Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 07.01.2011, Az.: 4 A 3345/10

Unzumutbare Lärmimmissionen für angrenzende Nachbarn durch den Betrieb einer Grüngutannahmestelle

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
07.01.2011
Aktenzeichen
4 A 3345/10
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2011, 41706
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGHANNO:2011:0107.4A3345.10.0A

In der Verwaltungsrechtssache
des A.,
Klägers,
Proz.-Bev.: B. -
gegen
die C,
Beklagte,
Proz.-Bev.: D.
Beigeladen:
Herr E.,
Proz.-Bev.: F.-
Streitgegenstand: Anfechtung einer Baugenehmigung
- Nachbarklage -
hat das Verwaltungsgericht Hannover - 4. Kammer - auf die mündliche Verhandlung vom 7. Januar 2011 durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Behrens, den Richter am Verwaltungsgericht Kleine-Tebbe, die Richterin am Verwaltungsgericht Schraeder sowie die ehrenamtlichen Richter G. und H.
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind erstattungsfähig.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung für einen Lagerplatz und eine Grüngutannahmestelle.

Der Kläger ist Eigentümer des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks mit der Flurstücksbezeichnung I., J. der Gemarkung K. (L.) in M.. Das Grundstück liegt nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, sondern im unbeplanten Innenbereich.

Südlich des Grundstücks des Klägers - nach übereinstimmender Einschätzung der Beteiligten im Außenbereich - befindet sich das im Eigentum des Beigeladenen stehende Flurstück N. der Flur O. Gemarkung K., auf dem dieser die Grüngutannahmestelle betreiben möchte. In östlicher Richtung an dieses Flurstück - im Innenbereich gelegen - schließt sich die Hofstelle des Beigeladenen an. Der Beigeladene betrieb zuletzt eine Grüngutannahmestelle auf einem Grundstück westlich dieser Hofstelle.

Bereits mit Bescheid vom 06.12.2007 hatte die Beklagte dem Beigeladenen eine Baugenehmigung für eine Grüngutannahmestelle erteilt. Dagegen hatten der Kläger und seine Ehefrau Widerspruch eingelegt und um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht. Mit Beschluss vom 22.01.2008 ordnete das erkennende Gericht (Az.: 4 B 702/08) die aufschiebende Wirkung des. Widerspruchs gegen die Baugenehmigung an. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidung Bezug genommen.

Am 02.07.2008 stellte der Beigeladene erneut einen Bauantrag. Ausweislich der grün gestempelten Betriebsbeschreibung soll die bisher auf dem anderen Grundstück betriebene Grüngutannahmestelle nunmehr auf dem Flurstück N. errichtet werden. Die bisherige Grüngutannahmestelle ist jeweils mittwochs von 16.00 bis 18.00 Uhr und samstags von 9.00 bis 12.00 Uhr geöffnet gewesen. Es werden Baum-, Hecken- und Strauchschnitt sowie Laub aus Privathaushalten bis zu Liefermengen von 1 m3 je Anlieferung angenommen. Rasenschnitt und Bioabfälle werden nicht angenommen. Das angesammelte Grüngut sei in der bisherigen Praxis jeweils in etwa monatlich geschreddert worden. Das Schreddern erfolge durch ein Lohnunternehmen. Hierzu sei das Lohnunternehmen in der Vergangenheit mit einer mobilen Schredderanlage zuletzt vom Typ Jenz AZ 660D angerückt. Im Jahre 2004 sei acht Mal geschreddert worden, im Jahre 2005 sieben Mal, im Jahre 2006 acht Mal und im Jahre 2007 sieben Mal. Zum Schutze insbesondere der nördlich angesiedelten Wohnbebauung "Roter Weg" werde unmittelbar nördlich des Lagerplatzes abdeckend ein Lärmschutzwall in einer Gesamthöhe von ca. 4,80 m bis 4,90 m und einer Länge von 65 Metern errichtet.

Im Rahmen des Genehmigungsverfahrens legte der Kläger schalltechnische Stellungnahmen des Sachverständigenbüros Bonk-Maire-Hoppmann GbR vom 23.05.2008, vom 27.04.2009 sowie vom 09.11.2009 vor. Die Gutachten gehen davon aus, dass die Schredderanlage an 6 bis 8 Tagen jährlich eingesetzt wird. Sie gehen weiter von einer maximalen Einwirkzeit der Anlagengeräusche von 6 Stunden in der Zeit zwischen 7 und 18.00 Uhr aus. Für das Grundstück des Klägers errechnet sich danach ein Beurteilungspegel von 59,4 dB(A) im ersten OG.

Mit Bescheid vom 24.02.2010 erteilte die Beklagte die Baugenehmigung für die Grüngutannahmestelle. Gemäß Nr. 1 der Nebenbestimmungen dürfen die von der Grüngutannahmestelle insgesamt und speziell von der Schredderanlage verursachten Geräuschimmissionen an den maßgeblichen Immissionsorten, zu denen auch das Grundstück des Klägers gehört, tagsüber 60 dB(A) und nachts 45 dB(A) nicht überschreiten. Sollte zukünftig auf der Grüngutannahmestelle eine andere Schredderanlage als die Anlage Jenz AZ 660D betrieben werden, sei zuvor der Nachweis zu erbringen, dass die dann eingesetzte Schredderanlage im Volllastbetrieb nicht mehr Lärm emittiere als die vorgenannte Anlage.

Gegen diese Baugenehmigung legte der Kläger am 10.03.2010 Widerspruch ein, den die Region Hannover mit Bescheid vom 28.06.2010 - zugestellt am 30.06.2010 - zurückwies.

Am 29.07.2010 hat der Kläger Klage erhoben. Im Klageverfahren hat die Beklagte mit Einverständnis des Beigeladenen die Baugenehmigung insoweit klargestellt, dass die tägliche Betriebszeit der mobilen Schredderanlage sechs Stunden nicht überschreiten darf.

Zur Begründung macht der Kläger geltend, die Baugenehmigung sei rechtswidrig und verletze ihn in seinen Rechten, weil sie gegen das Rücksichtnahmegebot verstoße. Von dem Vorhaben gingen unzulässige Immissionen aus. Weil es sich um eine nicht standortgebundene Anlage handele, fänden trotz Nr. 1. c) die Bestimmungen der TA-Lärm Anwendung. Das Grundstück des Klägers liege in einem faktischen reinen Wohngebiet, das durch das Dreieck zwischen "P." und "Q." gebildet werde. Es liege jedenfalls nicht - wie von der Beklagte angenommen - in einem faktischen Dorfgebiet, weil zumindest Gewerbebetriebe und Handwerksbetriebe fehlten. Allenfalls könne von einer Gemengelage ausgegangen werden. Die Annahme einer Gemengelage aber habe zur Folge, dass der in der Baugenehmigung angenommene Immissionsrichtwert von 60 dB(A) zu hoch sei und zudem die Regelung in Nr. 6.5 TA-Lärm für Tageszeiten mit erhöhter Empfindlichkeit zu berücksichtigen sei.

Aber selbst wenn der Immissionsrichtwert von 60 dB(A) zutreffend sei, sei das Vorhaben rücksichtslos, weil die Baugenehmigung den Immissionskonflikt nicht bewältige. Die Betriebsbeschreibung sei geschönt und damit seien auch die Annahmen des zugrundeliegenden Schallgutachtens zweifelhaft. Das Gutachten berücksichtige auch nicht, dass zugleich der Wertstoff- und der Altpapiercontainer benutzt werden könnten.

Der Beigeladene könne für sich auch nicht die Regelung in Nr. 7.2 TA-Lärm (Bestimmungen für seltene Ereignisse) in Anspruch nehmen. Abgesehen davon, dass es sich bei dem Betrieb des Schredders nicht um ein seltenes Ereignis handele, komme eine Privilegierung danach nur dann in Betracht, wenn der Stand der Technik zur Lärmminderung eingehalten werde. Das sei hier nicht der Fall, weil der Schredder nicht eingehaust werde.

Im Übrigen verletze die Baugenehmigung auch deswegen das Rücksichtnahmegebot, weil die mit dem Vorhaben verbundene Staub- und Geruchsentwicklung nicht berücksichtigt worden sei.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 24.02.2010 und den Widerspruchsbescheid der Region Hannover vom 28.06.2010 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Baugenehmigung sei rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten. Das Betriebsgrundstück liege im Außenbereich, das Wohngrundstück des Klägers ebenso wie der Betrieb des Beigeladenen im Übrigen in einem faktischen Dorfgebiet. Der Kläger könne daher keinen besseren Schutz als den Immissionsrichtwert von 60 dB(A) tagsüber beanspruchen. Diese Werte würden durch den Betrieb der Anlage eingehalten, und zwar ohne dass der Beigeladene die Bestimmung nach Nr. 7.2 TA-Lärm für seltene Ereignisse in Anspruch nehmen müsse, deren Voraussetzungen im Übrigen vorlägen.

Der Beigeladene beantragt ebenfalls,

die Klage abzuweisen.

Unzulässige Immissionen seien mit dem Vorhaben nicht verbunden. Das Grundstück des Klägers liege in einem faktischen Dorfgebiet. Die Lärmwerte würden bereits deswegen nicht überschritten, weil der Betrieb des Schredders als seltenes Ereignis im Sinne von Nr. 7.2 TA-Lärm zu qualifizieren sei. Aber selbst wenn dies nicht der Fall sein sollte, würden die Werte nicht überschritten. Der Betrieb des Schredders unter freiem Himmel entspreche dem Stand der Technik. Es sei nicht üblich, mobile Schredder einzuhausen. Selbst wenn Nr. 6.5 TA-Lärm Anwendung finden sollte, bleibe dieses folgenlos, weil ein Betrieb in der Zeit zwischen 6 und 7.00 Uhr sowie zwischen 20 und 22.00 Uhr ohnehin nicht beabsichtigt sei. Die Emissionen durch die Sammelbehälter für Glas und Altpapier seien zu Recht unberücksichtigt geblieben, weil zu den Zeiten, an denen geschreddert werde, die Container nicht beliefert werden dürften.

Unzumutbare Staub- oder Geruchsemissionen seien durch die Anlage nicht zu erwarten. Mit dem Schreddern von Grüngut sei keine relevante Staubentwicklung verbunden, Geruchsemissionen seien deswegen nicht zu erwarten, weil die Annahme von Rasenschnitt und Bioabfällen nach der Betriebsbeschreibung ausgeschlossen sei.

Das Gericht hat Beweis erhöben durch Inaugenscheinnahme der näheren Umgebung des Baugrundstücks und des Grundstücks des Klägers. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig, aber unbegründet.

Die Anfechtung einer Baugenehmigung durch einen Nachbarn kann nur dann zum Erfolg führen, wenn die Genehmigung rechtswidrig ist und der Nachbar dadurch in seinen Rechten verletzt wird. Die Zulassung des Bauvorhabens durch die Bauaufsicht verletzt einen Nachbarn dann in seinen Rechten, wenn sie mit Vorschriften nicht vereinbar ist, die - zumindest auch - die Funktion haben, nachbarliche Rechte zu schützen. Das ist hier nicht der Fall; die erteilte Baugenehmigung verletzt derartig nachbarschützende Vorschriften nicht.

Der Kläger wendet ein, mit dem Betrieb der Grüngutannahmestelle seien unzumutbare Lärmimmissionen verbunden. Insoweit rügt er die Verletzung des drittschützenden Gebotes der Rücksichtnahme.

Mit diesem Einwand kann er keinen Erfolg haben, weil die mit dem Vorhaben verbundenen Lärmimmissionen nicht unzumutbar sind. Welches Maß an Rücksichtnahme ein Bauvorhaben im Einzelfall einzuhalten hat, hängt wesentlich von den jeweiligen Umständen ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung des Rücksichtnahmebegünstigten ist, desto mehr Rücksichtnahme kann er verlangen. Je verständiger und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, desto weniger Rücksicht braucht der Vorhabenträger zu nehmen. Anknüpfpunkte für die Schutzbedürftigkeit des Nachbarn bietet § 22 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG, wonach bei der Errichtung und dem Betrieb genehmigungsfreier Anlagen schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des § 3 Abs. 1 BImSchG zu verhindern oder auf das unvermeidbare Maß zu beschränken sind. Bei der Frage, was die Schwelle zur erheblichen oder schädlichen Belastung übersteigt, liefert die TA Lärm zwar nicht normativ bindende und anspruchsbegründende Werte, so doch gewichtige Anhaltspunkte für die Beurteilung des konkreten Einzelfalls. Der TA Lärm kommt, soweit sie für Geräusche den unbestimmten Rechtsbegriff der schädlichen Umwelteinwirkungen konkretisiert, eine im gerichtlichen Verfahren zu beachtende Bindungswirkung als normkonkretisierende Verwaltungsvorschrift zu (BVerwG, Urteil vom 29.08.2007 - 4 C 2.07 -, NVwZ 2008, 76).

Nr. 1 c.TA Lärm nimmt zwar nicht genehmigungsbedürftige landwirtschaftliche Anlagen von ihrem Anwendungsbereich aus. Da der Beigeladene geltend macht, das Schreddergut ausschließlich als Dünger für seinen Betrieb zu verwenden, erscheint es vertretbar, das streitbefangene Vorhaben als landwirtschaftliche Anlage anzusehen. Die Kammer kann diese Frage aber aus zwei Gründen offen lassen: Es ist anerkannt, das die Regelungen der TA Lärm jedenfalls dann herangezogen werden können, wenn keine geeigneteren Erkenntnisquellen zur Verfügung stehen (vgl. Hansmann in: Landmann/Rohmer, Rn. 16 zu Nr. 1 TA Lärm), was hier der Fall ist. Zum anderen privilegiert Nr. 1 c. TA Lärm die landwirtschaftliche Nutzung. Einen besseren Schutz vor Immissionen als nach den Bestimmungen der TA Lärm hat der Kläger daher unter keinem denkbaren Gesichtspunkt. Die Kammer legt deshalb zu Gunsten des Klägers die TA Lärm ihren Erwägungen zugrunde.

Nach Auffassung der Kammer gehen von dem Bauvorhaben keine Lärmemissionen aus, die die für den Kläger geltenden Immissionsrichtwerte nach der TA Lärm überschreiten.

Das ergibt sich aus den schalltechnischen Untersuchungen des Ingenieurbüros Bonk-Maire-Hoppmann GbR vom 23.05.2008, vom 27.04.2009 und vom 09.11.2009, die das Gericht für nachvollziehbar hält. Danach errechnet sich für das Grundstück des Klägers ein Beurteilungspegel von 59,4 dB(A) für die in den Gutachten so beschriebene "Situation 1", also die Tage, an denen Grüngut geschreddert wird, und ein Beurteilungspegel von 38,5 dB(A) für den Betrieb der Grüngutannahmestelle ohne Betrieb eines Schredders. Dem Einwand des Klägers, die Einhaltung dieses Wertes sei insbesondere deswegen nicht sichergestellt, weil das Gutachten von einer maximalen Einwirkzeit der Anlagengeräusche von sechs Stunden ausgehe, wurde durch entsprechende Klarstellung in der Baugenehmigung Rechnung getragen. Das gilt auch für den weiteren Einwand, Emissionen, die durch die Benutzung der Wertstoffcontainer entstünden, hätten neben den Anlagengeräuschen berücksichtigt werden müssen. Der Beigeladene hat verbindlich erklärt, dass an den Tagen, an denen die Container zugänglich seien, nicht geschreddert werde. An den übrigen Betriebstagen ("Situation 2") ist die Immissionsbelastung ohnehin nicht problematisch.

Die auf der Grundlage der Immissionsprognose ermittelten Immissionen überschreiten die maßgeblichen Immissionsrichtwerte gemäß Nr. 6.1 TA Lärm nicht. Das Grundstück des Klägers liegt im unbeplanten Innenbereich, das Baugrundstück im Außenbereich. Das ist zwischen den Beteiligten unstreitig und unterliegt nach dem Ergebnis der Inaugenscheinnahme keinem Zweifel. Gemäß Nr. 6.6 TA Lärm sind Gebiete, für die keine Festsetzungen bestehen, nach Nr. 6.1 TA Lärm entsprechend der Schutzbedürftigkeit zu beurteilen. Diese Beurteilung ergibt, dass das Grundstück des Klägers nicht mehr als den Schutzanspruch eines in einem Dorfgebiet gelegenen Grundstücks beanspruchen kann, also tagsüber 60 dB(A) (Nr. 6.1 c. TA Lärm).

Nach dem Ergebnis der Ortsbesichtigung liegt das Grundstück des Klägers nach Auffassung der Kammer in einem faktischen Dorfgebiet. Als für diese Beurteilung maßgebliche nähere Umgebung sieht die Kammer das Gebiet an, das im Süden durch die R., im Westen durch die Dorfstraße und im Osten durch die Straße Q. bzw. die Grenze zum Außenbereich begrenzt wird. Hinsichtlich der nördlichen Grenze lässt die Kammer offen, ob als nähere Umgebung auch noch die Bebauung einbezogen werden kann, die nördlich des durch die Dorfstraße und die Straße Q. gebildeten Dreiecks liegt, insbesondere die dort ansässigen landwirtschaftlichen Betriebe.

Bei der Beurteilung, was als nähere Umgebung anzusehen ist, ist auf die Wechselbeziehung zwischen den verschiedenen Grundstücken abzustellen. Entscheidend ist, was die Umgebung prägt und wie sich die Baugrundstücke aufeinander auswirken. Eine Straße kann dabei trennende Wirkung haben, muss es aber nicht. Entscheidend ist, ob die Bebauung jenseits der Straße noch prägend ist für die Bebauung diesseits der Straße. Dabei ist neben dem optischen Eindruck auch darauf abzustellen, ob die Bebauung beiderseits der Straße jeweils unterschiedliche Nutzungen aufweist (dazu: Jäde/Dirnberger/Weiss, BauGB, BauNVO, 5. Aufl., § 34 BauGB Rn. 69 m.w.N.).

Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe verläuft entgegen der Auffassung des Klägers zwischen seinem Grundstück und dem Hofgrundstück des Beigeladenen keine Grenze, die Baugebiete trennen würde. Allein der Umstand, dass die nördlich des Grundstücks des Beigeladenen gelegenen Grundstücke bis zur Einmündung Q. keine landwirtschaftliche Nutzung, sondern Wohnnutzung aufweisen, begründet eine solche trennende Wirkung nicht. Entscheidend sind die Auswirkungen und der prägende Einfluss der Grundstücke untereinander. Hier hat die Kammer nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme keinen Zweifel, dass die nördlich des Hofgrundstücks des Beigeladenen gelegene Wohnbebauung und damit auch das Grundstück des Klägers von diesem Hofgrundstück beeinflusst wird. Bei dem Hofgrundstück des Beigeladenen handelt es sich auch nicht um einen Fremdkörper. Das südlich gelegene Grundstück wird nämlich ebenfalls landwirtschaftlich genutzt. Beide Grundstücke prägen schon wegen ihrer Größe die Umgebung. In der näheren Umgebung finden sich nach den Feststellungen des Gerichts landwirtschaftliche Betriebe, Wohnbebauung sowie das Schützenhaus mit einer Schießsportanlage. Die Hauptnutzungen, die in einem Dorfgebiet gemäß § 5 BauNVO vorkommen, nämlich landwirtschaftliche Betriebe mit den dazugehörigen Wohngebäuden und sonstige Wohngebäude, sind also vorhanden. Damit weist die nähere Umgebung den Charakter eines Dorfgebietes aus, ohne dass die nördlich des S. gelegenen landwirtschaftlich genutzten Grundstücke in diese Beurteilung einbezogen werden müssten, was angesichts der vergleichbaren Bebauung diesseits und jenseits der Straße ebenfalls denkbar wäre.

Aber selbst wenn die nähere Umgebung des klägerischen Grundstücks nicht als faktisches Baugebiet im Sinne von § 5 BauNVO einzustufen wäre, weil etwa Handwerksbetriebe und andere Gewerbebetriebe fehlen, könnte der Kläger keinen besseren Schutz als den für ein im Dorfgebiet gelegenes Grundstück beanspruchen. Gemäß Nr. 6.6 TA Lärm erfolgt eine Beurteilung nach Nr. 6.1 TA Lärm entsprechend der Schutzbedürftigkeit eines Gebietes. Zu fragen ist, welche Baugebietstypen am ehesten der vorhandenen Bebauung und Nutzung entsprechen (vgl. Feldhaus/Tegeder, Immissionsschutzrecht, B 3.6 Rn. 55). Das ist im vorliegenden Fall das Dorfgebiet, weil sich - wie die gefertigten Lichtbildaufnahmen belegen - in unmittelbarer Nähe der landwirtschaftliche Betrieb des Beigeladenen und ein weiterer Betrieb befinden. Hinzu kommt, dass das Grundstück des Klägers an der Grenze zum Außenbereich liegt. Nicht weit entfernt liegt zudem das - ebenfalls immissionsträchtige - Schützenhaus mit der Schießsportanlage. Den Schutzanspruch für ein in einem allgemeinen oder sogar in einem reinen Wohngebiet gelegenes Grundstück kann der Kläger daher nicht in Anspruch nehmen.

Entgegen der Auffassung des Klägers ist auch kein Mittelwert entsprechend der Gemengelagenregelüng in Nr. 6.7 TA Lärm zu bilden.. Eine Gemengelage liegt vor, wenn gewerblich oder hinsichtlich ihrer Geräuschauswirkungen vergleichbar genutzte Gebiete und zum Wohnen dienende Gebiete aneinandergrenzen. Es müssen also zwei verschiedene "Gebiete" aneinandergrenzen. Diese Voraussetzungen sind nicht bereits dann gegeben sein, wenn es sich um ein Gebiet handelt, in dem verschiedene Nutzungen vorkommen, die sich möglicherweise nicht einem Gebiet der BauNVO zuordnen lassen. Gemengelage im Sinne von Nr. 6.7 TA Lärm meint nicht die kleinräumige Mischung unterschiedlicher Nutzungen (vgl. auch Hansmann in: Landmann/Rohmer a.a.O. Rn. 25 zu Nr. 6 TA Lärm). Nach diesen Grundsätzen bilden das klägerische Grundstück und das Hofgrundstück des Beigeladenen keine Gemengelage.

Da die angefochtene Baugenehmigung die Einhaltung des Immissionsrichtwerts von 60 dB(A) vorschreibt, bedarf es keiner Entscheidung, ob für den Betrieb des Schredders die Regelung in Nr. 7.2 TA Lärm (Bestimmungen für seltene Ereignisse) in Anspruch genommen werden kann.

Die Baugenehmigung verletzt auch nicht in anderer Weise Nachbarrechte des Klägers. Von dem Vorhaben gehen nach Auffassung des Gerichts keine unzumutbare Staub- und Geruchsimmissionen aus. Nach der Betriebsbeschreibung, die der Baugenehmigung zugrunde liegt, ist die Annahme von Rasenschnitt und Bioabfällen, die Geruchsimmissionen verursachen könnten, nicht vorgesehen. Relevante Staubemissionen könnten allenfalls von dem Betrieb des Schredders ausgehen. Davon gibt es allerdings keine Anhaltspunkte. Auch der Kläger benennt solche nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind erstattungsfähig (§ 162 Abs. 3 VwGO). Eine Zulassung der Berufung gemäß § 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO ist in Ermangelung von Zulassungsgründen nicht auszusprechen.

Behrens
Kleine-Tebbe
Schraeder