Verwaltungsgericht Hannover
Beschl. v. 30.12.2010, Az.: 7 B 5682/10

Einstweiliger Rechtsschutz bei der Vergabe einer Sondernutzungserlaubnis für das Aufstellen von 500 Alttextilcontainern im Stadtgebiet

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
30.12.2010
Aktenzeichen
7 B 5682/10
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2010, 45179
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGHANNO:2010:1230.7B5682.10.0A

In der Verwaltungsrechtssache
des Herrn ...
Antragstellers,
gegen
die Landeshauptstadt
Antragsgegnerin,
Streitgegenstand: Sondernutzung öffentlicher Straßen und Plätze
- Antrag nach § 123 VwGO -
hat das Verwaltungsgericht Hannover - 7. Kammer - am 30. Dezember 2010
beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Dem Verfahren wird der

    Alttextilverbund ...

    beigeladen.

  2. 2.

    Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

    Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

    Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

    Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 90.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt im einstweiligen Rechtsschutzverfahren, der Antragsgegnerin vorläufig zu untersagen, die 500 im Stadtgebiet der Antragsgegnerin im Rahmen von Sondernutzungserlaubnissen genehmigten Stellplätze für das Aufstellen von Alttextilcontainern an Dritte zu vergeben, bevor die Antragsgegnerin nicht erneut über seinen Antrag auf Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis entschieden habe.

Derzeit sind 500 Alttextilcontainer im öffentlichen Straßenraum der Antragsgegnerin (legal) auf der Grundlage eines Vertrages mit dem Alttextilentsorgungsverband Hannover und Umgebung aufgestellt. Dieser Vertrag ist von der Antragsgegnerin zum 31.12.2010 gekündigt worden, u.a. mit der Begründung, zukünftig Sondernutzungserlaubnisse erteilen zu wollen und hierfür Gebühren entsprechend der neuen Sondernutzungsgebührenordnung zu erheben.

Der Antragsteller hat mit E-Mail vom 01.11.2010 bei der Antragsgegnerin beantragt, ihm eine Sondernutzungserlaubnis für das Aufstellen von 500 Alttextilcontainern im öffentlichen Straßenraum zu erteilen. Sechs weitere Einzelunternehmer sowie ein aus fünf Einzelunternehmern zusammengeschlossener Verbund (Beigeladener) stellten ebenfalls Anträge auf Erteilung von entsprechenden Sondernutzungserlaubnissen.

Die Antragsgegnerin erteilte dem Beigeladenen, dem auch Mitglieder des zuvor tätigen Alttextilentsorgungsverbandes Hannover und Umgebung angehören, unter dem 08.12.2010 die Erlaubnis zum Aufstellen von 500 Containern für ein Jahr und lehnte den Antrag des Antragstellers mit Bescheid vom gleichen Tage u.a. mit der Begründung ab, eine Verbandslösung biete den Vorteil, dass nur ein Verantwortlicher als Ansprechpartner bei auftretenden Problemen vorhanden und am ehesten gewährleistet sei, dass die Entsorgung auch bei fallenden Marktpreisen weiter durchgeführt werde.

Der Antragsteller hat am 13.12.2010 im Verfahren 7 A 5683/10 Verpflichtungsklage mit dem Ziel der Neubescheidung seines Antrags erhoben und zugleich um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht, um zu verhindern, dass die Antragsgegnerin die 500 Stellplätze (allein) an den Beigeladenen vergibt.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,

der Antragsgegnerin vorläufig zu untersagen, die 500 im Stadtgebiet der Antragsgegnerin im Rahmen von Sondernutzungserlaubnissen genehmigten Stellplätze für das Aufstellen von Alttextilcontainern an Dritte zu vergeben, bevor

die Antragsgegnerin nicht erneut über seinen Antrag auf Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis entschieden habe.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Sie verteidigt ihre Entscheidung.

Der Beigeladene

hat sich nicht geäußert.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin verwiesen.

II.

1. Die Beiladung beruht auf § 65 Abs. 2 VwGO.

2. Der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz hat keinen Erfolg.

Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO sind nicht gegeben. Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen, wenn diese Regelung geeignet ist, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder sie aus anderen Gründen nötig erscheint. Dem Antragsteller obliegt es in diesem Zusammenhang, das Vorliegen eines Anspruchs und eines Anordnungsgrundes glaubhaft zu machen. Voraussetzung dafür ist grundsätzlich, dass es dem Antragsteller unter Berücksichtigung seiner Interessen, aber auch anderer wie insbesondere öffentlicher Interessen nicht zumutbar ist, die Hauptsacheentscheidung abzuwarten (Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl., § 123 Rn. 26).

Hiernach ist der Antrag abzulehnen.

a) Der Antragsteller hat schon nicht glaubhaft gemacht, dass ihm ein Abwarten der Hauptsacheentscheidung nicht zuzumuten ist. Er bezeichnet sich selbst als "Jungunternehmer", der im Besitz einer Gewerbeerlaubnis sei und derzeit noch Leistungen der ARGE erhalte; eine von ihm vertretene ... LTD & Co KG befinde sich noch in Gründung. Der Antragsteller hat nicht glaubhaft gemacht, darüber hinausgehende Aktivitäten entwickelt zu haben, deren Rückabwicklung unzumutbare finanzielle Folgen für ihn hätten; ersichtlich hat der Antragsteller weder 500 Container erworben noch Verträge mit Dritten geschlossen, die es ihm ermöglichen würden, anstelle des zum Zuge gekommenen Beigeladenen die Entsorgung von Alttextilien im Stadtgebiet der Antragsgegnerin pünktlich zum 01.01.2011 zu gewährleisten.

b) Dessen ungeachtet hat der Antragsteller auch einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht.

Soweit der Antragsteller die Verpflichtung der Antragsgegnerin begehrt, keinem anderen Bewerber eine Sondernutzungserlaubnis für das Aufstellen von 500 Alttextilcontainern im Stadtgebiet ab dem 01.01.2011 zu erteilen, bevor nicht über seinen Antrag neu entschieden sei, geht der Rechtsschutzantrag ins Leere, weil dem Beigeladenen bereits unter dem 08.12.2010 - vor Anrufung des Gerichts durch den Antragsteller - eine entsprechende Erlaubnis erteilt worden ist.

Die Kammergeht dabei davon aus, dass der Antragsteller im Hauptsacheverfahren das Ziel verfolgt, 500 Alttextilcontainer oder mindestens einen zahlenmäßig nicht näher bezifferten Anteil hiervon genau dort aufstellen zu können, wo solche bisher auch standen und wo ersichtlich auch der zum Zuge gekommene Beigeladene seine Container aufstellen will. Da die Antragsgegnerin die Anzahl der Container auf maximal 500 begrenzt hat, spricht bei summarischer Prüfung Überwiegendes dafür, von einer begrenzten Kapazität auszugehen. In diesem Fall dürfte nach der zum Marktrecht ergangenen Rechtsprechung des 7. Senats des Nds. Oberverwaltungsgerichts ein ohne gleichzeitige Erhebung einer (Dritt-) Anfechtungsklage formulierter Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung "ins Leere" gehen, wenn - wie hier - keine freie Kapazität (mehr) vorhanden ist. Denn durch den bereits erfolgten Erlass des (positiven) Genehmigungsbescheids an den Beigeladenen wird (unter der regelmäßigen Voraussetzung der vollständigen Vergabe der vorhandenen Plätze) die Kapazität erschöpft. Will ein nicht berücksichtigter Bewerber (hier: der Antragsteller) seine Zulassung "innerhalb der festgelegten Kapazität" unter Verdrängung des berücksichtigten Mitbewerbers erstreiten, muss er daher neben dem Verpflichtungsantrag grundsätzlich Anfechtungsklage erheben, um die dem begünstigten Konkurrenten erteilte Zulassung für eine erneute Auswahlentscheidung wieder verfügbar zu machen (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 17.11.2009-7 ME 116/09-, NdsVBl. 2010, S. 81).

Ob die Auswahlentscheidung zu Gunsten des Beigeladenen im Ergebnis rechtmäßig war, bleibt einer Überprüfung im Klageverfahren vorbehalten, sofern der Antragsteller seine bislang erhobene Bescheidungsklage noch um einen Drittanfechtungsantrag erweitern sollte.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen waren aus Billigkeitsgründen nicht für erstattungsfähig zu erklären, weil von ihm keine Äußerung vorliegt.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 63 Abs. 2 Satz 1 und 53 Abs. 3, 52 Abs. 2 GKG. Nach Nr. 43.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit ist bei Klagen auf Erteilung von Sondernutzungserlaubnissen der zu erwartende Gewinn bis zur Höhe des Jahresbetrags maßgebend. Das VG Gießen hat in einem vergleichbaren Verfahren einen Streitwert von 360,00 EUR/Container festgesetzt (Urt. v. 02.11.2009 -10 K 1099/09 -). Nach seinen Angaben im Antrag vom 01.11.2010 wäre der Antragsteller bereit, im Rahmen eines von ihm favorisierten Bieterverfahrens mehr als die nach der Sondernutzungsgebührenordnung der Antragsgegnerin festgesetzte Gebühr von 122.312,20 EUR jährlich, nämlich sogar 155.000 EUR als "Sondernutzungsgebühr" zu zahlen und sich darüber hinaus zu verpflichten, 25.000 EUR jährlich an gemeinnützige Zwecke zu stiften. Vor diesem Hintergrund erscheint der Kammer die Streitwertannahme des VG Gießen plausibel. Für die im Klageverfahren 7 A 5683/10 erhobene Verpflichtungsklage wäre danach ein Streitwert von 180.000 EUR (500 Container x 360,00 EUR) maßgeblich; da der Antragsteller lediglich Neubescheidung beantragt hat, ist dieser Betrag zu halbieren.