Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 27.05.2004, Az.: 6 A 14/03

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
27.05.2004
Aktenzeichen
6 A 14/03
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2004, 43312
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGLUENE:2004:0527.6A14.03.0A

In der Verwaltungsrechtssache...

hat das Verwaltungsgericht Lüneburg - 6. Kammer - auf die mündliche Verhandlung vom 27. Mai 2004 durch...

für Recht erkannt:

Tenor:

  1. Die zu Gunsten der Beigeladenen erteilte wasserrechtliche Erlaubnis der Beklagten vom 9. September 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids der Bezirksregierung Lüneburg vom 15. Januar 2003 wird aufgehoben.

    Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

    Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

    Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen die Verlängerung einer den Beigeladenen erteilten wasserrechtlichen Erlaubnis.

2

Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks AV. in AW. (Flurstück AX. der AY., Gemarkung AW.). Das Grundstück des Klägers liegt in unmittelbarer Nachbarschaft zu dem Grundstück Flurstücke AZ. und BA., auf dem sich die Wohnanlage BB. der Wohnungseigentümergemeinschaft BC. der Beigeladenen befindet.

3

Die Wohnanlage wurde im Jahr 1992 von der Firma BD. Bauträgergesellschaft mbH errichtet. Vor Beginn der Baumaßnahme wurde mittels Rammkernsondierungen der Baugrund im Bereich BB. von dem Ingenieurbüro BE. und BF. untersucht. Die Sondierungen ergaben, dass im Untergrund unter Auffüllung durchgehend wasserundurchlässiger Keuperton anstehe. Grundwasser wurde bei den Sondierungen nicht angetroffen. Auf dieser Grundlage wurde eine Bauwerksdrainage geplant, die anfallendes Niederschlagswasser, dass sich im Baugrubenarbeitsraum sammelte, ableiten sollte.

4

Der Kläger teilte der Beklagten am 29. April 1992 telefonisch mit, dass zwei etwa vier Meter tiefe Brunnen auf seinem Grundstück trocken gefallen seien. Er vermute, dass dies durch die Baumaßnahme BB. bedingt sei. Er wolle sichergestellt haben, dass sich nach Abschluss des Bauvorhabens das Grundwasser wieder normal einstelle. Mit Schreiben vom 28. August 1992 wies der Kläger die Beklagte nochmals darauf hin, dass sein Brunnen trocken und nicht mehr nutzbar sei.

5

Während des Aushebens der Baugrube wurde auch Grundwasser freigelegt und abgepumpt. Da sich die Ableitung von Wasser nunmehr nicht auf den Baugrubenarbeitsbereich beschränkte, sondern mehr Wasser aus einem größeren Einzugsbereich abgeleitet werden sollte, forderte der Beklagte die Firma BD. mit Schreiben vom 19. Mai 1992 auf, einen Antrag auf Erteilung einer wasserrechtlichen Erlaubnis zu erstellen.

6

Mit Schreiben vom 22. Oktober 1992 forderte die Beklagte die Firma BD. zudem zur Vorlage eines hydrogeologischen Gutachtens auf und gab für die Erteilung eines Auftrags an den Gutachter Geo "Infometric" vorab seine Zustimmung. Die Firma beauftragte jedoch nicht diesen Gutachter, sondern das Ingenieurbüro BE. und BF., das ein hydrogeologisches Gutachten vom 7. Dezember 1992 vorlegte. Nach diesem Gutachten sei durch das Ableiten des Grundwassers über die Drainanlage der Einfluss auf den Stauwasserspiegel nördlich des Keupertons (Grenze, Straße BG.) unbedeutend und entspreche den bisherigen Zustand. Allein im Bereich BB. ergebe sich eine lokale Veränderung.

7

Der Beklagte erteilte daraufhin der Firma BD. eine wasserbehördliche Erlaubnis vom 28. Dezember 1992 für das Ableiten von Grundwasser auf den Grundstücken mit den Flurstücksbezeichnungen 824/3 und 852/3 befristet bis zum 31. Dezember 2002. Die Erlaubnis betraf das Ableiten von Grundwasser in einer Menge von maximal 0,505 l/s, 15.925,68 m3/a in den öffentlichen Regenwasserkanal der Beklagten.

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Gegen diese wasserbehördliche Erlaubnis vom 28. Dezember 1992 legten zwei Grundstückseigentümer aus der BH. Widerspruch ein, weil an ihren Häusern innerhalb kurzer Zeit erhebliche Risse aufgetreten seien

9

Mit Schreiben vom 18. August 1993 beantragte die Firma BD. die sofortige Vollziehung der wasserbehördlichen Erlaubnis vom 28. Dezember 1992. Die Beklagte ordnete die sofortige Vollziehung der wasserrechtlichen Erlaubnis vom 28. Dezember 1992 mit Bescheid vom 19. August 1993 an mit der Begründung, dass bei einer Fortführung der Grundwasserableitung nicht zu erwarten sei, dass hierdurch Schäden, insbesondere an oder in der Nähe des Hauses des Widerspruchsführers entstehen würden, was durch ein hydrogeologisches Gutachten untermauert werde. Es liege im überwiegenden Interesse der Firma BD. aufgrund der dadurch entstehenden erheblichen Kosten, dass die aufschiebende Wirkung des eingelegten Widerspruchs entfalle.

10

Die Widerspruchsführer nahmen ihre Widersprüche gegen die wasserrechtliche Erlaubnis vom 28. Dezember 1992 zurück, nachdem die Firma BD. sie finanziell entschädigt hatte.

11

Mit anwaltlichem Schreiben vom 28. Juni 2001 teilte der Kläger dem Beklagten mit, dass er im zeitlichen Zusammenhang mit der genehmigten Grundwasserabsenkung Grundstücks- und Gebäudeschäden verzeichnet habe und nicht bereit sei, eine neue wasserbehördliche Erlaubnis für die Grundwasserabsenkung ab dem 1. Januar 2003 bzw. eine zeitliche Verlängerung der bisherigen wasserbehördlichen Erlaubnis vom 28. Dezember 1992 hinzunehmen. Er bitte deshalb um zeitnahe Information, damit fristgemäß Widerspruch dagegen eingelegt werden könne.

12

Mit an die Beigeladene Wohnungseigentümergemeinschaft BC. gerichteten Bescheid vom 9. September 2002 verlängerte die Beklagte die wasserbehördliche Erlaubnis zum Ableitung von Grundwasser in den öffentlichen Regenwasserkanal der Beklagten bis zum 31. Dezember 2017. An den Antragsunterlagen habe sich seit Antragstellung keine Änderung ergeben. Die abgeleiteten Wassermengen seien größer gewesen als beantragt. Sie seien abhängig von den gefallenen Niederschlägen. Auswirkungen auf das oberirdische Einzugsgebiet seien jedoch nicht erkennbar, da das Absenkziel von 17,60 m plus NN während der Erlaubnisdauer eingehalten worden sei. Einer Verlängerung der Erlaubnis stünden nach den vorliegenden Erkenntnissen keine Gründe entgegen.

13

Hiergegen legte der Kläger am 9. Oktober 2002 Widerspruch ein mit der Begründung, dass auf seinem Grundstück im Zusammenhang mit der genehmigten Grundwasserabsenkung Grundstücks- und Gebäudeschäden aufgetreten seien. Die Firma BD. habe mehrere nachteilig betroffene Nachbarn finanziell entschädigt, was sie sicherlich nicht getan hätte, wenn die dort verzeichneten Gebäudeschäden nicht ursächlich auf die durchgeführte umfängliche Grundwasserabsenkung zurückzuführen gewesen wären. An seinem Gebäude zeigten sich zunehmend Senkungsschäden in Form von Rissbildungen im Mauerwerk, an Treppen usw.. Auch der Gartenbereich sei teilweise um ca. 10 cm bis 15 cm abgesackt, so dass konkret zu befürchten stehe, dass in Zukunft noch weitere gravierende Senkungsschäden am Wohnhaus des Klägers auftreten würden, die ebenfalls ursächlich auf die nunmehr bis Ende 2017 verlängerte Grundwasserabsenkung auf dem Nachbargrundstück zurückzuführen seien. Nach dem gesamten Verfahrensablauf dränge sich der Verdacht auf, dass hier die von der Bauherrin des Nachbarbauvorhabens, der Firma BD. geschaffenen vollendeten Tatsachen im "Eilverfahren" legalisiert werden sollten. Angesichts der Tragweite der erteilten wasserbehördlichen Erlaubnis zur Grundwasserabsenkung hätten vor einer Entscheidung umfangreiche Untersuchungen durchgeführt werden müssen. Die behördliche Ermittlungspflicht nach § 24 VwVfG sei verletzt worden. Dass von dem Ingenieurbüro BE. und BF. vorgelegte Gutachten entspreche nicht den maßgeblichen Anforderungen an ein hydrogeologisches Gutachten. Ohne das tatsächlich weitere Geländeuntersuchungen vorgenommen worden wären, seien lediglich die bereits zuvor abgegebenen Beurteilungen umformuliert und unwesentlich ergänzt worden. Woher die gesicherten Einsichten nunmehr stammen sollten, lasse sich dem Gutachten nicht entnehmen. Auf die bereits vorliegenden Erkenntnisse durch die Mitteilungen von Nachbarn, wonach es in der Umgebung des Bauvorhabens bereits zu erheblichen Absenkungen gekommen sei, sei in dem Gutachten nicht eingegangen worden. Der ursprüngliche Antrag auf Erteilung einer wasserbehördlichen Erlaubnis sei nicht den Ausführungsbestimmungen zum NWG gerecht gewesen, da er Angaben über die voraussichtlich berührten Grundstücke, die Bezeichnung im Grundbuch und des Eigentümers, sowie über den Mittelwert des Jahres und des Sommer- und Winterhalbjahres nicht enthalten habe. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb auf eine fachkundige Beteiligung des gewässerkundlichen Landesdienstes (ehedem: staatliches Amt für Wasser und Abfall) im Hinblick auf § 52 Abs. 3 NWG i. V. m. Ziff. 2.2 der ersten Ausführungsbestimmung zum NWG verzichtet worden sei. Es sei nicht erklärlich, warum nicht von § 29 Satz 2 Nr. 2 NWG Gebrauch gemacht worden und ein förmliches Verfahren unter entsprechender Anwendung des § 24 NWG eingeleitet worden sei. Denn die Grundwasserabsenkung sei wasserwirtschaftlich bedeutsam, da sie auf Dauer angelegt sei. Aus dem gleichen Grunde hätte sich die Einleitung beweissichernder Maßnahmen gem. § 30 Satz 1 NWG angeboten. Die Erteilung der wasserbehördlichen Erlaubnis und die jetzige Verlängerung seien ermessensfehlerhaft gewesen. Es seien keine zwingenden Gründe ersichtlich, die Kellersohle eines Bauvorhabens auf ein grundwasserführendes Niveau zu legen. Zudem hätte sich durch entsprechende bautechnische Maßnahmen das gleiche Ziel erreichen lassen, wenn man den Kellerbereich als abgedichtete Wanne ausgebildet hätte. Der Eingriff in den Naturhaushalt sei vermeidbar gewesen. Die Entscheidung sei unter Verletzung des § 24 VwVfG und damit auf einer unzureichenden Tatsachen- bzw. Erkenntnisgrundlage getroffen worden. Schließlich lasse die Erteilung der wasserbehördlichen Erlaubnis sowie ihrer jetzigen Verlängerung die gebotene Rücksichtnahme auf die individuellen Interessen Dritter, insbesondere der Eigentümer von Nachbargrundstücken vermissen. Obwohl entsprechende Hinweise aus der Nachbarschaft und Verdachtsmomente gegeben gewesen seien, dass die Grundwasserabsenkung zu Beschädigungen an den Häusern auf den Nachbargrundstücken führen würde, seien die Individualinteressen der Nachbarn nicht berücksichtigt worden. Der Kläger werde zudem in seinem Recht aus Art. 14 Abs. 1 GG beeinträchtigt. Er werde ferner in seinem von der Rechtsprechung aus § 4 Abs. 1 Satz 2 WHG abgeleiteten Recht auf Rücksichtnahme verletzt.

14

Der Kläger hat am 10. Januar 2003 eine Untätigkeitsklage erhoben.

15

Mit Widerspruchsbescheid vom 15. Januar 2003 wies die Bezirksregierung Lüneburg den Widerspruch des Klägers zurück mit der Begründung, dass nicht ersichtlich sei, dass der Kläger durch die Genehmigung der Grundwasserhaltung in seinen Rechten verletzt worden sei. Es komme nicht darauf an, ob die erstmalige Absenkung des Grundstücks infolge der Erlaubnis aus dem Jahre 1992 zu Schäden am Gebäude des Klägers geführt habe. Diese Erlaubnis sei nicht Gegenstand des Widerspruchsverfahrens. Mit der streitgegenständlichen Erlaubnis werde ein Zustand aufrecht erhalten, der sich in den letzten zehn Jahren eingestellt habe. Bei gleichbleibender Wasserhaltung stabilisiere sich das Erdreich nach spätestens einem Jahr. Weitere Absenkungen des Erdreichs durch die Wasserhaltung sei nicht zu erwarten. Andere Beeinträchtigungen seien nicht ersichtlich und würden vom Kläger auch nicht vorgetragen.

16

Der Kläger verweist zur Begründung seiner Klage auf die Begründung seines Widerspruchs und führt ergänzend aus, dass sich vorhandene Risse im Mauerwerk seines Wohnhauses bis in die Gegenwart hinein zunehmend vergrößern würden. Auch der Gartenbereich sacke nach wie vor zunehmend ab. Deshalb sei davon auszugehen, dass es infolge der angefochtenen Verlängerung der wasserbehördlichen Erlaubnis fortlaufend zu größeren Schäden an seinem Grundstück und Wohnhaus kommen werde. Es sei keine Stabilisierung im Erdreich eingetreten, dies möge damit zusammenhängen, dass die abgeleiteten Wassermengen größer gewesen seien als beantragt.

17

Der Kläger beantragt,

die der beigeladenen Wohnungseigentümergemeinschaft BC. erteilte wasserbehördliche Erlaubnis der Beklagten vom 9. September 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Lüneburg vom 15. Januar 2003 aufzuheben.

18

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

19

Sie trägt vor, es seien keine Gründe ersichtlich, die Erlaubnis zu versagen. Der Einwand des Klägers, es sich durch die Grundwasserabsenkung seit dem Jahre 1992 zu Schäden an seinem Grundstück und Gebäude gekommen, sei für die rechtliche Beurteilung der Erlaubnis aus dem Jahre 2002 nur von sekundärer Bedeutung. Beurteilungsmaßstab für die Ermessensentscheidung sei die Situation, wie sie sich bei Erteilung der Erlaubnis im Jahre 2002 darstelle. Danach enthalte die im Jahre 2002 erteilte Erlaubnis lediglich einen Zustand aufrecht, der sich bereits in der Vergangenheit eingestellt habe. Der Kläger trage keine neuen Tatsachen vor, die eine Beeinträchtigung seines Wohls erwarten ließen. Er wiederhole lediglich seinen Vortrag, ohne einzelne Schadenspositionen konkret zu bezeichnen. Es treffe nicht zu, dass das Erdreich durch die abgeleiteten Wassermengen ständig in Bewegung sei, denn das Niveau des Grundwassers bleibe gleich. Ohne die Baumaßnahme wäre das Grundwasser im Bereich BB. über die Gipsbänder abgeleitet worden. Durch die Baumaßnahme werde ein Teil des aus den Gipsbändern kommenden Grundwassers in den südlich gelegenen Regenkanal abgeleitet.

20

Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt.

21

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

22

Die Klage ist zulässig (1.) und begründet (2.).

23

1. Der Kläger ist klagebefugt. Er trägt vor, als Nachbar des Grundstücks der Beigeladenen, für das die Verlängerung einer wasserrechtlichen Erlaubnis mit Bescheid vom 9. September 2002 erteilt worden ist, rechtlich betroffen zu sein.

24

Zwar hat der Niedersächsische Gesetzgeber anders als die meisten anderen Landeswassergesetze für die Erteilung von einfachen Erlaubnissen in § 10 NWG - und um eine solche handelt es sich hier - die Berücksichtigung von nachteiligen Wirkungen der geplanten Benutzung nicht vorgeschrieben. Da das Bundesverwaltungsgericht die Einwendungs- und Klagebefugnis jedoch aus bundesrechtlichen Normen ableitet (Urt. v. 15.7.1987, - BVerwG 4 C 56/83 -, BVerwGE 78, 40), spielt die besondere niedersächsische Landesrechtslage praktisch keine Rolle (vgl. Haupt/Reffken/Rhode, NWG, Kommentar, Stand: Juni 2002, § 29 Rdnr. 4). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist vielmehr maßgeblich, dass sich aus individualisierenden Merkmalen des Genehmigungstatbestandes ein Personenkreis entnehmen lässt, der sich von der Allgemeinheit unterscheidet. Das trifft nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 15.7.1987, a. a. O.) für die wasserrechtlichen Gestattungstatbestände zu. Danach sind die Gewässer so zu bewirtschaften, dass sie dem Wohl der Allgemeinheit und im Einklang damit auch dem Nutzen einzelner dienen und das jede vermeidbare Beeinträchtigung unterbleibt. Geschützt sind in erster Linie die Träger wasserwirtschaftlicher Belange des Allgemeinwohls, insbesondere der öffentlichen Trinkwasserversorgung. Darüber hinaus gehören zu dem Kreis der durch die wasserrechtlichen Vorschriften geschützten Personen alle rechtmäßigen Wasserbenutzer und schließlich diejenigen Personen, deren private Belange nach Lage der Dinge von der Benutzung betroffen werden und deren Beeinträchtigung nach dem Gesetz tunlichst zu vermeiden ist. Mit dem Wasserhaushaltsgesetz ist eine vom Grundeigentum losgelöste Benutzungsordnung geschaffen worden, in der grundsätzlich jede Benutzung von einer konstitutiven wirksamen Behördenentscheidung abhängt (BVerfG, Beschl. v. 15.7.1981, - 1 BvL 77/78 -, BVerfGE 58, 300). Das gilt auch für die wasserrechtliche Erlaubnis. Soweit sie erteilt und solange sie nicht wirksam widerrufen ist, ist die Benutzung rechtmäßig. Die Erlaubnis kann die Situation für die Eigentümer der umliegenden Grundstücke oder andere Nutzungsberechtigte verändern - nicht anders übrigens als eine Baugenehmigung, die ebenfalls grundsätzlich unbeschadet privater Rechte Dritter erteilt wird (BVerwG, Urt. v. 15.7.1987, a.a.O.).

25

Der Kläger hat vorgetragen, dass durch das Ableiten des Grundwassers in den öffentlichen Regenwasserkanal der Beklagte der Brunnen auf seinem Grundstück ausgetrocknet sei, dass das Wohnhaus des Klägers bereits nach Erteilung der ersten wasserrechtlichen Erlaubnis vom 28. Dezember 1992 Risse gezeigt habe, dass sich die vorhandenen Risse im Mauerwerk seines Wohnhauses bis in die Gegenwart hinein zunehmend vergrößerten und dass der Gartenbereich zunehmend absacke. Damit hat er hinreichend dargelegt, in der rechtlich geschützten Position des Eigentümers betroffen zu sein.

26

2. Die Klage ist auch begründet. Die zu Gunsten der Beigeladenen erteilte wasserrechtliche Erlaubnis des Beklagten vom 9. September 2002, mit der die wasserrechtliche Erlaubnis vom 28. Dezember 1992 verlängert worden ist, ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

27

Rechtsgrundlage für die Erteilung der wasserrechtlichen Erlaubnis für das Ableiten des Grundwassers in den öffentlichen Regenwasserkanal der Beklagten ist § 10 NWG i. V. m. § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 Nr. 7 NWG. Nach § 3 Abs. 1 NWG bedarf eine Benutzung der Gewässer der behördlichen Erlaubnis (§ 10 NWG) oder Bewilligung (§ 13 NWG), soweit sich nicht aus den Bestimmungen dieses Gesetzes etwas anderes ergibt. Nach § 10 Abs. 1 NWG gewährt die Erlaubnis die widerrufliche Befugnis, ein Gewässer zu einem bestimmten Zweck in einer nach Art und Maß bestimmten Weise zu benutzen. Eine Benutzung im Sinne des Gesetzes ist nach § 4 Abs. 1 Nr. 7 NWG unter anderem das Ableiten von Grundwasser.

28

Die streitgegenständliche Verlängerung der wasserrechtlichen Erlaubnis bedurfte einer erneuten Überprüfung durch die Beklagte gemäß den vorgenannten Vorschriften des NWG. Denn die alte wasserrechtliche Erlaubnis vom 28. Dezember 1992 war am 31. Dezember 2002 mit Ablauf der Frist erloschen (vgl. Haupt/ Reffken/ Rhode, a.a.O., § 10 Rn. 6). Danach hatte die Beklagte über eine erneute Erlaubniserteilung unter Abwägung aller zu berücksichtigenden Belange zu entscheiden. Dies gilt im vorliegenden Fall um so mehr, als die erste wasserrechtliche Erlaubnis vom 28. Dezember 1992 noch für eine Wassermenge von 15.925,68 m3/a erteilt worden ist, im Zeitpunkt der hier streitigen Verlängerung der wasserrechtlichen Erlaubnis jedoch erheblich größere Wassermengen abgepumpt worden sind, nämlich im Durchschnitt etwa 27.000 m3/a (vgl. Berechnung der Beklagten Bl. 147 Beiakte A). Mithin waren veränderte Umstände eingetreten, die ohnehin eine erneute Entscheidung erforderlich machten.

29

Die Voraussetzungen für die Verlängerung einer wasserrechtlichen Erlaubnis liegen hier grundsätzlich vor: Die Beigeladenen leiten das Grundwasser seit der wasserrechtlichen Erlaubnis vom 28. Dezember 1992 in den öffentlichen Regenwasserkanal der Beklagten ab. Dazu bedürfen sie gem. §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 Nr. 7 NWG einer Erlaubnis im Sinne des § 10 NWG.

30

Der angefochtene Erlaubnisbescheid vom 9. September 2002 wird jedoch den Anforderungen an eine Ermessensentscheidung über eine wasserrechtliche Erlaubnis nicht gerecht.

31

Im Wasserrecht besteht kein Rechtsanspruch auf eine Gestattung. Vielmehr hat die Wasserbehörde ein weites Ermessen, das zu betätigen ist (vgl. auch OVG Greifswald, Beschl. v. 29.6.1995, - 3 M 27/95 -, NVwZ-RR 1996, 197). Die Wasserbehörde ist verpflichtet, im Rahmen des Ermessens zu prüfen, ob Einwendungen Dritter berücksichtigt werden (Haupt/ Reffken/ Rhode, a.a.O., § 29 Rn. 4; s.a. OVG Lüneburg, Beschl. V. 3.3.2004, - 13 LA 477/03 -; Urt. der erkennenden Kammer v. 7.11.2003,- 6 A 26/02 -).

32

Die Beklagte hat ihr Ermessen nicht hinreichend ausgeübt. Insbesondere hat sie nicht das Gebot eingehalten, unter Rücksichtnahme auf die Belange des Klägers abzuwägen. Der Kläger macht geltend, dass durch das Ableiten des Grundwassers sein Brunnen ausgetrocknet sei und Schäden an seinem Grundstück und seinem Gebäude entstanden seien, die sich weiterhin verstärken würden. Zwar hat er die Schäden an seinem Grundstück und an seinem Gebäude bis zum Erlass des Widerspruchsbescheids nicht im Einzelnen dargelegt. Eine Verletzung von Rechten hat er jedoch gleichwohl hinreichend substantiiert geltend gemacht, denn sein Vortrag, durch das Ableiten des Grundwassers würden sein Haus und sein Garten beschädigt, ist im Hinblick darauf, dass nach den Berechnungen der Beklagten die abgeleiteten Grundwassermengen erheblich größer gewesen sind, als im Jahre 1992 beantragt worden ist, nicht abwegig. Eine Kausalität zwischen dem Ableiten des Grundwassers und den Beeinträchtigungen des Grundstücks des Klägers ist nicht von vornherein auszuschließen. Dafür spricht auch, dass die frühere Bauherrin der Wohnanlage die Widerspruchsführer im Verfahren über die erste wasserrechtliche Erlaubnis finanziell entschädigt hat. Diese Widerspruchsführer waren im Gegensatz zu dem Kläger noch nicht einmal unmittelbare Nachbarn der Wohnanlage und hatten Beschädigungen an ihrem Grundstückseigentum geltend gemacht. Dem kann die Beklagte nicht mit Erfolg entgegenhalten, mit der wasserrechtlichen Erlaubnis vom 9. September 2002 werde ein Zustand aufrechterhalten, der sich in den letzten zehn Jahren eingestellt habe. Zwar kommt es nicht darauf an, ob die erstmalige Absenkung des Grundwassers in Folge der Erlaubnis vom 28. Dezember 1992 zu Schäden am Gebäude des Klägers geführt hat. Der Kläger hat jedoch vorgetragen, dass auch weiterhin bis in die Gegenwart die Schäden an seinem Haus zugenommen haben.

33

Weder die erteilte Verlängerung der wasserrechtlichen Erlaubnis vom 9. September 2002 noch der dazu ergangene Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung vom 15. Januar 2003 befassen sich mit diesen Gesichtspunkten. Dabei hatte der Kläger bereits vor der Verlängerung der wasserrechtlichen Erlaubnis mit Bescheid vom 9. September 2002 die Beklagte mit anwaltlichem Schreiben vom 28. Juni 2001 auf Grundstücks- und Gebäudeschäden hingewiesen. Dies hätte spätestens der Widerspruchsbehörde Anlass geben müssen, eine mögliche Rechtsverletzung des Klägers zu prüfen. Auf die von dem Kläger vorgetragenen Beeinträchtigungen seines Grundstücks und seines Gebäudes wird jedoch in den angefochtenen Bescheiden nicht eingegangen. Im Widerspruchsbescheid vom 15. Januar 2003 wird lediglich ausgeführt, dass mit der streitgegenständlichen Erlaubnis ein Zustand aufrechterhalten werde, der sich in den letzten zehn Jahren eingestellt habe. Bei gleichbleibender Wasserhaltung stabilisiere sich das Erdreich nach spätestens einem Jahr. Weitere Absenkungen des Erdreichs durch die Wasserhaltung seien nicht zu erwarten. Andere Beeinträchtigungen seien nicht ersichtlich und würden von dem Kläger auch nicht vorgetragen. Mit den von dem Kläger vorgetragenen Grundstücksbeeinträchtigungen setzt sich die Widerspruchbehörde nicht im einzelnen auseinander, sondern beruft sich im wesentlichen auf die alte wasserrechtliche Erlaubnis vom 28. Dezember 1992. Zudem geht die Widerspruchsbehörde fälschlich von der Grundlage aus, dass die Wasserhaltung gleichbleibend gewesen sei. Wie bereits dargelegt hat sich jedoch die abgeleitete Grundwassermenge seit Erteilung der wasserrechtlichen Erlaubnis am 28. Dezember 1992 nahezu verdoppelt. Die angefochtenen Bescheide enthalten auch keine Ausführungen darüber, ob es eine andere für die Beigeladenen zumutbare Möglichkeit des Ableitens des Grundwassers gibt.

34

Angesichts der bereits bei der Ersterteilung der wasserrechtlichen Erlaubnis vorgebrachten Beschwerden von Anliegern und Rügen des Klägers hätte es zudem nahe gelegen, von Amts wegen Beweissicherungsmaßnahmen mit der Erlaubnis zu verbinden. Angezeigt sind derartige Maßnahmen gerade in den Fällen bedeutsamer Grundwasserentnahmen wegen der nicht sicher absehbaren, langfristigen Auswirkungen auf den Grundwasserspiegel, die Vegetation und den Naturhaushalt im Einzugsbereich der Brunnen. Sie sind zweckmäßig bei Einwendungen Dritter (vgl. Haupt/ Reffken / Rhode, a.a.O., § 30 Rn. 2).

35

Dieser Ermessensfehler führt zur Rechtswidrigkeit der wasserrechtlichen Erlaubnis und damit zur Aufhebung durch das Gericht (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Denn bei einer Ermessensentscheidung prüft das Gericht auch, ob von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermessensermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebaruch gemacht ist (§ 114 Satz 1 VwGO). Hier fehlt es im Hinblick auf die Belange des Klägers an jeglicher Ermessensausübung. In diesem Fall des Ermessensnichtgebrauchs ist auch eine "Ergänzung" der Ermessenserwägungen (§ 114 Satz 2 VwGO) nicht mehr möglich (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, 13. Aufl., § 114 Rn. 50). Somit müssen die diesbezüglichen schriftsätzlichen Äußerungen im Gerichtsverfahren außer Betracht bleiben. Denn die Aufnahme von Ermessenserwägungen in einen Bescheid haben den Zweck, den Betroffenen die Aussichten und Risiken eines Rechtsbehelfs vorab abschätzen zu können.

36

Auf die weiteren Einwendungen des Klägers kommt es mithin nicht mehr an.

37

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und Abs. 3 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind gem. § 162 Abs. 3 VwGO nicht erstattungsfähig. Die Beigeladenen haben weder erfolgreich Anträge gestellt noch haben sie das Verfahren sonst wesentlich gefördert. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

38

Gründe, die Berufung zuzulassen, liegen nicht vor.