Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 11.01.2011, Az.: 7 A 3869/10

Abschiebungsandrohung; Abschiebungsverbot; Asylfolgeantrag; Fatah; Gazastreifen; Hamas; Israel; Kombattant; Libanon; UNRWA; Zielstaat

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
11.01.2011
Aktenzeichen
7 A 3869/10
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2011, 45206
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Zu den Anforderungen an einen Asylfolgeantrag, wenn in der Abschiebungsandrohung des Asylbescheides mehrere Zielstaaten bezeichnet sind.
2. Es besteht ein Abschiebungsverbot für Fatah-Kämpfer in dem Gazastreifen nach § 60 VII 1 AufenthG.

Tenor:

Soweit der Kläger die Klage zurückgenommen hat, wird das Verfahren eingestellt.

Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 31. August 2010 D. wird insoweit aufgehoben, als unter Ziffer 2) der Entscheidungsformel abgelehnt worden ist, den Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 3. Januar 2001 E. bezüglich der Feststellung zu § 53 Abs. 6 des Ausländergesetzes a.F. abzuändern.

Die Beklagte wird verpflichtet, die unter Ziffer 3) der Entscheidungsformel des Bescheides des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 3. Januar 2001 E. enthaltene Regelung abzuändern und festzustellen, dass im Falle des Klägers ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes hinsichtlich des Gazastreifens vorliegt.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zu 5/6 und die Beklagte zu 1/6; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Tatbestand:

Der Kläger trägt unter Vorlage einer Bestätigung der Außenstelle Berlin der Generaldelegation Palästinas vor, 1975 in J. /Gazastreifen geboren und palästinensischer Volkszugehöriger islamischen Glaubens zu sein. In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht hat er ausgeführt, bei der United Nations Relief and Works Agency for Palestine Refugees in the Near East - UNRWA - registriert zu sein. Nach eigenen Angaben besitzt er nicht die israelische Staatsangehörigkeit. Er hält sich seit 1999 im Bundesgebiet auf.

1. Am 21. September 1999 beantragte der Kläger erstmals seine Anerkennung als Asylberechtigter. Zur Begründung führte er im Rahmen seiner Anhörung vor dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge am 27. September 1999 aus, den Gazastreifen 1990 verlassen und im Libanon von 1992 bis 1994 als Kämpfer der Fatah tätig gewesen zu sein. In Trunkenheit habe er 1994 während eines Wachdienstes in J. /Libanon zwei Fatah-Kameraden umgebracht. Er habe "abhauen" wollen und dabei auf die zwei Fatah-Kämpfer geschossen. Die beiden Angeschossenen seien ebenfalls betrunken gewesen und hätten ihn von seiner Flucht abhalten wollen. Möglicherweise habe einer der beiden Angeschossenen die Schussverletzungen überlebt. Er - der Kläger - habe sich dann nach Syrien abgesetzt, sich dort zwei Jahre aufgehalten, sei vom syrischen Geheimdienst verhaftet worden und habe zahlreiche Verletzungen erlitten. Sodann sei er über den Libanon, Zypern, die Türkei, zahlreiche osteuropäische Staaten und Österreich in das Bundesgebiet eingereist. Bei einer Rückkehr fürchte er, von der Fatah "aufgehängt" zu werden.

Seine Einreise über Österreich bestätigte der Kläger auch in einer Hauptverhandlung in einer Strafsache vor dem AG O. am 9. August 2000. In dem Berufungsurteil des LG V. vom 22. November 2000 heißt es über den Kläger:

"Der O. 1975 in JH. in Palästina geborene [Kläger] ist bei seinen Eltern in Gaza aufgewachsen. Seit 1981 besuchte er die dortige Schule und absolvierte bis zum Jahre 1988 sieben Klassen.

Im Jahre 1988 griff der [Kläger], der die Israelis als 'Besatzer' bezeichnet, mit einem Messer einen israelischen Soldaten an. Er wurde zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt, die er auch verbüßte. 1992 wurde er des Landes verwiesen, begab sich in den Libanon und kämpfte zwei Jahre gegen die Israelis in der Organisation 'Fatah'.

Aufgrund der Friedensverhandlungen im Jahre 1994 sah der [Kläger] keine Perspektive mehr im Libanon, begab sich zunächst nach Zypern (vier bis fünf Monate), sodann nach Bulgarien (für eineinhalb Jahre), sodann nach Rumänien (für sechs Monate) und wanderte dann illegal nach Österreich ein. Dort verblieb er drei bis vier Monate und reiste dann in Deutschland ein, wo er sich seit August 1999 befindet".

Diese Ausführungen zur Person im Strafverfahren wurden nicht Gegenstand des Asylerstverfahrens.

Mit einem Bescheid vom 3. Januar 2001 lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge den Asylerstantrag des Klägers ab (Ziffer 1] der Entscheidungsformel) und stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 des Ausländergesetzes alter Fassung - AuslG a.F. - ebenso wenig vorliegen (Ziffer 2] der Entscheidungsformel) wie Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG a.F. (Ziffer 3] der Entscheidungsformel). Zugleich wurde dem Kläger die Abschiebung nach "Gaza (Israel)" oder in den Libanon oder einen anderen Staat angedroht, in den er einreisen dürfe oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet sei, sofern er nicht innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Bescheides ausgereist sei (Ziffer 4] der Entscheidungsformel) Q. Zur Begründung wird ausgeführt, die Staatsangehörigkeit des Klägers sei ungeklärt. Sein Vorbringen sei insgesamt erfunden und maßlos überzogen. Es bestünden erhebliche Zweifel daran, dass sich der Kläger tatsächlich in der behaupteten Weise zu einer palästinensischen Organisation in Gegnerschaft gesetzt habe. Außerdem habe er sich ca. neun Jahre lang in verschiedenen anderen Staaten aufgehalten, so dass davon ausgegangen werden könne, dass er in einem dieser Staaten bereits vor politischer Verfolgung sicher gewesen sei. Deshalb seien weder Art. 16a des Grundgesetzes - GG - noch § 51 AuslG a.F. auf den Kläger anwendbar (Bescheidabdruck S. 3). Soweit sich der Libanon zu einer Rückübernahme des Klägers bereit erkläre, stünden einer Abschiebung dorthin keine Hindernisse gemäß § 53 AuslG a.F. im Wege. Wörtlich heißt es weiter: "Auch einer Abschiebung nach Israel (Gaza) stehen keine zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernisse nach dieser Vorschrift im Wege. Zwar sind die Unruhen und gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Israelis und Palästinensern im Westjordanland noch nicht gänzlich beendet. Dennoch bleibt festzustellen, dass die Auseinandersetzungen der letzten Monate im Westjordanland zu keinem Zeitpunkt das Ausmaß des Bürgerkrieges erreicht haben" (Bescheidabdruck S. 4). Der Bescheid wurde dem Kläger am 8. Januar 2001 zugestellt und erhielt nach Mitteilung des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge am 23. Januar 2001 Bestandskraft.

Dem Kläger wurde in der Folge erstmals am 26. Februar 2001 eine Duldung erteilt, die seitdem fortlaufend verlängert wird.

Der Kläger ist Vater von drei zwischen 2001 und 2006 geborenen Kindern, die alle die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen. Bezogen auf zwei dieser Kinder steht ihm nach dem Akteninhalt ein Umgangskontakt zu.

Der Kläger ist verschiedentlich u.a. wegen gewerbsmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln (Cannabis), Handeltreibens mit Marihuana, Bedrohung, versuchter Nötigung und wiederholten Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte bestraft. Weiterhin wurde er bestraft durch

- Strafbefehl des AG H. vom 26. Februar 2002 wegen gemeinschaftlicher Belohnung und Billigung von Straftaten zu einer Geldstrafe, dem folgender Vorwurf zugrunde lag: Der Kläger bejubelte am 11. September 2001 um 19.05 Uhr in H. als Rädelsführer einer Gruppe von etwa zehn Personen die Ereignisse vom selben Tag in New York mit Worten wie "Scheiß Amerika, super Bummbumm, Allah ist groß!", ging sodann auf Polizeibeamte zu, bot ihnen Gebäck an und forderte sie auf, mit ihnen zu feiern, wobei er äußerte "das ist ein großer Tag für uns, ich bin glücklich, das in Amerika ist super, endlich super Bummbumm" und dabei billigend die Aufheizung des psychischen Klimas innerhalb der Bevölkerung in Kauf nahm.

Mit Beschluss des LG B. vom 4. Mai 2006 wurde die dem Kläger in mehreren Verurteilungen bewilligte Strafaussetzung zur Bewährung widerrufen. In dem Beschluss heißt es zur Person des Klägers u.a., er habe in der Anhörung geäußert, bereits elf Jahre in Israel, Jordanien und in Syrien in Haft gesessen zu haben. Der Kläger befand sich im Bundesgebiet sodann seit 20. April 2006 im Vollzug von mehreren Freiheitsstrafen im Gesamtumfang von 3 Jahren und 5 Monaten.

2. Im Rahmen der Anhörung zu einer beabsichtigten Ausweisung stellte der Kläger mit Schreiben vom 27. Januar 2008 aus der Strafhaft heraus einen Asylfolgeantrag des Inhalts, ihm Asyl zu gewähren und ihn nicht abzuschieben. Dieser Antrag ging am 29. Januar 2008 bei der Ausländerbehörde und am 6. Februar 2008 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt - ein. Zur Begründung führt er aus, dass ihm bei einer Abschiebung in den Gazastreifen Gefahr für Leib, Leben und Gesundheit drohe, weil dort Bürgerkrieg zwischen Fatah und Hamas sowie Krieg zwischen Israel und Palästina herrsche und er als Fatah-Anhänger von der Hamas sowie den israelischen Streitkräften verfolgt und bekämpft werde. Der Gazastreifen sei besetzt und unterliege einer Blockade hinsichtlich Stroms, Wasser und Lebensmitteln.

Im Rahmen seiner informatorischen Anhörung durch das Bundesamt am 25. Februar 2008 bot der Kläger an, einen nach seinen damaligen Angaben 1991 oder 1992 durch ein PLO-Büro in Jordanien ausgestellten Mitgliedsausweis der Fatah vorzulegen, den er in seiner Haftzelle aufbewahre. Weiter führte er aus: Er sei staatenlos und 1998 aus der Tschechischen Republik kommend in das Bundesgebiet eingereist. Seinerzeit habe er vier Pässe unterschiedlicher Herkunftsländer besessen (Jemen, Sudan, Syrien, Zypern), die ihm die PLO-Vertretung nach Saloniki geschickt hätte. Er habe sich an der Ersten Intifada beteiligt und sei daraufhin vom israelischen Geheimdienst Shin Beth verfolgt worden. Seine Familie habe mit der Fatah sympathisiert und die Hamas kritisiert. Nunmehr habe die Hamas die politische Macht im Gazastreifen inne. Er sei sich deshalb sicher, dass er bei einer Rückkehr in den Gazastreifen von der Hamas politisch verfolgt werde. Entweder werde er erschossen oder komme in das Gefängnis. Er sei nicht religiös, sondern weltlich eingestellt. Leute wie er würden von der Hamas gehasst und verfolgt. Die inneren Auseinandersetzungen in Gaza seien derzeit schlimmer als die Auseinandersetzungen mit den israelischen Streitkräften. Es gebe dort keine Sicherheit. Nach dem Abzug der israelischen Truppen aus dem Gazastreifen habe sich das Leben der Bevölkerung dort drastisch verschlechtert. Wenn er die Möglichkeit hätte, würde er wieder freiwillig in den Gazastreifen zurückkehren.

Mit Beschlüssen des LG H. vom 2.5.2008 wurde die restliche Vollstreckung der Freiheitsstrafen (erneut) zur Bewährung ausgesetzt und die Entlassung des Klägers aus der Strafhaft am 26. Mai 2008 angeordnet. Nach dem Inhalt des Beschlusses hat der Kläger am 15. Januar 2008 im Rahmen seiner Anhörung vor der Strafvollstreckungskammer erklärt: "Ich bin aus Israel ausgewiesen worden und bin staatenlos".

Mit dem hier streitbefangenen Bescheid vom 31. August 2010 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens ebenso ab (Ziffer 1] der Entscheidungsformel) wie den Antrag auf Abänderung des Bescheides vom 3. Januar 2001 bezüglich der Feststellung zu § 53 Abs. 1 bis 6 AuslG a.F. (Ziffer 2] der Entscheidungsformel). Einer erneuten Abschiebungsandrohung bedürfe es nicht, die [im Asylerstbescheid] erlassene Abschiebungsandrohung sei weiter gültig und vollziehbar (Bescheidabdruck S. 6). Zur Begründung wird ausgeführt, der Kläger sei vorgeblich Staatenloser. Weiter heißt es: "Der neu vorgetragene Sachverhalt - die Familie sei dafür bekannt gewesen, dass sie mit der Fatah sympathisiert und Hamas kritisiert habe und er werde bei einer Rückkehr in den Gazastreifen von der Hamas erschossen oder lande im Gefängnis - ist unschlüssig, denn zum einen hat der [Kläger] laut eigenem Vortrag (im Erstverfahren) bereits im Alter von 15 Jahren Palästina verlassen und zum anderen ist er kein aktives Fatah-Mitglied. Zudem widerspricht sich der [Kläger] selbst, als er noch vorträgt, wenn er die Möglichkeit hätte, würde er freiwillig wieder in den Gazastreifen zurückkehren. Die nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG erforderliche Änderung der Sachlage ist somit im vorliegenden Fall nicht gegeben. Darüber hinaus ist der nunmehr vorgetragene Umstand nach § 51 Abs. 3 VwVfG verfristet. Nach dieser Vorschrift muss der Antrag binnen drei Monaten, beginnend mit dem Tag, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erlangt hat, gestellt werden. Als Zeitpunkt des Beginns der Ausübung quasi-staatlicher Macht durch die Hamas im Gazastreifen ist von Mitte 2007 auszugehen. Der Antrag scheitert somit auch an der Zulässigkeitsvoraussetzung des § 51 Abs. 3 VwVfG, da der Ausländer ihn erst am 6. Februar 2008 und damit mehr als drei Monate, nachdem er von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erlangt hat, gestellt hat" (Bescheidabdruck S. 3). Darüber hinaus habe das Bundesamt nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, ob das Verfahren zu Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 des Aufenthaltsgesetzes - AufenthG - wieder aufzunehmen sei. Es gebe jedoch keine Anhaltspunkte dafür, dass dem Kläger eine menschenrechtswidrige Behandlung drohe (Bescheidabdruck S. 4) oder er wegen einer mit der Todesstrafe bedrohten Straftat gesucht werde (Bescheidabdruck S. 5). Auch ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 2 des Aufenthaltsgesetzes - AufenthG - liege nicht vor. Zur Begründung wird ausgeführt: "Es lässt sich nicht feststellen, dass die Sicherheitslage, auch soweit sie von den innerstaatlichen, teils mit Waffeneinsatz einhergehenden Geschehnissen bestimmt wird, Schutz für den Einzelnen erfordert. Die Auseinandersetzungen haben nicht ein solches Ausmaß, dass sich der Einzelne begründeter Weise als ernsthaft bedroht sehen muss. Dies gilt schon deshalb, weil die Auseinandersetzungen zwischen Israelis und der Hamas im Gazastreifen (israelische Militäroperation 'Gegossenes Blei') nach dem Abzug der israelischen Truppen Ende Januar 2009 ihr vorläufiges Ende gefunden haben. Auch der innerpalästinensische Konflikt hat seither kein vergleichbares Ausmaß angenommen. Die bewaffneten Konfrontationen zwischen Hamas und Fatah haben jedenfalls nach der Machtübernahme der Hamas und sich daran anschließenden Kämpfen auf familiärer Ebene seit Ende 2007 aufgehört" (Bescheidabdruck S. 5). Ebenso lägen keine Anhaltspunkte für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG vor. Schließlich bestehe auch kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Zur Begründung wird ausgeführt: "Eine dem Kläger "drohende extreme Leibes- oder Lebensgefahr ist nicht zu befürchten. Das allgemeine Risiko im Gazastreifen, im Rahmen von militärischen Auseinandersetzungen von israelischen Streitkräften getroffen zu werden, rechtfertigt (gegenwärtig) nicht die Annahme einer Extremgefahr. Es gibt keine Anhaltspunkte für die Annahme, dass dem gleichsam sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgesetzt ist, wer in den Gazastreifen einreist. Aus der angespannten Versorgungslage in den von Israel besetzten Gebieten resultieren ebenfalls keine Gefahren dieser Intensität. Hinweise auf Hungersnöte oder massenhafte Todesfälle wegen der Verbreitung von Seuchen im Gazastreifen, die eine Extremgefahr im zuvor beschriebenen Sinne begründen könnten, sind den Medien oder Auskünften nicht zu entnehmen. Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln, Wasser und Medikamenten ist nicht gänzlich zusammengebrochen; sie wird weiterhin durch die UNRWA sichergestellt. Hilfsgüterlieferungen erreichen den Gazastreifen. Zudem will Ägypten die Grenze zum Gazastreifen ohne Zeitbegrenzung geöffnet lassen. Damit würde die israelische Blockade des palästinensischen Territoriums unterlaufen, Süddeutsche Zeitung, 'Ägypten öffnet Grenze zu Gaza' vom 8.6.2010" (Bescheidabdruck S. 6).

Mit seiner am 9. September 2010 beim Verwaltungsgericht Hannover erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Ziel weiter. Er hatte zunächst beantragt,

unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 31. August 2010 die Beklagte zu verpflichten, für ihn ein weiteres Asylverfahren durchzuführen,

hilfsweise

die Beklagte zu verpflichten, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen,

hilfsweise

ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen,

hilfsweise

unter Abänderung des Bescheides vom 3. Januar 2001 festzustellen, dass hinsichtlich seiner Person die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG vorliegen.

In der mündlichen Verhandlung hat er

den Hauptantrag und den 1. Hilfsantrag zurückgenommen.

Zur Begründung trägt er vor, dass er Palästina in der Tat im Alter von 15 Jahren verlassen hätte. Zu diesem Zeitpunkt sei er bereits Mitglied einer - am ehesten - als Kinder- und Jugendorganisation der Fatah zu beschreibenden politischen Gruppierung gewesen, die allerdings ebenfalls bewaffnet gewesen sei. Der Mitgliedsausweis befinde sich in Ablichtung in der Ausländerakte. Außerdem habe er zwei Tätowierungen am Körper, die ihn gegenüber jedermann als Fatah-Mitglied identifizierten. Er habe mit seiner Aussage, in den Gazastreifen zurückkehren zu wollen, wenn dies möglich sei, gemeint, dass er zurückkehren wolle, wenn sich die dortigen politischen Verhältnisse geändert hätten.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht hat der Kläger ausgeführt, dass er aus der Tschechischen Republik in das Bundesgebiet eingereist sei. Den Gazastreifen hätte er 1989 verlassen. Zuvor habe er sich in Israel frei bewegen können. Es könne sein, dass er mit dem Vorwurf, einen israelischen Soldaten mit einem Messer angegriffen zu haben, in Israel angeklagt worden sei. Er habe jedoch keinen israelischen Soldaten mit einem Messer angegriffen und er sei deshalb auch nicht zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt worden, die er auch verbüßt hätte. Vielmehr habe er mit einem Messer Hakenkreuze auf jüdische Grabsteine geritzt. Deswegen sei er zu einer Art Jugendarrest in einer Einrichtung der israelischen Militärverwaltung in Gaza verurteilt worden, die er im Umfang von 18 Monaten tatsächlich verbüßt hätte. Dann sei er aufgrund einer Entscheidung eines Obergerichts in Tel Aviv freigelassen worden. In dieser Einrichtung sei er auch beschult worden. Nach der Entlassung sei er freiwillig aus dem Gazastreifen ausgereist. Es sei nicht richtig, dass er von der israelischen Militärverwaltung ausgewiesen worden sei. Im Libanon habe er an innerlibanesischen Auseinandersetzungen auf Seiten der Fatah-Arafat-Partei gegen die Hisbollah, die Amal-Miliz und die Jihad-Milizen teilgenommen. Aus Versehen habe er einmal eine Granate auf Fatah-Abu Musa-Kämpfer abgeschossen. Daraufhin hätten diese behauptet, dass von ihm Kämpfer der Abu Musa-Brigaden getötet worden seien. Deshalb hätten sie ihn töten wollen. Nach diesem Vorfall sei er unmittelbar über Beirut nach Saloniki in Griechenland ausgereist. Zu diesem Zeitpunkt habe er 16 Pässe bei sich gehabt. Er sei nicht Sympathisant von Al Qaida. Wenn er nach Israel zurück müsste, sei er sicher, eingesperrt zu werden.

Der vom Kläger im Rahmen der informatorischen Anhörung vor dem Bundesamt erwähnte und in Ablichtung vorliegende Ausweis wurde in der mündlichen Verhandlung als ein ersichtlich auf den Kläger am 15. Januar 2002 ausgestelltes Dokument der "Palästinensischen Befreiungsorganisation - Verband der Veteranen der palästinensischen Revolution" übersetzt. In ihm wird der Kläger als aktives Mitglied bezeichnet. Der Kläger erklärt, dass ihm das Dokument 2003 im Bundesgebiet zugegangen sei. Seine Tätowierungen habe er vor ca. 20 Jahren anbringen lassen.

Der Kläger beantragt nunmehr noch,

den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 31. August 2010 hinsichtlich der in Ziffer 1) enthaltenen Regelung aufzuheben sowie die Beklagte zu verpflichten, unter Abänderung der Ziffer 2) des Bescheides des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 3. Januar 2001 festzustellen, dass hinsichtlich seiner Person die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen und ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen,

hilfsweise

den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 31. August 2010 hinsichtlich der in Ziffer 2) enthaltenen Regelung aufzuheben sowie die Beklagte zu verpflichten, unter Abänderung von Ziffer 3) des Bescheides des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 3. Januar 2001 festzustellen, dass in seinem Fall hinsichtlich des Gazastreifens Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG vorliegen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsvorgänge des Bundesamtes und der Ausländerakte verwiesen, die dem Gericht zur Einsichtnahme vorgelegen haben.

Entscheidungsgründe

I.

Soweit der Kläger seine Klage zurückgenommen hat, ist das Verfahren gemäß § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen.

II.

Im Übrigen hat die Klage teilweise Erfolg.

Soweit der Kläger beantragt, den Bescheid des Bundesamtes vom 31. August 2010 hinsichtlich der in Ziffer 1) enthaltenen Regelung aufzuheben sowie die Beklagte zu verpflichten, unter Abänderung der Ziffer 2) der Entscheidungsformel in dem Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 3. Januar 2001 festzustellen, dass hinsichtlich seiner Person die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen und ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, ist die Klage unbegründet (1).

Soweit der Kläger hilfsweise beantragt hat, den Bescheid des Bundesamtes vom 31. August 2010 hinsichtlich der in Ziffer 2) enthaltenen Regelung aufzuheben sowie die Beklagte zu verpflichten, unter Abänderung von Ziffer 3) der Entscheidungsformel in dem Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 3. Januar 2001 festzustellen, dass in seinem Fall hinsichtlich des Gazastreifens Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG vorliegen, ist die Klage teilweise begründet (2). Die Weigerung des Bundesamtes, im Fall des Klägers ein Abschiebungshindernis nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich des Gazastreifens festzustellen und den Asylerstbescheid insoweit abzuändern, als er dieser Feststellung entgegensteht, ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (2b).

1. Die Weigerung des Bundesamtes, die unter Ziffer 2) in dem Asylerstbescheid vom 3. Januar 2001 enthaltene Regelung abzuändern und im Falle des Klägers die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG festzustellen sowie ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, ist rechtmäßig.

Auf den Asylfolgeantrag des Klägers vom 27. Januar 2008, der gemäß §§ 13 Abs. 2, 31 Abs. 2 des Asylverfahrensgesetzes - AsylVfG - das Begehren auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylVfG in Verbindung mit § 60 Abs. 1 AufenthG umfasst, findet die Vorschrift des § 71 AsylVfG Anwendung. Danach ist nach der unanfechtbaren Ablehnung des Asylerstantrages des Klägers durch den seit 23. Januar 2001 bestandskräftigen Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 3. Januar 2001 ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorliegen. Die Prüfung obliegt dem Bundesamt. Gemäß § 71 Abs. 3 AsylVfG hat der Ausländer u.a. Tatsachen und Beweismittel anzugeben, aus denen sich das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG ergibt.

Das Bundesamt hat ein weiteres Asylverfahren dann durchzuführen, wenn sich die der vorausgegangenen Entscheidung vom 3. Januar 2001 zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Klägers geändert hat (§ 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG), neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Kläger günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden (§ 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG) oder Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 ZPO vorliegen (§ 51 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG). Der Asylfolgeantrag ist dabei nur zulässig, wenn der Kläger ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für den Asylfolgeantrag in dem Erstverfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen (§ 51 Abs. 2 VwVfG). Der Antrag muss gemäß § 51 Abs. 3 VwVfG binnen drei Monaten ab Kenntniserhalt von dem Wiederaufgreifensgrund durch den Ausländer gestellt werden. Dies gilt nicht nur für die gegenüber dem Bundesamt, sondern auch für die erst bei Gericht vorbrachten Wiederaufnahmegründe (BVerwG, Urteil vom 10.2.1998 - 9 C 28/97 - BVerwGE 106, S. 171 = NVwZ 1998, S. 861)

Für ein Wiederaufgreifen nach § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG in Verbindung mit § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG genügt es schon, dass eine nachträgliche Änderung der Sach- oder Rechtslage fristgerecht vorgetragen ist und die vorgetragenen Gründe es - analog § 42 Abs. 2 VwGO - nur möglich erscheinen lassen, dass ein günstigeres Ergebnis erzielt werden kann. Nicht erforderlich ist es, dass der materielle Anspruch bereits festgestellt wird (BVerfG, Beschluss vom 3.3.2000 - 2 BvR 39/98 - NVwZ-Beil. 2000, S. 78; VGH Mannheim, Urteil vom 16.3.2000 - A 14 S 2443/98 - AuAS 2000, S. 152; VG Braunschweig, Urteil vom 15.9.1998 - 5 A 5166/98 -; VG Lüneburg, Beschluss vom 30.7.1999 - 1 B 72/99 -). Macht der Ausländer mehrere Wiederaufnahmegründe geltend, läuft diese Frist für jeden der Gründe gesondert. Das gilt auch dann, wenn im Hinblick auf einen Wiederaufgreifensgrund ein Antrag auf Durchführung eines Folgeverfahrens bereits gestellt und nunmehr - sei es auch während des Rechtsstreits - weitere Wiederaufgreifensgründe "nachgeschoben" werden (BVerwG, Beschluss vom 11.12.1989 - 9 B 320/89 - NVwZ 1990, S 359, 360). Einzelne neue Tatsachen, die zur Begründung nachgeschoben werden, brauchen - ausnahmsweise - allerdings nicht innerhalb der Ausschlussfrist vorgetragen zu werden, wenn sie lediglich einen rechtzeitig geltend gemachten Wiederaufgreifensgrund bestätigen, wiederholen, erläutern und konkretisieren, also nicht qualitativ neu sind, d.h. nicht aus dem Rahmen der bisher für das Wiederaufgreifen angeführten Umstände fallen und damit keinen neuen Wiederaufgreifensgrund darstellen (BVerwG, Urteil vom 10.2.1998, aaO).

Die Feststellung, dass sich die der vorausgegangenen Asylentscheidung des Bundesamtes vom 3. Januar 2001 zugrunde liegende Sachlage zugunsten des Klägers im Sinne von § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG geändert hat, setzt allerdings voraus, dass sich aus dem Vorbringen des Asylfolgeantragstellers eine nachträgliche Änderung im Verhältnis zu der der früheren Asylentscheidung zugrunde gelegten Sachlage in der Tat ergibt. Das ist nicht der Fall, wenn sich das Vorbringen des Asylbewerbers schon bei der Prüfung, ob ein weiteres Asylverfahren durchzuführen ist, als unglaubhaft und/oder unsubstantiiert erweist (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.6.1987 - 9 C 251/86 - BVerwGE 77, S. 323 = NVwZ 1988, S. 258). Auch das Bundesverfassungsgericht hat in ständiger Rechtsprechung gefordert, dass der Asylbewerber eine Änderung im Verhältnis zu der der früheren Asylentscheidung zugrunde gelegten Sachlage glaubhaft und substantiiert vorträgt (BVerfG, Beschluss vom 13.3.1993 - 2 BvR 1988/92 - DVBl. 1993, S. 601; Beschluss vom 11.5.1993 - 2 BvR 2245/92 - DVBl. 1994, S. 38; Beschluss vom 24.6.1993 - 2 BvR 541/93 - NVwZ-RR 1994, S. 56, 57; offen gelassen: BVerfG, Beschluss vom 5.10.1994 - 2 BvR 2333/93 - NVwZ-Beilage 1995, S. 3). Denn ein Asylbewerber mit einem von vornherein unglaubhaften und/oder unsubstantiierten Vortrag hat auch unter Geltung des § 71 AsylVfG keinen Anspruch auf die Durchführung eines Asylfolgeverfahrens.

Die Verwaltungsgerichte sind dabei nicht befugt, andere als vom Asylfolgeantragsteller selbst geltend gemachte Gründe für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens der Prüfung des Folgeantrags zugrunde zu legen (BVerwG, Urteil vom 30.8.1988 - 9 C 47/87 - NVwZ 1989, S. 161).

a. Die der vorausgegangenen Entscheidung vom 3. Januar 2001 zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage hat sich vorliegend nicht nachträglich zugunsten des Klägers geändert (§ 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG). Der Vortrag des Klägers, die Verhältnisse im Gazastreifen hätten sich geändert, ist für die von ihm begehrte Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft unerheblich, weil er nicht gleichzeitig auch eine Änderung der Sachlage im Libanon behauptet hat.

Der Kläger wird vom Bundesamt als Asylbewerber mit ungeklärter Staatsangehörigkeit (Asylerstbescheid S. 1) bzw. vorgeblich Staatenloser (streitbefangener Bescheid S. 1) betrachtet. Der Kläger selbst hat sich verschiedentlich selbst als staatenlos bezeichnet, obwohl er in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, dass er über 16 Pässe verfügt habe. In dem Asylerstbescheid vom 3. Januar 2001 ist ihm bestandskräftig die Abschiebung nach "Gaza (Israel)" (Entscheidungsformel) bzw. "Israel (Gaza)" (Bescheidabdruck S. 4) oder den Libanon angedroht worden. Die Bezeichnung mehrerer Zielstaaten in der Abschiebungsandrohung ist rechtmäßig (VGH Mannheim, Urteil vom 4.3.1999 - 13 S 742/98 - NVwZ-Beilage 1999, S. 84 [VGH Baden-Württemberg 04.03.1999 - 13 S 742/98]; Renner-Dienelt, AuslR, 9. Aufl., § 59 AufenthG Rdnr. 26). Die Bennennung der Zielstaaten hat auch das Prüfprogramm des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge im Rahmen des Asylerstverfahrens hinsichtlich des geltend gemachten Abschiebungshindernisses nach § 51 Abs. 1 AuslG a.F. bestimmt. Der Kläger hatte im Rahmen seines Asylerstverfahrens eine Verfolgung durch die Fatah im Libanon und in den von der Fatah beherrschten Gebieten im Nahen Osten aufgrund eines Vorfalls geltend gemacht, der sich nach seiner Darstellung im Libanon abgespielt hatte, wo er nach eigenem Bekunden als Fatah-Kämpfer bis zu dem Vorfall auch seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Das Bundesamt hatte den Vortrag bezogen auf eine Gegnerschaft zu einer Palästinenserorganisation als unglaubwürdig abgetan und eine Sicherheit vor politischer Verfolgung in dem Staat angenommen.

Der Kläger begehrt nunmehr seine Flüchtlingsanerkennung. Nach § 3 Abs. 1 AsylVfG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28.7.1951 - Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) -, wenn er in dem Staat, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt oder in dem er als Staatenloser seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, den Bedrohungen nach § 60 Abs. 1 AufenthG ausgesetzt ist. Nach § 60 Abs. 1 AufenthG darf in Anwendung dieses Abkommens ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Für die Feststellung, ob eine Verfolgung nach § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG vorliegt, sind gemäß § 50 Abs. 1 Satz 5 AufenthG die Art. 4 Abs. 4 sowie Art. 7 bis 10 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.4.2004 (ABl. Nr. L 304 S. 12, ber. ABl. 2005 Nr. L 204 S. 24) - Qualifikationsrichtlinie/QualfRL - ergänzend anzuwenden (vgl. auch BVerwG, Urteile vom 19.1.2009 - 10 C 52/07 - NVwZ 2009, S. 982, vom 5.5.2009 - 10 C 21/08 - NVwZ 2009, S. 1308 und vom 24.11.2009 - 10 C 24/08 - NVwZ 2010, S. 979).

Über den asylrechtlichen Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 1 AufenthG kann nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts grundsätzlich nur einheitlich entschieden werden. Dabei sind sämtliche Staaten, deren Staatsangehörigkeit der Betroffene möglicherweise besitzt oder in denen er als Staatenloser seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, in die Prüfung einzubeziehen. Nur wenn diese Staaten keinen Schutz gewähren, kommt nach dem Prinzip der Subsidiarität des internationalen Schutzes eine Flüchtlingsanerkennung in Betracht (BVerwG, Urteil vom 2.8.2007 - 10 C 13/07 u.a. - BVerwGE 129, S. 155 = DVBl. 2007, S. 1568; s. auch Urteil vom 6.8.1996 - 9 C 172/95 - BVerwGE 101, S. 328, 336 = NVwZ 1997, S. 194, 196 mwN und Beschluss vom 10.8.2006 - 1 B 41/06 u.a. - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 340). Das Bundesverwaltungsgericht hat für den Fall mehrerer in Betracht kommender Staaten hierzu ausgeführt (BVerwG, Urteil vom 12.7.2005 - 1 C 22/04 - NVwZ 2006, S. 99):

"Danach kann über den Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 1 AufenthG - anders als über Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG - grundsätzlich nur einheitlich entschieden werden. Der asylrechtliche Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 1 AufenthG kann deshalb regelmäßig nur zuerkannt werden, wenn die Staatsangehörigkeit des Betroffenen geklärt ist. Offen bleiben kann diese nur, wenn hinsichtlich sämtlicher als Staat der Staatsangehörigkeit in Betracht kommenden Staaten das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG entweder einheitlich bejaht oder verneint werden kann (zu Besonderheiten bei doppelter Staatsangehörigkeit vgl. Beschluss des Senats vom 14.6.2005 - 1 B 142/04 - [Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 307]). Daraus folgt in verfahrensrechtlicher Hinsicht, dass der asylrechtliche Abschiebungsschutz - anders als der subsidiäre ausländerrechtliche Abschiebungsschutz - nicht isoliert bezogen auf einen einzelnen Abschiebezielstaat geprüft oder abgeschichtet werden kann. Vielmehr sind alle Staaten in die Prüfung einzubeziehen, deren Staatsangehörigkeit der Betroffene möglicherweise besitzt oder in denen er als Staatenloser seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte."

Danach kann im Zusammenhang mit der vom Kläger begehrten Flüchtlingsanerkennung dahingestellt bleiben, ob der Kläger die von ihm behauptete Änderung der Verhältnisse im Gazastreifen unter Berücksichtigung des § 71 Abs 1 Satz 1 AsylVfG in Verbindung mit § 51 Abs. 3 VwVfG - wie vom Bundesamt verneint - rechtzeitig geltend gemacht hat oder eine Änderung der Sachlage im Gazastreifen tatsächlich eingetreten ist. Denn der Kläger hat nicht gleichzeitig eine Änderung der Verhältnisse auch hinsichtlich des Libanon behauptet. Bezogen auf den Libanon hat die Feststellung des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge in dem Bescheid vom 3. Januar 2001, nach der dem Kläger dort keine politische Verfolgung im Sinne von § 51 Abs. 1 AuslG a.F. droht, nach wie vor Gültigkeit. Eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist ausgeschlossen, wenn der Kläger - wie hier - den Schutz eines der Staaten in Anspruch nehmen kann, die in der Abschiebungsandrohung als Zielstaat bezeichnet sind. Deshalb ist eine Änderung der Sachlage im Verhältnis zu der dem Asylerstbescheid zugrunde gelegten Tatsachenlage bezogen auf die vom Kläger begehrte Flüchtlingseigenschaft nicht eingetreten.

Ebenso kann deshalb vorliegend die Frage dahingestellt bleiben, ob die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht bereits gemäß § 3 Abs. 3 Satz 1 AsylVfG in Verbindung mit Art. 12 Abs. 1 lit. a) QualfRL von vornherein ausscheidet, weil der Kläger nach seinen eigenen Angaben bei der UNRWA registriert ist und deren Schutz zumindest im Libanon in Anspruch nehmen kann (vgl. hierzu BT-Drs. 16/5065, S. 214; Marx, AsylVfG, 7 Aufl., § 3 Rdnrn. 68ff., 72).

Da der Kläger hierzu in seinem Asylfolgeantrag keine Angaben gemacht hat, ist vom Gericht auch nicht weitergehend zu prüfen, ob er in den Libanon tatsächlich einreisen bzw. den Schutz der UNRWA im Libanon erreichen kann. Wie aus der Ausländerakte ersichtlich, ist ein Scheitern von Bemühungen der Ausländerbehörde, den Kläger in den Libanon abzuschieben, jedenfalls nicht dokumentiert.

Auch dessen ungeachtet gilt: Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge hatte den Vortrag des Klägers, er werde von der Fatah aufgrund eines im Libanon begangenen Tötungsdelikts verfolgt, als unglaubhaft abgetan. Diese Beurteilung erweist sich aufgrund des persönlichen Eindrucks, den das Verwaltungsgericht vom Kläger in der mündlichen Verhandlung gewinnen konnte, als zutreffend. Denn der Kläger hat den entsprechenden Vortrag in der mündlichen Verhandlung im Verhältnis zu seinem Vorbringen im Asylerstverfahren völlig widersprüchlich dargestellt. Im Asylerstverfahren hatte er noch ausgeführt, 1994 in Trunkenheit während eines Wachdienstes in S./Libanon zwei Fatah-Kameraden umgebracht zu haben. Er habe "abhauen" wollen und dabei auf die zwei Fatah-Kämpfer geschossen. Die beiden Angeschossenen seien ebenfalls betrunken gewesen und hätten ihn von seiner Flucht abhalten wollen. Möglicherweise habe einer der beiden Angeschossenen die Schussverletzungen überlebt. Er - der Kläger - habe sich dann nach Syrien abgesetzt und sich dort zwei Jahre aufgehalten. Hingegen hat der Kläger auf Befragen in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht ausgeführt, dass er im Libanon aus Versehen einmal eine Granate auf Fatah-Abu Musa-Kämpfer abgeschossen hätte. Daraufhin hätten diese behauptet, dass von ihm Kämpfer der Abu Musa-Brigaden getötet worden seien und sie hätten ihn töten wollen. Nach diesem Vorfall sei er unmittelbar über Beirut nach Saloniki in Griechenland ausgereist. Danach ist der Vortrag des Klägers über den Vorfall im Libanon als frei erfunden zu bewerten. Dass der Kläger von der Fatah nicht verfolgt wird, belegt auch die von ihm von Deutschland aus organisierte Ausstellung eines Mitgliedsausweises der PLO-Veteranenorganisation im Jahre 2002/2003. Denn es ist kein Grund ersichtlich, aus dem die PLO Mitgliedsausweise an die von ihr angeblich Verfolgten ausstellen sollte, zumal wenn sie sich seit Jahren im Ausland aufhalten.

b. Soweit der Kläger neue Beweismittel vorlegt, mit denen er seine Zugehörigkeit zur Fatah unter Beweis stellen will, ist er im Rahmen der begehrten Flüchtlingsanerkennung gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG in Verbindung mit § 51 Abs. 2 bzw. 3 VwVfG ausgeschlossen. Die Tätowierungen hat er nach seinen eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung bereits vor ca. 20 Jahren anbringen lassen. Er hätte sie deshalb zum Gegenstand seines Asylerstantrages machen können. Es kann danach dahingestellt bleiben, ob diese Tätowierungen Abzeichen der Fatah sind. Auch der in Ablichtung vorliegende Veteranen-Ausweis der PLO hat im Zusammenhang mit der begehrten Flüchtlingsanerkennung unberücksichtigt zu bleiben, weil der Kläger nach seinen eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung bereits 2003 in den Besitz dieser Urkunde gelangt ist, sie jedoch erst 2008 zum Gegenstand des Asylfolgeverfahrens gemacht hat. Danach kann im fraglichen Zusammenhang dahingestellt bleiben, ob sich diese Beweismittel, unterstellt sie wären rechtzeitig in ein Asylverfahren eingeführt worden, überhaupt rechtserheblich auf die Frage der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ausgewirkt hätten.

2. Der Hilfsantrag des Klägers, den Bescheid des Bundesamtes vom 31. August 2010 hinsichtlich der in Ziffer 2) enthaltenen Regelung aufzuheben sowie die Beklagte zu verpflichten, unter Abänderung von Ziffer 3) der Entscheidungsformel in dem Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 3. Januar 2001 festzustellen, dass in seinem Fall hinsichtlich des Gazastreifens Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG vorliegen, ist teilweise begründet. Die Weigerung des Bundesamtes, im Fall des Klägers ein Abschiebungshindernis nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich des Gazastreifens festzustellen und den Asylerstbescheid insoweit abzuändern, als er dieser Feststellung entgegensteht, ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (2b). Hinsichtlich der übrigen vom Kläger geltend gemachten Abschiebungsverbote ist die Klage unbegründet (2a).

Im Asylfolgeverfahren kommt ein Wiederaufgreifen des bestandskräftig abgeschlossenen Asylerstverfahrens mit dem Ziel der Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG - unmittelbar und unabhängig von § 71 AsylVfG - unter den Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG oder aber des § 51 Abs. 5 VwVfG in Verbindung mit den §§ 48, 49 VwVfG in Betracht. In letzterem Fall besteht ein Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung (BVerfG, Beschluss vom 20.12.2006 - 2 BvR 2063/06 - NVwZ 2007, S. 1046, 1047; BVerwG, Urteile vom 7.9.1999 - 1 C 6/99 - NVwZ 2000, S. 204, 205, vom 21.3.2000 - 9 C 41/99 - BVerwGE 111, S. 77 = NVwZ 2000, S. 940, 941 und vom 20.10.2004 - 1 C 15/03 - BVerwGE 122, S. 103 = NVwZ 2005, S. 462). Das Gericht ist verpflichtet, die Sache nach Möglichkeit spruchreif zu machen und abschließend zu entscheiden (BVerwG, Urteile vom 10.2.1998 und 20.10.2004, jeweils aaO).

Im vorliegenden Fall hat das Bundesamt in dem streitbefangenen Bescheid das Wiederaufgreifen des Verfahrens bezogen auf das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG unter den Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG zwar abgelehnt, im Wege der Ermessensprüfung nach § 51 Abs. 5 VwVfG jedoch die aktuelle Lage im Gazastreifen überprüft (Bescheidabdruck S. 5f.).

Nach der durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19.8.2007 (BGBl. I S. 1970) geänderten Rechtslage bilden hinsichtlich der vom Ausländer im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat oder das Land seines gewöhnlichen Aufenthalts geltend gemachten Gefahren die Abschiebungsverbote des § 60 Abs. 2, Abs. 3 und Abs. 7 Satz 2 AufenthG einen eigenständigen, vorrangig von den sonstigen herkunftsbezogenen ausländerrechtlichen Abschiebungsverboten zu prüfenden Streitgegenstand bzw. einen abtrennbaren Streitgegenstandsteil. Der (Hilfs-)Antrag des Klägers ist deshalb dahingehend auszulegen, dass er vorrangig die Feststellung eines unionsrechtlich abgesicherten Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2, Abs. 3 und Abs. 7 Satz 2 AufenthG begehrt und nur hilfsweise die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG beansprucht (BVerwG, Urteile vom 24.6.2008 - 10 C 43/07 - BVerwGE 131, S. 198 = NVwZ 2008, S. 1241, vom 14.7.2009 - 10 C 9/08 - BVerwGE 134, S. 188 = NVwZ 2010, S. 196 und vom 29.6.2010 - 10 C 10/09 - NVwZ 2011, S. 48; Renner-Bergmann, aaO, § 60 Rdnr. 51). Entsprechend ist auch das Bundesamt in dem streitbefangenen Bescheid vorgegangen.

Über Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 2 bis 5 oder Abs. 7 AufenthG - gleich in welchem Verhältnis sie zueinander stehen - ist in Bezug auf die in Betracht kommenden Abschiebezielstaaten jeweils gesondert und ggf. mit unterschiedlichem Ergebnis zu entscheiden. Auch in Fällen, in denen wenig oder keine Aussicht besteht, den Ausländer in absehbarer Zeit abschieben zu können, ist das Bundesamt ermächtigt und regelmäßig gehalten, eine Feststellung zu § 60 Abs. 2 bis 5 oder Abs. 7 AufenthG zu treffen und dem Asylsuchenden damit die gerichtliche Überprüfung einer derartigen Feststellung zu eröffnen. Der Asylsuchende hat Anspruch auf die Feststellung eines derartigen Abschiebungsverbotes jedenfalls hinsichtlich der Staaten, für die das Bundesamt verpflichtet ist, eine solche Feststellung zu treffen, für die es eine ihm nachteilige Feststellung bereits getroffen hat oder in die abgeschoben er aus berechtigtem Anlass sonst befürchten muss (BVerwG, Urteil vom 2.8.2007, aaO).

Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge hatte dem Kläger in dem Asylerstbescheid vom 3. Januar 2001 bestandskräftig die Abschiebung nach "Gaza (Israel)" (Entscheidungsformel Ziffer 4) bzw. "Israel (Gaza)" (Bescheidabdruck S. 4) oder den Libanon angedroht. Von der Zielstaatsbezeichnung "Gaza (Israel)" bzw. "Israel (Gaza)" wird die Abschiebung in den Gazastreifen umfasst, der zum Zeitpunkt des Erlasses der Abschiebungsandrohung noch durch die israelischen Streitkräfte besetzt war. In dem Asylfolgeantrag hatte der Kläger ausschließlich eine veränderte Sachlage in Bezug auf den Gazastreifen behauptet und den Klagantrag in der mündlichen Verhandlung auf das Vorliegen eines Abschiebungsverbots in Bezug auf den Gazastreifen beschränkt. Das Bundesamt hat eine Gefährdung des Klägers im Gazastreifen ausdrücklich verneint (Bescheidabdruck S. 5f.) und damit eine für den Kläger nachteilige Feststellung getroffen. Diese Umstände begrenzen das gerichtliche Prüfprogramm auf den Gazastreifen.

Dem Kläger fehlt für die von ihm begehrte Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG auch nicht das Rechtsschutzbedürfnis. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Vorliegen eines Rechtsschutzbedürfnisses beim Vorliegen von zwei Staatsangehörigkeiten mit Ausweichmöglichkeit des Ausländers in den anderen Staat, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, verneint (BVerwG, Urteil vom 2.8.2007, aaO). Im Falle des Klägers ist jedoch ungeklärt, ob er eine oder mehrere oder keine Staatsangehörigkeit besitzt. Außerdem betreibt die Ausländerbehörde seine Ausweisung. Das Rechtsschutzbedürfnis fehlt auch nicht deshalb, weil nach der Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 15.10.2009 an das VG Hannover - 508-516.80/46204 - eine Einreise von Gaza-Palästinensern in Israel ebenso wenig gestattet ist (Antwort zu Frage 5a]) wie die Einreise dieser Personengruppe nach Israel über den Flughafen Tel Aviv-Yafo und deren Weiterreise in den Gazastreifen (Antwort auf Frage 3b]). Auch eine Abschiebungsmöglichkeit in den Gazastreifen über Israel besteht nicht (Antworten zu den Fragen 1b] und 2b]). Ebenso wenig besteht eine Abschiebemöglichkeit auf dem Seeweg (Antworten auf die Fragen 1a] und 3a]). Anders als im Asylerstverfahren ist es dem Gericht jedoch im Asylfolgeverfahren verwehrt, die bestandskräftige Abschiebungsandrohung bezogen auf "Gaza (Israel)" bzw. "Israel (Gaza)" aufzuheben (vgl. hierzu VG Hannover, Urteil vom 11.1.2011 - 7 A 4031/10 -), weil der streitbefangene Bescheid des Bundesamtes vom 31. August 2010 unter Hinweis auf § 71 Abs. 5 Satz 1 AsylVfG keine erneute Abschiebungsandrohung enthält, sondern die in dem Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 3. Januar 2001 enthaltene Abschiebungsandrohung für "weiter gültig und vollziehbar" erklärt (Bescheidabdruck S. 6). Ein Rechtsschutzbedürfnis für die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG bezogen auf den Gazastreifen ist dem Kläger deshalb nicht abzusprechen.

Die Klage ist insoweit auch begründet. Zwar liegen unionsrechtliche Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2, Abs. 3 und Abs. 7 Satz 2 AufenthG im Falle des Klägers bezogen auf den Gazastreifen nicht vor (2a). Jedoch ist die Beklagte verpflichtet, im Fall des Klägers ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG bezogen auf den Gazastreifen festzustellen. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass im Asylfolgeverfahren eine solche abschließende gerichtliche Entscheidung in Betracht kommt, wenn dem Bundesamt im Einzelfall hinsichtlich der Änderung der bestandskräftigen negativen Entscheidung zu § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG a.F. (nunmehr § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG) kein Ermessensspielraum eröffnet ist. Dies ist u.a. dann der Fall, wenn ein Festhalten an der bestandskräftigen negativen Entscheidung zu § 53 AuslG a.F. zu einem schlechthin unerträglichen Ergebnis führen würde und das Ermessen der Behörde deshalb auf "Null" reduziert ist. Dies kommt in Betracht, wenn der Ausländer bei einer Abschiebung einer extremen individuellen Gefahrensituation - der Schwere nach vergleichbar mit einer extremen allgemeinen Gefahrensituation im Sinne der Rechtsprechung zu § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG a.F. - ausgesetzt würde und das Absehen von einer Abschiebung daher verfassungsrechtlich zwingend geboten ist. Von einer solchen Ermessensreduzierung kann grundsätzlich nur bei einer Gefährdung mit dieser besonderen Intensität ausgegangen werden (BVerwG, Urteil vom 20.10.2004, aaO mwN). Eine solche extreme individuelle Gefahrensituation ist zur Überzeugung des Gerichts bei einer Abschiebung des Klägers in den Gazastreifen gegeben (2b).

a. Gemäß § 60 Abs. 2 AufenthG, der die Regelung des Art. 15 lit. b) QualfRL umgesetzt hat, darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem für ihn die konkrete Gefahr besteht, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden.

Gemäß § 60 Abs. 3 AufenthG, der die Regelung des Art. 15 lit. a) QualfRL umgesetzt hat, darf der Ausländer auch nicht in einen Staat abgeschoben werden, wenn dieser Staat ihn wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe besteht. In diesen Fällen finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 oder Abs. 3 AufenthG hat der Kläger in Bezug auf den Gazastreifen nicht behauptet, zumal er den Gazastreifen bereits als 14- oder 15jähriger Jugendlicher 1989/1990 verlassen hatte und seitdem nicht in den Gazastreifen zurückgekehrt ist.

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten, in seinem Fall ein Abschiebungshindernis nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG hinsichtlich des Gazastreifens festzustellen. Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG, der die Regelung des Art. 15 lit. c) QualfRL umgesetzt hat, ist von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abzusehen, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist.

Dieses Abschiebungsverbot scheidet bereits deshalb aus, weil der Kläger nicht Angehöriger der Zivilbevölkerung im Gazastreifen ist, sondern zur Überzeugung des Gerichts Kombattant der Fatah. Der Gegenbegriff zur Zivilperson ist der Kombattant. Kombattanten sind alle am militärischen Kampf gegen den Gegner aktiv oder potenziell aktiv beteiligten Personen. Umfasst werden normale Armeeangehörige, der regulären Armee, nicht eingegliederte, aber von ihr autorisierte Milizen und Feiwilligenkorps, aus eigenem Antrieb handelnde Streitkräfte, organisierte Partisanen und Einzelkämpfer (Marx, aaO, § 24 Rdnr. 197). Der Kläger ist nach wiederholtem eigenem Bekunden Fatah-Kämpfer. Er hat sich einen PLO-Ausweis als aktiver Veteran ausstellen lassen. Auch wenn sein Vortrag zu dem Vorfall im Libanon, an dem er als Fatah-Kämpfer beteiligt gewesen sein will, vom Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge im Asylerstbescheid zu Recht als unglaubhaft bewertet worden ist (s.o. 1a] letzter Absatz), erscheint seine Eigenschaft als (ehemaliger) Fatah-Kämpfer nicht von vornherein unglaubhaft. Seine feindselige Haltung Israel gegenüber hat er vor dem Bundesamt und vor verschiedenen deutschen Gerichten wiederholt zum Ausdruck gebracht. Seine aggressive Haltung wird u.a.durch seine zahlreichen Widerstandsdelikte gegen Vollstreckungsbeamte, wegen derer er im Bundesgebiet verurteilt worden ist, bestätigt. Auch sein bestrafter Jubel über die Terrorattentate am 11. September 2001 in New York lassen eine aggressive politische Grundhaltung erkennen, die durchaus auf eine Kombattanteneigenschaft schließen lässt. Auch sein neuer Vortrag, bereits als Jugendlicher mit einem Messer Hakenkreuze auf jüdische Grabsteine geritzt zu haben, passt in dieses Bild. Dieser Personenkreis wird vom Schutzbereich des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG ausgeschlossen. Im Gazastreifen besteht ein innerpalästinensischer Konflikt zwischen Hamas- und Fatah-Kämpfern, den die Hamas gewaltsam vorerst für sich entschieden hat. Der Kläger als Fatah-Kämpfer wäre an dieser Auseinandersetzung innerhalb des Gazastreifens als Kombattant und nicht als Angehöriger der Zivilbevölkerung beteiligt. Ob im Falle des Klägers die übrigen Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG vorliegen, kann danach dahingestellt bleiben.

b. Auch für das Vorliegen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG enthält der Wiederaufgreifensantrag des Klägers keinen substantiierten Vortrag.

Jedoch besteht im Falle des Klägers ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich des Gazastreifens, der insoweit auch Gegenstand der Prüfung des Bundesamtes in dem streitbefangenen Bescheid vom 31. August 2010 gewesen ist (Bescheidabdruck S. 5f.).

Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht.

Der Kläger ist im Gazastreifen geboren, hat dort die Schule besucht und dort bis zum 14. oder 15. Lebensjahr seine Jugend verbracht. Er ist nach eigenen Angaben bei der UNRWA registriert.

Die Feststellung eines Abschiebungsverbots in Bezug auf den Gazastreifen scheidet zur Überzeugung des Gerichts nicht von vornherein deshalb aus, weil es sich bei dem Gazastreifen um keinen "Staat" nach dem Wortlaut von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG handelt. Der Gazastreifen war seit 1967 durch die israelischen Streitkräfte besetzt. Er wurde jedoch zu keinem Zeitpunkt ägyptisches oder israelisches Staatsgebiet. Zum gemäß § 77 Abs. 1 AsylVfG maßgeblichen Zeitpunkt der Beurteilung der Sach- und Rechtslage am Schluss der mündlichen Verhandlung ist der Gazastreifen von den israelischen Streitkräften nicht mehr besetzt. Vielmehr wurde er von den israelischen Streitkräften im Jahre 2005 - verbunden mit dem Abbau aller israelischen Siedlungen - geräumt. 2007 erklärte Israel den Gazastreifen zum "feindlichen Gebiet" (s. wikipedia: Gazastreifen). Die israelische Grenze zum Gazastreifen ist durch eine lückenlose Sperranlage gesichert. Auch Ägypten hat den Gazastreifen nicht vereinnahmt, sondern hat die Sperranlage zu seiner Grenze 2008 durch eine teilweise 3 m hohe Sperrmauer und einen bis zu 30 m in die Tiefe reichenden unterirdischen Wall mit einer Länge von 10 km versehen (s. wikipedia: Sperranlage um den Gazastreifen). Diesen Sachverhalt verkennt das Bundesamt, wenn es in dem streitbefangenen Bescheid vom 31. August 2010 den Gazastreifen in einen Zusammenhang mit den von "Israel besetzten Gebieten" stellt (Bescheidabdruck S. 6). Zumindest bezogen auf den Gazastreifen trifft dies seit 2005 nicht mehr zu. Der vorübergehende erneute Einmarsch israelischer Streitkräfte vom 27. Dezember 2008 bis zum 18. Januar 2009 im Rahmen der Militäraktion "Gegossenes Blei" als Reaktion auf den fortdauernden Beschuss israelischen Staatsgebiets mit aus dem Gazastreifen abgefeuerten Kassam-Raketen führte nicht zu einer erneuten Besetzung des Gazastreifens. Die von den israelischen Streitkräften vorgenommene Abriegelung ihres Staatsgebiets zum Gazastreifen durch eine Sperranlage sowie die von der israelischen Marine aufrechterhaltene Seeblockade, die auch in dem streitbefangenen Bescheid erwähnt wird (Bescheidabdruck S. 6) stellen keine Gebietsbesetzung dar. Abweichendes mag für das Westjordanland gelten, dessen Grenzen vom israelischen Militär kontrolliert werden und das zumindest teilweise besetzt ist. Im Gazastreifen selbst besitzt die Hamas die quasi-staatliche Herrschaftsgewalt und hat 2007 die Fatah in das Westjordanland vertrieben. Zur Überzeugung des Gerichts widerspräche es Sinn und Zweck, Personen aus einem Gebietsstreifen, dem völkerrechtlich die Staatseigenschaft fehlt, vom Schutzbereich des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG auszunehmen. Dies gilt zumindest dann, wenn dem Ausländer - wie hier - ausdrücklich und bestandskräftig die Abschiebung in dieses Gebiet angedroht ist (Abschiebungsziel "Gaza [Israel]" bzw. "Israel [Gaza]").

Das erkennende Gericht ist der Überzeugung, dass der Kläger als Fatah-Kämpfer bei einer Rückkehr in den Gazastreifen gegenwärtig einer erheblichen konkreten Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit durch die dort herrschende Hamas ausgesetzt ist. Dies folgt bereits aus der Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Hannover vom 15.10.2009 (aaO). Auf die Frage des Gerichts, ob aus dem Ausland in den Gazastreifen zurückkehrende palästinensische Volkszugehörige Repressionen seitens der dort herrschenden Hamas ausgesetzt sind, hat das Auswärtige Amt mitgeteilt, dass grundsätzlich diese Personengruppe nicht Repressionen seitens der Hamas ausgesetzt ist. Denkbar sei eine solche Behandlung jedoch, wenn der betreffende Rückreisende Fatah-Mitglied wäre (Antwort auf Frage 7a]; vgl. auch VG Arnsberg, Urteil vom 7.11.2008 - 13 K 995/07.A -). Weiter heißt es in der vom Gericht eingeholten Auskunft, dass es am 14. August 2009 im Gazastreifen zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen der de-facto dort regierenden Hamas und einer konkurrierenden radikal-islamischen Gruppierung gekommen sei. Dabei seien mindestens 28 Menschen getötet worden. Ausdrücklich fügt das Auswärtige Amt hinzu, dass bewaffnete Konflikte zwischen Anhängern von Fatah und Hamas jederzeit auftreten können (Antwort auf Frage 7c]). Bereits während und nach der von den israelischen Streitkräften durchgeführten Militäroperation "Gegossenes Blei", bei der rund 1.300 Palästinenser - größtenteils Zivilisten - getötet wurden, haben Truppen und Milizen der Hamas im Gazastreifen einen Feldzug gegen - nach ihrer Auffassung - Kollaborateure, Widersacher und Kritiker in den palästinensischen Reihen geführt, bei dem mindestens 24 Männer getötet und zahlreiche weitere Personen schwer verletzt wurden, unter ihnen Mitglieder der Fatah-Miliz (amnesty international vom 10.2.2009 "Palästinensische Autonomiebehörde: Tödlicher Feldzug der Hamas gegen 'Kollaborateure'"). Die Feststellung in dem streitbefangenen Bescheid des Bundesamtes, die Auseinandersetzungen zwischen Hamas und Fatah im Gazastreifen hätten Ende 2007 aufgehört (Bescheidabdruck S. 5), ist deshalb unzutreffend.

Hinzu kommt, dass die Hamas nach dem Beschluss des Rates der EU vom 26.1.2009 zur Durchführung von Art. 2 Abs. 3 der VO (EG) Nr. 2580/2001 über spezifische, gegen bestimmte Personen und Organisationen gerichtete restriktive Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus (ABl. vom 27.1.2009 Nr. L 23/25) als Terrororganisation bzw. - im Sinne des deutschen Ausländerrechts - als terroristische Vereinigung im Sinne von § 54 Nrn. 5, 5a AufenthG anzusehen ist (so VG München, Urteil vom 9.9.2008 - M 4 K 08.2158 -). Die Hamas ist nach wie vor im Anhang zu Art. 1 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 610/2010 des Rates vom 12.7.2010 (ABl. vom 13.7.2010 Nr. L 178) als Vereinigung gelistet, die an terroristischen Handlungen im Sinne von Art. 1 Abs. 2 und 3 des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931/GASP des Rates vom 27.12.2001 (ABl. vom 28.12.2001 Nr. L 344 S. 93) über die Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus beteiligt gewesen ist. Die Hamas hat vor dem Europäischen Gerichtshof Klage gegen diese Einstufung erhoben und sich als rechtmäßig gewählte Regierung im Gazastreifen dargestellt (Rechtssache T-400/10, ABl. vom 20.11.2010 Nr. C 317 S. 32).

Vorliegend sieht das Gericht unter dem Eindruck des andauernden bewaffneten Konflikts um den Gazastreifen wie auch der Herrschaft der Hamas innerhalb des Gazastreifens die Gefahr für den Kläger als Fatah-Kämpfer als konkret an. Dies folgt bereits aufgrund fehlender Fluchtmöglichkeiten aus dem eng umgrenzten und nur 360 km2 großen Gazastreifen infolge der zu Israel geschlossenen bzw. zu Ägypten weitestgehend geschlossenen Grenzübergänge sowie fehlender Ausreisemöglichkeiten über das Mittelmeer wegen der von der israelischen Marine aufrechterhaltenen Seeblockade (vgl. bereits VG Hannover, Beschluss vom 4.3.2009 - 7 B 224/09 - asylmagazin 5/2009, S. 12).

Das Gericht sieht deshalb gegenwärtig die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG für den Einzelfall des Klägers als Fatah-Kämpfer bei einer Rückkehr in den Gazastreifen als erfüllt an.

Ein interner Schutz durch Ausweichen in das von der Fatah beherrschte Westjordanland steht dem Kläger nicht zur Verfügung. Nach der Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 15.10.2009 (aaO) gestattet Israel grundsätzlich nicht den Aufenthalt von Gaza-Palästinensern im Westjordanland. An den Übergängen von Israel bzw. Jerusalem zu dem von der palästinensischen Autonomiebehörde verwalteten Gebiet im Westjordanland bestehen israelische Kontrollpunkte, hingegen findet keine Kontrolle seitens der Palästinensischen Behörde statt (Antwort auf Frage 4b]). Die Niederlassung von Gaza-Palästinensern im Westjordanland bedarf der Zustimmung Israels und diese wird grundsätzlich nicht erteilt (Antwort zu Frage 8a]; vgl. auch VG Dresden, Urteil vom 25.11.2010 - A 5 K 1072/08 -). Es gibt im Westjordanland nur Gaza-Palästinenser, die Anfang bzw. Mitte der 1990'er Jahre mit israelischem Einverständnis eingereist sind und sich niedergelassen haben. Diese leben nach Mitteilung des Auswärtigen Amtes im Westjordanland unbehelligt (Antwort zu Frage 8b]).

Trotz der vom Gericht wegen der vom Kläger während seines Aufenthalts im Bundesgebiet begangenen zahlreichen Straftaten erkannten Gefährlichkeit seiner Person kann ihm die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG bezogen auf den Gazastreifen nicht verweigert werden, weil weder die Voraussetzungen der §§ 60 Abs. 8 AufenthG, 3 Abs. 2 AsylVfG vorliegen, noch diese Vorschriften analog auf ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG anwendbar sind. Sein öffentlicher Jubel über die Terrorattentate in New York wurde 2002 lediglich mit einer Geldstrafe geahndet.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 155 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschluss vom 29.6.2009 - 10 B 60/08 -) ist der Asylantrag mit 1/3, der Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ebenfalls mit 1/3, der erste Hilfsantrag (§ 60 Abs. 2, Abs. 3 und Abs. 7 Satz 2 AufenthG) mit 1/6 und der zweite Hilfsantrag (§ 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG) ebenfalls mit 1/6 zu gewichten.

Seinen Antrag auf Verpflichtung der Beklagten, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen, hat der Kläger zurückgenommen (1/3). Mit dem Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist er ebenso unterlegen (1/3) wie mit seinem Hilfsantrag auf Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2, Abs. 3 und Abs. 7 Satz 2 AufenthG (1/6). Deshalb trägt der Kläger 5/6 und die Beklagte 1/6 der Kosten des Verfahrens.

Die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit wegen der Kosten findet ihre Rechtsgrundlage in § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708, 711 ZPO.

Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben.