Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 02.09.2009, Az.: 7 K 2/07
Telefonkosten eines Soldaten während eines Einsatzes auf See als Werbungskosten
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 02.09.2009
- Aktenzeichen
- 7 K 2/07
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2009, 31904
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2009:0902.7K2.07.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BFH - 05.07.2012 - AZ: VI R 50/10
Rechtsgrundlage
- § 9 Abs. 1 S. 1 EStG
Fundstellen
- DStR 2010, 6
- DStRE 2010, 853-854
- EFG 2010, 706
- LGP 2010, 73
- WISO-SteuerBrief 2010, 3-4
Verfahrensgegenstand
Einkommensteuer 2004
Telefonkosten eines Soldaten auf Dienstreise mit über 1-wöchiger Abwesenheit sind als Werbungskosten abzugsfähig.
Tatbestand
Streitig ist (noch), ob Telefonkosten des Klägers während seines Einsatzes auf See als Werbungskosten abzuziehen sind.
Der Kläger ist Soldat bei der Marine. Im Streitjahr war er auf der Fregatte ... eingesetzt. Hierfür machte er in seiner Einkommensteuererklärung (neben weiteren, den Arbeitnehmer-Pauschbetrag übersteigenden Aufwendungen) Verpflegungsmehraufwendungen nach Dienstreisegrundsätzen in Höhe von EUR 1....,.. als Werbungskosten geltend. Im Einkommensteuerbescheid vom ... erkannte das Finanzamt (FA) diese Aufwendungen nicht an. Mehraufwendungen für Verpflegung während der Tätigkeit an Bord eines Schiffes seien nicht zu berücksichtigen, da sie durch eine steuerfrei gezahlte Aufwandsentschädigung abgegolten seien.
Die übrigen geltend gemachten Aufwendungen zog das FA als Werbungskosten ab; diese beinhalten EUR 250,-- für Telefonkosten (15 Telefonate an 15 Wochenenden von ... und ... aus). Die Beteiligten haben sich in der mündlichen Verhandlung darüber verständigt, dass während der Tätigkeit des Klägers auf See im Streitjahr tatsächlich EUR 250,-- an Kosten für Telefonate mit Angehörigen wie geltend gemacht entstanden sind.
Im Einspruchsverfahren stritten die Beteiligten um die Berücksichtigung der geltend gemachten Verpflegungsmehraufwendungen. Mit Bescheid vom ... wies das FA den Einspruch zurück; auf den Einspruchsbescheid wird Bezug genommen.
Auch im Klageverfahren stritten die Beteiligten zunächst um die Berücksichtigung der Verpflegungsmehraufwendungen. Nachdem sich die Verwaltungsauffassung bezüglich deren Abzugsfähigkeit geändert hatte, erließ das FA am ... einen geänderten Einkommensteuerbescheid. Darin erkannte es die Verpflegungsmehraufwendungen (nach Berichtigung eines Rechenfehlers: mit EUR 1....,..) als Werbungskosten an, kürzte diesen Betrag jedoch um die zuvor anerkannten Telefonkosten in Höhe von EUR 250,--. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 16. November 2005 (VI R 12/04, BStBl. II 2006, 267, BFHE 212, 64) und 19. Dezember 2005 (VI R 30/05, BStBl. II 2006, 378, BFHE 212, 218) unterhalte der Kläger als Soldat auf einem zur See fahrenden Schiff bei seinen Einsätzen auf See keine doppelte Haushaltsführung, sondern führe eine Fahrtätigkeit aus. Der BFH begründe dies damit, dass das Schiff keine regelmäßige Arbeitsstätte darstelle, weil unter diesem Begriff nur ortsfeste betriebliche Einrichtungen des Arbeitgebers verstanden würden. Die von dem Kläger begehrte und bisher nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 18. März 1988, VI R 90/84, BStBl. II 1988, 988, BFHE 153, 526) erfolgte Berücksichtigung von Telefonkosten anstelle von Familienheimfahrten für ein fünfzehnminütiges Gespräch pro Woche als Werbungskosten sei eine spezielle Regelung zur doppelten Haushaltsführung, da insoweit bereits aufgrund der doppelten Haushaltsführung von einer beruflichen Veranlassung dieser Aufwendungen auszugehen sei. Sie sei bei einer Fahrtätigkeit nicht anwendbar. Die Telefonkosten seien privat veranlasst.
Hierzu macht der Kläger geltend, er habe während der von ihm durchgeführten Dienstreisen auf See keine Zwischenheimfahrten durchführen können. Stattdessen habe er regelmäßig mit seiner Familie und Freundin telefoniert. Die hierdurch entstandenen Kosten seien auch während des Zeitraumes einer Dienstreise steuerlich abzugsfähig. Aus den Entscheidungen des BFH zur Abzugsfähigkeit von Telefonkosten anstelle von Familienheimfahrten lasse entnehmen, dass diese Rechtsprechung auch für Dienstreisen anwendbar sei. Dies treffe insbesondere bei Auslandseinsätzen von Soldaten zu. Aufgrund der Gefährdung und der weiten Entfernung sei ein regelmäßiger Kontakt zur Familie erforderlich. Da der Auslandseinsatz beruflich veranlasst sei, seien die telefonischen Kontaktaufnahmen zur Familie ebenfalls beruflich veranlasst. Eine andere Sichtweise sei nicht folgerichtig. Anlässlich einer Dienstreise seien sämtliche Zwischenheimfahrten nach Reisekostengrundsätzen steuerlich berücksichtigungsfähig. Es gelte somit ein erweiterter Werbungskostenabzug. Dagegen könnten bei der doppelten Haushaltsführung Werbungskosten nur eingeschränkt (wöchentlich eine Familienheimfahrt mit gesetzlichen Kilometersätzen) abgezogen werden.
Der Kläger beantragt,
weitere Werbungskosten bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 250 Euro zu berücksichtigen und die Einkommensteuer entsprechend herabzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält an seiner Auffassung fest. Die Telefonkosten seien Kosten der privaten Lebensführung im Sinne von § 12 Nr. 1 EStG. Eine dem Abzug von Telefonkosten anstelle einer Familienheimfahrt bei der doppelten Haushaltsführung vergleichbare Regelung für Telefonate mit Angehörigen anlässlich einer Fahrtätigkeit existiere nicht und sei auch nicht analog anzuwenden.
Wegen des weiteren Sachverhaltes und Vorbringens wird auf den Inhalt der Steuerakten und der gewechselten Schriftsätze sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Nachdem hinsichtlich der Verpflegungsmehraufwendungen zwischen den Beteiligten kein Streit mehr besteht, beschränkt sich die Entscheidung des Gerichts auf die Frage, ob die - der Höhe nach unstreitigen - Telefonkosten auch dann als Werbungskosten abzugsfähig sind, wenn die Tätigkeit des Klägers auf See nicht als doppelte Haushaltsführung, sondern als Fahrtätigkeit oder Dienstreise gewertet wird.
Werbungskosten sind gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Dies beinhaltet unter Einbeziehung der in § 4 Abs. 4 EStG enthaltenen Definition der Betriebsausgaben nach der ständigen Rechtsprechung des BFH alle Aufwendungen, die durch den Beruf veranlasst sind (Schmidt / Drenseck, Kommentar zum EStG, 28. Aufl. 2009, Rdz. 7 zu § 9 EStG mit weiteren Nachweisen - m.w.N.-, BFH, Urteil vom 28. November 1980, VI R 193/77, BStBl. II 1981, 368, BFHE 132, 431). Nach § 12 Nr. 1 EStG dürfen jedoch Aufwendungen für die Lebensführung, die die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt, nicht abgezogen werden, auch wenn sie zur Förderung des Berufs oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen.
Das Gericht folgt dem FA, dass der Kontakt, hier: die Telefonate mit Angehörigen und der Freundin, grundsätzlich dem Bereich der privaten Lebensführung zuzuordnen sind. Sind jedoch die Kosten derartiger Telefonate durch eine berufliche Auswärtstätigkeit - über eine Woche hinaus - veranlasst, sind diese Kosten beruflich veranlasst. Nach der in den Lohnsteuerrichtlinien (LStR) übernommenen Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 18. März 1988 a.a.O., ferner Urteil vom 8. November 1996, VI R 48/96, BFH/NV 1997, 472) sind Telefonkosten für ein wöchentliches - typisiert: fünfzehnminütiges - Telefonat anstelle einer durchgeführten Familienheimfahrt im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG als Werbungskosten abziehbar. Der BFH führt in seiner Entscheidung vom 18. März 1988 aus, der Gesetzgeber sehe (nur) eine wöchentliche Kontaktaufnahme zwischen dem auswärts beschäftigen Steuerpflichtigen und seiner Familie als beruflich veranlasst (und damit als notwendig) an. Der private Anlass der Telefonate wird mithin durch die beruflich bedingte Abwesenheit, die den persönlichen privaten Kontakt verhindert, überlagert. Dies gilt zur Überzeugung des Gerichts unabhängig davon, ob die berufliche Abwesenheit steuerlich als doppelte Haushaltsführung oder als Fahrtätigkeit oder Dienstreise aufgefasst wird. Diese Unterscheidung betrifft die Umstände der Tätigkeit am auswärtigen Einsatzort. Für den Steuerpflichtigen ist sie unerheblich. Seine längere Abwesenheit bedingt, dass er anstelle des persönlichen Kontakts telefoniert. Ist der Steuerpflichtige aus beruflichen Gründen - hier: Einsatz auf der Fregatte seines Arbeitgebers - mehr als eine Woche abwesend, ohne zwischendurch nach Hause zu fahren, sind die Kosten für ein wöchentliches Telefonat deshalb auch im Fall einer Fahrtätigkeit oder einer Dienstreise - ebenso wie bei einer doppelten Haushaltsführung - nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG als Werbungskosten abziehbar, denn die Abwesenheit und ihre eine Woche übersteigende Dauer sind nicht privat, sondern beruflich veranlasst. Kehrt der Steuerpflichtige bei einer Auswärtstätigkeit dagegen in kürzeren Zeitabständen nach Hause zurück, "drängt sich daher die Notwendigkeit der telefonischen Kontaktnahme nicht so auf wie bei doppelter Haushaltsführung. Mithin kommt eine Übertragung der vom BFH zu § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG entwickelten Grundsätze auf § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG ... dann nicht in Betracht." (vgl. Hessisches Finanzgericht, Urteil vom 4. Juli 1991, 13 K 13552/87, [...]Entscheidungsdienst).
Voraussetzung des Abzugs von Werbungskosten, mithin auch der Telefonkosten, ist, dass sie nachgewiesen werden. Im Streitfall besteht aufgrund der Darlegungen des Klägers bezüglich der Entstehung der Kosten und der Verständigung der Beteiligten über deren Höhe keine Veranlassung, an der Entstehung und Höhe der Kosten zu zweifeln. Das Gericht weist für ähnlich gelagerte Fälle darauf hin, dass die Entstehung und tatsächliche Höhe der Kosten - mindestens, soweit sie einen üblichen Nichtbeanstandungsbetrag (derzeit ca. EUR 102,--) übersteigen - nachzuweisen ist, zumal insbesondere auf See oft kein Netzempfang vorhanden sein kann.
Wegen der Berechnung der festgesetzten Einkommensteuer wird auf Probeberechnung des FA vom ... Bezug genommen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Finanzgerichtsordnung (FGO). Die Entscheidungen zur Vollstreckbarkeit folgen aus den §§ 151, 155 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung.