Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 02.03.2005, Az.: 2 K 378/04
Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen bis zum Hinweis des Finanzamts auf den Wegfall der einschlägigen Voraussetzungen; Besonderer Schutz von Landwirten durch Hinweise bei Änderung der steuerlichen Verhältnisse
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 02.03.2005
- Aktenzeichen
- 2 K 378/04
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2005, 30020
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2005:0302.2K378.04.0A
Rechtsgrundlage
- § 13a Abs. 1 EStG
Fundstelle
- INF 2006, 246
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Nach § 13a Abs. 1 EStG ist der Gewinn u.a. dann nach Durchschnittssätzen zu ermitteln, wenn die landwirtschaftliche Nutzfläche 20 ha nichtüberschreitet.
- 2.
Der Gewinn ist letztmalig nach Durchschnittssätzen in dem Wirtschaftsjahr zu ermitteln, in dem das Finanzamt auf den Wegfall einer der Voraussetzungen des § 13a EStG hingewiesen hat.
- 3.
Landwirte sollen aufgrund einer jahrzehntelangen Tradition bei Änderung der steuerlichen Verhältnisse durch Hinweise besonders geschützt werden.
Tatbestand
Die Parteien streiten, ob der Kläger in den Streitjahren (streitigen Wirtschaftsjahren 1999/2000 - 2001/2002) die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft nach Durchschnittssätzen (§ 13a EStG) ermitteln durfte.
Der Kläger bewirtschaftete einen landwirtschaftlichen Betrieb (überwiegend Viehhaltung). Der Betrieb hatte eine Größe von rund...[deutlich mehr als 20] ha Nutzfläche,...Das Finanzamt hatte die Kläger bisher einkommenssteuerlich nicht geführt. Ende des Jahre 2002 erfuhr das Finanzamt aufgrund einer Anfrage der Landwirtschaftlichen Alterkasse, dass der Kläger mehr als 20 ha landwirtschaftliche Nutzfläche bewirtschaftete.
Das Finanzamt forderte den Kläger daraufhin im April 2003 auf, rückwirkend ab ...1999 Steuererklärungen abzugeben und darin einen nach § 4 Abs. 1 oder 3 EStG ermittelten Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft zu erklären (EStA Bl. 7). Der Kläger kam dieser Aufforderung nicht nach. Daraufhin schätzte das Finanzamt den Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft ab [Wirtschaftsjahr] 1999 nach Richtsätzen. Mit hiergegen eingelegtem Einspruch machten die Kläger geltend, das Finanzamt habe den Kläger für die Streitjahre nicht vorab auf den Beginn des Wegfalls der Besteuerung nach Durchschnittssätzen hingewiesen, wie dies nach dem Gesetz (§ 13a Abs. 1 Satz 2 EStG) indes erforderlich gewesen wäre. Der Kläger habe diese Säumnis des Finanzamtes auch nicht etwa durch wissentlich falsche Angaben verursacht, wie dies in einem vom BFH entschiedenen Fall (Urteil vom 29.11.2001, IV R 13/00, BStBl II 2002, 147) indes der Fall gewesen sei.
Das Finanzamt wies den Einspruch zurück. Ein besonderer Hinweis sei nicht nötig gewesen. Angesichts der heutigen Informationsmöglichkeiten "hätte sich das Eintreten des Ausschlussgrundes nach § 13a Abs. 1 Nr. 2 EStG "förmlich aufdrängen müssen". Wegen der Auffassung des Finanzamts im Einzelnen wird auf den Einspruchsbescheid verwiesen (EStA 29). Hiergegen richtet sich die Klage.
Die Kläger meinen, in ihrem Fall hätte das Finanzamt sie auf den Wegfall der Voraussetzungen der Durchschnittbesteuerung vorab hinweisen müssen. Der vom BFH entschiedene Fall (a.a.O.) treffe auf ihre Verhältnisse nicht zu, denn sie hätten eben nicht wissentlich falsche Steuererklärungen abgegeben. Vielmehr seien Sie als steuerliche Laien schutzwürdig. Im Übrigen - hilfsweise - habe das Finanzamt die Einkünfte auch unzutreffend hoch geschätzt.
Sie, die Kläger, seien für die Streitjahre, wie auch für die Vorjahre, nicht verpflichtet gewesen, Steuererklärungen abzugeben, denn der nach § 13a EStG nach Durchschnittssätzen ermittelte Gewinn habe jeweils unter den Beträgen gelegen, von denen an Einkommensteuererklärungen abzugeben sind (§ 56 EStDV), weitere Einkünfte hätten sie nicht erzielt. Wegen der Begründung der Klage im Einzelnen wird auf die Klageschrift und die Schriftsätze vom 19.10.04 und 12.01.05 verwiesen (GA Bl. 7, 43, 51).
Die Kläger beantragen,
wie erkannt zu entscheiden.
Das Finanzamt beantragt Klagabweisung und meint auch weiterhin, der Gewinn könne nicht nach Durchschnittssätzen ermittelt werden. Die Kläger hätten jährliche Steuererklärungen abgeben müssen. Hätten Sie dies getan, hätte das Finanzamt sie rechtzeitig auffordern können, "den tatsächlichen Gewinn zu ermitteln". Entgegen der Auffassung der Kläger seien diese zur Abgabe von Steuererklärungen verpflichtet gewesen, denn die Kläger hätten auch zur Ermittlung des Gesamtbetrages der Einkünfte gem. § 56 EStDV den Gewinn eben nicht mehr nach § 13a EStG ermitteln dürfen, wie diese jedoch meinten. Anderenfalls wären die Kläger "nicht hinnehmbar" besser gestellt gegenüber solchen Landwirten, die regelmäßige Steuererklärungen abgeben. Wegen der Auffassung des Finanzamtes im Einzelnen wird auf die Klageerwiderung und den Schriftsatz vom 10.11.2004 verwiesen (GA Bl. 38, 46).
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet. Die Kläger durften den Gewinn in den streitigen Wirtschaftsjahren gemäß § 13a EStG ermitteln.
Nach § 13a Abs. 1 EStG ist der Gewinn unter den dort im Einzelnen genannten Voraussetzungen nach Durchschnittssätzen zu ermitteln, sofern - u.a. - die landwirtschaftliche Nutzfläche 20 ha nicht überschreitet, was hier zwar der Fall ist. Allerdings ist der Gewinn letztmalig nach Durchschnittssätzen in dem Wirtschaftsjahr zu ermitteln, in dem das Finanzamt (hier) auf den Wegfall einer der Voraussetzungen des § 13a EStG hingewiesen hat. Das Finanzamt hat die Kläger auf den Wegfall der Voraussetzungen des § 13a EStG, hier auf dieÜberschreitung der Grenze selbstbewirtschafteter Flächen von 20 ha, erst nach den Streitjahren hingewiesen. Deshalb ist der Gewinn in den zu den Streitjahren gehörenden Wirtschaftsjahren weiterhin nach§ 13a EStG zu ermitteln.
Auf das BFH-Urteil vom 29.11.2001 (a.a.O.) kann das Finanzamt sich für seine gegenteilige Auffassung nicht stützen. Der dort entschiedene Fall ist mit den hier vorliegenden nicht vergleichbar. Nach der Entscheidung des BFH soll die Hinweispflicht des FA "verfassungskonform" einschränkend dahingehend ausgelegt werden, dass sich der Steuerpflichtige auf die Fristwirkung der Vorschrift nicht berufen könne, wenn er das Finanzamt durch "wissentlich unrichtige Angaben in seiner Steuererklärung" an einer rechtzeitigen Mitteilung gehindert habe. Die Kläger haben indes keine wissentlich unrichtigen Angaben dieser Art gemacht. Die Kläger haben nämlich, wie sie auch zutreffend vortragen, überhaupt keine Einkommensteuererklärung abgeben müssen. Der Gesamtbetrag ihrer Einkünfte lag unter der jeweils maßgeblichen Grenze (§ 56 EStDV), von der ab Steuererklärungen abzugeben waren. Zu Unrecht will das Finanzamt für die Frage der Erklärungspflicht und der hierfür maßgeblichen Gewinne wiederum auf die Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen nicht abstellen (Schriftsatz vom 10.11.2004, GA Bl. 46), sondern einen nach Einnahme-Überschussrechnung errechneten Gewinn zugrunde legen. Mit dieser Argumentation unterliegt das Finanzamt indes einem Zirkelschluss, weil ja die Art der Gewinnermittlung eben erst von der - gerade ausstehenden - Mitteilung abhängig gemacht ist, wie dargelegt.
Entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung (gl. A. Felsmann, Anmerkung C 121b) kann das BFH-Urteil auch nicht erweiternd auf solche Fälle ausgedehnt werden, in denen dem Steuerpflichtigen sich der Wegfall der Voraussetzungen zur Durchschnittssatzgewinnermittlung aufdrängen musste. Wäre diese Auffassung richtig, würde die besondere Hinweispflicht des Gesetzes (§ 13a Abs. 1 Satz 2 EStG) leer laufen. Einer jahrzehntelangen Tradition in Rechtssprechung und dann im Gesetz entsprechend sollen aber Landwirte bei Änderung der steuerlichen Verhältnisse durch Hinweise besonders geschützt werden. Wäre aber die Auffassung der Finanzverwaltung richtig, nach der die Steuerpflichtigen schon aufgrund der auch ihnen "zugänglichen Medien" (Felsmann a.a.O.) über ihre steuerlichen Rechte und Pflichten Bescheid wüssten, wäre der nach dem Gesetz gebotene Hinweis überflüssig. Die Auffassung verkennt auch die für einen Laien, hierzu zählen auch Landwirte, schwer verständliche Bedeutung steuerlicher Vorschriften, zumal bei Landwirten mehrere Gewinnermittlungsmöglichkeiten in Betracht kommen.
Die Einkommensteuer ist deshalb, wie im Einzelnen im Schriftsatz des Klägers vom 12.01.2005 unwidersprochen errechnet, auf 0 DM herabzusetzen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 Abs. 3 FGO i.V.m.§§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung (ZPO). Der Senat lässt die Revision nicht zu. Der Rechtstreit hat keine grundsätzliche Bedeutung. Die Entscheidung ergibt sich aus dem Gesetz. Das vom Finanzamt zitierte BFH-Urteil ist, wie oben im Einzelnen aufgeführt, eindeutig auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar.