Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 26.05.2004, Az.: 1 A 187/01

Dienstunfall; Krankheit; plötzliches Ereignis; Psychosomatik; Schadstoffbelastung; Unfallfürsorge; Unterrichtsraum; ursächlicher Zusammenhang; Zurechnungszusammenhang

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
26.05.2004
Aktenzeichen
1 A 187/01
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2004, 50841
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tatbestand:

1

Die Klägerin begehrt, verschiedene Körperschäden und -leiden als Folge eines Dienstunfalls anzuerkennen.

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Die - inzwischen mit Wirkung vom ... aufgrund dauernder Dienstunfähigkeit vorzeitig in den Ruhestand versetzte - am ... geborene Klägerin trat im September 1979 in den Schuldienst des Landes Hessen ein, zunächst als Zeitangestellte, dann als Angestellte mit unbefristetem Arbeitsverhältnis und schließlich als Beamtin auf Probe und Beamtin auf Lebenszeit. Sie beantragte immer wieder - zunächst erfolglos - ihre Versetzung, zuletzt nach ... oder in das Umfeld von ..., weil ihr Lebensgefährte mittlerweile in Hamburg und ihr betreuungsbedürftiger Vater in ... wohnten. Ihre Arbeitszeit wurde auf ihren Antrag auf zunächst 20 und dann 14 Wochenstunden festgesetzt. In der Zeit vom 1. August 1989 bis zum 31. Juli 1995 war sie auf ihren Antrag hin unter Fortfall der Dienstbezüge beurlaubt und wohnte mit ihrem Lebensgefährten und dessen Tochter in ...

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In der Zeit vom 1. August 1995 bis zum 31. Juli 1996 wurde ihre Arbeitszeit antragsgemäß auf 20 bzw. 21 Wochenstunden ermäßigt, zugleich wurde sie für diese Zeit und danach an die Gesamtschule ... in ... abgeordnet.

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Am 10. Dezember 1997 wurde die Klägerin ausweislich ihrer Unfallmeldung vom 16. Februar 1998 in der ...schule in ... gegen 7.53 Uhr auf dem Weg zum Klassenraum von einer Gruppe von Schülern umgerannt und erlitt nach der ärztlichen Bescheinigung des Dr. med. A. vom 12. Januar 1998 eine Distorsion (Verstauchung, Verdrehung, Zerrung) des linken Handgelenkes und verspürte zudem einen Druckschmerz im Trapesiumbereich. Mit Bescheid vom 10. März 1998 erkannte das Regierungspräsidium Kassel diesen Unfall gemäß § 31 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG als Dienstunfall an.

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Mit Verfügung vom 6. Januar 1998 versetzte das Staatliche Schulamt Kassel die Klägerin auf ihren Antrag hin mit Wirkung zum 1. Februar 1998 nach Niedersachsen an die Orientierungsstufe ..., wo sie antragsgemäß mit 18 bzw. 22 Wochenstunden als Lehrkraft in einem Nebengebäude der Schule, dem sog. Schulpavillon, tätig war. Mit bestandskräftiger Verfügung vom 22. September 1998 stellte die Beklagte fest, dass das aus dem Unfallgeschehen vom 10. Dezember 1997 herrührende Heilverfahren abgeschlossen sei und durch diesen Dienstunfall keine erwerbsmindernden Folgen hervorgerufen worden seien.

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Ausweislich eines Vermerkes in den Verwaltungsvorgängen der Beklagten (Bl. 17 BA A) wurde im Frühjahr 1998 von Lehrkräften und Schülern in der Schulbaracke Gasgeruch wahrgenommen, woraufhin es in den Sommerferien 1998 zu einem Austausch der Heizkörper kam. Nachdem im Herbst 1998 erneut Gasgeruch wahrgenommen worden war, erfolgten vom 11. bis 13. Dezember 1998 Reparaturarbeiten, ein Gasaustritt wurde nicht festgestellt. Am 11. und 14. Dezember 1998 wurde gleichwohl wiederum Gasgeruch wahrgenommen, woraufhin die Klägerin mit ihrer Klasse den Raum verließ. Bei einem Ortstermin am 15. Dezember 1998 konnte hingegen kein Gasaustritt festgestellt werden. Nachdem am Brennofen Haarrisse festgestellt worden waren, kam es in den Weihnachtsferien zu einem Austausch der Heizungsanlage. Nach einem weiteren Vermerk vom 29. Juni 2000 (Bl. 30 BA A) klagten mehrere Lehrkräfte über gesundheitliche Beschwerden, insbesondere im HNO-Bereich, vermutlich aufgrund einer Schimmelpilzbelastung.

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Seit dem 21. Dezember 1998 war die Klägerin durchgehend bis zu ihrer Versetzung in den Ruhestand Ende September 2000 dienstunfähig erkrankt. Nach ihren Angaben litt sie seit etwa Oktober/November 1998 unter verschiedenen anfallsartigen kurzfristigen Beschwerden wie verstärkter Fallneigung nach rechts, zeitweisem Kontrollverlust in den Händen, Nervenkribbeln, Kopfdruck, Halskratzen und Kopfschmerzen, weshalb sie sich noch am 21. Dezember 1998 krank meldete. Mit Schreiben vom 24. März 1999 (Bl. 1 BA A) erklärte die Klägerin gegenüber der Beklagten, dass sie einen Zusammenhang zwischen ihrer Erkrankung seit dem 21. Dezember 1998 mit anschließendem Krankenhausaufenthalt und den Vorfällen um die defekte Gasheizung und evtl. noch weiteren Schadstoffen in dem Nebengebäude, in dem sie unterrichtet habe, vermute. Deshalb bat sie die Beklagte um Überprüfung.

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Da die Beklagte beabsichtigte, die Klägerin aufgrund ihrer fortwirkenden Erkrankung wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand zu versetzen, wurde das Gesundheitsamt des Landkreises ... mit der amtsärztlichen Untersuchung der Klägerin beauftragt. Im seinem Gutachten vom 10. September 1999 (Bl. 766 BA B) kam der Amtsarzt Dr. B. zu dem Ergebnis, dass die Klägerin wie von einem religiösen Eifer von der Vorstellung getrieben sei, die Diagnosen und Therapien der sie behandelnden Ärzte, die ein sog. Multiple Chemical Sensitivity-Syndrom (MCS-Syndrom) diagnostiziert hätten, sei richtig und die Schule in Stelle und hier gezielt der Schulleiter sei für ihre schwere Erkrankung verantwortlich. Aber selbst der von der Klägerin vorgelegte Arztbrief von Prof. Dr. C. beschreibe einen neurologischen Normalbefund. Es stünde daher eine psychiatrische Begutachtung mit Therapievorschlag bezüglich der die Dienstfähigkeit einschränkenden wahnhaften Vorstellungen der Klägerin an. Die von ihr beklagten Symptome führten auf jeden Fall zur Dienstunfähigkeit, egal ob sie einem MCS-Syndrom oder einem z. B. hypochondrischen Wahn zuzuordnen seien. Deshalb liege bei ihr eine Gesundheitsstörung vor, die vergleichbar mit einer schweren und zur Zeit kaum einer Therapie zugänglichen psychischen Erkrankung sei. Die Klägerin sei daher dienstunfähig mit der Folge der vorzeitigen Versetzung in den Ruhestand.

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Mit Bescheid vom 14./17. Januar 2000 lehnte die Beklagte eine Anerkennung der Erkrankung der Klägerin als Dienstunfall ab. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen an, zum einen liege das Tatbestandsmerkmal der „plötzlichen äußeren Einwirkung“ i. S. d. § 31 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG nicht vor, sondern - wenn überhaupt - eine Dauereinwirkung. Zum anderen komme eine Anerkennung als Dienstunfall i. S. v. § 31 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG nicht in Betracht, da die vermutete Erkrankung der Klägerin an dem sog. MCS-Syndrom für die dienstlichen Verrichtungen einer Lehrerin erfahrungsgemäß nicht typisch sei. Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein.

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Nachdem die Klägerin Zweifel an der Unvoreingenommenheit des Amtsarztes des Landkreises ... geäußert hatte, beauftragte die Beklagte das Gesundheitsamt des Landkreises ... mit einer erneuten Untersuchung der Klägerin zu der Frage, ob die Erkrankung der Klägerin an dem von ihr vorgetragenen MCS-Syndrom seit dem 21. Dezember 1998 ursächlich wesentlich auf den Gasaustritt in der OS ... am 11. und 14. Dezember 1998 zurückgeführt werden könne. In seiner amtsärztlichen Stellungnahme vom 28. März 2001 (Bl. 38 BA A) führte der Amtsarzt des Landkreises Stade, Dr. R., u. a. aus, es gebe bisher keinen Hinweis, dass ein MCS-Syndrom durch den von der Klägerin angeführten Gastaustritt, insbesondere in diesem niederschwelligen Bereich, ausgelöst werden könne. Andererseits sei bei Vorhandensein eines MCS-Syndrom jedoch durchaus damit zu rechnen, dass es auch bei solchen geringen Gasausbrüchen bereits zu Problemen kommen könne. Auch bei erstmaligem Auftreten eines MCS-Syndroms in Folge einer solchen Belastung handele es sich aber eher um eine Gelegenheitsursache, da die Veranlagung zum MCS-Syndrom bereits vorher bestanden haben müsse. Deshalb gehe er davon aus, dass im Fall der Klägerin durch den eventuellen Gasaustritt die Kriterien eines ursächlichen Unfalles für ein MCS-Syndrom nicht vorlägen. Aufgrund der weiterhin und auf nicht absehbare Zeit weiterhin bestehenden Dienstunfähigkeit der Klägerin halte er die Versetzung der Klägerin in den vorzeitigen Ruhestand durchaus für sinnvoll.

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Mit Bescheid vom 8. Mai 2001 - zugestellt am 9. Mai 2001 - wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin unter Hinweis auf die Stellungnahme des Amtsarztes des Landkreises Stade vom 28. März 2001 als unbegründet zurück.

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Daraufhin hat die Klägerin an 13. Juni 2001 Klage erhoben. Wegen der Versäumung der Klagefrist hat die Kammer ihr mit Beschluss vom 24. August 2001 antragsgemäß Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.

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Mit Schreiben ihrer früheren Prozessbevollmächtigten vom 16. Juli 2001 an die Beklagte

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- dort am 17. Juli 2001 eingegangen - machte die Klägerin vorsorglich Schadensersatzansprüche in Form von Amtshaftungsansprüchen unter Einschluss von Schmerzensgeld wegen Verletzung der Fürsorgepflicht geltend.

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Mit Beschluss vom 25. September 2001 (Bl. 55 BA H) und Ergänzungsbeschluss vom 6. Januar 2003 (Bl. 301 BA H) ordnete das Landgericht Lüneburg - 2 OH 10/01 - auf den Antrag der Klägerin vom 19. Juli 2001 in einem selbständigen Beweisverfahren die Einholung eines schriftlichen Gutachtens zur Schadstoffbelastung in den ehemaligen Unterrichtsräumen im Holz-Pavillon der Orientierungsstufe Stelle an. Zum Sachverständigen wurde Dipl.-Ing...., ..., bestellt.

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Dieser stellte in seinem Gutachten vom 24. Juli 2002 (Beiakte zu 2 OH 10/01) zusammenfassend fest, dass die gutachterliche Untersuchung des Unterrichtsraumes 1 und des Nebenraumes auf Schadstoffbelastungen nicht mehr habe stattfinden können, da durch eine Baustofflagerung und eine Veränderung der Raumsituation ein neuer Zustand hergestellt worden sei. Die Messergebnisse der Schadstoffbelastung der Raumluft im Raum 5 sei unauffällig gewesen. Die Untersuchung des Hausstaubs aus Raum 5 habe einen leicht erhöhten Gehalt an PCP ergeben. Weiterhin sei eine erhöhte Konzentration von Weichmachern, spezielle des Weichmachers DEHP, festgestellt worden. Dieser Weichmacher deute auf den PVC-Fußbodenbelag als Quelle hin. Im Hausstaub sei bei den polycyclischen Aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK) eine gering höhere Raumluftmessung festgestellt worden. Die Raumluftmessungen auf PCP und PAK lägen deutlich unterhalb der jeweiligen Vorsorgewerte. Das Biozid Lindan habe unterhalb des Vergleichswertes gelegen. Weitere Biozide, Pyrhroide und PCB hätten im Hausstaub nicht nachgewiesen werden können. Bei der Belastung der Raumluft mit Formaldehyd und Lösungsmitteln, PAK, PCN und PCB lägen die Messwerte unterhalb des gesetzlichen Richtwertes bzw. unterhalb der jeweiligen Ziel- und Vorsorgewerte. Erhöhte Schimmelpilzkonzentrationen sowie toxische Schimmelpilze hätten in der Innenraumluft nicht nachgewiesen werden können. Eingangs seines Gutachtens erwähnt der Gutachter, dass im Jahre 1991 im Pavillon eine Formaldehydbelastung zwischen 0,07 und 0,1 mg/kg festgestellt worden sei; im Jahre 1996 seien Schadstoff-Untersuchungen auf PCB und Schimmelpilze durchgeführt worden, die für PCB negativ gewesen seien. Weitere Schadstoffuntersuchungen seien nicht durchgeführt worden.

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In einem weiteren Gutachten vom 31. Oktober 2002 (Bl. 283 BA H) aufgrund eines weiteren Beschlusses des Landgerichtes Lüneburg vom 20. August 2002 - (Bl. 223 BA H) stellten die Sachverständigen Dr. F., ..., zusammenfassend fest, dass in der beim Sachverständigen E. vorhandene Raumluftprobe keine messbare Belastung der Raumluft mit DEHP enthalten sei.

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In seinem Ergänzungsgutachten vom 7. April 2003 (weitere Beiakte zu 2 OH 10/01) stellte der Sachverständige Dipl.-Ing. E. anhand der Untersuchung der Fußboden- und Materialproben zusammenfassend fest, dass in diesen Proben der Stoff Triethylenglycolmonobutylether sowie die Organophospate TCEP und TCPP nicht nachweisbar seien.

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Zur Begründung ihrer Klage stützt sich die Klägerin zum einen auf die von ihr vorgetragenen Ausgasungen und die Abgasbelastung aus dem defekten Gasofen in dem Nebengebäude der Orientierungsstufe ... Sie sei in Ausübung ihres Dienstes in dieser Schule an einer sog. Chemikalienüberempfindlichkeit bei neurotoxischer Vergiftung („Multiple Chemical Sensitivity Disorder“) erkrankt infolge der Einwirkung verschiedener Schadstoffe sowie schließlich aufgrund der Ausgasungen und der Abgasbelastung durch den defekten Gasofen. Bereits kurz nach Dienstantritt im Februar 1998 habe sie erste Beschwerden gehabt. Deshalb sei sie kurz nach den Osterferien für 14 Tage dienstunfähig erkrankt. Diese Beschwerden hätten sich im Laufe der Zeit während des Aufenthaltes in der Schule immer mehr gesteigert. Außerhalb des Schulgebäudes seien sie hingegen nicht oder kaum aufgetreten. Und schließlich habe die akute Vergiftung im Dezember 1998 durch den Gasaustritt aufgrund des defekten Ofens bei ihr zu einer Verfestigung und Chronifizierung der Überempfindlichkeit geführt. Bereits in der Vergangenheit seien an der Schule Schadstoffbelastungen, insbesondere Formaldehyd, Schimmelpilzbefall und PCB, bekannt geworden. Sie habe sich aufgrund ihres Krankheitsbildes in verschiedener ärztlicher Behandlung befunden. Hierzu hat die Klägerin die ärztlichen Atteste und Stellungnahmen im Einzelnen im Laufe des Klageverfahrens vorgelegt. Den zunächst ebenfalls hilfsweise beantragten Anspruch auf Schadensersatz in Höhe der Dienstunfallentschädigung wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung hingegen aufgegeben.

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Zum anderen hat sie sich erstmals im Laufe des Klageverfahrens auf den Dienstunfall vom 10. Dezember 1997 in der Schule in ... als Ursache ihrer Beschwerden berufen. Hierzu trägt sie vor: Sie habe bereits seit Anfang 1998 über Schwindel, Benommenheit, Kopfschmerzen, allgemeine Muskelschwäche und Gleichgewichtsstörungen geklagt, die sie zunächst auf den Gasaustritt und die sonstigen Schadstoffbelastungen der Unterrichtsräume an der Orientierungsstufe Stelle zurückgeführt habe. Erst im November 2000 habe der sie behandelnde Arzt Dr. G. den Verdacht geäußert, ihre Multiorganbeschwerden könnten neben der Schadstoffbelastung auch auf der bei ihr festgestellten posttraumatischen Instabilität der Halswirbelsäule beruhen, die Dr. G. auf den Dienstunfall vom Dezember 1997 in ... zurückgeführt habe.

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Die Beklagte hat daraufhin eine Stellungnahme des Amtsarztes des Landkreises ..., Dr. D., eingeholt. Dieser holte seinerseits ein neurologisches Gutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie und Chefarztes der Abteilung für Neurologie des Berufsgenossenschaftlichen Unfallkrankenhauses Hamburg, Dr. H., ein, der in seinem Gutachten vom 7. Februar 2003 (Bl. 52 ff. BA G) zu folgender zusammenfassender Einschätzung kam: „Neurologische Ausfallserscheinungen sind bei der Voruntersuchung im ... und jetzt nicht nachweisbar gewesen, mit bildgebenden Verfahren finden sich keine Hinweise, die belegen würden, dass (die Klägerin) zu irgendeinem Zeitpunkt ein substanzielles Schädel-Hirn-Trauma erlitten hat. Schwerwiegende pathologische Veränderungen sind kernspintomographisch nicht nachweisbar, der Tonsillentiefstand, der im ... beschrieben worden ist, ist auch jetzt nachweisbar, aber nicht geeignet, die multiple Beschwerdesymptomatik ... zu erklären...(Die) Dauer der posttraumatischen Bewusstseinsstörung ... war ... so kurz, dass (die Klägerin) allenfalls eine Gehirnerschütterung erlitten haben kann, deren Folgen längst abgeklungen sind. Die multiple Beschwerdesymptomatik ist am ehesten als Ausdruck einer Somatisierungsstörung ... zu sehen, also eine Erkrankung, die kein somatisches Korrelat hat ... Abschließend ist festzustellen, dass Folgen des Ereignisses vom 10.12.1997 mit Sicherheit nicht mehr vorliegen.“ Der Amtsarzt Dr. D. hat sich in seiner Stellungnahme vom 26. Februar 2003 (Bl. 35 BA G) dieser Einschätzung angeschlossen und ergänzend auf seine Stellungnahme vom 28. März 2001, die nach wie vor zutreffe, verwiesen. Des Weiteren hat Dr. D. darauf hingewiesen, dass in einem Befund der Ärzte für Radiologie Dr. J. pp. vom 18. Dezember 2001 dargestellt werde, dass die Klägerin bereits degenerative Veränderungen der Halswirbelsäule habe; diese könnten auch zum großen Teil die von ihr beklagten Beschwerden begründen.

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Mit Bescheid vom 8. April 2003 hat die Beklagte den Antrag der Klägerin vom 21. Oktober 2002 auf Anerkennung der gesundheitlichen Beschwerden als Unfallfolge des Dienstunfalls vom 10. Dezember 1997 daraufhin abgelehnt. Den Widerspruch der Klägerin hiergegen, den sie mit Unzulänglichkeiten des Gutachtens des Dr. H. begründete und auf eine ärztliche Epikrise des Dr. G. sowie ein ärztliches Attest des Dr. med. K. vom 22. August 2003 verwies, hat die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29. September 2003 als unbegründet zurückgewiesen.

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Daraufhin hat der neue Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Klage ergänzend im Wesentlichen wie folgt begründet: Vor dem Vorfall am 10. Dezember 1997 sei die Klägerin völlig gesund gewesen und sei aufgrund ihres guten Gesundheitszustandes in der Lage gewesen, vielfältigen sportlichen Aktivitäten und großen körperlichen Anforderungen ohne jegliche Beeinträchtigung nachzugehen. Auch den schulischen und außerschulischen Belastungen sei sie ohne Einschränkungen gewachsen gewesen. Ihre Beschwerden seien erstmals nach dem Unfall vom 10. Dezember 1997 aufgetreten. Zunächst habe sie diese auf eine nicht ausgeheilte NNH-Entzündung und nicht auf den Vorfall vom 10. Dezember 1997 zurückgeführt. In der Folgezeit habe sie eine Reihe von Ärzten konsultiert, die zwar zahlreiche Ursachen hätten ausschließen können, aber die eigentliche Ursache für die Beschwerden nicht hätten finden können. Da die festgestellten Messwerte für Raumluft unterhalb der Grenzwerte gelägen und ihre Beschwerden auch nach einer Detoxifikation ihres Körpers angehalten hätten, sei klar, dass die Schadstoffbelastungen in der Schule in Stelle nicht in erster Linie, für ihre Beschwerden ursächlich gewesen seien. Daher sei Dr. G. im November 2001 auf den Vorfall vom 10. Dezember 1997 als mögliche Ursache für eine Kopfgelenksstörung und damit auch für die Beschwerden gestoßen. Nach ca. zweijährigen Untersuchungen habe festgestanden, dass ihre Beschwerden auf eine durch den Vorfall vom 10. Dezember 1997 verursachte Verletzung der HWS und der Kopfgelenke zurückzuführen seien. Die amtsärztliche Stellungnahme des Dr. D. vom Gesundheitsamt des Landkreises ... vom 26. Februar 2003 leide an einem schwerwiegenden Mangel und sei zu einseitig, da er sich mit den bisher erhobenen Diagnosen und Befunden nicht auseinander gesetzt habe. Das neurologische Gutachten des Dr. H. vom 7. Februar 2003 beschränke sich allein auf das neurologische Fachgebiet und setze sich ebenfalls nicht mit den vorliegenden Befunden der von ihr konsultierten Ärzte auseinander und sei daher nicht geeignet, eine abschließende Beurteilung der Kausalität zu begründen. Dies sei nur bei Hinzuziehung der Fachbereiche der Orthopädie, Neuroradiologie, HNO und Neurootologie möglich. Dr. G. habe in seinen ergänzenden Stellungnahmen vom 15. Oktober 2003 und vom 19. November 2003 im Einzelnen die Ausführungen von Dr. H. und der Beklagten überzeugend widerlegt.

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Die Klägerin beantragt,

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1. den Bescheid der Beklagten vom 14. Januar 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Mai 2001 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Erkrankung der Klägerin an einer Chemikalienübereimpfindlichkeit mit Polyneuropathien, chronischem Schmerzsyndrom, Konzentrationsstörungen, Koordinationsstörungen, Benommenheits- und Schwindelanfällen sowie Infektanfälligkeit der oberen Luftwege als Dienstunfall anzuerkennen,

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2. den Bescheid der Beklagten vom 8. April 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. September 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, als Folge des Dienstunfalls vom 10. Dezember 1997 eine Funktionsstörung der oberen, mittleren und unteren HWS mit Instabilität der HWS und hieraus folgend: ein cervisco-cephales Syndrom, ein cervico-encephales Syndrom, eine Arteria-vertebralis-Insuffizienz, ein cervico-brachiales sakrales Syndrom mit weiteren Folgen: Siccfa-Syndrom, Tinnitus, Hirnstammstörungen mit Ataxien, ein chronisches Müdigkeits- und Erschöpfungssyndrom, eine intermittierende Trigeminiusreizung, massive Hirnleistungsstörungen mit kognitiver Verlangsamung, deutlichen Aufmerksamkeitsdefiziten, deutlicher Verminderung der Merkfähigkeit sowie deutlich beeinträchtigender psychisch-mentale Belastbarkeit anzuerkennen.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Zur Begründung verweist sie auf die angefochtenen Bescheide und vertieft und ergänzt deren Begründung. Insbesondere sei ein kausaler Zusammenhang zwischen den von der Klägerin vorgetragenen Beschwerden und der von ihr behaupteten Schadstoffexposition am ehemaligen Arbeitsplatz an der Orientierungsstufe ... sowie dem Vorfall an der Schule in ... im Dezember 1997 nicht nachgewiesen.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten sowie die Gerichts- und Beiakten des Landgerichts Lüneburg im Verfahren 2 OH 10/01 im Verfahren über das selbständige Beweisverfahren verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist unbegründet.

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Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, dass die von ihr geltend gemachten Körperschäden und -leiden als Folge eines oder mehrerer Dienstunfälle gemäß § 31 Abs. 1 und 3 BeamtVG anerkannt werden. Der Bescheid der Beklagten vom 14. Januar 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Mai 2001 ist daher ebenso wie der Bescheid der Beklagten vom 8. April 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. September 2003 rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 i. V. m. Abs. 1 Satz 1 VwGO).

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1. Eine Anerkennung der Erkrankung der Klägerin als Dienstunfall gemäß § 31 Abs. 3 BeamtVG in Verbindung mit der Durchführungsverordnung vom 20. Juni 1977 und der Berufskrankheiten-Verordnung vom 8. Dezember 1976 in der jeweiligen Fassung in Form einer Berufskrankheit scheidet von vornherein aus.

34

Wenn ein Beamter, der nach der Art seiner dienstlichen Verrichtung der Gefahr der Erkrankung an bestimmten Krankheiten besonders ausgesetzt ist, an einer solchen Krankheit erkrankt, gilt dies gemäß Satz 1 dieser Vorschrift als Dienstunfall, es sei denn, dass der Beamte sich die Krankheit außerhalb des Dienstes zugezogen hat. Gemäß Satz 3 werden die in Betracht kommenden Krankheiten durch Rechtsverordnung bestimmt. § 31 Abs. 3 BeamtVG fingiert mithin die Zuziehung einer Krankheit als Dienstunfall unter den genannten Voraussetzungen. Die Aufzählung ist für den Bereich der beamtenrechtlichen Unfallfürsorge abschließend. Die besondere Gefährdung muss - unabhängig von der individuellen Veranlagung des jeweiligen Beamten - für die konkret auszuführende dienstliche Verrichtung unter den gegebenen tatsächlichen Verhältnissen „typisch“ und in erheblich höherem Maße als bei der übrigen Bevölkerung vorhanden sein (vgl. hierzu im Einzelnen Schnellenbach, Beamtenrecht in der Praxis, 5. Aufl. 2001, Rdnr. 638 ff. m. w. N.). Diese Voraussetzungen liegen hier im Hinblick auf beide von der Klägerin vorgebrachten Unfallereignisse nicht vor, worauf bereits die Beklagte in ihrem Bescheid vom 17. Januar 2000 zu Recht hingewiesen hat und wogegen sich die Klägerin auch nicht wendet.

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2. Aber auch eine Anerkennung als Dienstunfall gemäß § 31 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG kommt nicht in Betracht. Hiernach ist ein Dienstunfall ein auf äußerer Einwirkung beruhendes, plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares, einen Körperschaden verursachendes Ereignis, das in Ausübung oder infolge des Dienstes eingetreten ist.

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a) Hinsichtlich der von der Klägerin bisher vorgetragenen vorgeblichen Schadstoffbelastung der Unterrichtsräume der Orientierungsstufe ... als krankheitsauslösende Ursache fehlt es an mehreren dieser Merkmale.

37

aa) Zum einen ist bereits das Vorliegen des Begriffsmerkmales der „äußeren Einwirkung“ sehr fraglich, da der von der Klägerin vorgebrachte Körperschaden aller Voraussicht nach durch Umstände hervorgerufen zu sein scheint, für die allein eine besondere physische oder psychische Veranlagung erhebliche Ursache zu sein scheint (vgl. hierzu Schnellenbach, a. a. O., Rdnr. 606).

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bb) Zum anderen gehört zum Begriff des Unfalles ein „plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares“ Ereignis. Der Begriff des Unfalls unterscheidet sich durch diese Merkmale von schädlichen Dauereinwirkungen, die, falls sie - wie hier - nicht unter § 31 Abs. 3 BeamtVG zu subsumieren sind, selbst dann nicht zur Gewährung von Unfallfürsorge führen, wenn sie der dienstlichen Sphäre entstammen. „Plötzlich“ bedeutet, dass der schädigende Vorgang unvermittelt eintritt und auf einen „verhältnismäßig kurzen Zeitraum“ beschränkt bleibt. Das Ereignis muss konkret nach Ort und Zeitpunkt feststehen, schädliche Dauereinwirkungen im dienstlichen Bereich - wie hinsichtlich der vorgeblichen Schadstoffbelastung der Unterrichtsräume der Schule von der Klägerin mit ihrer Klage ursprünglich vorgetragen - sind grundsätzlich kein plötzliches Ereignis (vgl. hierzu Schnellenbach, a. a. O., Rdnr. 608 ff. und Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, BBG, Kommentar, Stand: März 2004 , § 31 BeamtVG Rdnr. 36 ff., jeweils m. w. N.). Hieran fehlt es, worauf die Beklagte ebenfalls zu Recht in ihren Bescheiden hingewiesen hat.

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cc) Und schließlich fehlt es an dem erforderlichen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Erkrankung und der von der Klägerin vorgetragenen vorgeblichen Schadstoffbelastung der Unterrichtsräume. Ein Unfall liegt nur dann vor, wenn das auf äußerer Einwirkung beruhende Ereignis in Ausübung oder infolge des Dienstes eingetreten ist und den Körperschaden verursacht hat. Es muss also ein mehrfacher Zurechnungszusammenhang bestehen, nämlich zwischen dem Dienst, dem Ereignis und dem Körperschaden. Maßgeblich ist hierbei die Theorie der wesentlich mitwirkenden Ursache (vgl. hierzu etwa Plog u. a., a. a. O., § 31 BeamtVG Rdnr. 75 ff. m. w. N.). Hiernach besteht der Kausalzusammenhang dann nicht mehr, wenn für den Erfolg eine weitere Bedingung ausschlaggebende Bedeutung hatte. Insbesondere sind sog. Gelegenheitsursachen keine Ursachen im Sinne des beamtenrechtlichen Unfallfürsorgerechtes.

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Im vorliegenden Fall fehlt es bereits an dem erforderlichen Nachweis, dass die Unterrichtsräume in nennenswertem Umfang schadstoffbelastet waren. Die Beweiserhebungen in dem selbständigen Beweisverfahren 2 OH 10/01, das die Klägerin vor dem Landgericht Lüneburg angestrengt hat, haben nicht zu Ergebnissen geführt, die die Annahme der Klägerin rechtfertigen könnten. Dass es in der Vergangenheit auch von Schülern und anderen Lehrern Beschwerden in dieser Richtung gegeben hat, reicht jedenfalls nicht aus. Auch nach der Einschätzung des Gesundheitsamtes in früheren Jahren waren die Unterrichtsräume in gesundheitlicher Hinsicht im Wesentlichen nicht zu beanstanden. Greifbare und substantiierte Anhaltspunkte, dass dies anders sein könnte, liegen nicht vor.

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Aber selbst wenn man zugunsten der Klägerin von einer - wie auch immer gearteten - Schadstoffbelastung der Unterrichtsräume ausgehen wollte, fehlt es an dem Nachweis, dass diese für ihre Krankheit ursächlich war. Zum einen sprechen hiergegen die von der Beklagten eingeholten amtsärztlichen Gutachten; diese sind in sich schlüssig und plausibel sowie nachvollziehbar. Zum zweiten der Umstand, dass die Klägerin in der Vergangenheit vor dem Ereignis vom 10. Dezember 1997 keineswegs - wie sie vorgetragen hat - völlig gesund gewesen ist, wie sich den überreichten Verwaltungsvorgängen ergibt: Hiernach befand sie sich aufgrund einer stationären Kur in der Zeit vom 13. Mai bis zum 23. August 1982 in der ...klinik für psychosomatische Medizin; außerdem war sie im Schuljahr 1982/83 und auch in den folgenden Schuljahren immer wieder in nicht unerheblichen Maß durchgehend dienstunfähig erkrankt. Zum dritten schließlich haben die Beschwerden nach eigener Darstellung der Klägerin auch nicht nachgelassen, als sie aufgrund ihrer durchgehenden Krankschreibung bereits längere Zeit nicht mehr in der Schule war, so dass sie inzwischen selbst nicht mehr davon ausgeht, dass die vorgebliche Schadstoffbelastung in der Schule in Stelle in erster Linie für die Krankheit verantwortlich ist. Dafür, dass die Schadstoffbelastung in der Schule in ... die aus dem Vorfall vom 10. Dezember 1997 erlittenen Verletzungen zunächst „überlagert“ habe, wie von der Klägerin vorgetragen, fehlen substantiierte greifbare Anhaltspunkte. Die Beklagte hat vielmehr zu Recht mit Verfügung vom 22. September 1998 bestandskräftig festgestellt, dass durch den Dienstunfall vom 10. Dezember 1997 erwerbsmindernde Folgen nicht hervorgerufen worden sind.

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Überwiegendes spricht daher dafür, dass es sich bei der Klägerin um ein sog. anlagebedingtes Leiden handelt. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes sind Gelegenheitsursachen keine Ursachen im Sinn des Unfallfürsorgerechtes. Gelegenheitsursachen sind solche, deren Beziehung zum Dienst eine rein zufällige ist und die nach menschlichem Ermessen bei jedem anderen nicht zu vermeidenden Anlass in naher Zukunft ebenfalls zu dem Schaden geführt hätten. Ist etwa eine krankhafte Veranlagung oder ein anlagebedingtes Leiden so leicht ansprechbar, dass es zur Auslösung akuter Erscheinungen keiner besonderen, in ihrer Eigenart unersetzlichen Einwirkungen bedurfte, sondern auch ein anderes, alltäglich vorkommendes Ereignis zum selben Erfolg geführt hätte, liegt kein Dienstunfall vor (vgl. hierzu Plog u. a., a. a. O., § 31 BeamtVG Rdnr. 80 ff. m. w. N.).

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b) Auch der Vorfall vom 10. Dezember 1997 in der Schule in ... kann nicht als ursächliches Moment für die vielfältigen Erkrankungen der Klägerin angesehen werden. Hierzu wird auf die Begründungen des angefochtenen Bescheides der Beklagten vom 8. April 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. September 2003 sowie die der Ablehnung des Antrages der Klägerin zugrunde liegende amtsärztliche Stellungnahme des Gesundheitsamtes des Landkreises ... vom 26. Februar 2003 und das neurologische Gutachten des Dr. H. vom 7. Februar 2003 verwiesen, denen die Kammer folgt (§ 117 Abs. 5 VwGO). Insbesondere im letzteren Gutachten ist im Einzelnen ausführlich widerspruchsfrei und nachvollziehbar dargelegt worden, dass die Folgen des Unfalles vom 10. Dezember 1997, bei dem die Klägerin neben der Schwellung der Hand allenfalls eine Gehirnerschütterung erlitten haben kann, längst abgeklungen sind und weitere Folgen aus diesem Ereignis mit Sicherheit auszuschließen sind. Die Einwände der Klägerin und des Dr. G. hiergegen und insbesondere gegen das Gutachten des Dr. H. sind nicht stichhaltig und greifen daher nicht durch. Es ist nicht erkennbar, dass Dr. H. sein Gutachten auf einer unzureichenden Grundlage erstellt hat. Daher bedarf es entgegen der schriftsätzlich geäußerten Beweisanregungen der Klägerin keiner weiteren Beweiserhebung durch Einholung weiterer Sachverständigengutachten. Auch eine Vernehmung des ehemaligen Lebensgefährten der Klägerin zu ihrem früheren Gesundheitszustand und dem Verlauf ihrer Erkrankung nach dem Vorfall vom 10. Dezember 1997, wie von ihr des Weiteren schriftsätzlich angeregt, kommt bei dieser Sachlage nicht in Betracht.

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Über den ursprünglichen Hilfsantrag der Klägerin, ihr Schadensersatz in Höhe der Dienstunfallentschädigung nebst Prozesszinsen wegen behaupteter Verletzung der Fürsorgepflicht zu gewähren, ist nicht mehr zu entscheiden, weil sie diesen Antrag nicht mehr weiter verfolgt. Im Übrigen wäre die Klage insoweit aber auch bereits unzulässig gewesen. Ein Beamter, der Schadensersatz wegen Verletzung der Fürsorge- und Schutzpflicht geltend machen will, muss zunächst einen eigens darauf gerichteten Antrag an die zuständige Behörde stellen. Es handelt sich hier - anders als beim Vorverfahren (§ 126 Abs. 3 BRRG i. V. m. §§ 68 ff. VwGO) - um ein nicht im Prozess nachholbares Sachurteilserfordernis. Der Antrag ist mithin eine Klagevoraussetzung, der vor Klageerhebung genügt sein muss. Ansonsten ist die Klage unzulässig, ohne dass eine nachträgliche Heilung des Mangels möglich wäre (vgl. hierzu Schnellenbach, a. a. O., Rdnr. 416 m. w. N.). Im vorliegenden Fall hat die Klägerin den Antrag auf die Gewährung eines Schadensersatzes erstmals mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 16. Juli 2001 und damit erst nach Klageerhebung, die bereits am 13. Juni 2001 erfolgt war, gestellt. Auch die ausdrückliche Formulierung des Hilfsantrages datiert bereits vom 10. Juli 2001 (S. 7 des ersten Klagebegründungsschriftsatzes der ehemaligen Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 10. Juli 2001 - bei Gericht eingegangen am 19. Juli 2001). Auch die hieraus resultierende Zeitspanne von zwei Tagen ist unangemessen kurz. Denn nach dem Sinn und Zweck des Antragserfordernisses soll dem Dienstherrn noch vor Erhebung einer nach dem Verfahrensstand zu gewärtigenden Klage die Gelegenheit eingeräumt werden, dem Antragsbegehren zu entsprechen und nicht vorschnell mit einer Klage überzogen zu werden. Hierfür reicht eine Frist von nur zwei Tagen jedenfalls nicht aus.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Zu den Kosten dieses Verfahrens gehören auch die außergerichtlichen Kosten der Beklagten des selbständigen Beweisverfahrens 2 OH 10/01 vor dem Landgericht Lüneburg (vgl. hierzu etwa Hartmann, in Baumbach u. a., ZPO, Kommentar, 62. Aufl. 2004, § 91 Rdnr. 193 m. w. N.); die außergerichtlichen Kosten der Gemeinde Stelle als Antragsgegnerin zu 2. des selbständigen Beweisverfahrens sind hingegen bereits gemäß § 494 a Abs. 2 Satz 1 ZPO durch den Beschluss des Landgerichtes vom 23. September 2003 (Bl. 359 BA H) erfasst. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.

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Gründe, die Berufung gemäß § 124 a Abs. 1 Satz 1i. V. m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 und 4 VwGO zuzulassen, sind nicht gegeben.