Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 18.05.2004, Az.: 15 K 537/01
Ermessensspielraum der Finanzbehörde beim Erlass von Ansprüchen aus Steuerschuldverhältnissen; Gerichtliche Möglichkeit zur Überprüfung der Ermessensentscheidungen der Behörde bei Ermessensreduzierung auf Null; Voraussetzungen der Annahme einer Unbilligkeit aus sachlichen Gründen bei der Entscheidung über den Erlass einer Steuerschuld; Voraussetzung des Ausgleiches von Liquidationsvorteilen einzelner Steuerschuldner durch den unterschiedlichen Zeitraum der Steuerfestsetzung; Entstehung von ausgleichpflichtigen Liquidationsvorteilen
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 18.05.2004
- Aktenzeichen
- 15 K 537/01
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2004, 22941
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2004:0518.15K537.01.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BFH - 16.11.2005 - AZ: X R 28/04
Rechtsgrundlagen
- § 227 AO
- § 233a AO
- § 37 Abs. 1 AO
- § 3 Abs. 4 AO
- § 5 AO
- § 101 S. 1 FGO
Fundstellen
- DStR 2005, X Heft 7 (Kurzinformation)
- DStRE 2005, 289-291
- EFG 2005, 249-250 (Volltext mit red. LS)
- KÖSDI 2005, 14621 (Kurzinformation)
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Die Entscheidung über den Erlass von im Besteuerungsverfahren festgesetzten Nachzahlungszinsen ist eine Ermessensentscheidung und daher vom Finanzgericht grundsätzlich nur eingeschränkt überprüfbar.
- 2.
Die Erhebung von Nachzahlungszinsen ist zu unterlassen, wenn sie sachlich unbillig ist.
- 3.
Sachliche Unbilligkeit ist anzunehmen, wenn nach dem gesetzlichen Tatbestand zwar ein Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis besteht, seine Geltendmachung mit dem Zweck des Gesetzes aber nicht zu rechtfertigen ist und dessen Wertungen zuwiderläuft.
- 4.
Zweck der Verzinsung von Steuernachforderungen und Erstattungen ist es, einen Ausgleich dafür zu schaffen, dass die Steuern bei den einzelnen Steuerpflichtigen zu unterschiedlichen Zeitpunkten festgesetzt und fällig werden. Etwaige Liquiditätsvorteile sollen dadurch ausgeglichen werden.
Tatbestand
Streitig ist der Erlass von Nachzahlungszinsen aus sachlichen Billigkeitsgründen.
Die Klägerinnen sind Rechtsnachfolgerinnen ihrer Eltern, die für die Jahre 1988 und 1990 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden.
Durch einen nach § 175 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) geänderten Bescheid vom 16. Februar 1994 setzte der Beklagte (das Finanzamt - FA -) die Einkommensteuer 1988 unter erstmaliger Berücksichtigung eines gesondert festgestellten Veräußerungsgewinns auf 691.906,00 DM fest. Ohne Berücksichtigung des Veräußerungsgewinns hätte sich eine Steuer von 0,00 DM ergeben. Durch Bescheid vom 21. Juli 1999 wurde die Steuer auf 698.538,00 DM heraufgesetzt. Die Einkommensteuer 1988 wurde wie folgt entrichtet:
vor dem 1. April 1990 | 17.559,00 DM |
---|---|
12. November 1990 | 32.043,70 DM |
14. Januar 1990 | 122.221,30 DM |
17. September 1993 | 3.663,45 DM |
28. September 1993 | 1.118,06 DM |
17. Dezember 1993 | 22.317,70 DM |
25. Januar 1994 | 6.475,34 DM |
8. März 1994 | 486.469,45 DM |
8. Juli 1999 | 1.092,00 DM |
12. August 1999 | 5.540,00 DM. |
Die Einkommensteuer 1990, die zunächst auf Grund geschätzter Besteuerungsgrundlagen auf 256.600 DM (Bescheid vom 18. August 1993) festgesetzt und nach Abgabe der Steuererklärung auf 194.515,00 DM herabgesetzt worden war (Bescheid vom 11. Juli 1994), wurde durch weiteren Änderungsbescheid vom 25. Oktober 1995 auf 195.125,00 DM festgesetzt.
Nachdem durch geänderte Feststellungsbescheide für die Jahre 1988 und 1990 der zunächst im Jahr 1988 erfasste Veräußerungsgewinn dem Jahr 1990 zugeordnet worden war, erteilte das FA unter dem 15. Februar 2001 nochmals geänderte Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1988 und 1990. Die Einkommensteuer 1988 setzte es auf 0,00 DM herab, die Einkommensteuer 1990 auf 1.006.732,00 DM herauf. Mit der geänderten Einkommensteuerfestsetzung 1990 wurde die Festsetzung von Nachzahlungszinsen in Höhe von 192.526,00 DM verbunden. Die Zinsen wurden auf der Grundlage eines abgerundeten Unterschiedsbetrages von 811.600 DM für die Zeit vom 1. April 1992 bis zum 31. März 1996 ermittelt.
Mit Schreiben vom 19. März 2001 beantragten die Klägerinnen,
die für 1990 festgesetzten Nachzahlungszinsen aus sachlichen Billigkeitsgründen zu erlassen.
Zur Begründung trugen sie vor, dass der Zweck des § 233 a AO darin bestehe, Liquiditätsvorteile auszugleichen. Diese seien ihnen im vorliegenden Fall jedoch nie entstanden, weil der ursprünglich zu geringen Steuerfestsetzung für 1990 eine zu hohe Steuerfestsetzung für 1988 gegenübergestanden habe.
Durch Bescheid vom 27. April 2001 erließ das FA die Nachzahlungszinsen in Höhe eines Teilbetrages von 34.388,00 DM. Im Übrigen lehnte es den Erlassantrag ab. Der erlassene Teilbetrag entspricht den Erstattungszinsen, die für 1988 festzusetzen gewesen wären, wenn die Regelung des § 233 a AO für dieses Jahr bereits gegolten hätte.
Hiergegen legten die Klägerinnen am 30. Mai 2001 Einspruch ein, zu dessen Begründung sie geltend machten, dass sie infolge der unzutreffenden Erfassung des Veräußerungsgewinns im Jahr 1988 statt im Jahr 1990 keine Liquiditätsvorteile genossen hätten. Es gehe daher nicht an, dass sie für 1990 Nachzahlungszinsen entrichten müssten, obwohl sie für 1988 keine Erstattungszinsen beanspruchen könnten. Das Fehlen einer Übergangsregelung in § 233 a AO könne nicht zu ihren Lasten gehen. Die für 1990 festgesetzten Zinsen seien in voller Höhe zu erlassen.
Durch Bescheid vom 28. August 2001 wies das FA den Einspruch als unbegründet zurück. Es vertrat die Ansicht, dass ein über den erlassenen Teilbetrag hinausgehender Erlass der Nachzahlungszinsen aus sachlichen Billigkeitsgründen nicht in Betracht komme. Auch wenn - wie im Streitfall - die Verlagerung von Einkünften von einem Veranlagungszeitraum in einen anderen gegenläufigeÄnderungen der Steuerfestsetzungen für die betroffenen Veranlagungszeiträume zur Folge habe, seien die Verzinsungsfolgen nach der gesetzlichen Regelung für jeden Veranlagungszeitraum gesondert zu ziehen. Ein Erlass von Nachzahlungszinsen komme daher auch dann nicht in Betracht, wenn auf Grund der unterschiedlichen Verzinsungszeiträume die Nachzahlungszinsen höher als die Erstattungszinsen seien. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz sei nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 15. Oktober 1998 IV R 69/97 (BStBl. II 1999, 41) nur für den Fall zu machen, dass Einkünfte über die Grenze des zeitlichen Anwendungsbereichs des § 233 a AO hinwegverlagert würden und weder der Steuerpflichtige Liquiditätsvorteile habe ziehen noch die Finanzverwaltung Liquiditätsnachteile habe erleiden können. Auch in diesem Fall dürfe der Steuerpflichtige durch einen Erlass aber nicht besser gestellt werden, als wenn beide Jahre in den zeitlichen Anwendungsbereich des § 233 a AO gefallen wären. Dementsprechend seien die Nachzahlungszinsen für 1990 nur bis zur Höhe der fiktiven Erstattungszinsen für 1988 zu erlassen.
Hiergegen richtet sich die am 25. September 2001 erhobene Klage, mit der die Klägerinnen weiterhin den vollständigen Erlass der Nachzahlungszinsen begehren.
Die Klägerinnen beantragen,
den Beklagten unter Änderung des Bescheids vom 27. April 2001 und der dazu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 28. August 2001 zu verpflichten, die Nachzahlungszinsen zur Einkommensteuer 1990 auch in Höhe des verbleibenden Betrages von 160.476,00 DM zu erlassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält an der seiner Einspruchsentscheidung zu Grunde liegenden Beurteilung fest.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Im Übrigen ist sie unbegründet.
Nach § 227 AO können die Finanzbehörden Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis, zu denen auch Nachzahlungszinsen nach § 233 a AO als steuerliche Nebenleistungen gehören (§ 37 Abs. 1, § 3 Abs. 4 AO), ganz oder zum Teil erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre. Die Entscheidung über den Erlass ist eine Ermessensentscheidung (§ 5 AO). Die Ausübung des behördlichen Ermessens kann von dem Finanzgericht nur daraufhin überprüft werden, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten worden sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der gesetzlichen Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist (§ 102 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Im Einzelfall kann der Ermessensspielraum aber so eingeengt sein, dass nur eine Entscheidung ermessensgerecht ist (sog. Ermessensreduktion auf Null). Soweit der Erlass eines Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis die einzige ermessensgerechte Entscheidung darstellt, kann das Gericht daher gemäß § 101 Satz 1 FGO eine entsprechende Verpflichtung der Behörde aussprechen (ständige Rechtsprechung des BFH: Urteile vom 25. November 1997 IX R 28/96, BFHE 185, 94, BStBl. II 1998, 550; vom 25. Januar 1996 IV R 91/94, BFHE 180, 61, BStBl. II 1996, 289; vom 21. Januar 1992 VIII R 51/88, BFHE 168, 500, BStBl. II 1993, 3).
Im Streitfall ist die Erhebung von Nachzahlungszinsen zur Einkommensteuer 1990 in Höhe eines Betrages von 83.000 DM sachlich unbillig, so dass über den vom FA bereits ausgesprochenen Teilerlass von 34.388 DM hinaus weitere 48.000 DM zu erlassen sind.
Unbilligkeit aus sachlichen Gründen ist dann anzunehmen, wenn nach dem gesetzlichen Tatbestand zwar ein Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis besteht, seine Geltendmachung mit dem Zweck des Gesetzes aber nicht zu rechtfertigen ist und dessen Wertungen zuwiderläuft (ständige Rechtsprechung des BFH: Urteile vom 26. Oktober 1994 X R 104/92, BFHE 176, 3, BStBl. II 1995, 297; in BFHE 168, 500, BStBl II 1993, 3; vom 21. Oktober 1987 X R 29/81, BFH/NV 1988, 546, 547). Umstände, die der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des gesetzlichen Tatbestands bewusst in Kauf genommen hat, können einen Billigkeitserlass nicht rechtfertigen, weil der generelle Geltungsanspruch des Gesetzes durch Billigkeitsmaßnahmen nicht unterlaufen werden darf (BFH-Urteil in BFH/NV 1988, 546, m.w.N.).
Der Zweck des § 233 a AO besteht darin, einen Ausgleich dafür zu schaffen, dass die Steuern bei den einzelnen Steuerpflichtigen zu unterschiedlichen Zeitpunkten festgesetzt und fällig werden. Durch die Festsetzung von Nachzahlungs- bzw. Erstattungszinsen sollen daher Liquiditätsvorteile ausgeglichen werden, die dem Steuerpflichtigen oder dem Steuergläubiger durch den verspäteten Erlass eines Steuerbescheids typischerweise entstehen. Ob solche Vorteile im Einzelfall tatsächlich gezogen worden sind, ist grundsätzlich unbeachtlich (BFH-Urteile in BFHE 185, 94, BStBl. II 1998, 550, und vom 19. März 1997 I R 7/96, BFHE 182, 293, BStBl. II 1997, 446). Härten, die sich daraus ergeben, dass der Steuerpflichtige aus der verspäteten Festsetzung einer Steuer keine oder geringere Vorteile gezogen hat als vom Gesetz in typisierender Form angenommen wird, sind daher im Gesetzesplan angelegt und können nicht zu einem - vollständigen oder teilweisen - Erlass der nach dem Gesetz entstandenen Zinsen führen.
Etwas anderes gilt jedoch, wenn und soweit zweifelsfrei feststeht, dass der Steuerpflichtige durch die verspätete Steuerfestsetzung gar keinen Vorteil haben konnte, der durch die Verzinsung der Nachforderung ausgeglichen werden kann. In diesem Fall ist für den durch § 233 a AO bezweckten Ausgleich kein Raum mehr. Für die Umsatzsteuer hat der BFH aus diesem Grund entschieden, dass die Festsetzung von Nachzahlungszinsen sachlich unbillig sein kann, wenn infolge der Verlagerung eines Umsatzes von einem Besteuerungszeitraum in einen anderen die Steuerfestsetzungen für beide Zeiträume zu ändern sind und der Nachforderung für den einen Zeitraum eine zumindest gleich hohe Erstattung für den anderen Zeitraum gegenübersteht (BFH-Urteil vom 11. Juli 1996 V R 18/95, BFHE 180, 254, BStBl. II 1997, 259).
Der BFH hat in diesem Zusammenhang zwar darauf hingewiesen, dass die Änderung der zeitlichen Zuordnung eines Umsatzes regelmäßig aufkommensneutral sei und die Verhältnisse bei einer "Umsatzverlagerung" insofern anders lägen als bei einer "Gewinnverlagerung", bei der sich Steuernachforderung und eventuelle Steuererstattungen regelmäßig nicht entsprächen. Entgegen der Auffassung der Verwaltung (AEAO zu § 233 a Nr. 70.3) und einer auch im Schrifttum verbreiteten Ansicht (Rüsken in Klein, Abgabenordnung, 8. Auflage 2003, § 233 a Rdnr. 55 a.E.; Ruban in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 233 a AO Anm. 85; Kruse/Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 233 a AO Anm. 61 und 78) rechtfertigt es dieser Umstand jedoch nicht, Wechselwirkungen, die sich aus Gewinnverlagerungen für die betroffenen Veranlagungszeiträume ergeben, bei der Billigkeitsprüfung der Zinsfestsetzung gänzlich außer Acht zu lassen. Die regelmäßig fehlende betragsmäßige Entsprechung zwischen den gegenläufigen steuerlichen Auswirkungen auf die betroffenen Veranlagungszeiträume wirkt sich allein darauf aus, in welchem Umfang der mit der verspäteten Festsetzung für den einen Veranlagungszeitraum verbundene Liquiditätsvorteil durch den sich für den anderen Veranlagungszeitraum ergebenden Liquiditätsnachteil kompensiert wird. Sie betrifft damit nicht den Grund, sondern nur die Höhe des im Hinblick auf den Gesetzeszweck des § 233 a AO zu gewährenden Billigkeitserlasses (ebenso bereits der erkennende Senat in seinem Urteil vom 26. August 1997 XV 468/94, EFG 1998, 83; Urteil des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts vom 19. März 1998 I 1115/95, EFG 1999, 9).
Im Streitfall war die Entstehung von nach § 233 a AO auszugleichenden Liquiditätsvorteilen aus der verspäteten Erfassung des Veräußerungsgewinns für 1990 insoweit ausgeschlossen, als dieser während des Verzinsungszeitraums für 1990 bereits die Steuerfestsetzung für 1988 erhöht hatte und die darauf entfallende Steuer von den Klägerinnen bzw. ihren Rechtsvorgängern tatsächlich entrichtet war.
Für das Jahr 1988 wurde der Veräußerungsgewinn erstmals mit dem Änderungsbescheid vom 16. Februar 1994 erfasst. Zugleich beruhte die durch diesen Bescheid festgesetzte Einkommensteuer von 691.906 DM in voller Höhe auf dieser Besteuerungsgrundlage, weil sich ohne deren Berücksichtigung eine Einkommensteuerfestsetzung von 0,00 DM ergeben hätte. Da die auf Grund des Einkommensteuerbescheids vom 16. Februar 1994 für 1988 zu leistende Abschlusszahlung noch im März 1994 vollständig entrichtet wurde, ist in dem der Berechnung der Nachzahlungszinsen für 1990 zu Grunde gelegten Unterschiedsbetrag von 811.600 DM ein Teilbetrag von 691.900 DM enthalten, der dem FA bereits seit April 1994 ausschließlich auf Grund der unzutreffenden Erfassung des Veräußerungsgewinns im Jahr 1988 zur Verfügung stand. Die Erhebung der darauf für die Zeit von April 1994 bis März 1996 entfallenden Nachzahlungszinsen von 83.028 DM (24 Monate à 0,5 v.H. von 691.900 DM - § 238 Abs. 1 Satz 1 und 2 , Abs. 2 AO -) ist daher sachlich unbillig.
Für eine zusätzliche Minderung der Nachzahlungszinsen unter dem Gesichtspunkt, dass das Jahr 1988 noch nicht in den zeitlichen Anwendungsbereich des § 233 a AO fiel und der Veräußerungsgewinn über die zeitliche Grenze der Vollverzinsung hinwegverlagert wurde, sieht der Senat keinen Anlass. Auch wenn die Regelung des § 233 a AO bereits für 1988 gegolten hätte, wären für dieses Jahr keine Erstattungszinsen festzusetzen gewesen, die auf der zunächst erfolgten und später rückgängig gemachten Erfassung des Veräußerungsgewinns beruht hätten. Die auf Grund desÄnderungsbescheides vom 16. Februar 1994 festgesetzte Steuer wurde erst im März 1994 und damit im letzten Monat des nach § 233 a Abs. 2 Satz 3 AO a.F. auf vier Jahre begrenzten Verzinsungszeitraums entrichtet, so dass sie bei der Ermittlung der Erstattungszinsen für 1988 nicht mehr zu berücksichtigen gewesen wäre (§ 233 a Abs. 3 Satz 3, letzter Satzteil, § 238 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 AO).
Der von dem FA unter dem Gesichtspunkt gedachter Erstattungszinsen für 1988 erlassene Teilbetrag von 34.388 DM ist daher auf den insgesamt zu erlassenden Betrag von 83.028 DM anzurechnen, so dass ein noch zu erlassender Betrag von 48.640 DM - entsprechend 24.869,24 EUR - verbleibt.
Zum Erlass dieses Restbetrages war das FA zu verpflichten (§ 101 Satz 1 FGO). Im Übrigen war die Klage abzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 FGO, die Anordnungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeben sich aus § 708 Nr. 10 und § 711 der Zivilprozessordnung i.V.m. § 151 Abs. 1 und 3 FGO.
Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO. Die Frage, ob steuerliche Wechselwirkungen, die sich aus Gewinnverlagerungen für die betroffenen Veranlagungszeiträume ergeben, den Erlass von Nachzahlungszinsen aus sachlichen Billigkeitsgründen rechtfertigen, hat grundsätzliche Bedeutung.