Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 18.05.2004, Az.: 2 K 423/00

Durchführung einer mündlichen Verhandlung ohne Anwesenheit des Beteiligten als Verletzung rechtlichen Gehörs; Anforderungen an einen Vertagungsantrag wegen Krankheit; Möglichkeit der Inanspruchnahme von Ansparabschreibungen für Existenzgründer; Möglichkeit der Bildung einer den Gewinn mindernden Rücklage

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
18.05.2004
Aktenzeichen
2 K 423/00
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2004, 20682
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2004:0518.2K423.00.0A

Fundstellen

  • BBK 2005, 634
  • EFG 2005, 211-212 (Volltext mit amtl. LS)
  • EFG 2005, 181-183
  • NVwZ-RR 2005, 440 (Volltext mit red. LS)
  • StuB 2005, 365

Verfahrensgegenstand

Einkommensteuer 1997 - 1998

Amtlicher Leitsatz

Zu den Anforderungen an einen Vertagungsantrag wegen Krankheit und Ansparabschreibungen für Existenzgründer

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Hat eine Prozesspartei Gründe, die eine Vertagung des Termins rechtfertigten, weder substantiiert dargelegt noch die eigene Verhandlungsunfähigkeit nachgewiesen, so ist der Termin zur mündlichen Verhandlung nicht schon deshalb aufzuheben. Die Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ohne Angaben zur diagnostizierten Krankheit und zur Verhandlungsfähigkeit ist nicht ausreichend, da die Verhandlungsunfähigkeit nicht schon aus der Arbeitsunfähigkeit folgt.

  2. 2.

    Für die die Inanspruchnahme von Ansparabschreibungen ist ein Finanzierungszusammenhang der Rücklagenbildung für die geplanten Investitionen zwingend erforderlich. Der Finanzierungszusammenhang ist nicht mehr gewahrt, wenn die Bildung der Rücklage erstmals geltend gemacht wird, wenn bereits feststeht, dass die geplante Investition nicht getätigt wurde.

Tatbestand

1

Streitig ist, in welcher Höhe die Klägerin in den Streitjahren 1997 und 1998 Ansparabschreibungen als Existenzgründer in Anspruch nehmen kann.

2

Die Klägerin ist Diplom-Kauffrau und war in den Streitjahren 1997 und 1998 selbstständig als Tennislehrerin, mit einem Immobilienbüro und mit einem "Buchführungsservice" tätig. Daneben erzielte sie Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sowie aus Kapitalvermögen. Ihre Einkünfte als Tennislehrerin, aus dem Immobilienbüro sowie aus dem "Buchführungsservice" ermittelte sie getrennt jeweils durch Einnahme-Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG.

3

In den Vorjahren 1992-1995 erzielte die Klägerin keine Einnahmen aus selbstständiger Tätigkeit. Sie machte aber Aufwendungen als vorweggenommene Betriebsausgaben für eine noch nicht genau bezeichnete zukünftige selbstständige Tätigkeit (Hausverwaltung, Anlageberatung oder Buchführungshelfer) geltend. Der Beklagte berücksichtigte die Aufwendungen erklärungsgemäß und setzte Einkünfte aus Gewerbebetrieb wie folgt an:

1992 ./. 93 DM
1993 ./.1.188 DM
1994 ./. 3.220 DM
1995./. 6.390 DM
4

Im Vorjahr 1996 absolvierte die Klägerin eine Ausbildung zur Tennislehrerin, die sie im Streitjahr 1997 mit dem Trainer-Schein abschloss. Sie erzielte aus dieser Tätigkeit im Vorjahr 1996 noch keine Einnahmen, machte aber vorweggenommene Betriebsausgaben in Höhe von 2.514 DM geltend, die der Beklagte im Einkommensteuerbescheid entsprechend als negative Einkünfte aus Gewerbebetrieb ansetzte.

5

Die Klägerin betrieb das Immobilienbüro seit Ende 1996. Hierzu unterhielt sie in ihrer damaligen Wohnung ein 28,5 qm großes Zimmer und ab Februar 1997 in ihrer Wohnung in ihrem Haus ein 15,58 qm großes Zimmer als Büro.

6

Die Klägerin hatte im Vorjahr 1996 noch keine Einnahmen aus dem Immobilienbüro. Sie machte aber Betriebsausgaben in Höhe von ./. 25.156 DM geltend, von denen der Beklagte 24.761 DM anerkannte. Am 10. März 1997 meldete die Klägerin für die Tätigkeit als Tennislehrerin und das Immobilienbüro ein Gewerbe an.

7

Die Klägerin gab die Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre zunächst nicht ab. Deshalb schätzte der Beklagte die Besteuerungsgrundlagen. Er erließ am im Januar 2000 entsprechende Einkommensteuerbescheide.

8

Die Klägerin legte Einspruch ein, den sie nicht begründete. Deshalb wies der Beklagte den Einspruch mit Einspruchsbescheid im Mai 2000 als unbegründet zurück.

9

Hiergegen richtet sich die Klage. Zur Begründung gab die Klägerin im August 2000 die Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre ab. Im November 2001 gab sie eine weitere - berichtigte - Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1998 ab.

10

In den Einkommensteuererklärungen gab sie Einkünfte aus ihrem Gewerbebetrieb "Immobilien" wie folgt an:

1997 ./. 12.204 DM
1998 ./. 20.049 DM
11

Im Streitjahr 1997 erzielte die Klägerin mit ihrem Immobilienbüro Betriebseinnahmen von 228.481 DM, wovon 228.000 DM aus einer einzigen Vermittlung stammten, die die Klägerin im Juli 1997 abgerechnet hatte.

12

In der Gewinnermittlung für das Streitjahr 1997 erfasste sie Ansparabschreibungen für Existenzgründer nach § 7g Abs. 7 EStG in Höhe von 107.300 DM als Betriebsausgabe. Die Klägerin will die Ansparabschreibung für in den Jahren 1997 bis 2000 geplante Investitionen in Wirtschaftsgüter mit Anschaffungskosten von insgesamt 214.600 DM in Anspruch nehmen. Wegen der Einzelheiten zu den Wirtschaftsgütern wird auf die Aufstellung Bl. 52 d. Gerichtsakte verwiesen. In der Gewinnermittlung des Streitjahrs 1998 erfasste die Klägerin einen Gewinn aus der Auflösung einer für 1997 gebuchten Ansparabschreibung in Höhe von 3.000 DM.

13

Für den in Planung befindlichen Betrieb "Buchführung und Beratung" erklärte die Klägerin für das Streitjahr 1998 einen Verlust aus Gewerbebetrieb von 6.325 DM, der sich allein aus der Inanspruchnahme von Ansparabschreibungen nach § 7g Abs. 7 EStG in gleicher Höhe ergab. Die Klägerin will für das Jahr 2001 Investitionen in Wirtschaftsgüter mit Anschaffungskosten von 12.650 DM geplant haben. Wegen der Einzelheiten wird auf die Auflistung der Wirtschaftsgüter (Bl. 55 d. Gerichtsakte) verwiesen. Mit Schriftsatz vom 30. Dezember 2002 machte die Klägerin für diesen Betrieb für das Streitjahr 1998 erstmals eine weitere Ansparabschreibung in Höhe von 14.668 DM geltend. Diese sei für einen Kleinst-Pkw (z.B. Smart) zu bilden, da dessen Anschaffungskosten 29.338 DM betragen würden. Ein solcher PKW sei zur Abholung von Buchungsunterlagen von Mandanten erforderlich.

14

Das Gericht hat der Klägerin aufgegeben mitzuteilen, welche Wirtschaftsgüter in den Jahren 1997 bis 1999 angeschafft worden sind und die Anschaffungen durch Vorlage der Rechnungen nachzuweisen. Es hat der Klägerin hierfür eine Frist nach § 79b Abs. 2 FGO bis zum 29. Januar 2001 gesetzt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verfügung vom 27. Dezember 2000 (Bl. 118 d. Gerichtsakte) Bezug genommen.

15

Die Klägerin teilte daraufhin mit, dass sie lediglich im Jahre 1998 einen Scanner und ein Faxgerät erworben und als geringwertige Wirtschaftsgüter sofort abgeschrieben habe. Sie habe die hierfür in Höhe von 3.000 DM gebildeten Rücklagen im Streitjahr 1998 gewinnerhöhend aufgelöst. Rechnungen legte sie nicht vor. ImÜbrigen räumte sie ein, die Wirtschaftsgüter, deren Anschaffung bis einschließlich des Jahres 2001 geplant war, bis zum Ablauf des jeweils geplanten Investitionsjahres weder verbindlich bestellt noch beschafft zu haben. Die Investitionen seien nicht wie geplant möglich gewesen, da sich die Ertragslage der Betriebe nicht wie erwartet entwickelt habe. Außerdem habe ihr der Beklagte erhebliche Steuererstattungsbeträge vorenthalten, die ihr dadurch für mögliche Investitionen gefehlt hätten.

16

Mit Fax vom 17. Mai 2004, 12.45 Uhr beantragte die Klägerin die Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung am 18. Mai 2004, 10.30 Uhr. Sie machte geltend, an einer Magen-Darm-Infektion erkrankt zu sein und den Termin deswegen nicht persönlich wahrnehmen zu können. Zum Nachweis war ihrem Fax eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung einer Allgemeinmedizinerin für den 17. und 18. Mai 2004 beigefügt. Der Vorsitzende antwortete der Klägerin mit Fax vom 17. Mai 2004, 14.29 Uhr, dass er den Termin nicht aufheben werde und zum Nachweis der Verhandlungsunfähigkeit ein amtsärztliches Attest erforderlich sei. Die Klägerin teilte mit einem weiteren Fax vom 17. Mai 2004, 15.54 Uhr mit, sie habe den Amtsarzt nicht erreicht, bestehe aber auf der Terminsverlegung, da der Nachweis der Arbeitsunfähigkeit die Verhandlungsunfähigkeit einschließe.

17

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

unter Änderung der Einkommensteuerbescheide 1997 und 1998 in der Fassung des Einspruchsbescheids vom 25. Mai 2000 die Einkommensteuer 1997 und 1998 jeweils mit 0 DM festzusetzen.

18

Der Beklagte beantragt,

wie erkannt zu entscheiden.

19

Er ist der Auffassung, die Klägerin könne Ansparabschreibungen in der von ihr beantragten Höhe nicht in Anspruch nehmen. So habe sie insbesondere die für das Jahr 2000 geplante Investition in einen PKW mit Anschaffungskosten von 120.000 DM für ihr Immobilienbüro nicht hinreichend konkretisiert. Auch seien die geplanten Investitionen für den Buchhaltungs-Service nicht hinreichend konkret. So wolle die Klägerin für den Buchhaltungs-Service weitgehend die gleichen Geräte anschaffen wie für das Immobilienbüro, obwohl sich beide Betriebe dasselbe Büro teilten. Wegen Abgabe der Steuererklärung für das Streitjahr 1998 ist der Beklagte nunmehr bereit, die Einkommensteuer für dieses Jahr auf 0 DM herabzusetzen, soweit sich nicht aus der Auflösung von im Streitjahr 1997 gebildeten Rücklagen Folgewirkungen für das Streitjahr 1998 ergeben, die die Steuer erhöhen.

Entscheidungsgründe

20

Die Klage ist nur im erkannten Umfang begründet. Der Beklagte hat die Einkommensteuer für das Streitjahr 1997 im Schätzungsbescheid nicht zu hoch festgesetzt. Hingegen hat er für das Streitjahr 1998 zu Unrecht eine Einkommensteuer festgesetzt.

21

1.

Die Sache konnte aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 18. Mai 2004, 10.30 Uhr entschieden werden, obwohl die Klägerin zu diesem Termin nicht erschienen war.

22

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung ohne Anwesenheit des (ordnungsgemäß) geladenen Beteiligten kann eine Verletzung des rechtlichen Gehörs darstellen, wenn einem vor dem Termin gestellten Antrag auf Verlegung zu Unrecht nicht stattgegeben worden ist (z.B. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 22. Dezember 1997, X B 23/96, BFH/NV 1998, 726; vom 14. Mai 1996, VII B 237/95, BFH/NV 1996, 902, m.w.N.). Der Beteiligte ist allerdings gehalten, sich im Rahmen des Zumutbaren selbst das rechtliche Gehör zu verschaffen. Eine Verletzung rechtlichen Gehörs liegt deshalb nur vor, wenn dem Beteiligten trotz zumutbaren eigenen Bemühens die Möglichkeit zur Äußerung verweigert oder abgeschnitten wurde (BFH-Beschluss in BFH/NV 1998, 726; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 119 Rz. 13 und 15, m.w.N.).

23

Gemäß § 155 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 227 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) "kann" das Gericht "aus erheblichen Gründen" einen Termin aufheben oder verlegen. Der Beteiligte muss ihm aber im Einzelfall darlegen, dass es sich um erhebliche Gründe handelt. Zwar sind die erheblichen Gründe nach § 155 FGO i.V.m. § 227 Abs. 2 ZPO erst auf Verlangen glaubhaft zu machen. Das berührt aber nicht die Pflicht des Beteiligten, selbst die Gründe so genau anzugeben, dass sich das Gericht aufgrund seiner Schilderung ein Urteil über deren Erheblichkeit bilden kann. Deshalb rechtfertigen formelhafte, nicht im Einzelnen nachprüfbare Begründungen eine Terminsverlegung nicht (BFH-Beschluss vom 31. August 1995, VII B 160/94, BFH/NV 1996, 228, BFH-Beschluss vom 17. Mai 2001, X B 12/01, nv, juris).

24

Nach der Rechtsprechung des BFH ist das FG nicht verpflichtet, dem Antrag eines Beteiligten auf Terminsverlegung, der sozusagen "in letzter Minute" gestellt und mit einer plötzlichen Erkrankung begründet wird, stattzugeben, wenn dieser Antrag den Anforderungen an eine aussagefähige Begründung nicht genügt und die Gründe für die beantragte Terminsverlegung nicht zugleich mit der Antragstellung glaubhaft gemacht werden (vgl. BFH-Beschlüsse vom 31. Juli 1997, VIII B 94/96, BFH/NV 1998, 66, und in BFH/NV 1996, 228, m.w.N.). Notwendig ist hiernach in solchen eiligen Fällen (anders, wenn zwischen dem Antrag und dem Termin zur mündlichen Verhandlung noch einige Tage liegen: BFH-Urteil vom 4. Mai 1994, XI R 104/92, BFH/NV 1995, 46) entweder die Vorlage eines ärztlichen Attestes, aus dem sich eindeutig die Verhandlungsunfähigkeit des Beteiligten ergibt, oder eine so genaue Schilderung der Erkrankung samt Glaubhaftmachung durch den Beteiligten, dass das Gericht selbst beurteilen kann, ob die Erkrankung so schwer ist, dass ein Erscheinen zum Termin nicht erwartet werden kann. Zwar sind nach § 227 Abs. 2 ZPO die Gründe erst auf Verlangen glaubhaft zu machen; das kann aber nur gelten, wenn zwischen der Antragstellung und dem Termin ausreichend Zeit besteht, um dies zu verlangen. Ist diese Zeit --wie im Streitfall-- nicht mehr vorhanden, so muss der Beteiligte seine Gründe mit der Antragstellung glaubhaft machen, weil andernfalls keine Möglichkeit bestünde, dessen Angaben zu überprüfen (z.B. BFH-Beschluss in BFH/NV 1996, 228, m.w.N.). Würden diese Anforderungen an die Begründung des Antrags im Falle einer aus Krankheitsgründen kurzfristig begehrten Terminsverlegung nicht gestellt, bestände die Gefahr, dass die Entscheidung über die Terminsverlegung allein vom Beteiligten abhängen würde. Dies wäre mit dem Ziel einer möglichst zügigen Durchführung des Verfahrens nicht vereinbar.

25

Der Termin zur mündlichen Verhandlung war nicht auf Antrag der Klägerin aufzuheben. Die Klägerin hatte nämlich Gründe, die eine Vertagung rechtfertigten, weder substantiiert dargelegt noch ihre Verhandlungsunfähigkeit nachgewiesen. Die von ihr vorgelegte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung enthielt keine Angaben zur diagnostizierten Krankheit und keine Aussage zur Verhandlungsfähigkeit. Auch die Behauptung der Klägerin selbst, sie habe eine Magen-Darm-Infektion, lässt keinen sicheren Schluss auf die Schwere der Krankheit zu. Der Vorsitzende hatte die Klägerin zudem noch rechtzeitig darauf hingewiesen, dass es für eine Vertagung nicht auf ihre Arbeitsfähigkeit sondern auf ihre Verhandlungsfähigkeit ankomme. Wenn die Klägerin dann, unter Beharrung auf einer irrigen Rechtsansicht, ihren Vertagungsantrag nicht weiter substantiiert und nicht zum Termin erscheint, so ist ihr rechtliches Gehör nicht verletzt.

26

Die mündliche Verhandlung war außerdem schon einmal aus bei der Klägerin liegenden Gründen vertagt worden. So hatte die Klägerin nach der Ladung zum Termin zur mündlichen Verhandlung zum 23. April 2003 noch am 15. April 2003 einen sechsseitigen Schriftsatz übersandt, mit dem sie ihren Vortrag nochmals geändert und abweichende Anträge in Aussicht gestellt hatte. In Anbetracht der Tatsache, dass der Beklagte hierzu noch angehört werden musste und bis zur Vorberatung nur noch drei Arbeitstage verblieben, führte dieses Verhalten der Klägerin zur Aufhebung des Termins. Auch aufgrund dessen war bei dem kurzfristigen Vertagungsantrag eine Verschleppungsabsicht der Klägerin zu besorgen.

27

2.

Die Klägerin kann ihren Gewinn des Streitjahrs 1997 aus dem Immobilienbüro nicht durch die von ihr geltend gemachten Ansparabschreibungen mindern.

28

Sie kann zwar grundsätzlich für ihr Immobilien-Büro im Streitjahr dem Grunde nach Ansparabschreibungen für Existenzgründer in Anspruch nehmen.

29

Nach § 7g Abs. 3 EStG können Steuerpflichtige für die künftige Anschaffung oder Herstellung eines neuen beweglichen Wirtschaftsguts des Anlagevermögens (§ 7g Abs. 1 EStG) eine den Gewinn mindernde Rücklage bilden (Ansparabschreibung). Ermittelt ein Steuerpflichtiger - wie die Klägerin - den Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG, so ist diese Vorschrift nach § 7g Abs. 6 EStG mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Bildung der Rücklage als Betriebsausgabe (Abzug) und ihre Auflösung als Betriebseinnahme (Zuschlag) zu behandeln ist. Wird eine Rücklage von einem Existenzgründer im Wirtschaftsjahr der Betriebseröffnung und den folgenden fünf Wirtschaftsjahren (Gründungszeitraum) gebildet, so sind diese Vorschriften nach § 7g Abs. 7 EStG mit der Maßgabe anzuwenden, dass das begünstigte Wirtschaftsgut vom Steuerpflichtigen voraussichtlich bis zum Ende des fünften auf die Bildung der Rücklage folgenden Wirtschaftsjahrs angeschafft oder hergestellt wird und die Rücklage spätestens am Ende des fünften auf ihre Bildung folgenden Wirtschaftsjahrs gewinnerhöhend aufzulösen ist.

30

Die Klägerin war Existenzgründerin. Existenzgründer ist nach § 7g Abs. 7 Satz 2 Nr. 1 EStG eine natürliche Person, die innerhalb der letzten fünf Jahre vor dem Wirtschaftsjahr der Betriebseröffnung weder an einer Kapitalgesellschaft unmittelbar oder mittelbar zu mehr als einem Zehntel beteiligt gewesen ist noch Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 EStG erzielt hat. Die Klägerin befand sich mit ihrem Immobilienbüro im Streitjahr 1997 noch im fünfjährigen Gründungszeitraum. Sie hatte nämlich erstmals im Jahre 1992 Einkünfte aus Gewerbebetrieb aus Vorbereitungshandlungen im Hinblick auf eine zukünftige Selbstständigkeit erzielt. Dabei kann dahin stehen, ob die Jahre 1992 bis 1995 überhaupt in die Betrachtung einzubeziehen sind, da die Einkünfte aus Gewerbebetrieb lediglich aus vorweggenommenen Betriebsausgaben herrührten. Die Klägerin begann erst im Jahre 1996 aktiv mit dem Immobilienbüro und erzielte erstmals im Streitjahr 1997 Einnahmen. Auch ihre beiden anderen Betriebe als Tennislehrerin und Buchhaltungs-Service hatten bis zum Jahr 1997 keine Einnahmen gebracht und befanden sich bis dahin noch im Vorbereitungsstadium. Als Existenzgründerin konnte die Klägerin grundsätzlich von der Möglichkeit Gebrauch machen, steuermindernd Betriebsausgaben in Form von Ansparabschreibungen bei der Gewinnermittlung für ihr Immobilienbüro im Streitjahr 1997 abzuziehen. Hierüber besteht zwischen den Beteiligten auch kein Streit.

31

Der von der Klägerin mit der Gewinnermittlung für das Streitjahr 1997 vorgelegte Investitionsplan erfüllt jedoch nicht die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Ansparabschreibungen und Betriebsausgabenabzug nach § 7g Abs. 7 EStG.

32

Die Klägerin kann für diejenigen Wirtschaftsgüter, die sie nach ihrer Aufstellung in den Jahren 1997 bis 1999 anschaffen wollte, schon deshalb keine Ansparabschreibungen in Anspruch nehmen, weil sie für diese Wirtschaftsgüter die Ansparabschreibungen erstmals mit der Abgabe ihrer Steuererklärungen im Jahre 2000 geltend gemacht hat. Zu diesem Zeitpunkt waren die Jahre 1997 bis 1999, für die die Klägerin Investitionen von insgesamt 74.000 DM geplant hatte, bereits abgelaufen, ohne dass die Klägerin die Wirtschaftsgüter angeschafft hatte.

33

Für die Inanspruchnahme von Ansparabschreibungen fehlt es insoweit schon am erforderlichen Finanzierungszusammenhang der Rücklagenbildung für die geplanten Investitionen. Der Tatbestand des § 7g Abs. 3 EStG stellt auf die künftige Anschaffung ab und verwendet den Begriff der Ansparabschreibung. Diese hat den Zweck, die Wettbewerbssituation kleiner und mittlerer Betriebe dadurch zu verbessern, dass deren Liquidität und Eigenkapitalbildung unterstützt und deren Investitions- und Innovationskraft gestärkt werden (BTDrucks 10/336, 13, 25/26; BTDrucks 11/257, 8 f.). Mit Hilfe der Rücklage, die zu einer Steuerstundung führt, sollen Mittel angespart werden können, um dem Unternehmen die Finanzierung der Investition zu erleichtern (BTDrucks 12/4487, S. 33). Die Rücklage nach § 7g Abs. 3 EStG bewirkt die Vorverlagerung des Abschreibungspotentials und fördert die Innenfinanzierung einer Investition, indem der Kreditbedarf verringert wird (vgl. Lambrecht in Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 7g EStG, Rdnr. A 1). Der durch die Vorverlagerung des Aufwands entstehende Steuerstundungseffekt erhöht die Liquidität und den finanziellen Spielraum des Steuerpflichtigen. Während der Steuerstundung können die liquiden Mittel produktiv verwendet oder zur Tilgung von Verbindlichkeiten eingesetzt werden.

34

Dieser Zweck der Rücklage verlangt in zeitlicher Hinsicht, dass die Rücklage die ihr zugedachte Funktion der Finanzierungserleichterung erfüllen kann (BFH-Urteil vom 14. August 2001, XI R 18/01, BStBl. II 2004, 181). Zwischen der Bildung der Rücklage und der Investition muss ein Finanzierungszusammenhang bestehen. Dieser kann im Hinblick auf die Frist von zwei Jahren bzw. fünf Jahren bei Existenzgründern für die Anschaffung oder Herstellung der Wirtschaftsgüter, für die die Rücklage gebildet wurde, zwar auch dann noch gegeben sein, wenn die Gewinnermittlung für das Jahr der Rücklage erst nach der Anschaffung oder Herstellung aufgestellt wird. Der Finanzierungszusammenhang ist aber nicht mehr gewahrt, wenn die Bildung der Rücklage --im Streitfall der Betriebsausgabenabzug-- erstmals geltend gemacht wird, wenn bereits feststeht, dass die geplante Investition nicht getätigt wurde. In diesem Fall dient die Bildung der Rücklage nicht mehr der Investitionserleichterung. § 7g Abs. 3 EStG ermöglicht nämlich nicht eine nur durch die Bestandskraft begrenzte, im Übrigen aber voraussetzungslose Rücklagenbildung. Diese Beurteilung beruht auf den materiell-rechtlichen Voraussetzungen des § 7g EStG. Dass verfahrensrechtlich Wahlrechte bis zur Bestandskraft der jeweiligen Bescheide ausgeübt werden können (BFH-Urteil vom 6. September 2000, XI R 18/00, BStBl II 2001, 106), ist daher ohne Bedeutung.

35

Die Klägerin kann zudem Ansparabschreibungen für ihre für die Jahre 1997 bis 1999 geplanten Investitionen nicht in Anspruch nehmen, weil diese Investitionen im Jahre 2000 bereits objektiv unmöglich waren.

36

Nach dem Urteil des XI. Senats des BFH vom 12. Dezember 2001, XI R 13/00 (BStBl II 2002, 385) setzt die Bildung einer Ansparrücklage nach § 7g Abs. 3 EStG zwar nicht voraus, dass der Steuerpflichtige glaubhaft macht, die Investition sei wirklich beabsichtigt. Im Anschluss daran hat der X. Senat des BFH durch Urteil vom 19. September 2002, X R 51/00 (BStBl. II 2004, 184) jedoch entschieden, dass die nach § 7g Abs. 3 Satz 2 EStG erforderliche "voraussichtliche" Anschaffung oder Herstellung des begünstigten Wirtschaftsguts eine hinreichende Konkretisierung der geplanten Investition voraussetzt. Denn die "voraussichtliche" Investition muss bereits bei der Bildung der Rücklage so konkret und genau bezeichnet werden, dass im Jahr der Investition festgestellt werden kann, ob die vorgenommene Investition tatsächlich der "voraussichtlichen" Investition entspricht, für deren Finanzierung der Steuerpflichtige die Ansparrücklage gebildet hatte (BFH-Beschluss vom 25. September 2002, IV B 55/02, BFH/NV 2003, 159). Das erfordert bereits zu diesem Zeitpunkt insbesondere konkrete Angaben zur Funktion des noch nicht vorhandenen Wirtschaftsguts (s. auch BFH-Urteil vom 25. April 2002, IV R 30/00, BFH/NV 2002, 1097, unter 3.b). Der Begriff der "voraussichtlichen" Investition setzt eine (noch) durchführbare, objektiv mögliche Investition voraus (BFH-Urteile in BStBl II 2002, 385 [BFH 12.12.2001 - XI R 13/00], und in BFH/NV 2003, 250 [BFH 19.09.2002 - X R 51/00]). Es war zum Ende der Wirtschaftsjahre 1997 bis 1999 nicht feststellbar, ob die Klägerin die von ihr jeweils geplanten Investitionen durchgeführt hat. Sie hat nämlich ihre Planung erst mit den Steuererklärungen im Jahre 2000 offenbart.

37

Zwar hätte die Klägerin grundsätzlich im Streitjahr 1997 Investitionen bis ins Jahr 2002 hinein planen und hierfür als Existenzgründerin Ansparabschreibungen in Anspruch nehmen können. Hierauf kommt es jedoch nicht an. Denn der Klägerin steht es nicht zu, eine geplante aber nicht durchgeführte Investition durch eine andere zu ersetzen. Dies gilt auch in zeitlicher Hinsicht. So kann die Klägerin nicht die bis zum Ende des Jahres 1999 geplanten aber nicht verwirklichten Investitionen noch bis zum Ende des Jahres 2002 nachholen. Die Prognoseentscheidung über das zukünftige Investitionsverhalten umfasst nämlich auch die Angabe des Wirtschaftsjahrs, in dem die Investition voraussichtlich getätigt wird (s. auch Tz. 8 des BMF-Schreibens vom 25. Februar 2004, IV A 6 - S 2183b - 1 /04, BStBl. I 2004, 337). Stellt sich diese Prognose als unzutreffend heraus, kommt allenfalls die Auflösung der bisherigen und die Bildung einer neuen Rücklage in Betracht.

38

Die Klägerin kann jedoch auch hinsichtlich der für das Jahr 2000 geplanten weiteren Investitionen von 140.600 DM keine Ansparabschreibungen in Anspruch nehmen. Sie hatte nämlich diese Wirtschaftsgüter nicht verbindlich bestellt und damit die Investitionsentscheidung nicht ausreichend konkretisiert.

39

Die Bildung einer Ansparrücklage für einen erst zu eröffnenden Betrieb setzt nämlich voraus, dass die Investitionsentscheidung hinsichtlich der wesentlichen Betriebsgrundlagen ausreichend konkretisiert ist (BFH-Urteil vom 25. April 2002, IV R 30/00, BStBl. II 2004, 182). Sollen die wesentlichen Betriebsgrundlagen angeschafft werden, setzt das ihre verbindliche Bestellung voraus. Es kann dahin stehen, ob der im März 1997 angemeldete Betrieb des Immobilienbüros zum Ende des Wirtschaftsjahrs 1997, dem Zeitpunkt der Investitionsentscheidung, überhaupt schon das bloße Vorbereitungsstadium (die Phase der Betriebseröffnung)überschritten hatte. Die Klägerin hatte zwar bereits im Jahr 1997 erhebliche Einnahmen. Diese stammten jedoch nur aus einer einzigen Vermittlung. Am 31. Dezember 1997 hatte das Immobilienbüro jedenfalls keine Angestellten und Anlagevermögen nur in Form von wenigen geringwertigen Wirtschaftsgütern mit Anschaffungskosten von insgesamt 1.825 DM (Telefonanlage und Regale). Weiterhin bestanden Betriebsräume nur in der Form eines 15 qm großen Arbeitszimmers in der Wohnung der Klägerin. Diese Wohnung war zudem - ausgenommen die Büroräume - an eine weitere Person teilvermietet.

40

Bei diesem bescheidenen Ausmaß der bisherigen betrieblichen Tätigkeit der Klägerin sind an die Konkretisierung der vorgeblich geplanten Investitionen strengere Anforderungen zu stellen (vgl. BFH-Urteil vom 19. September 2002, X R 51/00, BStBl. II 2004, 184). Dabei ist es unerheblich, ob die geplanten Investitionen die Beschaffung wesentlicher Betriebsgrundlagen betreffen. Jedenfalls gelten diese strengeren Anforderungen an die Konkretisierung der geplanten Investitionen auch für wesentliche Erweiterungen des bestehenden Betriebs; die wesentliche Erweiterung des Betriebs ist nämlich in Anlehnung an die handelsrechtliche Wertung der "Ingangsetzung des Geschäftsbetriebs" gleichzusetzen (vgl. § 269 des Handelsgesetzbuchs - HGB -). So liegt es im Streitfall. Der Betrieb der Klägerin würde durch die vorgeblich geplanten Investitionen eine wesentliche Erweiterung erfahren. Das Gesamtvolumen der von der Klägerin im Streitjahr 1997 vorgeblich geplanten Investitionen erreicht mit netto 214.600 DM eine Größenordnung, wie sie einer Neugründung von Betrieben derselben Branche (Makler) durchaus vergleichbar ist. Außerdem müsste die Klägerin ihren Betrieb in andere Räume verlegen. Das 15 qm große Arbeitszimmer reichte nämlich schon von der Größe her nicht aus, um die vorgeblich zur Anschaffung geplanten Wirtschaftsgüter aufzunehmen. Weiterhin will sich die Klägerin durch die Beschaffung extrem hochwertiger Wirtschaftsgüter einen repräsentativen Rahmen geben. Für einen solchen Rahmen dürfte das bisherige Büro als unabgeschlossener Teil einer teilvermieteten Wohnung nicht ausreichen. Unter diesen Gegebenheiten hätte es zum Zwecke der gebotenen Konkretisierung der Investitionen des Nachweises seitens der Klägerin bedurft, dass sie die betreffenden Wirtschaftsgüter am maßgeblichen Zeitpunkt (31. Dezember 1997) bereits "verbindlich" bestellt gehabt hatte (vgl. BFH-Urteil in BFH 2002, 1097). Daran fehlt es.

41

Ob die Klägerin im Hinblick auf ihren Buchhaltungs-Service im Streitjahr 1998 als Existenzgründerin anzusehen ist und ob ihr als solcher Ansparabschreibungen zustehen, kann dahin stehen, da die festzusetzende Einkommensteuer - bei ansonsten erklärungsgemäßer Veranlagung - auch ohne Ansatz der Einkünfte aus dem Buchhaltungs-Service bereits 0 DM beträgt. Die von der Klägerin erklärten Gewinne erhöhen sich auch nicht durch die Auflösung von für das Streitjahr 1997 gebildeten und im Streitjahr 1998 auszulösenden Ansparrücklagen, da solche im Streitjahr 1997 nicht steuermindernd berücksichtigt wurden.

42

Da sich das zu versteuernde Einkommen und mithin die festzusetzende Einkommensteuer 1997 nach den o.g. Gründen erhöhen würde, muss es bei dem bisherigen Ansatz des Schätzungsbescheids verbleiben. Insoweit ist das Gericht an einer verbösernden Entscheidung gehindert. Dem Beklagten bleibt die Prüfung vorbehalten, ob eineÄnderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO wegen nachträglich bekanntgewordener steuererhöhender Tatsachen möglich ist.

43

Die Kostenentscheidung beruht auf § 137 FGO. Soweit die Klägerin obsiegt hat, waren ihr die Kosten ganz aufzuerlegen, da die Entscheidung auf Tatsachen beruht die sie früher hätte geltend machen können und sollen. Sie hat die Steuererklärungen nämlich erst im Klageverfahren vorgelegt. Die Weigerung des Beklagten, die Veranlagung 1998 zurückzustellen und die Entscheidung für das Streitjahr 1997 abzuwarten, weil die Auflösung von Rücklagen aus dem Streitjahr 1997 im Streitjahr 1998 noch streitig war, ist insoweit nicht zu beanstanden.