Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 11.05.2005, Az.: 3 U 322/04
Verjährung von Schadensersatzansprüchen gegen einen Steuerberater wegen einer steuerlicher Fehlberatung; Beginn der Verjährung mit der Bekanntgabe eines belastenden Steuerbescheids; Rechtliche Möglichkeiten bei einer unzutreffenden Buchführung durch einen Steuerberater mit der Folge überhöhter Steuervorauszahlungen; Berechtigung zur Verweigerung des Ausgleichs von Schadensersatzansprüchen wegen des Eintritts von einer Verjährung; Anwendbarkeit der Grundsätze einer Sekundärverjährung; Bestehen von nachwirkenden Vertragspflichten eines Steuerberaters nach Beendigung der schuldrechtlichen Beziehungen; Hinweispflicht eines Steuerberaters über das Zustehen etwaiger Schadensersatzansprüche nach der Beendigung schuldrechtlicher Beziehungen
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 11.05.2005
- Aktenzeichen
- 3 U 322/04
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2005, 14925
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2005:0511.3U322.04.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Hildesheim - 18.11.2004 - AZ: 8 O 178/04
Rechtsgrundlagen
- § 214 BGB
- § 68 StBerG
Fundstellen
- BBV 2005, 39
- MDR 2005, 1439 (Volltext mit amtl. LS)
- NWB direkt 2005, 10
- OLGReport Gerichtsort 2005, 489-491
Amtlicher Leitsatz
Die Verjährung von Schadensersatzansprüchen gegen den eigenen Steuerberater wegen steuerlicher Fehlberatung beginnt mit der Bekanntgabe des belastenden Steuerbescheids.
In dem Rechtsstreit
hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
auf die mündliche Verhandlung vom 27. April 2005
unter Mitwirkung
des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht ...,
der Richterin am Oberlandesgericht ... sowie
des Richters am Oberlandesgericht ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das am 18. November 2004 verkündete Urteil des Einzelrichters der 8. Zivilkammer des Landgerichts Hildesheim wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung des Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe eines die vollstreckbare Forderung um 10 % übersteigenden Betrages abzuwenden, soweit nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit leistet, die den jeweils zu vollstreckenden Betrag um 10 % übersteigt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Klägerin nimmt den Beklagten, ihren früheren steuerlichen Berater, auf Schadensersatz wegen steuerlicher Fehlberatung in Anspruch. Sie hat behauptet, aufgrund unzutreffender Buchführung des Beklagten sei es zu überhöhten Steuervorauszahlungen gekommen. Den ihr hierdurch entstandenen Zinsschaden sowie die Kosten, die durch Beauftragung eines neuen Steuerberaters entstanden sind, beziffert sie mit insgesamt 22.052,93 EUR. Diesen Betrag macht sie gegenüber dem Beklagten als Schadensersatz geltend. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts verweist der Senat auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Ansprüche der Klägerin seien verjährt.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin, die ihr erstinstanzliches Begehren in vollem Umfang weiterverfolgt und insbesondere die Rechtsauffassung des Landgerichts, die geltend gemachten Schadensersatzansprüche seien verjährt, bekämpft. Sie vertritt die Auffassung, maßgeblicher Zeitpunkt für den Beginn der Verjährung der geltend gemachten Schadensersatzansprüche seien die aufgrund der Betriebsprüfung des Finanzamtes ergangenen, geänderten Steuerbescheide vom 31. Dezember 2000 sowie 26. Februar 2001 - betreffend die Körperschaftssteuern - sowie vom 31. Januar 2001 - betreffend die Gewerbesteuern. Unabhängig davon stehe, so die Auffassung der Klägerin, der Einrede der Verjährung die zu berücksichtigende Sekundärverjährung entgegen. Der Beklagte sei verpflichtet gewesen, auf der Grundlage des Betriebsprüfungsberichtes vom 31. Januar 2001 die Klägerin auf eigene Versäumnisse hinzuweisen. Entgegen der vom Landgericht vertretenen Auffassung sei diese Pflicht des Beklagten, den eigenen Mandanten auf Ansprüche gegen sich selbst zu belehren, nicht deshalb entfallen, weil sie, die Klägerin, im Jahr 2001 bereits von einem anderen Steuerberater vertreten worden sei. Die Pflicht, auf eigene Versäumnisse hinzuweisen, entfalle nur dann, wenn der Mandant nicht nur wegen der Regressfrage durch einen neuen Steuerberater, sondern durch einen Anwalt, insbesondere hinsichtlich möglicher Schadensersatzansprüche und deren Verjährung, beraten sei. Schließlich, so die Klägerin, hätte das Gericht auf die mögliche Verjährung der Ansprüche hinweisen müssen. In diesem Fall wäre weiterer Vortrag zur Hemmung des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs erfolgt: Tatsächlich habe ihr Prozessbevollmächtigter ab dem 19. Dezember 2002 mit der Haftpflichtversicherung des Beklagten Verhandlungen über mögliche Ansprüche geführt, und zwar bis in den Juli 2003 hinein, wie die vorgelegten Schreiben vom 9. Juli 2003 sowie die Antwort der Haftpflichtversicherung vom 25. Juli 2003 ergäben.
Die Klägerin beantragt,
das angefochtene Urteil abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 22.052,93 EUR nebst 8 %Punkten über dem Basiszinssatz auf 22.032,93 EUR seit dem 1. Dezember 2002 zu zahlen.
hilfweise,
den Rechtsstreit unter Aufhebung des Verfahrens an das Landgericht Hildesheim nach § 538 Abs. 2 Nr. 4 ZPO zurückzuweisen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Rechtsstandpunktes.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachvortrags der Parteien im Berufungsrechtszug wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
II.
Die Berufung der Klägerin ist zulässig; sie hat jedoch im Ergebnis keinen Erfolg. Der Beklagte ist berechtigt, den Ausgleich etwaiger Schadensersatzansprüche der Klägerin wegen Eintritts der Verjährung zu verweigern, § 214 BGB n. F.
1.
Entgegen der von der Klägerin auch im Berufungsrechtzug vertretenen Auffassung ist maßgeblicher Zeitpunkt für den Beginn der Verjährung möglicher Schadensersatzansprüche nicht der Betriebsprüfungsbericht des Finanzamts H. vom 31. Januar 2001 bzw. die auf diesen Bericht hin ergangenen berichtigenden Steuerbescheide vom 31. Januar 2001 sowie 26. Februar 2001. Die von der Klägerin für ihre Auffassung zitierte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 96, 290 ff.) ist, wie der Senat bereits in einer Entscheidung vom 15. April 1987 (3 U 16/87) ausgesprochen hat, sachlich unzutreffend; der Bundesgerichtshof selbst hält an dieser Rechtsprechung nicht mehr fest (vgl. BGHZ 114, 150). Er geht vielmehr in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die Verjährung eines gegen den Steuerberater gerichteten Schadensersatzanspruchs in dem Zeitpunkt beginnt, indem dem Mandanten der belastende Steuerbescheid bekannt gegeben ist. Wie das Landgericht im angefochtenen Urteil im Einzelnen zutreffend dargelegt hat, sind die Gewerbesteuerbescheide der Klägerin bis spätestens Juli 2000, der letzte Körperschaftssteuerbescheid für 1998 zeitnah nach dessen Erlass am 28. September 2000 zugegangen. Die erstmals mit Mahnbescheidsantrag vom 30. Dezember 2003 geltend gemachten Schadensersatzansprüche sind damit zu einem Zeitpunkt erhoben worden, zu dem mögliche Forderungen der Klägerin gegenüber dem Beklagten bereits verjährt waren.
2.
Auch die Anwendung der Grundsätze der Sekundärverjährung, auf die die Klägerin in der Berufungsinstanz hervorgehoben hinweist, führt zu keinem anderen Ergebnis. Richtig ist zwar, dass der Steuerberater, jedenfalls unter Geltung der hier anwendbaren Verjährungsreglung des § 68 StBerG, verpflichtet ist, den eigenen Mandanten auf mögliche schadensursächliche Fehler und entsprechende Ersatzansprüche hinzuweisen. Richtig ist weiterhin auch, dass diese Verpflichtung nicht bereits dadurch entfällt, dass der Mandant einen anderen Steuerberater beauftragt hat, der eine steuerliche Fehlberatung und gegebenenfalls auch das Entstehen eines Schadens feststellt. Erforderlich ist vielmehr, dass der geschädigte Mandant von seinem Steuerberater über den Schadensersatzanspruch und auch über dessen mögliche Verjährung aufgeklärt wird. Solange der Mandant keinen Anwalt mit der Durchsetzung solcher Ansprüche beauftragt hat, der dann seinerseits verpflichtet ist, auch einen möglichen Verjährungsablauf zu prüfen, bleibt mithin die Verpflichtung des ursprünglichen Beraters, auf mögliche eigene Versäumnisse hinzuweisen, grundsätzlich bestehen (BGH NJW 2001, 826). Diese sich aus dem Mandatsverhältnis ergebende Pflicht, auf eigene Versäumnisse hinzuweisen, endet jedoch mit dem Ende des Mandats. Nach Beendigung der schuldrechtlichen Beziehungen der Parteien besteht keine nachwirkende Vertragspflicht des Steuerberaters, seinen früheren Mandanten darauf hinzuweisen, dass diesem Schadensersatzansprüche zustehen könnten. Nach Beendigung des Mandats gibt es für den Steuerberater keinen Anlass mehr, die eigene frühere Tätigkeit auf etwaige Fehler zu überprüfen.
Hier ist das steuerliche Mandat der Parteien unstreitig spätestens im Mai 2000 beendet worden. Die Klägerin hat, als die Betriebsprüfung anstand und der Beklagte - so jedenfalls die Behauptung der Klägerin - nicht in der Lage war, zeitnah die erforderlichen steuerlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen, das Mandat gekündigt und einen neuen Steuerberater beauftragt. Damit war das zwischen den Parteien bestehende umfassende Mandat beendet. Ob hierneben der Beklagte noch für die Klägerin als Anwalt tätig war, kann dahinstehen, da insoweit ein anderer Auftrag betroffen ist. Wenn und soweit aufgrund der Betriebsprüfung im Jahre 2000/2001 Anlass bestand, auf eigene Fehler hinzuweisen, traf diese Pflicht den Beklagten nicht mehr, da das Mandat der Parteien zu diesem Zeitpunkt bereits beendet war.
3.
Die Rechtsauffassung der Klägerin, das landgerichtliche Urteil beruhe auf verfahrensfehlerhafter Grundlage, da die Kammer die Klägerin auf die mögliche Verjährung von Ansprüchen, insbesondere die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass der Verjährungsbeginn mit Bekanntgabe der Steuerbescheide anzunehmen sei, hätte hinweisen und deshalb Gelegenheit zu ergänzendem Sachvortrag, insbesondere zu Umständen, die zu einer Hemmung des Anspruchs hätten führen können, geben müssen, trifft nicht zu; sie führt auch zu keinem anderen Ergebnis.
a)
Für die Rechtslage bis zum 31. Dezember 2001 war ein solcher Hinweis schon deshalb weder erforderlich noch geboten, weil für die Verjährung von Ansprüchen gegen den Steuerberater die Regelung des § 852 BGB a. F. nicht galt (vgl. BGHZ 123, 394, 396 [BGH 28.10.1993 - I ZR 220/91]; BGH NJW 1999, 1101, 1102 [BGH 27.01.1999 - XII ZR 113/97], NJW 2000, 2661, 2663) [BGH 06.07.2000 - IX ZR 134/99]. Eine Hemmung der Verjährung durch Verhandlungen mit dem Steuerberater oder seiner Haftpflichtversicherung führte unter Geltung des § 852 BGB zu keiner Hemmung der Verjährung.
b)
Anders ist die Rechtslage erst seit dem 1. Januar 2002. Ab diesem Zeitpunkt greift infolge der Überleitungsvorschrift des Art. 229 EGBGB, § 6, nunmehr § 203 BGB ein. Danach gilt allgemein, dass durch Handlungen, die zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger über den Anspruch schweben, die Verjährung solange gehemmt wird, bis der eine oder andere Teil die Fortsetzung der Verhandlungen verweigert. Auch dies führt allerdings, wie bereits das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, zu keinem anderen Ergebnis. Verhandlungen über mögliche Ersatzansprüche können nur die Verjährung solcher Ansprüche hemmen, die nicht bereits verjährt sind. Aus diesem Grund kommt hier damit allenfalls die Hemmung von Ansprüchen auf Schadensersatz wegen der Körperschafts und der Gewerbesteuern für 1998, die aufgrund der im Juli/September 2000 ergangenen Bescheide im Juli/September 2003 verjährt sind, in Betracht. Allerdings sind, auch nach dem neuen, gemäß § 531 Abs. 2 ZPO zurückzuweisenden Vorbringen der Klägerin, die aufgrund der zwischen den Parteien streitigen Verjährungsfrage allemal Anlass hatte, hierzu in erster Instanz vorzutragen, die Voraussetzungen für eine Hemmung nicht dargetan. Der Beklagte hat die von der Klägerin mit Schreiben vom 22. November 2002 geltend gemachten Schadensersatzansprüche bereits mit Schreiben vom 10. Dezember 2002 zurückgewiesen. Von Verhandlungen i. S. v. § 203 BGB kann daher nicht gesprochen werden.
Dies gilt auch für die Folgezeit. Selbst wenn der Sachbearbeiter der Haftpflichtversicherung des Beklagten in einem fernmündlichen Gespräch mit dem jetzigen Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 2. Januar 2003 geäußert haben sollte, man wolle es nicht rundweg auf eine gerichtliche Auseinandersetzung ankommen lassen - so der neue, in der Berufungsinstanz unter Beweis gestellte Vortrag der Klägerin, für dessen Richtigkeit der Inhalt des späteren Aufforderungsschreibens vom 9. Juli 2003 spricht - sind in der Folgezeit dennoch keine Verhandlungen geführt worden. Geltend gemacht hat die Klägerin ihre Ansprüche erst mit dem Schreiben vom 9. Juli 2003. Diese hat der Versicherer des Beklagten erneut unverzüglich mit Schreiben vom 25. Juli 2003 zurückgewiesen. Auch insoweit sind damit keine Verhandlungen i. S. v. § 203 BGB geführt worden; vielmehr ist festzustellen, dass die Klägerin ihre möglichen Ansprüche gegen den Beklagten auch nach dem Telefonat vom 2. Januar 2003 zunächst nicht weiter verfolgt hat.
4.
Verjährt sind auch mögliche Schadensersatzansprüche der Klägerin, die sie auf Aufwendungen stützt, die durch die Neubearbeitung ihrer Steuerunterlagen durch den Steuerberater R. entstanden sind. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH WM 1998, 779 ff.) erfasst die Verjährung des Schadensersatzanspruchs auch alle weiteren, adäquat verursachten, vorausseh und zurechenbaren Nachteile aus ein und derselben Pflichtverletzung des steuerlichen Beraters; insoweit läuft eine einheitliche Verjährungsfrist mit der Folge, dass mit der Entstehung des ersten Teilschadens bereits die Verjährung des Gesamtschadens in Gang gesetzt wird. Damit ist auch ein möglicher Schaden der Klägerin, wie er durch die Beauftragung des neuen Steuerberaters und die damit entstandenen Kosten verursacht sein könnte, in gleicher Frist wie der eigentliche steuerliche Schaden verjährt.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Voraussetzungen, bei deren Vorliegen die Revision zuzulassen ist, sind nicht gegeben.