Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 04.05.2005, Az.: 4 W 77/05

Baukostentragung; Bauträger; Fertigstellungsbeschluss; Grundstückseigentümer; Lastentragung; Mehrheitsbeschluss; Nichtfertigstellung; ordnungsgemäße Verwaltung; ordnungsmäßige Verwaltung; teilender Eigentümer; Verwaltungsmaßnahme; Wohnanlage; Wohnungseigentumsanlage; Wohnungseigentümerbeschluss; Wohnungseigentümerversammlung; Zahlungsunfähigkeit

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
04.05.2005
Aktenzeichen
4 W 77/05
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2005, 50919
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG - 18.03.2005 - AZ: 5 T 8/05

Tenor:

Die sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg vom 18. März 2005 wird zurückgewiesen.

Die Gerichtskosten des weiteren Beschwerdeverfahrens werden dem Antragsteller auferlegt, der auch die außergerichtlichen Kosten der Antragsgegner im Verfahren der weiteren Beschwerde zu tragen hat.

Der Geschäftswert wird auf 30.000 € festgesetzt.

Gründe

1

I. Die Beteiligten sind Mitglieder bzw. wie der Antragsteller werdende, d. i. durch Eigentumsvormerkungen im Grundbuch abgesicherte Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft A. B. /C. in L..

2

Die inzwischen insolvente Grundstückseigentümerin C. Baubetreuungs GmbH, die weiterhin noch Eigentümerin ein größeren Anzahl von Eigentumsanteilen ist, teilte die betroffenen Grundstücke mit der notariell beurkundeten Teilungserklärung vom 19. Dezember 2000. Gemäß Nr. 1 der in § 4 der Teilungserklärung enthaltenen Gemeinschaftsordnung wurden die auf den Grundstücken zu errichtenden einzelnen Wohnhäuser und das Parkhaus der gemeinschaftlichen Nutzung der jeweiligen Miteigentümer bzw. Sondernutzungsberechtigten mit der Maßgabe zugewiesen, dass vier Untereigentümergemeinschaften gebildet wurden, nämlich die Untereigentümergemeinschaft I betreffend die Wohnhäuser 2, 3, 4 und 5, die Untereigentümergemeinschaft II betreffend das Wohnhaus 6, die Untereigentümergemeinschaft III betreffend das Wohnhaus 7 und die Untereigentümergemeinschaft IV betreffend das Flurstück 29/7 (Parkhaus mit Außenstellplätzen).

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§ 4 Nr. 2 der Gemeinschaftsordnung lautet auszugsweise:

4

„Jede Untereigentümergemeinschaft trägt sämtliche Kosten und Lasten ihres Hauses so, wie wenn sie eine eigene echte Eigentümergemeinschaft wäre.

5

a) Die Verteilung der Kosten bei den Untereigentümergemeinschaften I, II und III geschieht nach den Miteigentumsanteilen in diesen Untereigentümergemeinschaften. Dazu werden auch getrennte Instandhaltungsrücklagen gebildet.

6

b) Die Verteilung der Kosten der Untereigentümergemeinschaft IV (Parkhaus) geschieht über die Zahl der Stellplätze, über die ein Mit- bzw. Teileigentümer auf dem maßgeblichen Flurstück innerhalb oder außerhalb des Parkhausgebäudes im Verhältnis zu den übrigen Stellplätzen verfügt... An solchen Kosten, die lediglich das Parkhausgebäude und/oder dessen Einrichtungen... betreffen, hat sich der Miteigentümer, der lediglich über Außenstellplätze verfügt, nicht zu beteiligen.

7

c) Die Instandhaltung und Instandsetzung der zu dem Sondereigentum gehörenden Räume und Gebäudeteile... sind Angelegenheit des Wohnungs- und Teileigentümers....“

8

Der Antragsteller gehört zu der Untereigentümergemeinschaft I.

9

Die Baumaßnahmen zur Errichtung der einzelnen Wohnungen sind wegen der Insolvenz der C. Baubetreuungs GmbH nicht fertiggestellt worden. Der Aufwand für die Fertigstellung der Anlage (ohne Parkhaus) ist mit 577.564,89 € begutachtet worden. Im Frühjahr 2004 setzte die Stadt L. den Eigentümern unter Androhung der Unterbindung der Wohnungsnutzung eine Frist bis zum 31. Mai 2004, um ausstehende notwendige Arbeiten betreffend Brand-, Wärme- und Schallschutz auszuführen. Daraufhin berief die Verwalterin für den 1. Juni 2004 eine außerordentliche Eigentümerversammlung ein, zu der diejenigen Beteiligten, die lediglich Stellplätze gekauft hatten, nicht eingeladen wurden. Gegenstand sollte die Frage sein, in welcher Weise die Wohnungseigentumsanlage fertiggestellt werden sollte und wie die Kosten der Fertigstellung verteilt werden sollten. Gegen die Stimme des Antragstellers fassten die anwesenden Beteiligten zu TOP 3 folgenden Beschluss:

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„Die Untereigentümergemeinschaften I und II beschließen, die Kosten für die Fertigstellung der Gebäude der beiden Gemeinschaften aufzuteilen nach Untereigentümergemeinschaft I und II.“

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Mit seinem am 23. Juni 204 eingegangenen Antrag begehrt der Antragsteller, den vorgenannten Beschluss für ungültig zu erklären, weil sämtliche Eigentümer hätten geladen werden müssen und weil der Beschluss die Kosten der erstmaligen Herstellung der Wohnungseigentumsanlage beträfe, die gemäß § 16 Abs. 2 WEG von sämtlichen Wohnungseigentümern zu tragen seien. Durch den beschlossenen abweichenden Verteilungsschlüssel werde er zusätzlich mit ca. 6.600 € belastet.

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Das Amtsgericht hat den Antrag mit Beschluss vom 30. Dezember 2004 zurückgewiesen. Gegen diesen am 3. Januar 2005 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 17. Januar 2005 sofortige Beschwerde eingelegt, welche das Landgericht mit seinem am 29. März 2005 zugestellten Beschluss vom 18. März 2005 zurückgewiesen hat. Dagegen richtet sich die am 11. April 2005 eingegangene sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers.

13

Der Antragsteller wiederholt und vertieft seine Ansicht, wonach für den vorliegenden Fall einer „Erstherstellung“ § 4 Nr. 2 der Teilungserklärung nicht anwendbar ist.

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Der Antragsteller beantragt,

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den Beschluss des Landgerichts Lüneburg vom 18. März 2005 aufzuheben und den Beschluss der Eigentümerversammlung vom 1. Juni 2004 zu Tagesordnungspunkt 3, mit welchem die Untereigentümergemeinschaften I und II beschlossen haben, die Kosten für die Fertigstellung der Gebäude der beiden Gemeinschaften aufzuteilen nach Untereigentümergemeinschaften I und II, für ungültig zu erklären.

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II. 1. Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsteller ist gemäß §§ 45 Abs. 1 WEG 27, 29 FGG statthaft und zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden (§§ 29 Abs. 1 und 4, 22 Abs. 1 FGG). Der Beschwerdewert gemäß § 45 WEG ist erreicht.

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2. In der Sache hat die sofortige weitere Beschwerde jedoch keinen Erfolg. Gemäß § 27 Abs. 1 FGG wäre das Rechtsmittel im Verfahren der weiteren Beschwerde in der Hauptsache nur begründet, wenn das Beschwerdegericht eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet hat und dessen Entscheidung gerade auf einer derartigen Verletzung des Rechts i. S. v. §§ 27 Abs. 1 Satz 1 und 2 FGG, 546 ZPO n. F. beruht. Bei der Überprüfung der angefochtenen Entscheidung vermag der Senat jedoch keine Rechtsfehler festzustellen.

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Mit Recht haben die Vorinstanzen angenommen, dass die von der Eigentümerversammlung am 1. Juni 2004 zu Top 3 mehrheitlich beschlossene Kostenverteilung für die Fertigstellung der nach der Insolvenz des Bauträgers „steckengebliebenen“ Bauten, welche zu den Untergemeinschaften I und II gehören, rechtlich nicht zu beanstanden ist, weil sie der in der Gemeinschaftsordnung gemäß § 4 Nr. 2 der Teilungserklärung vorgesehenen Kostenverteilung entspricht. Nach dieser Regelung sollte nämlich jede Untereigentümergemeinschaft sämtliche Kosten und Lasten ihres Hauses so tragen, als wenn sie eine eigene echte Eigentümergemeinschaft wäre. Das erfordert gerade auch die Aufteilung der Kosten der Fertigstellung der Gebäude nach den Untereigentümergemeinschaft I und II, wie sie die Eigentümerversammlung am 1. Juni 2004 beschlossen hat.

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Wird eine Wohnanlage, wie im vorliegenden Fall, wegen der Zahlungsunfähigkeit des teilenden Eigentümers als Bauträger nicht vollständig fertiggestellt, kann die mangelfreie Fertigstellung als Maßnahme ordnungsgemäßer Verwaltung durch Stimmenmehrheit beschlossen werden. § 22 Abs. 2 WEG ist entsprechend anzuwenden. Das entspricht der von dem Senat geteilten herrschenden Meinung in der Rechtsprechung (vgl. BayObLG NZM 2003, 64; ZWE 2000, 214, 216; WuM 1998, 556, 567; MittBayNot 1983, 68 f; OLG Frankfurt WuM 1994, 163; ZMR 1991, 272; OLG Köln ZMR 1989, 384). Im vorliegenden Fall ist nicht streitig, dass die Fertigstellung der betroffenen Gebäude ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht. Entgegen der von dem Antragsteller vertretenen Ansicht handelt es sich bei den für eine mangelfreie Fertigstellung der Wohnanlage aufzubringenden Kosten nach unumstrittener Auffassung in der obergerichtlichen Rechtsprechung (vgl. BayObLG RPfleger 193, 346 = MittBayNot 1983, 68 f.; ZWE 2000, 214, 216; OLG Frankfurt WuM 1994, 36 [OLG Frankfurt am Main 15.11.1993 - 20 W 208/92]), der sich der Senat anschließt, um solche im Sinne des § 16 Abs. 2 WEG. Zwar gehören Baukosten für die Errichtung der Eigentumswohnanlage grundsätzlich nicht zu den Kosten der ordnungsgemäßen Instandhaltung und Instandsetzung. Das ist jedoch anders zu beurteilen, wenn, wie im vorliegenden Fall nach der Insolvenz des Bauträgers, die Wohnungseigentümer die nicht vollständig errichteten Gebäude fertigstellen (so auch Bärmann/ Pick/ Merle, WEG, 9. Aufl. § 16 Rdnr. 44).

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Aus § 16 Abs. 2 WEG ergibt sich zwar die Verpflichtung jedes Wohnungseigentümers gegenüber den anderen Wohnungseigentümern, die Kosten nach dem Verhältnis seines Miteigentumsanteils zu tragen. Indessen haben die abweichenden Regelungen in § 4 Nr. 2 der Teilungserklärung gemäß §§ 8, 10 Abs. 1 Satz 2 WEG Vorrang gegenüber dem gesetzlichen Kostenverteilungsschlüssel in § 16 Abs. 2 WEG (vgl. auch BGH NJW 2004, 3413, 3414 [BGH 07.10.2004 - V ZB 22/04] zu III. 1 Satz 1). § 4 Nr. 2 Teilungserklärung sieht aber gerade die Verteilung der Lasten unter den Mitgliedern der jeweiligen Untereigentümergemeinschaft vor, wobei die Aufteilung der Kosten unter den Mitgliedern der Untereigentümergemeinschaft wiederum nach den Miteigentumsanteilen, also entsprechend § 16 Abs. 2 WEG zu erfolgen hat.

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Für eine Auslegung der Teilungserklärung dahin, dass die vorgenannte Regelung der Gemeinschaftsordnung auf die Kosten der Fertigstellung steckengebliebener Bauten keine Anwendung finden sollte, fehlen unter Berücksichtigung des Wortlautes und des Sinnes, wie er sich für einen unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung ergibt, hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Erwägungen des Amtsgerichts in seinem Beschluss vom 30. Dezember 2004 verwiesen.

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Gerade weil den Wohnungseigentümern eine Änderung des in der Teilungserklärung enthaltenen Verteilerschlüssels durch Mehrheitsbeschluss versagt ist (vgl. OLG Frankfurt WuM 1994, 163), begegnet es keinen materiell-rechtlichen Bedenken, dass die Eigentümerversammlung in dem angefochtenen Mehrheitsbeschluss der Kostenregelung in der Teilungserklärung gefolgt ist. Der Beschluss hat insoweit lediglich deklaratorische Bedeutung. Anhaltspunkte für eine grobe Unbilligkeit dieser Regelung sind nicht ersichtlich (und auch nicht geltend gemacht worden), auch wenn die relativ geringe Kostenmehrbelastung des Antragstellers (43.933,63 € anstatt 37.356,51 € = 17,6 %) einer derartigen Annahme nicht von vornherein entgegensteht (vgl. BGH NJW 2004, 3413, 3415 [BGH 07.10.2004 - V ZB 22/04]). Es erscheint vielmehr sachgerecht, den Eigentümern der jeweiligen durch die Teilungserklärung gebildeten Untergemeinschaften die Kosten aufzuerlegen, weil sie in gleicher (besonderer) Weise an der Fertigstellung der zu den jeweiligen Untergemeinschaften gehörenden Gebäude entsprechend der behördlichen Auflage interessiert sind, während sie von der Fertigstellung der zu den anderen Untergemeinschaften gehörenden Gebäude nicht in gleicher Weise profitieren. Ohne Erfolg macht der Antragsteller geltend, die Anwendung des Verteilerschlüssels aus § 4 der Teilungserklärung auf die Kosten der Fertigstellung führe zu Unbilligkeiten, weil die teilende Ursprungseigentümerin die von den Erwerbern gezahlten Kaufpreise nicht in einem entsprechenden Verhältnis für die Herstellung des jeweiligen gemeinschaftlichen Eigentums der Untereigentümergemeinschaften verwendet habe. Dieser Gesichtspunkt ist aus mehreren Gründen unerheblich: Zum Einen berührt es das Verhältnis der einzelnen Erwerber zu der veräußernden Ursprungseigentümerin und die jeweiligen Kaufverträge, inwieweit die einzelnen Käufer einen dem von ihnen gezahlten Kaufpreis entsprechenden Gegenwert erhalten haben und inwieweit ihnen Ansprüche aus dem Kaufvertrag zustehen; dagegen geht es im vorliegenden Verfahren um die nach Lage der Dinge, wie sie nun einmal beim „stecken gebliebenen Bau“ sind, innerhalb der Eigentümergemeinschaft aufzuteilenden Kosten. Zum Andern könnte auch die dem Antragsteller vorschwebende Aufteilung nach § 16 Abs. 2 WEG das von ihm aufgeworfene Problem unterschiedlicher Fertigstellungsgrade und unterschiedlicher Kaufpreiszahlungen bei generalisierender Betrachtung auch nicht gerechter und „billiger“ lösen als eine Aufteilung nach § 4 der Teilungserklärung. Denn auch hier geht es um verschiedene Sphären: Das Problem einer den gezahlten Kaufpreisen nicht entsprechender Fertigstellung gehört der Sphäre der Verträge der einzelnen Erwerber zum Verkäufer an, während die Verteilung von Kosten der inneren Sphäre der Eigentümergemeinschaft zuzuordnen ist.

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Mit Recht haben die Vorinstanzen angenommen, dass es für die Gültigkeit des allein die Untereigentümergemeinschaften I und II betreffenden Beschlusses der Wohnungseigentümerversammlung nicht erheblich ist, ob die Mitglieder der anderen Untereigentümergemeinschaften ordnungsgemäß geladen worden sind.

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III. Die Kostenentscheidung für das Verfahren der weiteren Beschwerde beruht hinsichtlich der Gerichtskosten auf § 47 Satz 1 WEG und trägt dem Umstand Rechnung, dass der in der Hauptsache Unterliegende regelmäßig die Kosten zu tragen hat. Da das Rechtsmittel des Antragstellers auch offensichtlich unbegründet ist, war ausnahmsweise die Erstattung der außergerichtlichen Kosten gemäß § 47 Satz 2 WEG anzuordnen.

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Die Festsetzung des Gegenstandswertes beruht auf § 48 Abs. 3 Satz 2 WEG. Die diesbezüglichen Erwägungen im Beschluss des Amtsgerichts gelten auch für den Gegenstandswert im Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde.