Sozialgericht Osnabrück
v. 06.01.2003, Az.: S 3 KR 208/01

Bibliographie

Gericht
SG Osnabrück
Datum
06.01.2003
Aktenzeichen
S 3 KR 208/01
Entscheidungsform
Gerichtsbescheid
Referenz
WKRS 2003, 40224
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:SGOSNAB:2003:0106.S3KR208.01.0A

In dem Rechtsstreit

...

hat das Sozialgericht Osnabrück - 3. Kammer -

am 6. Januar 2003

gemäß § 105 Sozialgerichtsgesetz (SGG)

durch ...

für Recht erkannt:

Tenor:

  1. Die Klage wird abgewiesen.

    Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt Kostenzusage für einen behindertengerechten Umbau eines Kraftfahrzeuges.

2

Der im Jahre 1997 geborene Kläger leidet an einer spinalen Muskelatrophie. Er ist von der Beklagten mit einem Elektrorollstuhl und einem Therapiedreirad ausgestattet worden.

3

Am 26.07.2001 verordnete der Arzt für Kinderheilkunde Dr. ... dem Kläger eine Auffahrrampe mit Schnellschräggurt und Beckengurt, Airlineschienen und Gurtsystem. Gleichzeitig reichten die Eltern des Klägers einen Kostenvoranschlag über 5218,00 DM für diesen behindertengerechten Autoumbau bei der Beklagten ein.

4

Mit Bescheid vom 21.0S.2001 und Widerspruchsbescheid vom 18.10.2001 lehnte die Beklagte die Kostenübernahme ab. Die Krankenversicherung sei nur zuständig, dem Behinderten einen gewissen körperlichen Freiraum zu erschließen und einen Basisausgleich zu gewährleisten. Das vollständige Gleichziehen mit den letztlich unbegrenzten Mobilitätsmöglichkeiten eines Gesunden falle nicht in den Aufgabenbereich der gesetzlichen Krankenversicherung. Dies gelte insbesondere für die Möglichkeit, ein Auto zu benutzen.

5

Mit der am 16.11.2001 erhobenen Klage machen die Eltern des Klägers geltend, mit dem Elektrorollstuhl habe der Kläger nur einen räumlich beschränkten Wirkungskreis. An seinem Wohnort bestehe keinerlei Nachbarschaft. Dies habe zur Folge, dass der Kläger soziale Kontakte außerhalb seiner Familie nicht aufnehmen könne. Es drohe ihm somit die persönliche und geistige Vereinsamung und damit ein neues zusätzliches psychisches Leiden. Nur durch die Leistung des begehrten Hilfsmittels habe der Kläger die Möglichkeit, sein anerkanntes Grundbedürfnis auf soziale Kontakte zu Gleichaltrigen zu befriedigen.

6

Des weiteren wird darauf verwiesen, dass der Kläger auch zu Arztbesuchen zumutbar nur mit dem umgerüsteten Kraftfahrzeug gelangen könne. Zwar sei grundsätzlich die Beförderung mit Hilfe eines Kindersitzes möglich. Dies verlange aber von der Pflegemutter, den Kläger jeweils anzuheben und in das Innere des Kraftfahrzeuges zu tragen. Hierzu sei die Pflegemutter körperlich nicht mehr in der Lage.

7

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 21.08.2001 und den Widerspruchsbescheid vom 18.10.2001 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, eine Kostenzusage für einen behindertengerechten Umbau des Kraftfahrzeuges abzugeben.

8

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

9

Sie ist der Ansicht, zur Ermöglichung von Autofahrten sei die gesetzliche Krankenversicherung nicht zuständig. Hier handele es sich um eine soziale Eingliederung, für die das Sozialamt die Verantwortung trage.

10

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf Gerichtsakte und die beigezogene Kassenakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

11

Die Klage ist form- und fristgerecht erhoben und daher zulässig. In der Sache konnte sie jedoch keinen Erfolg haben, da dem Kläger kein Anspruch auf Kostenzusage für die Umrüstung des elterlichen Kraftfahrzeuges zusteht.

12

Nach § 33 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V) haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit orthopädischen oder anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen sind.

13

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes umfaßt dieser Ausgleich der Behinderung aber nur einen Basisausgleich und nicht einen Ausgleich der Behinderung in jeder Lebenslage. Auch das Hamburgische Oberverwaltungsgericht hat in einem Beschluß vom 31.05.2001 Az.: 4 Bf 319/00 (es ging um einen Erstattungsanspruch des Sozialamtes gegen die Krankenkasse) folgendes ausgeführt: "Soweit ein Behinderter mit Familienangehörigen in häuslicher Gemeinschaft lebt und diese ein Kraftfahrzeug besitzen - was nicht in jedem Fall anzunehmen ist, da der Besitz eines Autos nicht existenznotwendig ist auch sonst Gründe gegen eine Kraftfahrzeugnutzung in der Familie sprechen können - ,und diese Personen den Wunsch haben, das behinderte Familienmitglied bei bestimmten Fahrten mit dem Auto mitzunehmen (etwa im Zusammenhang mit Besuchen, Freizeitaktivitäten o.a. außerhäusigen Anlässen) folgt daraus kein sachlicher Grund für die Annahme, die mitfahrende "Kraftfahrzeugnutzung" müsse dem Behinderten durch eine Maßnahme der medizinischen Rehabilitation (Übernahme der Kosten der Fahrzeugumrüstung) ermöglicht werden. Der Kläger hält dem Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang zu Unrecht entgegen, es habe bei seiner Entscheidung einseitig auf die Ausweitung nur der räumlichen Bewegungsfreiheit abgestellt und nicht - im Wege einer "Gesamtbetrachtung" - berücksichtigt, dass durch die Fahrzeugumrüstung auch dem Bedürfnis dem Hilfeempfängers Rechnung zu tragen sei, an den täglichen Aktivitäten ihrer Familie teilzunehmen und dass dem Hilfeempfänger anderenfalls "soziale Isolation" drohe. Dieser Vortrag mag dafür geeignet sein, eine Maßnahme der sozialen Rehabilitation zu rechtfertigen (vgl. insoweit § 29 Abs. 1 Nr. 3 des Ersten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB I) (Leistungen der allgemeinen sozialen Eingliederung, insbesondere Hilfe zur Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft und § 9 Abs. 2 Nr. 11 Verordnung zu § 47 BSHG) Hilfsmittel für Behinderte, u.a. Zusatzgeräte zur Nutzung eines Kraftfahrzeuges )) Dieser weitere Zweck, der im übrigen auf diejenigen außerhäusigen Aktivitäten der Familien begrenzt ist, die notwendig mit einer Kraftfahrzeugnutzung verbunden sind, kann aus den o.g. Gründen aber nicht zur Verpflichtung der gesetzlichen Krankenversicherung führen, die Kosten für die behindertengerechte Fahrzeugumrüstung als Maßnahme der medizinischen Rehabilitation nach § 11 Abs. 1 Nr. 4, § 33 Abs. 1 SGB V zu übernehmen."

14

Die erkennende Kammer hat schon immer die Ansicht vertreten, eine Umrüstung eines Kraftfahrzeuges falle nicht in den Zuständigkeitsbereich der gesetzlichen Krankenversicherung, sondern falle grundsätzlich in den Zuständigkeitsbereich des Sozialhilfeträgers. Inzwischen hat das Bundessozialgericht mit Urteil vom 11.04.2002 Az.: B 3 P 10/01 ausgeführt, dass ein schwenkbarer Beifahrersitz (und damit eine Umrüstung des Kraftfahrzeuges) nicht in den Zuständigkeitsbereich der gesetzlichen Pflegeversicherung falle. Gleichzeitig wird in dem Urteil darauf hingewiesen, dass nach der Rechtsprechung des Senates auch die gesetzliche Krankenversicherung für diese Kosten nicht zuständig ist (ebenso! Urteil des Landessozialgerichtes Niedersachsen vom 22.03.2000 Az.: L 4 KR 59/99).

15

Soweit im vorliegenden Rechtsstreit geltend gemacht wird, die Mutter des Klägers sei körperlich nicht mehr in der Lage, diesen mit dem eigenen PKW zu Arztbesuchen zu transportieren, so mag dies zutreffend sein. Gleiches gilt aber auch für Versicherte, deren Angehörige keinen PKW besitzen. Es muß in jedem Fall dann entweder ein Behindertentransport in Anspruch genommen werden oder eine Fahrt mit dem Taxi wird erforderlich. Deren Kosten sind dann im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen von der gesetzlichen Krankenversicherung zu übernehmen.

16

Nach allem konnte die Klage keinen Erfolg haben.

17

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).