Verwaltungsgericht Hannover
v. 17.01.2011, Az.: 13 A 2996/09
Dauerverwaltungsakt; Dienstunfähigkeit; Erledigung; Fortsetzungsfeststellungsklage; Hauptsachenerledigung; Versetzung in den Ruhestand
Bibliographie
- Gericht
- VG Hannover
- Datum
- 17.01.2011
- Aktenzeichen
- 13 A 2996/09
- Entscheidungsform
- Gerichtsbescheid
- Referenz
- WKRS 2011, 45089
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckungsschuldnerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Vollstreckungsgläubigerin zuvor Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
Tatbestand:
Die 1963 geborene Klägerin hat sich - jedenfalls ursprünglich - gegen ihre Versetzung in den Ruhestand gewandt. Sie ist Obersekretärin im JVD.
Bereits Mitte des Jahres 2006 gab die Beklagte ein amtsärztliches Gutachten in Auftrag, weil die Klägerin seit 16.06.2006 längerfristig dienstunfähig erkrankt war. Nach dem unter dem 21.09.2006 erstellten amtsärztlichen Gutachten (Beiakte B Bl. 317) konnte seinerzeit eine dauernde Dienstunfähigkeit nicht festgestellt werden. Weil die Klägerin seit Mitte November 2007 wieder längerfristig erkrankt war, beauftragte die Beklagte erneut den Amtsarzt zur Erstellung eines Gutachtens zur Frage der Dienstfähigkeit. Der Amtsarzt kam in seiner Stellungnahme vom 05.03.2008 nunmehr zu dem Schluss, für den JVA-Dienst sei die Klägerin dauernd dienstunfähig, gegenüber einer anderweitigen Verwendung bestünden jedoch keine Bedenken.
Die Beklagte fragte daraufhin bei verschiedenen anderen öffentlichen Verwaltungen an; keine Stelle war jedoch zur Übernahme der Klägerin bereit. Mit Schreiben vom 27.03.2008 erklärte die Klägerin, sie sei ab April 2008 wieder dienstfähig. Die Beklagte lehnte jedoch unter Hinweis auf das amtsärztliche Gutachten einen Dienstantritt ab.
Mit Schreiben vom 01.10.2008 teilte die Beklagte der Klägerin mit, sie habe aufgrund des amtsärztlichen Zeugnisses die dauerhafte Dienstunfähigkeit der Klägerin festgestellt und hörte sie zur beabsichtigten Versetzung in den Ruhestand an. Die Klägerin bezweifelte, dass es keine anderweitigen freien Stellen gäbe.
Mit Verfügung vom 14.04.2009, zugestellt am 17.04.2009, versetzte die Beklagte die Klägerin mit Ablauf des Monats, in dem ihr die Verfügung zugestellt wurde, in den Ruhestand.
Die Klägerin hat am 14.05.2009 Klage erhoben.
Während des laufenden Klageverfahrens erging ein neues amtsärztliches Gutachten, wonach die Klägerin nunmehr wieder dienstfähig ist. Daraufhin reaktivierte die Beklagte die Klägerin und berief sie am 28.06.2010 erneut in das aktive Beamtenverhältnis.
Im Klageverfahren trägt die Klägerin vor: Sie sei nicht dauerhaft dienstunfähig gewesen. Ihre gesundheitliche Situation habe sich verbessert, wie auch ein vorgelegtes Attest des Dr. D. vom 20.05.09 ergebe. Der Amtsarzt habe seinerzeit versäumt, die aktuelle gesundheitliche Situation der Klägerin zu überprüfen. Die Beklagte habe auch nicht hinreichend einen anderen Einsatz der Klägerin bzw. Schaffung eines leidensgerechten Arbeitsplatzes geprüft.
Die Klägerin beantragte ursprünglich,
den Bescheid der Beklagten vom 14.04.2009 aufzuheben.
Nach ihrer erneuten Berufung in das Beamtenverhältnis teilte die Klägerin mit, sie gehe nun zu einer Fortsetzungsfeststellungsklage über, änderte ihren Klageantrag und beantragt nunmehr (Schriftsatz vom 09.08.2010):
festzustellen, dass der sie in den Ruhestand versetzende Bescheid vom 14.04.2009 rechtswidrig war.
Mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 27.09.2010 erklärte die Klägerin dann den Rechtsstreit in der Hauptsache für die Zeit ab Reaktivierung am 28.06.2010 für erledigt und führte aus, der ursprüngliche Klageantrag solle hilfsweise aufrechterhalten bleiben.
Die Beklagte erklärte mit Schriftsatz vom 05.08.2010 die Hauptsache für erledigt.
Sie beantragt lediglich
die Kosten des Verfahrens der Klägerin aufzuerlegen.
Zum Zeitpunkt der Versetzung der Klägerin in den Ruhestand habe sich die Sachlage noch anders dargestellt.
Die Kammer hat die Sache mit Beschluss vom 09.11.2010 dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.
Zu der Entscheidungsform Gerichtsbescheid wurden die Beteiligten gehört.
Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Entscheidung ergeht gemäß § 6 Abs. 1 VwGO durch den Einzelrichter.
Die Voraussetzungen zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid liegen vor, § 84 VwGO. Das Gericht sieht den Sachverhalt als geklärt an und die Sache weist auch keine besonderen Schwierigkeiten in tatsächlicher oder rechtlicher Art auf.
Die Klage hat keinen Erfolg.
Die Klage ist im vollen Umfang abzuweisen. Eine teilweise Erledigung ist nicht eingetreten.
Soweit hinsichtlich der Zeit ab 28.06.2010 übereinstimmende teilweise Erledigungserklärungen vorliegen (die Klägerin hat die Hauptsache ab 28.06.2010 für erledigt erklärt, die Beklagte zuvor bereits insgesamt), kommt es darauf nicht an. Diese Erledigungserklärungen gehen ins Leere.
Es handelt sich bei der angefochtenen Verfügung „Versetzung in den Ruhestand“ nicht um einen Dauerverwaltungsakt (a.A. offenbar VG Hamburg, Urt. v. 03.07.1986 - 12 VG 1626/94 - zit. n. juris). Die Klägerin wurde nur einmal in der Ruhestand versetzt und nicht immer wieder. Die angefochtene Regelung ist nicht zeitlich teilbar, so dass es nicht in zeitlicher Hinsicht zu einer teilweisen Erledigung kommen kann. Es handelt sich vielmehr bei der angefochtenen Verfügung um einen rechtsgestaltenden Verwaltungsakt (wie dies etwa auch bei einer Ernennung der Fall ist), der eine einmalige Regelung - nämlich die Versetzung in den Ruhestand - trifft, auch wenn diese Regelung dann mit einer Reihe von Folgewirkungen (etwa einen Anspruch auf Versorgungsbezüge und auf einen höheren Bemessungssatz in der Beihilfe) verbunden ist. Zwar haben diese Folgen zum Teil Dauerwirkungen, die Versetzung in den Ruhestand selbst wird dadurch aber nicht zu einem Dauerverwaltungsakt.
Die verfügte Versetzung in den Ruhestand selbst ist auch nicht erledigt. Zwar hat die Beklagte die Klägerin Ende Juni 2006 erneut ins aktive Beamtenverhältnis berufen. Sie hat aber nicht ihren Bescheid vom 14.04.2009 aufgehoben. Dieser Bescheid hat sich auch nicht anderweitig erledigt. Denn er entfaltet weiterhin vom Ablauf des Monats an, indem er der Klägerin zugestellt wurde, bis zur ihrer erneuten Berufung in das Beamtenverhältnis Wirkung. Die Klägerin befand sich in dieser Zeit im Ruhestand und hat insoweit auch nur Anspruch auf Versorgungsbezüge
Nach alledem ist auch die Fortsetzungsfeststellungsklage, zu der die Klägerin mit Schriftsatz vom 09.08.2010 übergegangen ist, unzulässig. Nach § 113 Abs. 3 VwGO kann das Gericht auf Antrag durch Urteil aussprechen, dass der angefochtene Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat und sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt hat. Letzteres ist hier wie ausgeführt nicht der Fall. Eine Erledigung ist nicht eingetreten.
Über den ursprünglichen Antrag kann das Gericht nicht mehr entscheiden. Zwar hat die Klägerin durch ihre Prozessbevollmächtigte im Schriftsatz vom 27.09.2010 im Nachhinein vorgetragen, hilfsweise bleibe der ursprüngliche Antrag weiter aufrechterhalten. Im Schriftsatz vom 09.08.2010 hat die Klägerin eine derartige hilfsweise Aufrechterhaltung jedoch nicht erklärt. Sie schrieb vielmehr, sie begehre nunmehr im Rahmen einer Fortsetzungsfeststellungsklage die im Antrag genannte Feststellung. Da die Klägerin anwaltlich vertreten war, verbietet sich eine Auslegung des Schriftsatzes über den eindeutigen Wortlaut hinaus.
Im Übrigen hätte auch bei einem hilfsweisen Festhalten am ursprünglichen Klageantrag die Klage mit dem Hilfsantrag keinen Erfolg gehabt. Die Versetzung in den Ruhestand war rechtmäßig, weil seinerzeit zu Recht von der Beklagten die Dienstunfähigkeit der Klägerin festgestellt worden war. Nach dem amtsärztlichen Gutachten vom 05.03.2008 war die Klägerin gesundheitlich nicht mehr in der Lage, den Vollzugsdienst in der JVA zu versehen und es war auch innerhalb der nächsten 6 Monate seinerzeit nicht mit einer Wiederherstellung der vollen Dienstfähigkeit zu rechnen. Lediglich eine weitere Verwendung der Klägerin nach einem Laufbahnwechsel in einem anderen Amt hatte der Amtsarzt nicht ausgeschlossen. In einem weiteren ärztlichen Gutachten vom 24.06.2008 wurde diese Einschätzung bestätigt. Zweifel an den amtsärztlichen Gutachten hat das Gericht nicht. Sie sind nachvollziehbar und nicht widersprüchlich. Auch der Klägerin ist es nicht gelungen, darzulegen, dass die Einschätzung des Amtsarztes und diesem folgend der Beklagten seinerzeit falsch war. Zwar hat sich der Gesundheitszustand der Klägerin tatsächlich im Laufe des Verfahrens wieder verbessert. Es liegen jedoch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass diese Besserung schon zum Zeitpunkt des Erlasses der Versetzungsverfügung eingetreten bzw. absehbar war. Zwar hat die die Klägerin behandelnde Ärztin unter dem 20.05.2009 ausgeführt, sie halte die Klägerin uneingeschränkt für arbeits- und erwerbsfähig. Abgesehen davon, dass dieses Attest erst nach Erlass der angegriffenen Verfügung ausgestellt wurde, kommen indes amtsärztlichen Gutachten gegenüber privatärztlichen Bescheinigungen – wie auch das Bundesverwaltungsgericht in ständiger Rechtsprechung meint (vgl. nur Beschl. v. 17.11.1998 – 1 DB 14/98 -) - der größere Beweiswert zu. Der 1. Disziplinarsenat des Bundesverwaltungsgerichts hat in der genannten Entscheidung zutreffend ausgeführt:
„Im Vergleich zu einem Privatarzt, der bestrebt sein wird, das Vertrauen des Patienten zu ihm zu erhalten, kann ein Amtsarzt von seiner Aufgabenstellung her unbefangen und auch unabhängig seine Beurteilung abgeben. Der Amtsarzt ist verpflichtet, seine Feststellungen nur unter ärztlichen Gesichtspunkten, wahrheitsgemäß und unparteiisch zu treffen. Diese Neutralität und Unabhängigkeit verleiht neben dem speziellen Sachverstand der Beurteilung durch den Amtsarzt ein höheres Gewicht.“
Dem ist nichts hinzuzufügen.
Zwar war auch nach dem amtsärztlichen Gutachten dem Grunde nach eine anderweitige Verwendung iSd. § 26 Abs. 2 BeamtStG möglich. Die Beklagte hatte sich jedoch - daran hegt das Gericht keine Zweifel - vergebens bemüht, eine entsprechende offene Stelle für die Klägerin zu finden, so dass tatsächlich ein Laufbahnwechsel nicht möglich war.
Gründe für die Zulassung der Berufung gem. §§ 124a Abs. 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 und 4 VwGO sind nicht ersichtlich.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.