiger Bestandteil eines Arbeitsvertrages sein, wenn ein Angestellter des herrschenden Unternehmens im Konzern unter Fortführung des Anstellungsverhältnisses die Leitung eines abhängigen Konzernunternehmens übernimmt (Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 20. Oktober 1995 5 AZB 5/95, DStR 1996, 275). Möglich allerdings ist auch eine Aufspaltung des Arbeitsverhältnisses auf mehrere Arbeitsverhältnisse (BFH-Urteil vom 19. Februar 2004 VI R 122/00, a.a.O.). Bei Identität des Schuldners sind mehrere Dienstverhältnisse allerdings als eines zu behandeln, weil nur auf diese Weise das Ziel erreicht wird, den Steuereinbehalt nach Maßgabe der Vorgaben aus§ 38 a EStG zu berechnen. Bezieht ein Arbeitnehmer Arbeitslohn von verschiedenen Arbeitgebern, ist von jedem gesondert Lohnsteuer einzubehalten, selbst wenn zwischen den Dienstverhältnissen, wie etwa bei manchen Nebenbeschäftigungen, ein enger wirtschaftlicher Zusammenhang besteht (Kirchhoff/Söhn, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 38 B 17). Lediglich wenn der Arbeitnehmer mehreren Arbeitgebern seine Dienstleistung insgesamt einheitlich schuldet, wenn also eine Aufspaltung in isoliert abzugeltenden Teilleistungen gerade nicht gewollt ist, wird ein einheitliches Dienstverhältnis anzunehmen sein.
2.
Danach liegen im Streitfall zwei Dienstverhältnisse vor. Zwischen der Stadt B und der GmbH besteht kein Gewinnabführungsvertrag. Insbesondere ist auch die GmbH nicht etwa im Verhältnis zur Stadt B mit einer konzernabhängigen Gesellschaft im Rahmen eines Organschaftsverhältnisses anzusehen. Der Kläger ist vielmehr auf der einen Seite als Beamter in den Geschäftsbetrieb der Stadtverwaltung der Stadt B eingegliedert, auf der anderen Seite hat er ein davon unabhängiges Arbeitsverhältnis mit der GmbH begründet. Als Geschäftsführer der GmbH ist er dessen Organ und deshalb von den Weisungen der Gesellschafterbeschlüsse sowie des Aufsichtsrates abhängig. Die Stadt B kann nicht unmittelbar aufgrund ihrer Mehrheitsbeteiligung auf die Position des Geschäftsführers einwirken. Der Geschäftsführer ist vielmehr aufgrund seiner gesetzlich verankerten rechtlichen Stellung ausschließlich berufen, Handlungen zum Wohle der Gesellschaft vorzunehmen. Eine unmittelbare Einflussnahme der Stadt B scheidet daher aus. Es kommt hinzu, dass die Aufwandsentschädigung für seine Geschäftsführertätigkeit von der GmbH bezahlt worden ist, nicht hingegen von der Stadt B. Er ist deshalb klar und eindeutig in den Geschäftsbetrieb der GmbH eingegliedert. Eine wirtschaftliche Einheit zwischen der Stadt B und der GmbH ist nicht herzuleiten. Die GmbH ist vielmehr eine von der Stadt B völlig unabhängige mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestaltete Gesellschaft. Es kommt hinzu, dass auch nach dem bisherigen Vorgehen die Stadt B die Tätigkeit des Klägers nicht als mit seiner eigenen Tätigkeit bei der Stadt B als zusammenhängend angesehen hat. Es hätte ansonsten nicht der besonderen Nebentätigkeitsgenehmigung bedurft. Diese allerdings ist dem Kläger gerade durch Beschluss des Verwaltungsausschusses erteilt worden, um seiner künftigen Tätigkeit als Geschäftsführer der GmbH nachzugehen. Allein, dass die Stadt B aufgrund eines besonderen Vertrauensverhältnisses gerade den Kläger bestimmt hat, die Geschäftsführertätigkeit in der GmbH auszuüben, vermag nicht ein einheitliches Arbeitsverhältnis zu begründen.
Der Kläger hat daher Lohn aus zwei unterschiedlichen Arbeitsverhältnissen bezogen, die GmbH konnte die Aufwandsentschädigung, da im übrigen die Voraussetzungen vorliegen, pauschaliert nach § 40 a EStG versteuern.
Der Klage war daher stattzugeben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 FGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in §§ 171 Abs. 1 und 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).