Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 26.05.2004, Az.: 1 A 142/02
Ausbildung; Berufsausbildung; Bezugszeitraum; Billigkeitsentscheidung; Bruttobetrag; Fachausbildung; Förderung; Förderungszeitraum; Nettobetrag; Rückforderung; Rückzahlungspflicht; Soldat; Verlängerungsbescheid; Wegfall der Bereicherung
Bibliographie
- Gericht
- VG Lüneburg
- Datum
- 26.05.2004
- Aktenzeichen
- 1 A 142/02
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2004, 50855
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 11 SVG
- § 49 Abs 2 SVG
- § 812 BGB
- § 818 Abs 4 BGB
- § 819 Abs 1 BGB
Tatbestand:
Der Kläger, der Soldat auf Zeit war, wendet sich gegen die Rückforderung von Übergangsgebührnissen.
Fünf Monate vor dem Ende seines 8-jährigen Dienstverhältnisses, das auf den 31. Januar 1999 festgelegt war, begann der Kläger am 1. September 1998 unter Freistellung vom militärischen Dienst eine Ausbildung zum Automobilkaufmann.
Diese Ausbildung wurde als Ausbildung im Sinne des § 5 SVG anerkannt und gefördert. Mit bestandskräftigem Bescheid des Kreiswehrersatzamtes Halle vom 3. November 1998 wurde die Förderung der Fachausbildung zunächst für den Zeitraum 1. September 1998 bis 31. August 2000 bewilligt und gefördert. In der Folgezeit wurde der Förderungszeitraum mehrmals wegen einer längeren Erkrankung des Klägers geändert und zwar schließlich durch Bescheid der Wehrbereichsverwaltung II vom 19. Oktober 2000 und Bescheid des Kreiswehrersatzamtes Lüneburg vom 1. November 2000 bis zur Ablegung der Prüfung als Automobilkaufmann, längstens bis zum 31. Juli 2001. Nachdem der Kläger am 18. Juni 2001 seine Abschlussprüfung bestand, wurde der Förderungszeitraum mit bestandskräftigem Bescheid des Kreiswehrersatzamtes Lüneburg vom 25. Juni 2001 neu vom 1. September 1998 bis 18. Juni 2001 festgesetzt.
Neben der Fachausbildung wurden dem Kläger mit Bescheid der Wehrbereichsverwaltung VII vom 11. Dezember 1998 zunächst für den Zeitraum 1. Februar 1999 bis 31. Oktober 2000 gemäß § 11 SVG Übergangsgebührnisse bewilligt. Mit Bescheid der Wehrbereichsverwaltung VII vom 4. Dezember 2000 wurde die Bezugsdauer der Übergangsgebührnisse neu auf den Zeitraum1. Februar 1999 bis 31. Juli 2001 festgelegt. In der Begründung des Bescheides wurde darauf hingewiesen, dass die Bewilligung der Zahlung der Übergangsgebührnisse bis zum 31. Juli 2001 an die Erfüllung der Bezüge 2 und 3 gebunden sei. Im Bescheid war unter Bezug 2 der Bescheid der Wehrbereichsverwaltung II vom 19. Oktober 2000 und unter Bezug 3 der Bescheid des Kreiswehrersatzamtes Lüneburg vom 1. November 2000 aufgeführt. Nachdem der Wehrbereichsverwaltung VII das Bestehen der Abschlussprüfung durch den Kläger bekannt geworden war, setzte sie mit Bescheid vom 9. August 2001 die Bezugsdauer der Übergangsgebührnisse neu auf den Zeitraum 1. Februar 1999 bis 18. Juni 2001 fest. Gegen diesen Bescheid sowie die vorangegangenen Bescheide legte der Kläger ein Rechtsmittel nicht ein.
Wegen des vorzeitigen Endes der Ausbildung am 18. Juni 2001 konnte die Zahlung der Übergangsgebührnisse nicht mehr rechtzeitig gestoppt werden, so dass es für den Zeitraum 19. Juni 2001 bis 31. Juli 2001 zu einer Überzahlung an Übergangsgebührnissen in Höhe von insgesamt 4.222,13 DM kam.
Mit Schreiben vom 18. September 2001 teilte die Wehrbereichsverwaltung VII diesen Sachverhalt dem Kläger mit und gab ihm Gelegenheit zur beabsichtigten Rückforderung Stellung zu nehmen. Mit Einschreiben vom 15. Oktober 2001 (zur Post gegeben am 16.10.2001) wurde dem Bevollmächtigten des Klägers der Bescheid vom 9. August 2001 nochmals übersandt.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 15. Oktober 2001 forderte die Wehrbereichsverwaltung VII den im Zeitraum 19. Juni bis 31. Juli 2001 überzahlten Betrag in Höhe von 4.222,13 DM brutto zurück. Zur Begründung gab sie an, dass dem Kläger mit dem Abschluss der Ausbildung Übergangsgebührnisse nicht mehr zugestanden hätten. Die dennoch gezahlten Übergangsgebührnisse seien ohne Rechtsgrund gezahlt worden und daher vom Kläger zurückzuzahlen. Auf die Einrede des Wegfalls der Bereicherung könne sich der Kläger nicht berufen, da die Zahlung der Übergangsgebührnisse unter einem gesetzlichen Vorbehalt erfolgt sei. Ein Absehen von der Rückforderung aus Billigkeitsgründen sei angesichts der sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht geboten.
Gegen den Rückforderungsbescheid legte der Kläger Widerspruch ein und führte zur Begründung im Wesentlichen aus: Die Rückforderung sei rechtswidrig. Er habe darauf vertraut, dass eine Rückzahlungspflicht nicht bestehe. Auf den Vorbehalt der Rückzahlung sei er nicht hingewiesen worden. Erst durch den Bescheid vom 15. Oktober 2001 habe er von der Rückzahlungspflicht erfahren. Er mache die Einrede des Wegfalls der Bereicherung geltend.
Den Widerspruch wies die Wehrbereichsverwaltung Ost mit Widerspruchsbescheid vom 19. März 2002 (zugestellt am 22.3.2002) zurück. Darin wurde dargelegt, dass die Übergangsgebührnisse nur bis zum Abschluss der Ausbildung, längstens bis 31. Juli 2001 bewilligt worden seien. Die Zahlung von Übergangsgebührnissen für den Zeitraum vom 19. Juni bis 31. Juli 2001 sei mithin ohne Rechtsgrund erfolgt. Der Bewilligungsbescheid und der Bewilligungszeitraum seien durch Bescheid vom 9. August 2001 geändert worden. Diesen Bescheid habe der Kläger nicht angefochten. Darüber hinaus sei in dem Änderungsbescheid vom 4. Dezember 2000 darauf hingewiesen worden, dass Übergangsgebührnisse nur bis zum Abschluss der Prüfung zustehen würden. Vertrauensschutz könne der Kläger daher nicht beanspruchen. Ein Verzicht oder teilweiser Verzicht auf den Rückforderungsbetrag aus Billigkeitsgründen sei nicht geboten. Dem Kläger könne aber bei entsprechendem Nachweis Ratenzahlung eingeräumt werden.
Am 22. April 2002 hat der Kläger Klage erhoben. Zur Begründung wiederholt er im Wesentlichen sein Vorbringen aus dem Vorverfahren.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Wehrbereichsverwaltung VII vom 15. Oktober 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. März 2002 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist sie auf die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden. Ergänzend weist sie nochmals darauf hin, dass dem Kläger ein Vertrauensschutz nicht gewährt werden könne, weil ihm durch Bescheid der Wehrbereichsverwaltung II vom 19. Oktober 2000 sowie durch den Änderungsbescheid der Wehrbereichsverwaltung VII vom 4. Dezember 2000 hätte bekannt sein müssen, dass Übergangsgebührnisse nur bis zur Abschlussprüfung gewährt werden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.
Der Bescheid der Wehrbereichsverwaltung VII vom 15. Oktober 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. März 2002 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger mithin nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Rechtsgrundlage für die Rückforderung der überzahlten Übergangsgebührnisse ist § 49 Abs. 2 SVG i.V.m. §§ 812 f BGB. Danach regelt sich die Rückforderung zuviel gezahlter Versorgungsbezüge nach dem Soldatenversorgungsgesetz (SVG), wozu auch die Übergangsgebührnisse gehören, nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Der Kenntnis des Mangels des rechtlichen Grundes (§ 819 BGB) der Zahlung steht es gemäß § 49 Abs. 2 Satz 2 SVG gleich, wenn der Mangel so offensichtlich war, dass der Empfänger ihn hätte erkennen müssen.
Der Kläger hat hier die zurückgeforderten Übergangsgebührnisse in Höhe von 4.222,13 DM brutto ohne Rechtsgrund erhalten. Dem Kläger standen nach § 11 SVG grundsätzlich nur für die Dauer von 21 Monaten Übergangsgebührnisse zu. Durch Änderungsbescheid der Wehrbereichsverwaltung VII vom 4. Dezember 2000 war dieser Bezugszeitraum ausnahmsweise über 21 Monate hinaus bis zum Abschluss der Prüfung zum Automobilkaufmann, längstens bis zum 31. Juli 2001 verlängert worden. Aus dem Verlängerungsbescheid ergab sich, dass nach Abschluss der Prüfung keine Übergangsgebührnisse mehr gewährt würden. Die dennoch erfolgte Gewährung der Übergangsgebührnisse erfolgte mithin ohne Rechtsgrund. Darüber hinaus änderte die Wehrbereichsverwaltung VII mit Bescheid vom 9.. August 2001 nochmals ausdrücklich den Bezugszeitraum für die Übergangsgebührnisse auf den Zeitraum 1. Februar 1999 bis 18. Juni 2001 ab. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger ein Rechtsmittel nicht ein; er ist mithin bestandskräftig geworden und entsprach im Übrigen der bisherigen Rechts- und Bescheidlage.
Gegenüber seiner grundsätzlichen Rückzahlungsverpflichtung kann der Kläger sich nicht mit Erfolg auf einen Wegfall der Bereicherung (§ 818 Abs. 3 BGB) berufen.
Der Kläger unterliegt zwar nicht gem. § 49 Abs. 2 Satz 1 SVG i.V.m. § 820 Abs. 1 Satz 2 und § 818 Abs. 4 BGB der verschärften Haftung. Denn die Zahlung der Übergangsgebührnisse erfolgte hier nicht unter einem gesetzlichen Vorbehalt. Dieser gesetzliche Vorbehalt besteht entgegen der Auffassung der Beklagten nur dann, wenn der Betroffene neben den Übergangsgebührnissen Einkommen aus der Verwendung im öffentlichen Dienst erhält.
Der Berufung auf den Wegfall der Bereicherung steht vorliegend aber entgegen, dass der Kläger gemäß § 49 Abs. 2 Satz 2 SVG i.V.m. §§ 819 Abs. 1, 818 Abs. 4 BGB der sogenannten verschärften Haftung unterliegt. Nach diesen genannten Vorschriften tritt die verschärfte Haftung ein, wenn der Empfänger den Mangel des rechtlichen Grundes für die Zahlung kannte oder wenn der Mangel so offensichtlich war, dass er ihn hätte erkennen müssen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts ist der Mangel des rechtlichen Grundes als offensichtlich anzusehen, wenn der Beamte ihn nicht erkannt hat, weil er die im Rechtsverkehr erforderliche Sorgfalt in besonderem Maße außer Acht gelassen hat, wobei es auf die individuellen Kenntnisse und Fähigkeiten des die Zahlung in Empfang nehmenden Beamten ankommt (vgl. BVerwGE 71, 77/79; OVG Lüneburg, Urteil vom 13.1.1998 - 5 L 3999/95 -). Dabei bedeutet „offensichtlich“ nicht „ungehindert sichtbar“. Offensichtlich ist eine Tatsache vielmehr schon dann, wenn sie der Erkenntnis leicht durch andere als optische Wahrnehmungen zugänglich ist, insbesondere wenn sie durch Nachdenken, logische Schlussfolgerungen oder durch sich aufdrängende Erkundigungen in Erfahrung gebracht werden kann (vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 10.12.1991 - 5 L 2583/91 -).
Bei Zugrundelegung dieser Grundsätze kann dem Kläger der Vorwurf, die erforderliche Sorgfalt in besonderem Maße außer Acht gelassen zu haben nicht erspart werden. Zur Begründung wird insoweit auf die Gründe des angefochtenen Bescheides vom 15. Oktober 2001 sowie die Gründe des Widerspruchsbescheides vom 19. März 2002 Bezug genommen, den das Gericht folgt (§ 117 Abs. 5 VwGO). Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass der Kläger bereits im ursprünglichen Bescheid über die Bewilligung von Übergangsgebührnissen vom 11. Dezember 1998 unter Teil III Ziffer 5 darauf hingewiesen worden war, dass zuviel gezahlte Übergangsgebührnisse gemäß § 49 Abs. 2 SVG zurückgefordert werden. Der Kläger hatte mithin den Hinweis erhalten, dass zuviel gezahlte Übergangsgebührnisse zurückzuzahlen sind. Dass hier die Übergangsgebührnisse nur bis zur Ablegung der Prüfung zum Automobilkaufmann gewährt werden, konnte der Kläger hinreichend deutlich dem Änderungsbescheid der Wehrbereichsverwaltung VII vom 4. Dezember 2000 entnehmen, der auf den noch eindeutigeren Bescheid der Wehrbereichsveraltung II vom 19. Oktober 2000 und den des Kreiswehersatzamtes Lüneburg vom 1. November 2000 verwies. Er hätte sich mithin darauf einstellen können, dass Übergangsgebührnisse ihm über den Prüfungstag hinaus nicht zustehen und er diese würde zurückzahlen müssen.
Die Entscheidung der Wehrbereichsverwaltung Ost, beim Kläger von der Rückforderung des Überzahlungsbetrages nicht gemäß § 49 Abs. 2 Satz 3 SVG aus Billigkeitsgründen ganz oder teilweise abzusehen, ist nicht zu beanstanden. Durch die dem Kläger angebotene Möglichkeit der ratenweisen Rückzahlung ist den sich aus dieser Vorschrift ergebenen Anforderungen in ermessensfehlerfreierweise Rechnung getragen worden.
Nicht zu beanstanden ist es schließlich, dass die Wehrbereichsverwaltung Ost nicht nur die Nettobeträge, sondern die Bruttobeträge zurückgefordert hat. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. z.B. BVerwG, Urteil vom 8.10.1998 - 2 C 21.97 -, DÖD 1999, 86) sowie der herrschenden Meinung in der Literatur (vgl. GKÖD, Stand: April 2004, § 12 BBesG Rn 18; Schwegmann/Summer, BBesG, Stand: März 2004, § 12 Rn 10 und Kümmel/Pohl, BBesR Stand: April 2004, § 12 Rn 64). Dieser Rechtsprechung und der herrschenden Meinung liegt die Tatsache zugrunde, dass es sich bei den Bezügen um Einkünfte aus nicht selbständiger Arbeit handelt. Solche Einkünfte sind schon dann zu versteuern, wenn sie dem Empfänger aus dem Dienstverhältnis tatsächlich zufließen, ohne Rücksicht darauf, ob er einen Rechtsanspruch auf sie hat. Mit der Abführung der Lohnsteuer wird der Bezügeempfänger durch den Dienstherrn von einer eigenen Steuerschuld befreit und ist deshalb im Falle der Rückforderung in diesem Umfang bereichert.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.
Gründe, die Berufung nach § 124 a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 VwGO zuzulassen, sind nicht gegeben.