Verwaltungsgericht Oldenburg
Beschl. v. 22.07.2008, Az.: 11 B 2007/08

Grenzübertrittsbescheinigung; Duldung; Ausreisefrist, Verlängerung der Kamerun; Gelbfieberimpfung

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
22.07.2008
Aktenzeichen
11 B 2007/08
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2008, 46018
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGOLDBG:2008:0722.11B2007.08.0A

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Ein Antrag auf Verlängerung der Grenzübertrittsbescheinigung ist auszulegen als Antrag auf Erteilung einer Duldung und Antrag auf Verlängerung der Ausreisefrist.

  2. 2.

    Eine fehlende Gelbfieberimpfung ist für kamerunische Staatsangehörige kein Hindernis für die (Wieder-) Einreise in ihr Heimatland.

Gründe

1

Das Begehren des Antragstellers ist entgegen der Formulierung des Antrages bei verständiger Würdigung (§§ 122, 88 VwGO) dahingehend auszulegen, dass die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung nicht zur Verlängerung einer Grenzübertrittsbescheinigung, sondern vielmehr zur Erteilung einer Duldung und Verlängerung der Ausreisefrist bis zum 28. Juli 2008 verpflichtet werden soll. Das tatsächliche Begehren des Antragstellers ist es nämlich, bis einschließlich den 28. Juli 2008 in der Bundesrepublik Deutschland verbleiben zu können und erst an diesem Tage (freiwillig) auszureisen. Bei der Grenzübertrittsbescheinigung handelt es sich jedoch lediglich um einen Nachweis in der Form eines amtlichen Vordrucks über die freiwillige Ausreise des Ausländers innerhalb der Ausreisefrist ohne eigenen Regelungsgehalt. Sie ist weder ein Aufenthaltstitel noch eine Duldung und ersetzt auch keine Duldung (Nr. 50.4.1.2 der vorläufigen Niedersächsischen Verwaltungsvorschriften zum Aufenthaltsgesetz - Vorl.Nds.VV-AufenthG - vom 30. Juni 2007).

2

Dieses nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO zu beurteilende Begehren des Antragstellers ist nicht begründet.

3

Soweit der Antragsteller die Erteilung einer Duldung nach § 60a Abs. 2 AufenthG begehrt fehlt es an einem Anordnungsanspruch, d.h. bei der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur möglichen summarischen Prüfung an einem materiellen Anspruch auf Erteilung einer Duldung.

4

Gemäß § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG ist die Abschiebung eines Ausländers auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. In einem solchen Fall besteht ein Anspruch auf Erteilung einer Duldung. Die Voraussetzungen des § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG sind hier jedoch nicht erfüllt. Die Abschiebung ist weder aus tatsächlichen noch aus rechtlichen Gründen unmöglich.

5

Der Antragsteller hat hierzu vorgetragen, seine Ausreise aus Deutschland sei aus mehreren Gründen nicht vor dem 28. Juli 2008 möglich. Zum einen habe er an dem Tag, an dem er seinen Heimflug gebucht habe (6. Juni 2008), einen Flug nach Kamerun vor dem 28. Juli 2008 nicht buchen können. Dies sei zum damaligen Zeitpunkt der zeitigste erhältliche Rückflug gewesen. Soweit es sich nunmehr im Nachhinein herausgestellt habe, dass es doch frühere Flüge nach Kamerun gegeben habe, sei ihm eine Umbuchung auf einen früheren Flug wegen der damit verbundenen hohen Stornierungskosten nicht zuzumuten.

6

Zum anderen sei eine Ausreise zum von der Antragsgegnerin vorgegeben Termin am 11. Juli 2008 aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich gewesen. Nach Informationen seiner Hausärztin Dr. med. D. sei für die Einreise nach Kamerun zwingend eine Gelbfieberimpfung erforderlich. Dies ergebe sich auch aus den Reiseinformationen des Auswärtigen Amtes. Die Impfung gegen Gelbfieber habe er zum 11. Juli 2008 erhalten können. Seine Hausärztin habe ihm davon abgeraten, die Impfung vor den Klausurenterminen vom 25. Juni bis 10. Juli 2008 durchführen zu lassen, da diese Impfung Nebenwirkungen haben könne, die seine Leistungsfähigkeit bei den Klausuren negativ beeinflussen könne. Nach den Klausuren habe ein ausreichender Impfschutz bis zum 11. Juli 2008 nicht bestanden, da die Impfung gegen Gelbfieber erst nach zehn Tagen Wirkung entfalte.

7

Beide Vorbringen begründen keine tatsächliche Unmöglichkeit der Ausreise vor dem 28. Juli 2008.

8

Aus den Verwaltungsvorgängen der Antragsgegnerin ergibt sich zweifelsfrei, dass Flüge von Deutschland nach Kamerun auch am 11. Juli 2008 stattgefunden haben (vgl. Bl. 138 der Beiakte "A"). Auch in der Zeit vom 11. Juli 2008 bis zum - nach dem Vortrag des Antragstellers - frühesten Ausreisetermin am 28. Juli 2008 haben nach den in den Verwaltungsvorgängen niedergelegten Nachforschungen der Antragsgegnerin entsprechende Flüge stattgefunden bzw. finden statt (vgl. Bl. 167 bis 181 der Beiakte "A"). Es hat sich auch durch die Internetrecherche des Gerichts bestätigt, dass Flüge nach Kamerun in großer Anzahl täglich von verschiedenen deutschen Flughäfen (insbesondere Frankfurt/Main) stattfinden. Soweit der Antragsteller vorträgt, eine Umbuchung sei ihm wegen der hohen Stornierungskosten nicht zumutbar, vermag er hiermit nicht durchzudringen, denn das Erfordernis der Umbuchung ist auf sein eigenes Verhalten zurückzuführen. Sein Vortrag, er habe am Tag der Buchung (6. Juni 2008) keinen anderen Flug finden können, überzeugt nicht. In der eidesstattlichen Versicherung der Verlobten des Antragstellers vom 11. Juli heißt es bezeichnenderweise auch nur, ein anderer Flug (als der am 28. Juli 2008) nach Kamerun sei "bei dieser Fluggesellschaft" nicht möglich gewesen. Sollte dies tatsächlich zutreffend gewesen sein, so wäre der Antragsteller verpflichtet gewesen, sich auch über Flüge bei anderen Fluggesellschaften zu informieren.

9

Auch die fehlende Gelbfieberimpfung begründet kein tatsächliches Abschiebungshindernis. Nach Auskunft des für die Durchführung von Abschiebungen zuständigen Landeskriminalamtes (LKA) Niedersachsen ist eine wirksame Gelbfieberimpfung für kamerunische Staatsangehörige keine Voraussetzung für deren Einreise nach Kamerun (Vermerk der Antragsgegnerin in der Beiakte "A", Blatt 182). Vielmehr besteht bei in Kamerun geborenen Kindern bereits von Geburt an eine Grundimmunisierung gegen Gelbfieber und Hepatitis A und B. Zudem sei nach Auskunft der Bundespolizei in den letzten 15 Jahren keine einzige Abschiebung an einer fehlenden Impfung gescheitert. In keinem Fall sei ein Erwachsener geimpft worden (Vermerk der Antragsgegnerin in der Beiakte "A", Blatt 182).

10

Diesen Auskünften steht auch nicht der Vortrag des Antragstellers entgegen, aus den Reisehinweisen des Auswärtigen Amtes für Kamerun ergebe sich, dass Voraussetzung für die Einreise nach Kamerun eine wirksame Gelbfieberimpfung ist. Diese Reisehinweise richten sich ersichtlich an (deutsche) Reisende, die nach Kamerun reisen wollen. Eine allgemeine Impfpflicht auch für kamerunische Staatsangehörige wird dort hingegen nicht konstatiert.

11

Hinzu kommt im vorliegenden Fall noch, dass der Antragsteller sich auf den Duldungsgrund einer tatsächlich unmöglichen Abschiebung voraussichtlich ohnehin nicht berufen könnte. Hiervon ist nämlich ausgeschlossen, wer in zumutbarer Weise die Möglichkeit einer freiwilligen Heimreise hat und diese Möglichkeit in vorwerfbarer Weise nicht wahrnimmt. Das Gleiche gilt, wenn etwaige Hindernisse durch zumutbare eigene Anstrengungen beseitigt werden können (Funke-Kaiser, in: Gemeinschaftskommentar zum Aufenthaltsgesetz - GK-AufenthG -, Stand: April 2008, § 60a AufenthG, Rn. 221). Die beiden geltend gemachten Ausreisehindernisse sind allein auf das Verhalten des Antragstellers zurückzuführen. Es lag eindeutig in seiner Verantwortung, sich rechtzeitig um die Organisation seiner Ausreise zu bemühen. Die beiden vermeintlichen Hindernisse (Buchung eines späteren Fluges/Umbuchungskosten, fehlende Impfung) hätte der Antragsteller im Vorfeld ohne weiteres durch zumutbare eigene Anstrengungen beseitigen bzw. vermeiden können.

12

Soweit der Antragsteller eine Verlängerung der Ausreisefrist begehrt, ist aus Sicht der Kammer bereits zweifelhaft, ob ein solcher Anspruch überhaupt selbständig bestehen kann. Nach der überzeugenden Auffassung des Bayrischen Verwaltungsgerichtshofes (vgl. Beschluss vom 19. November 2002, - 10 CE 02.2909 - <juris>) kann die Vollstreckung der Ausreisepflicht nur durch eine Aussetzung der Abschiebung (Duldung), nicht aber durch die bloße Verlängerung der Ausreisefrist (vorübergehend) gehindert werden, da es sich bei der Legalisierung des Aufenthaltes durch die bloße Verlängerung der Ausreisefrist mangels gesetzlicher Regelung nicht um ein rechtlich zulässiges Rechtsinstitut handele.

13

Letztlich kann es jedoch dahingestellt bleiben, ob ein eigenständiger Anspruch auf Verlängerung der Ausreisefrist überhaupt geltend gemacht werden kann, da der Antragsteller einen hierauf gerichteten Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht hat.

14

Die Entscheidung der Antragstellerin, die Ausreisefrist nicht zu verlängern, ist rechtlich nicht zu beanstanden.

15

Über eine Verlängerung der Ausreisefrist entscheidet die Ausländerbehörde nach pflichtgemäßem Ermessen (GK-AufenthG, aaO, § 50 AufenthG, Rn. 36), welches nur einem eingeschränkten gerichtlichen Prüfungsumfang unterliegt (§ 114 VwGO). Nach der Überzeugung des Gerichts ist die Antragsgegnerin in ermessensfehlerfreier Weise zu der Entscheidung gelangt, die Ausreisefrist nicht bis zum 28. Juli 2008 zu verlängern.

16

Bei Bestimmung der Ausreisefrist sind neben dem öffentlichen Interesse an einer möglichst baldigen Ausreise des Ausländers vor allem dessen Belange zu berücksichtigen, die sich aus Art und Dauer seines Aufenthalts ergeben (Renner, Ausländerrecht, 8. Auflage 2005, § 50 AufenthG, Rn. 10). Die gleichen Aspekte gilt es auch bei der Verlängerungsentscheidung zu berücksichtigen. Dies hat die Antragsgegnerin bei ihrer Entscheidung getan.

17

Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller bei dessen Vorsprache am 23. Mai 2008 eine Ausreisefrist bis zum 11. Juli 2008 gewährt. Diese Ausreisefrist war aller Voraussicht nach ausreichend bemessen, so dass auch kein Grund vorlag, diese weiter zu verlängern. Für den Regelfall der Ausreisepflicht nach rechtmäßigem Aufenthalt ist eine Frist von wenigstens einem Monat erforderlich, aber auch ausreichend (Renner, aaO, Rn. 10). Der Antragsteller hat sich zum Zeitpunkt der Vorsprache bei der Antragsgegnerin bereits seit nahezu drei Jahren illegal in der Bundesrepublik Deutschland aufgehalten und war somit vollziehbar ausreisepflichtig. Dies war ihm auch bewusst. Damit war dem Antragsteller grundsätzlich auch eine deutlich kürzere Ausreisefrist (als einen Monat) zumutbar. Gleichwohl hat die Antragsgegnerin dem Antragsteller unter Berücksichtigung der von ihm geltend gemachten persönlichen Belange (Teilnahme an den Klausuren) eine Ausreisefrist bis zum 11. Juli 2008 eingeräumt. Damit sind die persönlichen Belange des Antragstellers ausreichend gewürdigt worden.

18

Die bei der erneuten Vorsprache am 10. Juni 2008 vorgebrachten Gründe, die aus Sicht des Antragstellers eine Verlängerung der Ausreisefrist begründen sollen, greifen nicht durch. Der Antragsteller hat hier vorgetragen, er könne nicht vor dem 28. Juli 2008 ausreisen, da er die für die Einreise nach Kamerun notwendige Impfung gegen Gelbfieber noch nicht erhalten habe. Er habe zudem bereits einen Flug für den 28. Juli 2008 gebucht. Eine Umbuchung auf einen früheren Flug sei ihm wegen der hohen Stornierungskosten nicht zumutbar. Wie bereits ausgeführt, standen diese Vorbringen einer rechtzeitigen Ausreise nicht entgegen und sind zudem selbst verschuldet.

19

Die von der Antragsgegnerin in dem Schriftsatz vom 18. Juli 2008 dargelegten Ermessenserwägungen sind nicht zu beanstanden.

20

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs. 1 GKG.