Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 05.05.2004, Az.: 2 K 116/03

Wiedereinsetzung in die Frist für die Beantragung von Investitionszulagen; Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Stellung eines Antrags auf Investitionszulage beim unzuständigen Finanzamt; Verschulden bei der Antragstellung beim unzuständigen Finanzamt; Folgen eines Stellens des Antrages auf Investitionszulage beim unzuständigen Finanzamt durch einen Steuerberater oder einen Rechtsanwalt; Auswirkungen einer unterlassenen Weiterleitung eines ersten - fristgerecht - beim unzuständigen Finanzamt eingegangenen Antrags hinsichtlich Wiedereinsetzung

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
05.05.2004
Aktenzeichen
2 K 116/03
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2004, 16991
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2004:0505.2K116.03.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
BFH - 22.11.2004 - AZ: III B 81/04

Fundstellen

  • BBK 2005, 7
  • BBV 2004, 7
  • DStR 2004, VIII Heft 39 (Kurzinformation)
  • DStRE 2004, 1313-1314 (Volltext mit amtl. LS)
  • EFG 2004, 1789 (amtl. Leitsatz)
  • NWB 2005, 1414 (Kurzinformation)

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Wird der Antrag auf Investitionszulage beim unzuständigen Finanzamt gestellt, kommt Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht in Betracht, wenn der Antrag vom Steuerberater/Rechtsanwalt des Steuerpflichtigen gestellt wird. Denn der steuerliche Berater, der an der Antragstellung mitgewirkt , muss wissen, dass der Antrag nicht beim Betriebsstätten- Finanzamt sondern beim Wohnsitzfinanzamt des Stpfl. zu stellen ist.

  2. 2.

    Die unterlassene Weiterleitung des ersten - fristgerecht - beim unzuständigen Finanzamt eingegangenen Antrags rechtfertigt keine Wiedereinsetzung, wenn die unzuständige Behörde die Übermittlung an das zuständige Finanzamt nicht offenkundig nachlässig oder durch nachgewiesenes Fehlverhalten schuldhaft verzögert hat.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob dem Kläger Wiedereinsetzung in die Frist für die Beantragung von Investitionszulagen für das Kalenderjahr 1996 zu gewähren ist.

2

Der Kläger ist Diplom-Ingenieur und will - nach eigenen Angaben - im Jahre 1996 im Fördergebiet eine Betriebsstätte für die Entwicklung und die Vermietung von Tiefbaugeräten unterhalten haben.

3

Der Kläger beantragte mit Schreiben seiner Rechtsanwälte und Steuerberater, den jetzigen Prozessbevollmächtigten, vom 1. April 1997 für sein Einzelunternehmen auf dem Vordruck IZ (96) Investitionszulage für das Kalenderjahr 1996 i.H.v. rund ... DM beim vermeintlichen Betriebsstättenfinanzamt (FA B). Das FA B gewährte die beantragte Investitionszulage durch Bescheid vom 5. Juni 1997 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 AO). Unter dem 8. März 2000 teilte das FA B dem Kläger mit, dass beabsichtigt sei, den Investitionszulagenbescheid aufzuheben, da das FA nach § 6 Abs. 2 InvZulG nicht zuständig gewesen sei. Schließlich hob das FA B den Bescheid am 31. Mai 2001 auf und forderte den Kläger auf, die ausgezahlte Investitionszulage zzgl. rund...DM Zinsen zu erstatten. Den Einspruch gegen die Aufhebung und Rückforderung wies das FA B unter dem 7. Januar 2003 als unbegründet zurück.

4

Bereits am 6. April 2000 beantragte der Kläger beim beklagten Finanzamt (FA) Investitionszulage unter Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Er verwendete sowohl einen Vordruck IZ (96) als auch einen Vordruck IZ (97). Er machte geltend, die Fristversäumung sei durch das FA B verursacht, da der sehr frühzeitig eingereichte Antrag nicht bis zum Ablauf der Antragsfrist an das zuständige Finanzamt weitergeleitet worden sei. Immerhin habe das FA B dazu rund 6 Monate Zeit gehabt.

5

Das FA lehnte den Antrag auf Investitionszulage für das Kalenderjahr 1996 wegen Fristversäumnisses ab. Der Einspruch blieb erfolglos. Dagegen richtet sich die Klage.

6

Der Kläger hält daran fest, dass Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 110 AO) zu gewähren sei, da das FA B den Antrag nicht fristgerecht weiter geleitet habe. Das FA B habe zumindest seine Zuständigkeit prüfen und ggf. Rückfragen halten müssen.

7

Der Kläger beantragt,

das FA zu verpflichten, ihm für das Kalenderjahr 1996 eine Investitionszulage i.H.v....DM zu gewähren.

8

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

9

Der Beklagte hält daran fest, dass der Kläger sich den Rechtsirrtum seiner jetzigen Prozessbevollmächtigten zurechnen lassen müsse und demgegenüber die unterlassene Weiterleitung auch nach Treu und Glauben keine Wiedereinsetzung rechtfertige.

Gründe

10

Die Klage ist unbegründet.

11

Der Kläger kann die beantragte Investitionszulage i.H.v....DM nicht beanspruchen, da er die Zulage nicht innerhalb der Ausschlussfrist des § 6 Abs. 1 Investitionszulagengesetz (InvZulG) 1996 beantragt hat, und ihm keine Wiedereinsetzung in die Antragsfrist nach § 110 Abgabenordnung (AO) zusteht.

12

Der Kläger hat unstreitig die gesetzliche Antragsfrist des§ 6 Abs. 1 InvZulG versäumt, denn der Antrag auf Investitionszulage für 1996 ist erst am 6. April 2000 bei dem zuständigen Finanzamt (§ 6 Abs. 2 InvZulG) eingegangen. Die Ausschlussfrist war aber bereits am 30. September 1997 abgelaufen.

13

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 110 AO wegen dieser Antragsfrist, da die Antragstellung beim unzuständigen Finanzamt nicht unverschuldet war und auch die unterbliebene Weiterleitung vom unzuständigen an das zuständige Finanzamt im Streitfall zu keiner Wiedereinsetzung führen kann.

14

a)

Die Antragstellung beim unzuständigen Finanzamt erfolgte nicht unverschuldet, da die steuerliche Beraterin und jetzige Prozessbevollmächtigte, die an der Antragstellung mitgewirkt hat, hätte wissen müssen, dass der Antrag bei dem Wohnsitz-Finanzamt des Klägers zu stellen war (ständige Rechtsprechung: vgl. BFH-Urteil vom 27. August 1998 III R 47/95, BStBl II 1999, 65). Solche Rechtsirrtümer rechtfertigen grundsätzlich keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Das ergibt sich bereits aus § 6 Abs. 2 InvZulG. Darauf ist zusätzlich sogar auf der ersten Seite des Erklärungsvordrucks (vor Zeile 1) hingewiesen worden. Früher bestehende Zweifel und eine frühere (falsche) Verwaltungspraxis sind jedenfalls durch ein BMF-Schreiben aus dem Jahre 1991 (BStBl I 1991, 768) geklärt gewesen. Das Verschulden seines Beraters hat sich der Kläger wie eigenes Verschulden zurechnen zu lassen (§110 Abs. 1 Satz 2 AO).

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b)

Auch wegen der unterlassenen Weiterleitung des ersten - fristgerecht - beim unzuständigen Finanzamt eingegangenen Antrags kann der Kläger keine Wiedereinsetzung beanspruchen. Nach der Rechtsprechung käme das nur in Betracht, wenn die unzuständige Behörde willkürlich, offenkundig nachlässig oder durch nachgewiesenes Fehlverhalten die Übermittlung schuldhaft verzögert oder unterlassen hätte (BVerfG, Beschluss vom 2. September 2002, 1 BvR 476/01, NJW 2002, 3692). Für Behörden besteht nach dieser Rechtsprechung die Verpflichtung, leicht und einwandfrei als fehlgeleitete fristwahrende Schriftstücke (z.B. Einspruchsschreiben) in Zuge des ordnungsgemäßen Geschäftsgangs ohne schuldhaftes Zögern an die zuständige Behörde weiterzuleiten (BFH-Beschluss vom 6. Mai 1998 IV B 108/97, BFH/NV 1999, 146). Die Weiterleitung unterblieb nicht schuldhaft. Im Streitfall war aus der Antragstellung selbst nicht leicht und einwandfrei zu erkennen, dass es sich um ein solches fehlgeleitetes Schriftstück handelte. Der Sachbearbeiter konnte ohne genaue Prüfung des Antrags und der übrigen steuerlichen Verhältnisse des Klägers nicht erkennen, ob das Amt zuständig war. Hierzu war vielmehr eine rechtliche Prüfung erforderlich, die dadurch erschwert wurde, dass der Kläger in dem Antrag auf Investitionszulage seine Büroadresse in B als "Anschrift" (Zeile 4 des Vordrucks) angegeben hatte und sich daher eine Zuständigkeit als Wohnsitzfinanzamt ergeben konnte, so dass der Antrag sich aus der Sicht des FA B eben nicht als fehlgeleitetes Schreiben darstellte. Insbesondere war das FA B nicht verpflichtet, unverzüglich seine Zuständigkeit - ggf. auch durch Rückfragen - zu prüfen.

16

Insgesamt rechtfertigt der anfängliche Rechtsfehler des Klägers keine Verlagerung der Verantwortung für die richtige weitere Bearbeitung auf das Finanzamt. Es ist und bleibt unter den allgemeinen Grundsätzen bei der Verantwortung des Klägers für solche Anträge.

17

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.