Verwaltungsgericht Hannover
Beschl. v. 06.01.2011, Az.: 12 B 5343/10

Keine Verletzung von dem Schutz des Eigentümers und Betreibers eines Hotel/Cafes dienenden Rechtsvorschriften durch eine den Einbau eines Schweinestalls mit 190 Mastplätzen erteilte Baugenehmigung

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
06.01.2011
Aktenzeichen
12 B 5343/10
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2011, 42106
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGHANNO:2011:0106.12B5343.10.0A

In der Verwaltungsrechtssache
1. A.
2. B.,
Antragsteller,
Proz.-Bev. zu 1-2: Rechtsanwälte C.
gegen
den D.
Antragsgegner,
beigeladen:
E.,
Proz.-Bev.: Rechtsanwälte F.
Streitgegenstand: Baugenehmigung für Remise, Schweinestall usw.
- Nachbarklage -
- Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO -
hat das Verwaltungsgericht Hannover -12. Kammer -am 6. Januar 2011
beschlossen:

Tenor:

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragssteller tragen die Kosten des Verfahrens. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind erstattungsfähig.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 25.000,- EURO festgesetzt.

Gründe

Der statthafte und auch im Übrigen zulässige Antrag gemäß § 80a Abs. 3 Satz 1 VwGO i.V. mit § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO, mit dem die Antragsteller sinngemäß begehren,

die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 03.12.2009 anzuordnen,

hat keinen Erfolg.

Das Suspensivinteresse der Antragsteller überwiegt nicht das gesetzlich in § 212a Abs. 1 BauGB zum Ausdruck kommende Vollzugsinteresse des Beigeladenen. Die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung insbesondere für den Einbau eines Schweinestalls mit 190 Mastplätzen in eine vorhandene Scheune auf dem Grundstück G. verletzt aller Voraussicht nach keine Rechtsvorschriften, die (auch) dem Schutz der Antragsteller als Eigentümer des Grundstücks H. und Betreiber des dort angesiedelten Hotels und Cafes zu dienen bestimmt sind.

Soweit die Antragsteller rügen, die vom dem Beigeladenen eingereichten Planunterlagen seien unvollständig, ist nicht erkennbar, dass daraus eine Rechtsverletzung der Antragsteller folgen könnte. Eine nachbarschützende Funktion kommt den Planunterlagen nur insoweit zu, als diese durch Inbezugnahme Teil der Baugenehmigung werden. Aus der Baugenehmigung und den Planunterlagen muss deshalb auch im Interesse des Nachbarn eindeutig erkennbar sein, was genehmigt wird und was nicht (vgl. OVG Lüneburg, Besch. v. 05.10.1994 -1M 5589/94, [...]). Das aber ist insbesondere in Bezug auf den Umgang mit der in der Schweinemast anfallenden Gülle der Fall. Aus den grün gestempelten Planzeichnungen und der ergänzenden Betriebsbeschreibung vom 15.05.2009 ergibt sich eindeutig, dass die Gülle in Güllekanälen gesammelt und alle vier Wochen abgefahren wird. Dabei liegen die Güllekanäle - wie die Schnittzeichnung B_B zeigt - im Stall unterhalb eines Spaltenbodens. Die diesbezüglichen Bedenken der Antragsteller beruhen auf Spekulationen. Eine Abführung der Gülle in offenen Rinnen und Sammlern zur bisherigen Güllegrube ist weder beantragt noch genehmigt. Ebenso spekulativ sind die Ausführungen der Antragsteller zu einer vorgeblich möglichen Haltung von bis zu 740 Schweinen. Genehmigt sind lediglich 547 Mastplätze, von denen 357 im Bestand vorhanden sind und 190 neu hinzukommen. Soweit die Antragsteller schließlich vorbringen, die Planunterlagen ließen nicht erkennen, wie der Umbau des Stalls und die Schweinehaltung technisch abgewickelt werden solle, berührt dieser Einwand nachbarliche Rechte nicht. Dasselbe gilt für etwaige Bedenken im Hinblick auf die Statik und die Verwendung des "Auslaufs". Letzterer ist nach der Genehmigung vom 03.12.2009 jedenfalls nicht für den Auslauf von Schweinen vorgesehen. Eine Rinderhaltung ist seit Jahresbeginn 2011 nicht mehr zulässig, sodass nicht erkennbar ist, welche nachteiligen Wirkungen von dem Auslauf ausgehen sollen.

Zu Unrecht berufen sich die Antragsteller weiter auf vermeintliche Mängel des auf der Basis der Geruchsimmissionsrichtlinie (GIRL i.d.F. vom 29.02.2008/10.09.2008, Gem. RdErl. v. 23.07.2009, Nds. MBI. 2009, 794) erstellten Gutachtens zu Geruchsemissionen und -immissionen vom 16.03.2009, das Bestandteil der Baugenehmigung ist. Die Antragsteller legen schon nicht substantiiert dar, dass derartige Mängel tatsächlich bestehen. Erst recht lässt ihr Vortrag in keiner Weise erkennen, dass von der Anlage zu ihren Lasten schädliche Umwelteinwirkungen LS. von § 3 Abs. 1 BImSchG ausgehen könnten.

Soweit die Antragsteller Fehler des dem Gutachten beigefügten Lageplans rügen, ist zwar zutreffend, dass die zeichnerische Darstellung den Standort des Schweinestalls fehlerhaft wiedergibt..In einer ergänzenden Stellungnahme vom 28.05.2009 hat die Gutachterin den Fehler jedoch korrigiert und darauf hingewiesen, dass die Auswirkungen auf die Umgebung gleichwohl richtig berechnet worden seien. Dem treten die Antragsteller nicht substantiiert entgegen. Auch der Einwand, das Gutachten habe unzutreffenderweise die Windrichtungsverteilung von I., das eine vollkommen andere topografische Lage aufweise, verwendet, überzeugt nicht. Die Gutachterin hat in einer weiteren ergänzenden Stellungnahme vom 28.05.2009 ausführlich dargelegt, aus welchen Gründen die herangezogene Windrichtungsverteilung für den Standort des Beigeladenen aussagekräftig ist. Substantiierte Einwendungen erheben die Antragsteller auch insoweit nicht. Für die Position der Antragsteller ohne Belang wäre es schließlich, wenn die Gutachterin die tatsächliche Nutzung der in der Nachbarschaft des Beigeladenen liegenden Gebäude in Einzelfällen fehlerhaft bestimmt haben sollte. Denn jedenfalls für das Grundstück der Antragsteller ist die Gutachterin zutreffenderweise von einer Wohnnutzung bzw. einer entsprechend schutzwürdigen Nutzung ausgegangen.

Soweit die Antragsteller das Ergebnis des Gutachtens anzweifeln, wonach für ihr Grundstück H. eine Geruchsbelastung von 6 bis 7 Prozent der Jahresstunden zu erwarten ist, ist ihr Vortrag nicht geeignet, die Aussagekraft des Gutachtens zu erschüttern. Die Antragsteller rügen im Wesentlichen, dass die Immissionen bezüglich der Grundstücke Dritter unzutreffend bestimmt worden seien. Selbst wenn dies aber - wofür die Kammer im Übrigen keinen Anhaltspunkt sieht - der Fall sein sollte, führte dies nicht zur Fehlerhaftigkeit des Gutachtens bezüglich der Antragsteller. Nicht zu beanstanden ist auch die Verwendung des Programms AUSTAL2000. Gemäß Anhang 3 der TA Luft wird für die Ausbreitungsrechnung ein Lagrangesches Partikelmodell nach der VDI-Richtlinie 3945 Blatt 3 festgelegt. Das Programm AUSTAL2000 setzt ein derartiges Modell um.

Abgesehen davon, dass die Kammer einen relevanten Fehler des Gutachtens vom 16.03.2009 mit den ergänzenden Stellungnahmen vom 28.05.2009 nicht zu erkennen vermag, legen die Antragsteller überdies nicht im Ansatz substantiiert dar, dass zu ihren Lasten tatsächlich von unzulässigen Immissionswerten auszugehen sein könnte. Das Gutachten vom 16.03.2009 ermittelt Belastungen von 6 bis 7 Prozent der Jahresstunden auf dem Grundstück der Antragsteller. Diese liegen um mehr als 50 Prozent unter der in einem Dorfgebiet gemäß § 5 BauNVO - um ein solches handelt es sich aufgrund der gebietsprägenden Kraft des Betriebs des Beigeladenen - zulässigen Belastung von 15 Prozent und auch unter dem Grenzwert für Wohngebiete von maximal 10 Prozent der Jahresstunden. Angesichts dieser ganz erheblichen Sicherheitsmarge genügen die Antragsteller ihrer Darlegungslast nicht, wenn sie lediglich in allgemeiner Form Fehler des Gutachtens rügen und sich auf eine gefühlte Belastung von 20 bis 30 Prozent der Jahresstunden berufen. Die Antragsteller müssten vielmehr substantiiert darlegen, dass eine Begutachtung nach - ihrer Ansicht nach - zutreffenden Maßstäben tatsächlich zu ihnen günstigeren Ergebnissen führen würde (vgl. jüngst OVG Lüneburg, Beschl. v. 03.01.2011 -1 ME 209/10, http://www.dbovg.niedersachsen.de). Auch daran fehlt es hier.

Fehl geht der Einwand der Antragsteller, der Antragsgegner habe zu Unrecht auf ein schalltechnisches Gutachten verzichtet. Der Antragsteller hat als Auflage Nr. 1 zu der Baugenehmigung verfügt, dass die Immissionsrichtwerte der TA Lärm einzuhalten seien und im Fall einer begründeten Nachbarbeschwerde ein Lärmschutzgutachten einzuholen sei. Das genügt angesichts der Tatsache, dass eine Abschätzung der Schallimmissionen vom 23.06.2009 im Hinblick auf die nächstgelegene Wohnbebauung - dies sind nicht die Antragsteller - eine Überschreitung von Grenzwerten äußerst unwahrscheinlich erscheinen lässt. Überdies legen die Antragsteller auch insoweit nicht substantiiert dar, dass von der Anlage unzulässige Lärmimmissionen zu Lasten ihres Grundstücks ausgehen werden.

Wenn die Antragsteller schließlich eine vorgeblich fehlende Futtergrundlage rügen, betrifft das einen offensichtlich nicht nachbarschützenden Gesichtspunkt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO i.V. mit § 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1 und § 53 Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG. Dabei orientiert sich die Kammer an Nr. 8 d) und 18 der Streitwertannahmen der Bausenate des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts nach dem 01.01.2002 (Nds.VBl. 2002, 192). Bei einer gewerblichen Nutzung des Grundstücks H. als Hotel mit zwei Appartements und 10 Zimmern sowie als Café hat die Kammer einen Hauptsachewert von 50.000,- EUR zugrunde gelegt und diesen Wert im Hinblick auf die Vorläufigkeit der hier angestrebten Entscheidung halbiert.

Lüerßen
Dr. Lenz
Döpp