Sozialgericht Osnabrück
v. 22.07.2003, Az.: S 3 KR 143/99
Bibliographie
- Gericht
- SG Osnabrück
- Datum
- 22.07.2003
- Aktenzeichen
- S 3 KR 143/99
- Entscheidungsform
- Gerichtsbescheid
- Referenz
- WKRS 2003, 40229
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:SGOSNAB:2003:0722.S3KR143.99.0A
Tenor:
- 1.
Die Klage wird abgewiesen.
- 2.
Kosten sind nicht zu erstatten.
TATBESTAND
Die Klägerin begehrt die Kostenerstattung für eine Tomatis-Therapie.
Die im Jahre 1992 geborene Klägerin litt an einer ausgeprägten Sprachentwicklungsstörung sowie einer erheblichen psychomotorischen Teilleistungsstörung. Aus diesem Grunde befand sie sich seit März 1997 in logopädischer Behandlung sowie seit Februar 1998 in ergotherapeutischer Behandlung. Die Untersuchungen und Behandlungen erbrachten keinen richtungsweisenden organpathologischen Befund. Hauptursache der angesprochenen Symptomatik sollte dann eine zentrale Hörverarbeitungsstörung mit auditiver Wahrnehmungsstörung sein.
Da die Einschulung der Klägerin in eine Regelschule gefährdet war, wurde während der Zeit vom 12. Oktober 1998 bis 03. Dezember 1998 92 Therapiesitzungen nach der Tomatis-Methode von Anne von Senfft, Inhaberin des Tomatis-Instituts für Audio-Psycho-Phonologie in Bad R., durchgeführt. Das Tomatis-Institut steht in keinerlei vertraglichen Beziehungen zur Beklagten. Frau ... S. ist ausgebildete Physiotherapeutin. Die Ausbildung als Tomatis-Therapeutin ist nicht gesetzlich geregelt.
Am 28. Dezember 1998 beantragte der Vater der Klägerin bei der Beklagten die Kostenübernahme und fügte eine von ihm selbst als praktischem Arzt ausgestellte ärztliche Bescheinigung über die Notwendigkeit und Wirksamkeit der Tomatis-Therapie bei. Nach Anhörung des Medizinischen Dienstes lehnte die Beklagte die Kostenübernahme mit Bescheid vom 23. März 1999 und Widerspruchsbescheid vom 29. Juli 1999 ab. Bei der Tomatis-Therapie handele es sich nicht um eine wissenschaftlich allgemein anerkannte Behandlungsmethode. Es handele sich vielmehr um eine pädagogische Maßnahme, die weder als ärztliche Leistung nach den geltenden Gebührenordnungen abzurechnen noch verordnungsfähig sei.
Mit der am 26. August 1999 erhobenen Klage wird für die Klägerin geltend gemacht, bei der Tomatis-Therapie handele es sich um eine allgemein anerkannte Behandlungsmethode. Zum Nachweis werden eine Reihe von Aufsätzen und Stellungnahmen von Ärzten beigefügt. Bei der Klägerin habe diese Behandlung auch zu einem erheblichen Erfolg geführt, so dass sie nunmehr schulfähig geworden sei.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 23. März 1999 und den Widerspruchsbescheid vom 29. Juli 1999 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Kosten der Tomatis-Therapie in Höhe von 3.680,00 DM zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie beruft sich auf ihr Vorbringen im Widerspruchsbescheid und macht weiterhin geltend, die Klägerin habe vor der Behandlung keinen Antrag auf Kostenübernahme bei der Beklagten gestellt.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Kassenakte der Beklagten Bezug genommen.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE
Die Klage ist form- und fristgerecht erhoben und daher zulässig. In der Sache konnte sie jedoch keinen Erfolg haben, da der Klägerin kein Anspruch auf Kostenerstattung für die Tomatis-Therapie gegen die Beklagte zusteht.
Nach §138 SGB V dürfen die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte neue Heilmittel nur verordnen, wenn der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen zuvor ihren therapeutischen Nutzen anerkannt und in den Richtlinien nach §92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 Empfehlungen für die Sicherung der Qualität bei der Leistungserbringung abgegeben hat. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
Ferner bestimmt §2 Abs. 1 Satz 3 SGB V, dass Qualität und Wirksamkeit der Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen haben.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts entspricht eine Leistung aber nur dann dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse, wenn sie von der ganz überwiegenden Mehrheit der einschlägigen Fachleute als wirksam und nützlich anerkannt wird und nur wenige Gegenstimmen existieren. Dies ist bei der Tomatis-Therapie zweifellos nicht der Fall. Sie hat zwar Befürworter, jedoch wird sie keineswegs von der ganz überwiegenden Mehrzahl aller Ärzte der entsprechenden Fachrichtung als wissenschaftliche Methode anerkannt.
Im vorliegenden Verfahren scheitert die Klage aber auch daran, dass vor Beginn der Behandlung keine förmliche Verordnung ausgestellt worden ist. Die nachträgliche Bescheinigung durch den Vater (als Arzt) stellt keine Verordnung dar. Der Anspruch scheitert weiterhin daran, dass das Tomatis-Institut in keinerlei vertraglichen Beziehungen zur Beklagten steht (§124 Abs. 1 SGB V). Auch scheitert der Anspruch daran, dass Frau ... S. keine staatlich anerkannte Ausbildung für die Tomatis-Therapie besitzt.
Letztlich scheitert der Anspruch auch daran, dass die Eltern der Klägerin nicht vor der Behandlung einen Antrag bei der Beklagten gestellt haben. Auch in den Fällen, in denen ausnahmsweise die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme einer Leistung außerhalb des vertragsärztlichen Systems vorliegen, ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ein vorheriger Antrag bei der Krankenkasse zu stellen und nicht nachträglich erstmals Kostenerstattung zu beantragen (vgl. Urteil des BSG vom 18. Januar 1996, Az. 1 RK 8/95, und Beschluss des BSG vom 15. April 1997, Az. 1 BK 31/06).
Nach allem konnte die Klage keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung folgt aus §193 SGG.