Sozialgericht Osnabrück
Urt. v. 28.03.2003, Az.: S 13 KR 112/98
Bibliographie
- Gericht
- SG Osnabrück
- Datum
- 28.03.2003
- Aktenzeichen
- S 13 KR 112/98
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 40231
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:SGOSNAB:2003:0328.S13KR112.98.0A
In dem Rechtsstreit
...
hat das Sozialgericht Osnabrück - 13. Kammer - auf die mündliche Verhandlung
vom 28. März 2003 durch den Vorsitzenden,
den Richter am Sozialgericht Löhrmann,
den ehrenamtlichen Richter Herr Dehne,
den ehrenamtlichen Richter Herr Finke,
für Recht erkannt:
Tenor:
- 1.
Die Klage wird abgewiesen.
- 2.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin für den bei ihr ehemals beschäftigten ... G.... Gesamtsozialversicherungsbeiträge nachzuentrichten hat.
Herr G.... war bei der Klägerin mit Arbeitsvertrag vom 11. Juni 1992 als Außendienstmitarbeiter eingestellt worden und war seit Anfang 1994 bei einer Tochtergesellschaft der Klägerin in Ungarn mit einem Bruttomonatsgehalt von 6 500,- DM beschäftigt gewesen. Nach einer Betriebszugehörigkeit von ca. 4 Jahren und 4 Monaten kündigte die Klägerin das Arbeitsverhältnis mit Herrn G.... durch Schreiben vom 05. Oktober 1994 fristlos wegen dessen Gründung (bzw. Mitbegründung) einer eigenen Firma mit angeblich identischem Geschäftsgegenstand.
In dem sich anschließenden Kündigungsschutzprozess - 2 Ca 1335/94- schlössen die Parteien der arbeitsgerichtlichen Auseinandersetzung vor dem Arbeitsgericht Lingen nach richterlichem Hinweis, es sei fraglich, ob durch die Gründung der eigenen Firma ein Gefährdungspotential für die fristlose Kündigung ausreichend sei oder ob diesbezüglich eine tatsächliche Konkurrenzsituation eingetreten sein müsse, am 04. April 1995 folgenden Vergleich:
"1. Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien hat aufgrund ordentlicher Kündigung der Beklagten vom 05.10.1994 mit Ablauf des 28.02.1995 geendet.
2. Die Beklagte erstattet die Leistungen des Arbeitsamtes für die Monate Januar und Februar 1995.
3. Zum Ausgleich für den Vertust des Arbeitsplatzes zahlt die Beklagte an den Kläger eine Abfindung in entsprechender Anwendung der §§ 9, 10 KSchG, 3 Ziffer 9 EStG in Höhe von 25 000,00 DM (i.W.: Fünfundzwanzigtausend Deutsche Mark 00 Dpf.), wobei die diesbezügliche Steuerpflicht von dem Kläger zu tragen ist.
4. Die Beklagte erteilt dem Kläger ein qualifiziertes Zeugnis.
5. Mit Erfüllung der obigen Ziffern dieses Vergleiches sind sämtliche wechselseitigen Ansprüche der Parteien abgegolten."
Mit Grundbescheid vom 02. November 1995 sowie Beitragsbescheiden vom selben Tage forderte die Beklagte alsdann von der Klägerin für den Zeitraum vom 06. Oktober 1994 bis zum 31. Dezember 1994 sowie vom 01. Januar 1995 bis zum 28. Februar 1995 unter Abzug der an die Beigeladene zu 2) bereits geleisteten Beiträge (in Gesamthöhe von 7 346,46 DM) Gesamtsozialversicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt 8 606,10 DM nach, weil aus dem Vergleich hervorgehe, dass das Beschäftigungsverhältnis des Herrn G.... bis zum 28. Februar 1995 fortgedauert und dieser folglich bis zu jenem Zeitpunkt Arbeitsentgelt bezogen habe.
Den gegen diese Bescheide erhobenen Widerspruch, mit dem die Klägerin geltend machte, dass es sich bei den von ihr getätigten Leistungen an ihren ehemaligen Arbeitnehmer nicht um Arbeitsentgelt, sondern um eine Abfindung gehandelt habe, wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten durch Widerspruchsbescheid vom 07. Juli 1998 zurück.
Gegen diese Bescheide richtet sich die am 29. Juli 1998 vor dem erkennenden Gericht erhobene Klage, mit der die Klägerin ihre im Vorverfahren vertretene Rechtsauffassung aufrecht erhält.
Das Gericht hat durch Beschluss vom 22. März 1999
- 1.
die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte
- 2.
die Bundesanstalt für Arbeit
gemäß §§ 75 Abs. 2, 106 Abs. 3 Nr. 6 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zu dem Verfahren beigeladen.
Die Klägerin beantragt,
die Bescheide der Beklagten vom 02. November 1995 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 07. Juli 1998 aufzuheben.
Die Beklagte sowie die Beigeladene zu 2) beantragen jeweils,
die Klage abzuweisen.
Sie halten die angefochtenen Bescheide für zutreffend.
Die Beigeladene zu 1) hat unter dem 20. Juli 1999 schriftsätzlich erklärt, dass sie sich dem Vorbringen sowie dem Antrag der Beklagten anschließe.
Außer den Gerichtsakten haben der Kammer die die Klägerin betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten vorgelegen. Sie sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung gewesen. Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten und Beiakten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist form- und fristgerecht erhoben worden und auch ansonsten zulässig.
Sie ist jedoch nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide halten einer gerichtlichen Oberprüfung stand und waren demgemäß zu bestätigen. Zutreffend ist die Beklagte in dem angegriffenen Grundbescheid vom 02. November 1995 davon ausgegangen, dass für den ehemaligen Arbeitnehmer der Klägerin, ... G...., in dem zur Debatte stehendem Zeitraum zwischen dem 06. Oktober 1994 bis zum 28. Februar 1995 noch Beiträge zur Sozialversicherung auf der Basis eines "erzielten" Bruttomonatsverdiensts von 6 500,- DM nachzuentrichten sind, und sie hat die (der Höhe nach unstreitigen) Beträge durch die Beitragsbescheide vom selben Tage für die Jahre 1994 sowie 1995 korrekt festgesetzt.
Den in § 28d des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) legaldefinierten Gesamtsozialversicherungsbeitrag hat die Klägerin als Arbeitgeberin gemäß § 28e SGB IV nachzuentrichten, weil nämlich in dem zur Debatte stehenden Zeitraum ein sozialversicherungspflichtigtes Beschäftigungsverhältnis im Sinne von § 7 SGB IV fortbestand. Dieses erlischt nicht mit dem Ende der tatsächlichen Beschäftigung des Versicherten, sondern besteht soweit ein Kündigungsschutzprozess erfolgt hat - bis zu dem vom Gericht oder im Vergleich festgesetzten späteren Ende des Arbeitsverhältnisses fort (Bundessozialgericht BSG -, Urteil vom 21. Februar 1990 - 12 RK 65/87 - = USK 9016 = BB 1990, Seite 1704 ff. unter Hinweis auf BSGE 52, 152, 155 f.; Landessozialgericht - LSG - Niedersachsen , Urteil vom 16. Juni 1999 - L 4 KR 49/97 - ); denn eine Kündigungsschutzklage enthält begrifflich die Bereitschaft des Arbeitnehmers zur Erbringung der von ihm geschuldeten Arbeitsleistung. Sofern der Arbeitgeber diese nicht akzeptiert, befindet er sich in Annahmeverzug.
Für den klägerischen Standpunkt könnte ausschließlich die in dem vor dem Arbeitsgericht Lingen geschlossenen Vergleich vom 04. April 1995 unter Ziffer 3) gewählte Formulierung sprechen, wonach eine "Abfindung" "zum Ausgleich für den Vertust des Arbeitsplatzes" gezahlt werde; hieraus könnte abzuleiten sein, dass die Zahlung zur Wahrung des sozialen Besitzstandes erfolgt sei.
Eine derartige Deutung läßt sich indessen - wie die Beklagte zu Recht und mit überzeugender Begründung entschieden hat - mit den Gesamtumständen des zur Debatte stehenden Sachverhalts und mit den übrigen Vergleichsbestimmungen nicht in Kongruenz bringen. Denn in dem selben Vergleich wird unter Ziffer 1) deklariert, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien ... G.... M.... GmbH aufgrund ordentlicher Kündigung der Beklagten vom 05. Oktober 1994 (erst) mit Ablauf des 28. Februar 1995 geendet hat.
Überdies ist zu konstatieren, dass der Arbeitnehmer G.... bereits am 01. März 1995 - mithin ohne zeitliche Zäsur - ein neues Arbeitsverhältnis bei der Firma G.... GmbH & Co. KG in S.... eingegangen war; dementsprechend war eine Entschädigung als Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes für die Zeit nach der vergleichsweise auf den 28. Februar 1995 fixierten Beendigung des Arbeitsverhältnisses objektiv nicht vonnöten.
Somit hatte der Arbeitnehmer ... G.... gegen die hiesige Klägerin aufgrund des de jure - fortbestehenden Arbeitsverhältnisses bis zum vorgenannten Zeitpunkt ein Anspruch auf Fortzahlung des Bruttomonatsverdiensts in Höhe von 6 500,- DM (also unter Der Klage war nach alledem der Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.