Landgericht Hildesheim
Urt. v. 11.08.2006, Az.: 7 S 136/06

Bibliographie

Gericht
LG Hildesheim
Datum
11.08.2006
Aktenzeichen
7 S 136/06
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2006, 43315
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGHILDE:2006:0811.7S136.06.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Peine - 12.04.2006 - AZ: 18 C 370/04
nachfolgend
BGH - 23.01.2008 - AZ: VIII ZR 246/06

In dem Rechtsstreit

...

hat die Zivilkammer 7 des Landgerichts Hildesheim durch die ... auf die mündliche Verhandlung vom 28.07.2006

für Recht erkannt:

Tenor:

  1. Die Berufung der Beklagten gegen das am 12.04.2006 verkündete Urteil des Amtsgerichts Peine wird zurückgewiesen.

  2. Die Beklagte hat die Kosten der Berufung zu tragen.

  3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

  4. Die Revision wird zugelassen.

  5. Gebührenstreitwert der Berufung: 773,95 €.

Gründe

1

I.

Gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen.

2

Die Beklagte strebt mit der Berufung die Abänderung des ihr die Zahlung von 773,95 € auferlegenden Urteils des Amtsgerichts Peine und die Abweisung der Klage an. Sie ist der Ansicht, das Amtsgericht habe die Aussagen der Zeugen ... fehlerhaft gewürdigt. Nach deren Angaben habe die Rufanlage deswegen nicht funktioniert, weil die Schwestern des Pflegeheims an deren Einstellung Veränderungen vorgenommen hätten. Nicht dagegen sei hierfür der gelockerte Draht ursächlich gewesen. Diesen habe der Zeuge ... bei Überprüfung der Anlage gelöst und erst danach versehentlich vergessen, den Draht wieder anzuschließen. Im Übrigen hätte die Klägerin aber auch nur dann einen Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte, wenn sie diese willkürlich zur Behebung eines nicht vorhandenen Mangels aufgefordert hätte.

3

Die Beklagte beantragt,

  1. das am 12.04.2006 verkündete Urteil des Amtsgerichts Peine, Aktenzeichen: 18 C 370/04, abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

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Die Klägerin beantragt,

  1. die Berufung zurückzuweisen.

5

Sie verteidigt das angefochtene Urteil des Amtsgerichts.

6

II.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

7

In der Sache hat das Rechtsmittel dagegen keinen Erfolg.

8

Zur Vermeidung von Wiederholungen bezieht sich die Kammer auf die Begründung des angefochtenen Urteils. Das Amtsgericht hat zu Recht festgestellt, dass die Beklagte der Klägerin 773,95 € nebst Zinsen aufgrund der Verletzung nach vertraglicher Nebenpflichten gem. den §§ 280 Abs. 1, 249 ff. BGB zu zahlen hat.

9

Ergänzend ist auf Folgendes hinzuweisen:

10

1.

Die Beklagte hat als Käuferin ihre nachvertragliche Pflicht verletzt, die Klägerin durch ungerechtfertigte Mangelbeseitigungsaufforderungen nicht in ihrem Vermögen zu schädigen (für Werkverträge: OLG Düsseldorf NJW-RR 1999, 746 [OLG Düsseldorf 18.12.1998 - 22 U 148/98]; LG Hamburg NJW-RR 1992, 1301). Als sie mit Schreiben vom 19.08.2003 die Klägerin aufforderte, einen Mangel an der Anlage bis zum 25.08.2003 zu beseitigen, lag ein solcher im Sinne von § 434 BGB nicht vor. Die Inanspruchnahme der Klägerin war damit nicht gerechtfertigt.

11

2.

Die Beklagte hat dies auch zu vertreten, da sie sich nicht gem. § 280 Abs. 1 S. 2 BGB exkulpiert hat. Selbst wenn die Aussage der vom Amtsgericht vernommenen Zeugen so gewürdigt würde, wie die Beklagte dies tut, wäre eine Exkulpation nicht gelungen. Es erschiene nämlich auch fahrlässig, als Fachfirma unter anderem für Elektroanlagenbau sowie für Alarm- und Brandmeldetechnik vor Inanspruchnahme der Klägerin nicht die naheliegende Möglichkeit überprüft zu haben, dass die Benutzer der Anlage, das Personal des Pflegeheims, durch die ihnen mögliche Vornahme von Einstellungen die Fehlfunktion verursacht haben könnten.

12

3.

Soweit das OLG Düsseldorf (a.a.O.) in einem vergleichbaren Fall für ein Werkvertragsverhältnis einen Anspruch abgelehnt hat, weil dieser voraussetze, dass die Rüge willkürlich erhoben werde, ist ein solcher Haftungsmaßstab im Rahmen des § 280 BGB nicht ersichtlich. Insoweit gilt der auch im Übrigen anwendbare Maßstab des § 276 BGB, wonach die Beklagte jede Fahrlässigkeit und Vorsatz unabhängig von der Frage der Willkür zu vertreten hat.

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4.

Auch der Auffassung des Landgerichts Konstanz ( NJW-RR 1997, 722), wonach der Unternehmer die Kosten der Suche nach den Ursachen eines Mangels dann tragen solle, wenn er selbst es für möglich halte, dass der Mangel auf seine Arbeiten zurückzuführen sein könnte, ist nicht zu folgen. Es ist kein Grund erkennbar, warum nur das bloße Für-möglich-Halten einer Verursachung des Mangels die Verpflichtung zur Folge haben soll, eigene Aufwendungen selbst zu tragen. Im Ergebnis hätte dies die Konsequenz, dass ein sich derartigen Untersuchungsmaßnahmen von vornherein verschließender Verkäufer bzw. Werkunternehmer besser gestellt würde, als derjenige, der auf Verlangen seines Vertragspartners Aufwand zur Ermittlung der Mängelursache und ggf. zur Beseitigung eines Fehlers betreibt. Dies würde nicht nur in Praxi zu einem Verhalten führen, bei dem im Zweifel jede Maßnahme zur Mängelermittlung und -beseitigung verweigert würde, sondern würde auch den Haftungsmaßstäben nach §§ 280, 276 BGB nicht entsprechen und im Widerspruch zur allgemeinen Darlegungs- und Beweislastregel stehen.

14

5.

Gerade im Hinblick auf diese allgemeinen Darlegungs- und Beweislastregeln hat der Käufer und Werkunternehmer bei unberechtigter Mängelrüge einen Schadensersatzanspruch gegen seinen Vertragspartner (LG Hamburg, a.a.O.). Wenn nämlich der Verkäufer bzw. der Werkunternehmer nach erfolgter Abnahme die von ihm verlangte Mängelbeseitigung verweigert und sein Vertragspartner vermeintlich bestehende Ansprüche deswegen gerichtlich geltend zu machen gezwungen ist, so trifft den Käufer bzw. Besteller die Darlegungs- und Beweislast sowie das damit verbundene Kostenrisiko der Feststellung, in wessen Verantwortungsbereich ein Mangel fällt. Ist der Mangel nicht vom Verkäufer bzw. Werkunternehmer zu vertreten, hat er diese entstandenen Kosten nicht zu tragen. Würde ihm ein Anspruch für die von ihm getätigten Aufwendungen für eine freiwillige Überprüfung nicht von ihm zu vertretender Mängel versagt werden, so würde er ohne sachlichen Grund schlechter gestellt als im Falle der gerichtlichen Inanspruchnahme.

15

6.

Letztlich steht auch nur die Zubilligung eines Anspruch auf Schadenersatz ohne weitere Einschränkungen mit der Wertung der §§ 439 Abs. 2, 635 Abs. 2 BGB in Einklang. Der Verkäufer bzw. der Werkunternehmer hat danach die zur Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen zu tragen. Dazu gehört auch der Aufwand zum Auffinden der Ursache ( BGH NJW 1991, 1604 [BGH 23.01.1991 - VIII ZR 122/90] zu § 476 BGB a.F.). Ist dagegen ein vom Verkäufer bzw. Werkunternehmer zu vertretender Mangel schon gar nicht gegeben, so sind auch Maßnahmen zur Mängelermittlung und erst Recht zur Mängelbeseitigung nicht erforderlich. Der Verkäufer bzw. Werkunternehmer hätte danach die Aufwendungen gerade nicht zu tragen.

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7.

Der der Klägerin entstandene Schaden beläuft sich auf 773,95 €.

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Die Beklagte hat der Klägerin die von ihr hinsichtlich der Angemessenheit nicht bestrittenen 0,30 €/km für die vom Zeugen K.... unstreitig gefahrenen 424 km zu erstatten.

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Des Weiteren hat die Beklagten die Kosten der vom Mitarbeiter der Klägerin, dem Zeugen ... aufgewandten 6 Arbeitsstunden zu erstatten, wobei der unstreitige Stundenlohn von 90,00 €/Stunde zugrunde zu legen ist. Bei dem Arbeitslohn des Zeugen handelt es sich nicht um solche Kosten, die sowieso anfallen würden. Vielmehr ist der Klägerin durch die Überprüfung der von der Beklagten zu Unrecht gerügten Mängel die Möglichkeit genommen worden, den Zeugen zu diesen Stundensätzen anderweitig einzusetzen. Die Klägerin kann den anderweitig erzielbaren Arbeitslohn des Zeugen als entgangenen Gewinn gem. §§ 249, 252 BGB beanspruchen. Auch sind 6 Arbeitsstunden zu vergüten, da der Zeuge diese Zeit aufgewandt hat und auch aufwenden durfte, um die fehlerfreie Funktion der Anlage zu überprüfen. Nur eine Kontrolle der vorher nicht gegebenen Funktion in den einzelnen Zimmern nach Rückstellung der Anlage auf die Normaleinstellungen konnte sicherstellten, dass die Anlage nunmehr fehlerfrei arbeitet und nicht doch ein zu Gewährleistungsmaßnahmen verpflichtender Mangel gegeben ist.

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Da auch unstreitig ist, dass die angesetzte Mehrwertsteuer anfällt, ergibt sich ein Schaden in Höhe von 773,95 €, der sich wie folgt zusammensetzt:

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III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

23

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

24

IV.

Die Revision war gem. § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO im Hinblick auf die Rechtsprechung des OLG Düsseldorf und des LG Konstanz zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen.