Landgericht Hildesheim
Urt. v. 11.07.2006, Az.: 3 O 399/04

Bibliographie

Gericht
LG Hildesheim
Datum
11.07.2006
Aktenzeichen
3 O 399/04
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2006, 43314
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGHILDE:2006:0711.3O399.04.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
OLG Celle - 01.03.2007 - AZ: 6 U 158/06
BGH - 24.01.2008 - AZ: VII ZR 43/07

In dem Rechtsstreit

...

wegen Werklohns

hat die 3. Zivilkammer des Landgerichts Hildesheim durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht ... als Einzelrichter auf die mündliche Verhandlung vom 11.7.2006

für Recht erkannt:

Tenor:

  1. Die Klage wird abgewiesen.

  2. Die Kosten des Rechtsstreits werden den Klägern auferlegt.

  3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Kläger begehren im Weg der Teilklage Werklohn aus einem Generalunternehmervertrag mit der Beklagten vom 21.3./22.3.2003 über den Umbau und Erweiterungsbau des Geschäftshauses ... in ....

2

Wegen der Einzelheiten des Vertrages und eines Ergänzungsvertrages vom 17.4.2006 wird auf die Ablichtungen Blatt 27 bis 30 und 89 bis 92 d.A. Bezug genommen.

3

Eine förmliche Abnahme des Werks erfolgte nicht.

4

Die Parteien streiten um die Richtigkeit und Prüffähigkeit der von den Klägern erstellten Schlussrechnung, um Werklohn für Zusatzleistungen und um das Vorhandensein von Mängeln.

5

Die Kläger stellten unter dem 20.4.2004 ihre Schlussrechnung, die unter Berücksichtigung der geleisteten Teilzahlungen mit einer Restforderung von 319 751,16 € abschloss. Wegen der Einzelheiten der Rechnung wird auf die Ablichtung in dem als Anlage K 28 eingereichten Leitzordner verwiesen. Die Kläger machen aus der von ihnen behaupteten Forderung einen Teilbetrag von 100 000,00 € aus der Rechnungsposition " Planungsarbeiten " geltend.

6

Sie meinen:

7

Die Schlussrechnung entspreche dem durch den Ergänzungsvertrag vom 17.4.2003 vereinbarten Abrechnungsmodus. Die Beklagte sei verpflichtet, die durch Zusatzaufträge entstandenen Mehrkosten, wegen deren Darstellung im einzelnen auf Seite 9 bis 23 der Klagschrift vom 17.8.2004 (Blatt 9 bis 23 der Akten) Bezug genommen wird, zu tragen. Die Beklagte habe das Werk jedenfalls dadurch abgenommen, dass sie anlässlich der Neueröffnung am 3.10.2003 die Leistung des Generalunternehmers gelobt habe. Sie habe auch am 15.10.2003 an der "Vorabnahme" aller einzelnen Gewerke und am 24.10.2003 an einer Begehung teilgenommen. Anlässlich der Begehung sei eine vierseitige Mängelliste erstellt worden. Die Kläger meinen, aus dem Schreiben der Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom 5.11.2003 (Blatt 613 der Akten) sei zu entnehmen, dass die Abnahme spätestens mit Ende des Monats Dezember 2003 hätte erteilt werden können und auch müssen.

8

Die Kläger treten den Mängelbehauptungen der Beklagten, insbesondere dem Vortrag zur Mangelhaftigkeit der Klimaanlage entgegen.

9

Sie beantragen,

  1. die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger 100 000,00 € nebst Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

10

Die Beklagte beantragt,

  1. die Klage abzuweisen.

11

Sie meint, die Abrechnungsweise der Kläger entspreche nicht den vertraglichen Vereinbarungen. Die Werklohnforderung sei nicht fällig, weil eine Abnahme nicht erfolgt sei und das Werk auch nicht abnahmereif sei. Hierzu trägt die Beklagte die Seite 19 bis 23 der Klageerwiderung vom 15.10.2004 dargestellten Mängel mit Ausnahme des zu 1 behaupteten Mangels an den Stützpfeilern vor. Unter Bezugnahme auf ein von ihr eingeholtes Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. ... vom 8.6.2005 (Ablichtung Blatt 503 bis 514 der Akten) behauptet die Beklagte insbesondere eine unzureichende Planung und Auslegung der Klimaanlage. Sie erklärt hilfsweise die Aufrechnung mit den sich aus dem Gutachten des Sachverständigen ... ergebenden Mangelbeseitigungskosten von 199 500,00 €.

12

Die Beklagte erklärt zudem hilfsweise die Aufrechnung mit einer Vertragsstrafe in Höhe von 54 274,61 € wegen Nichteinhaltung der Ausführungsfrist.

13

Sie rechnet weiter auf mit einer Schadensersatzforderung von 70 000,00 €, die sie daraus herleitet, dass die Kläger ihr unzutreffender Weise erklärt hätten, sie könne sich folgenlos aus dem zuvor geschlossenen Vertrag mit der Firma ... lösen. Die Beklagte trägt hierzu ergänzend vor, sie habe sich in einem durch ihre Vertragskündigung ausgelösten Rechtsstreit mit der Firma ... verpflichtet, an diese den genannten Betrag zu zahlen.

14

Das Gericht hat aufgrund der Beschlüsse vom 18.8.2005 (Band III Blatt 545 der Akten) und 23.5.2006 (Band IV Blatt 785 der Akten) Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen ... und die mündliche Erläuterung des Gutachtens. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten vom 11.4.2006 und auf die Vernehmungsniederschrift im Protokoll vom 6.6.2006 (Band IV Blatt 795 der Akten) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

15

Die Klage ist derzeit unbegründet.

16

Der von den Klägern verfolgte Werklohnanspruch ist nicht fällig.

17

Das Gericht versteht die Rechtsverteidigung der Beklagten entsprechend ihrem Vortrag in der Klageerwiderung vom 15.10.2004 trotz des insoweit missverständlichen Vortrags im Schriftsatz vom 16.5.2006 (Band IV Blatt 708 der Akten) dahin, dass sie in erster Linie die fehlende Fälligkeit wegen nicht vorliegender Abnahme bzw. Abnahmereife geltend macht und nur hilfsweise mit den Mängelbeseitigungskosten die Aufrechnung erklärt, so dass noch nicht durch ein wirksames Schadensersatzverlangen ein Saldoverhältnis eingetreten ist. Im übrigen steht einem Schadensersatzanspruch der Beklagten auch entgegen, dass eine Frist zur Mangelbeseitigung ( §§ 634 Nr. 4, 280, 281 Abs. 1 Satz 1 BGB ) insbesondere hinsichtlich der Klimaanlage bislang nicht gesetzt worden ist.

18

Die zur Herbeiführung der Fälligkeit erforderliche Abnahme ( § 641 Abs. 1 BGB ) ist nicht erfolgt; das Werk ist auch nicht abnahmereif.

19

Eine Abnahme entsprechend der Regelung in Ziff. 11.1 des Vertrages vom 21.3.2003 ist unstreitig nicht erfolgt. Die vertragliche Regelung ist jedenfalls insoweit wirksam, insbesondere auch unter dem Gesichtspunkt des AGB-Rechts (vgl. § 309 Nr. 13 BGB) unbedenklich, als dort vereinbart ist, dass die Abnahme förmlich unter Erstellung eines von beiden Vertragsparteien zu unterzeichnenden Protokolls erfolgen muss. Diese Form der Abnahme konnte auch dann wirksam vereinbart werden, wenn das Abbedingen der Abnahmefiktion des § 12 Nr. 5 Abs. 1 und 2 VOB/B dazu führen sollte, dass die VOB/B insgesamt nicht wirksam einbezogen sind.

20

Die Behauptung der Kläger, sich "mehrfach um Abnahme bemüht zu haben", ist ohne Substanz. Ein klares Verlangen nach einer förmlichen Abnahme unter Benennung eines Termins ist auch auf den Hinweis im Beschluss vom 1.9.2005 nicht vorgetragen worden. Soweit die Kläger mit Schriftsatz vom 21.9.2005 (Band III Blatt 611 der Akten) geltend machen, es sei bereits ein Abnahmeprotokoll erstellt worden, ist dies ausweislich des Schreibens der Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom 5.11.2003 (Band III Blatt 613 der Akten) unzutreffend. In jenem Schreiben ist nämlich ausdrücklich vom Entwurf eines Abnahmeprotokolls die Rede. Im Übrigen ist in dem Schreiben angekündigt, dass durch einen Architekten eine exakte Überprüfung durchgeführt werden solle, um zu ermitteln, ob eine vertragsgerechte Erfüllung vorliege und ob Mängel gegeben seien, und dass diese zu aktualisierende Liste Gegenstand des Abnahmeprotokolls sein müsse. Die Auffassung der Kläger, die Abnahme hätte spätestens mit Ende des Monats Dezember 2003 erteilt werden können und auch müssen, ist angesichts der klaren vertraglichen Regelung zu den Abnahmemodalitäten, insbesondere der für die Kläger gegebenen Möglichkeit, gemäß Nr. 11.2 des Vertrages vom 21./22.3.2003 die Abnahme zu verlangen, unzutreffend. Auf das Schreiben der Beklagten vom 24.3.2004 (Band II Blatt 256 der Akten) ist ein weiteres förmliches Abnahmeverlangen nicht gestellt worden. Aus dem Schreiben der Kläger vom 31.3.2004 ergibt sich im übrigen, dass bereits zu diesem Zeitpunkt Mängel an der Klimaanlage gerügt worden waren. Diese Mängel hat die Beklagte mit ihrem Schreiben vom 16.4.2004 (Band II Blatt 261 der Akten) nochmals ausdrücklich gerügt.

21

Auch von einer konkludenten Abnahme durch Ingebrauchnahme ist nicht auszugehen. Dabei mag zunächst unberücksichtigt bleiben, dass eine konkludente Abnahme durch Nr. 11.1 des Generalunternehmervertrags ohnehin ausgeschlossen sein dürfte. Wie soeben ausgeführt, hatte die Beklagte bereits vor Abfassung des Schreibens der Prozessbevollmächtigten der Kläger vom 31.3.2004 (Band II Blatt 258 der Akten) Mängel an der Klimaanlage gerügt. Fertigstellung der Leistungen der Kläger war frühestens im Oktober 2003 erfolgt. Gerade hinsichtlich eines vergleichsweise komplexen Gewerks wie der Klimaanlage ist aber dem Besteller ein angemessener Prüfungszeitraum zuzubilligen. Dies gilt umso mehr, als Mängel an der Klimaanlage sich erfahrungsgemäß erst in der warmen Jahreszeit bemerkbar machen. Dieser Prüfungszeitraum war jedenfalls im Frühjahr 2004 noch nicht verstrichen.

22

Die Kläger haben nicht bewiesen, dass die Klimaanlage mangelfrei wäre. Im Gegenteil steht - ohne dass diese Feststellung für die Entscheidung des Rechtsstreits erforderlich wäre - fest, dass die Klimaanlage erheblich mangelbehaftet ist und die Beseitigung der Mängel hohe Kosten verursachen wird.

23

Der Sachverständige ... hat festgestellt,

  • dass die Klimaanlage für die zu versorgenden Ladenbereiche falsch dimensioniert ist,

  • dass die vorliegenden Kühllasten nicht abgefahren werden können,

  • dass die vorgesehene Solluftmenge nicht erreicht wird,

  • dass die Außenluftansaugung hygienisch unzulässig ist,

  • dass Luftauslässe und Raumfühler falsch platziert wurden,

  • dass die geforderten Mindestaußenluftvolumenströme nicht eingestellt wurden

  • und dass die Dämmung nicht ordnungsgemäß installiert wurde.

24

Der Sachverständige hat in seinem schriftlichen Gutachten die zur Mängelbeseitigung erforderlichen Kosten mit 199 500,00 € geschätzt. Auch unter Berücksichtigung der vom Sachverständigen in der mündlichen Erläuterung des Gutachtens als möglich angesehenen alternativen kostengünstigeren Lösungen und der Tatsache, dass in einigen Positionen ein Anteil an Sowieso-Kosten enthalten ist, wären Kosten in einer Größenordnung anzunehmen, die die vorhandenen Mängel als erheblich und zur Abnahmeverweigerung berechtigend erscheinen lässt. Allein die Kosten für den von den Klägern als Alternativlösung vorgeschlagenen Einbau der 52 Brandschutzventile auf zwei Etagen würden sich nach der Schätzung des Sachverständigen auf (40,00 € × 208 Stunden =) 16 640 € Lohnkosten und auf (700,00 € × 52 =) 36 400,00 € Materialkosten, insgesamt also auf 53 040,00 € belaufen.

25

Das Gericht hat keine Bedenken, den Feststellungen des Sachverständigen zum Vorhandensein der Mängel zu folgen. Hierbei ist zunächst zu berücksichtigen, dass schon der Sachverständige ... in seinem Gutachten vom 8.6.2005 weitestgehend entsprechende Feststellungen zu den Mängeln getroffen hat. Im Übrigen hat der Sachverständige die einzelnen Verstöße bei der Planung und Ausführung der Anlage gegen die einschlägigen Vorschriften durchaus nachvollziehbar und plausibel dargestellt.

26

Allein die von den Klägern hervorgehobene Tatsache, dass der Sachverständige ... sich hinsichtlich der speziellen Fragen für Heizung und Lüftung der Hilfe des in seinem Büro tätigen Dipl.-Ing. ... bedient hat, begründet noch keine durchgreifenden Zweifel an der Sachkunde des Sachverständigen. Hierbei ist auch zu beachten, dass die Kläger selbst weder eine nachvollziehbare Planung für die Klimaanlage vorgelegt haben, die den Sachverständigen in die Lage versetzt hätte, die Umsetzung der Planung in die Ausführung zu überprüfen, noch ihrerseits fundierte fachliche Angriffe gegen das Gutachten haben führen können, soweit der Sachverständige die Anlage als unterdimensioniert erkannt hat. Insbesondere haben die Kläger die Feststellung des Sachverständigen, dass die Leistung der Anlage nur für etwa 70 % der Fläche ausgelegt sei, dass der so genannte "Turm" zu Unrecht nicht in die Planung einbezogen sei und dass die Anlage bereits für den Bereich, in dem die Kühlluftauslässe installiert seien, also außerhalb des "Turms" nicht ausreiche, nicht entkräften können. Dass der Sachverständige und sein Mitarbeiter ... die erforderliche Luftmenge und Kühlleistung nur überschlägig berechnet haben, ist nicht zu beanstanden, da auch nach dieser überschlägigen Berechnung kein vernünftiger Zweifel daran besteht, dass die Anlage den zu stellenden Anforderungen nicht genügt.

27

Eine Erklärungsfrist auf die mündliche Erläuterung des Gutachtens war den Klägern nicht zu bewilligen. Es haben sich in der mündlichen Erläuterung keine Gesichtspunkte ergeben, die nicht bereits Gegenstand des schriftlichen Gutachtens und der von den Klägern hiergegen erhobenen Einwendungen gewesen wären.

28

Der Schriftsatz der Kläger vom 23.06.2006 ist gem. § 296a ZPO nicht zu berücksichtigen, soweit er neuen Tatsachenvortrag enthält. Er hat auch keinen Anlass gegeben, die mündliche Verhandlung erneut zu eröffnen. Die Kläger hatten ausgiebig rechtliches Gehör zum Ergebnis der Beweisaufnahme; die mündliche Verhandlung ist nicht verfrüht geschlossen worden. Soweit die Kläger Seite 4 des Schriftsatzes vom 23.06. 2006 behaupten, der Beklagten sei von Anfang an klar gewesen, dass die Kühlung insbesondere im Turm nicht ausreichend sei; es sei "immer" mit der Beklagten "die Sache" abgesprochen worden; die tatsächliche Umsetzung der Komplettlösung sei dann hauptsächlich an den finanziellen Möglichkeiten der Beklagten gescheitert, ist dieses Vorbringen schon wegen eines fehlenden substantiierten Risikohinweises unerheblich.

29

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.