Sozialgericht Hannover
Urt. v. 04.07.2014, Az.: S 53 AY 75/13

Anspruch auf Gewährung von höheren Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG)

Bibliographie

Gericht
SG Hannover
Datum
04.07.2014
Aktenzeichen
S 53 AY 75/13
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2014, 24352
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:SGHANNO:2014:0704.S53AY75.13.0A

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von höheren Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) für den Zeitraum von August 2012 bis März 2013. Die aus Haiti stammende Klägerin reiste im März 2011 in das Bundesgebiet ein und bezieht von der Beklagten seit November 2011 Leistungen nach § 3 AsylbLG. Sie betreibt ein Asylverfahren und ist im Besitz einer Aufenthaltsgestattung. Sie ist einer in Unterkunft für Asylbewerber untergebracht. Die Kosten hierfür trägt die Beklagte. In dieser Unterkunft wird der Klägerin auch kostenfrei Strom zur Verfügung gestellt. Mit Bescheid vom 11.02.2013 berechnete die Beklagte den Leistungsanspruch der Kläger unter Hinweis auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts neu und gewährte monatliche Leistungen in Höhe von 317,88 EUR für die Monate August 2012 bis Dezember 2012 und in Höhe von 325,88 EUR für die Monate Januar und Februar 2013. In dem Bescheid heißt es unter anderem: "Da Sie in einer vom Sachgebiet "Stadterneuerung und Wohnen" zur Verfügung gestellten Unterkunft wohnen und in dieser Unterkunft bereits Strom durch Sachleistung erhalten, ist der hierfür in Ihrem Grundleistungen enthaltene Betrag von Ihrem Bedarf in Abzug zu bringen." Der Berechnungsbogen wies eine Kürzung der Leistungen in Höhe von 28,12 EUR aus. Mit Bescheid vom 08.03.2013 gewährte die Beklagte der Klägerin Leistungen nach § 3 AsylbLG in Höhe von 325,88 EUR für den Monat März 2013. Gegen die Bescheide vom 11.02.2013 und 08.03.2013 ließ die Klägerin am 12.03.2013 Widerspruch erheben. Der Abzug "Eigenanteil Strom RS 1" sei nicht nachvollziehbar. Die Widersprüche wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23.08.2013 als unbegründet zurück. Bei der Kürzung der Grundleistungen handele es sich um den sogenannten Gesamtenergiekostenanteil, da die Klägerin in einer Gemeinschaftsunterkunft untergebracht sei. In dem zu gewährenden Regelsatz sei ein Bedarf für Energie bereits enthalten. Da die Klägerin ihren Energiebedarf allerdings unmittelbar in der Gemeinschaftsunterkunft als Sachleistung erhalte, wäre sie gegenüber sonstigen Leistungsberechtigten, die in Privatwohnungen leben, bevorteilt. Gegen diese Entscheidung ließ die Klägerin am 30.09.2013 Klage erheben. Es sei nicht ersichtlich, wieso der Gesamtenergiekostenanteil bei 28,12 EUR liege.

Die Klägerin sinngemäß, die Beklagte unter Abänderung ihrer Bescheide vom 11.02.2013 und 08.03.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.08.2013 zu verurteilen, weitere Leistungen nach dem AsylbLG zu gewähren. Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Klägerin erhalte einen Regelbedarf der Regelbedarfsstufe 1 in Höhe von 346 EUR für 2012 bzw. in Höhe von 354 EUR für 2013. Zusätzlich sei die Klägerin in einer Gemeinschaftsunterkunft untergebracht, für die die Beklagte die Kosten übernehme. Die Beklagte stelle der Klägerin insoweit nicht nur Räumlichkeiten, sondern auch Möblierung und Ausstattung, Heizung und Warmwasser sowie Strom unentgeltlich als Sachleistung zur Verfügung. Wenn der Bedarf der Klägerin jedoch durch Sachleistungen gedeckt werde, dann sei der Beklagte zu einer Kürzung der insoweit nicht benötigten Barmittel berechtigt. Dies habe das BSG im anderem Zusammenhang bereits entschieden (BSG, Urt. v. 11.12.2007 - B 8/9b SO 21/06 R). Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bemessen sich die Regelbedarfe in entsprechender Anwendung der §§ 5-7 Regelbedarfsermittlungsgesetz nach den Verbrauchsausgaben für die Abteilungen 1 (Nahrungsmittel, alkoholfreie Getränke), 3 (Bekleidung und Schuhe), 4 (Wohnen, Energie und Wohnungsinstandhaltung) und 6 (Gesundheitspflege). In den Regelbedarfen seien unter Berücksichtigung der Einkommens- und Verbrauchstichprobe 2008 Kosten für Haushaltsenergie, hier in Form von Strom für Haushaltsgeräte und Kochenergie ohne Warmwasser und Heizung, enthalten. Die Bedarfe der Abteilung 4 (Wohnung, Energie und Wohnungsinstandhaltung) würden nach § 5 RBEG für 2011 mit 30,24 EUR veranschlagt und gliedern sich in folgende Bedarfsgruppen: Ausgaben für Instandhaltung und Schönheitsreparaturen -Material (Mieter), Ausgaben für Instandhaltung und Schönheitsreparaturen - Material (Eigentümer, Ausgaben für Instandhaltung und Schönheitsreparaturen - Handwerker (Mieter), Ausgaben für Instandhaltung und Schönheitsreparaturen - Handwerker (Eigentümer), Strom (auch Solarenergie) - Miethaushalte und Storm (auch Solarenergie) - Eigentümeraushalte. Keine dieser Bedarfe falle für die Klägerin an. Um Übrigen nehme man Bezug auf die Berechnung von Schwabe (ZfF 05/2011, Seite 99), der einen regelbedarfsrelevanten Anteil für Strom von 29,29 EUR errechnet. Auch dieser Wert liege unter dem hier in Abzug gebrachten Wert. Der hier in Abzug gebrachte Wert in Höhe von 28,12 EUR beruhe auf einer Vereinbarung der Bundesländer und sei in Niedersachsen durch entsprechende Erlasse des Ministeriums für Inneres und Sport vorgegeben. Die Beteiligten haben auf Nachfrage des Gerichts auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet. Zum weiteren Sach- und Streitstand wird auf den Verwaltungsvorgang des Beklagten und den Inhalt der Gerichtsakte ergänzend Bezug genommen. Diese waren Gegenstand der Entscheidungsfindung.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Das Gericht konnte hier im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 124 Abs. 2 SGG). Die Klägerin hat keinen Anspruch auf höhere Leistungen nach dem AsylbLG. Insbesondere ist die von ihr beanstandete Kürzung der Regelleistungen um einen Anteil für Strom in Höhe von monatlich 28,12 EUR nicht zu beanstanden. Das Gericht geht davon aus, dass die Beklagte grundsätzlich zur Herausrechnung des Stromanteils berechtigt ist. Zwar hat das Bundessozialgericht im Fall der sogenannten Inklusivmiete zur Kürzung der Regelleistungen nach dem SGB II bereits entschieden, dass eine Herausrechnung des Stromanteils aus den Regelbedarfen trotz Bedarfsdeckung über die Kosten der Unterkunft ausscheidet (dazu: BSG, Urt. v. 24.11.2011 - B 14 AS 151/10 R). Das BSG stützt diese Entscheidung jedoch maßgeblich auf das Regelungssystem des SGB II, wonach eine individuelle Bedarfsermittlung gesetzlich gerade nicht vorgesehen sei. Daraus kann für den vorliegenden Fall jedoch nicht zwingend geschlossen werden, dass es im AsylbLG einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung zur Vermeidung von Doppelleistungen vergleichbar dem § 27 a Abs. 4 Satz 1 SGB XII (bisher: § 28 Abs. 1 Satz 2 SGB XII) bedarf. Denn die derzeit geltende Rechtslage im AsylbLG aufgrund der Übergangsregelung des Bundesverfassungsgerichts begründet gerade keinen dem § 27 SGB XII i.V.m. der Anlage zu § 28 SGB XII vergleichbaren Anspruch auf einen bestimmten monatlichen Geldbetrag. Es obliegt vielmehr der Entscheidung des Leistungsträgers, wie er den Anspruch des Leistungsberechtigten auf ein menschenwürdiges Existenzminimum erfüllt und damit auch, ob er Leistungen als Geldbetrag oder auf sonstige Weise gewährt (BVerfG, Ent. v. 18.07.2012 - 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11, Rn. 109). Entscheidend nach der Regelungssystematik des AsylbLG ist damit alleine, dass das menschenwürdige Existenzminimum durch Geldleistungen oder auf sonstige Weise sichergestellt wird. Nur konsequent ist es dann, dass das Bundesverfassungsgericht in seiner Übergangsregelung selbst einzelne Abteilung aus dem Regelbedarfsermittlungsgesetz von der entsprechenden Anwendung im AsylbLG ausgenommen hat. Wenn jedoch bereits die hier zum Anwendung kommende Übergangsregelung von dem Prinzip der konkreten Bedarfsdeckung und nicht der pauschalierten Abgeltung ausgeht, dann ist ein Herausrechnen von ansonsten doppelt gewährten Bedarfen nicht zu beanstanden (dazu auch: Frerichs in: jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 3 AsylbLG, Rn. 144 f. m.w.N.; Hohm, GK-AsylbLG, 52. EL. § 3, Rn. 148 m.w.N.). Auch die Höhe der Kürzung verletzt die Klägerin nicht in subjektiven Rechten. Das Regelbedarfsermittlungsgesetz sieht in § 5 unter der Abteilung 4 (Wohnen, Energie und Wohnungsinstandhaltung) einen Betrag von 30,24 EUR für das Jahr 2011 und einen daraus folgenden Regelsatz in Höhe von 361,81 EUR vor. Dieser Betrag beruht auf einer Auswertung bzw. Hochrechnung der damaligen Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2008 (EVS 2008) und setzt sich wie folgt zusammen: Ausgaben für Instandhaltung und Schönheitsreparaturen Material (Mieter) = 0,99 EUR, Ausgaben für Instandhaltung und Schönheitsreparaturen Handwerker (Mieter) = 0,93 EUR, Strom (auch Solarenergie), Mieterhaushalte = 26,80 EUR und Strom (auch Solarenergie), Eigentümerhaushalte = 1,32 EUR (BT-Drucksache 17/3404, S. 55). Der dann tatsächlich aufgrund der Anlage 1 zu § 28 SGB XII festgelegte Regelsatz in Höhe von 364 EUR beruht auf einer insoweit anteiligen Berücksichtigung von Strom für Miethaushalte in Höhe von 26,96 EUR und Strom für Eigentümerhaushalte in Höhe von 1,33 EUR, mithin also in Höhe von insgesamt 28,29 EUR (dazu: Schwabe, ZfF 2011, Bl. 99 ff.). Damit liegt bereits der für das Jahr 2011 ermittelte Stromanteil unter dem hier in Abzug gebrachten Betrag. Für das Jahr 2012 ist der Regelsatz, und damit auch der Anteil der darin enthaltenen Stromkosten nach § 40 SGB XII i.V.m. mit der Verordnung zur Bestimmung des für die Fortschreibung der Regelbedarfsstufen nach § 28a des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch maßgeblichen Prozentsatzes sowie zur Ergänzung der Anlage zu § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch für das Jahr 2012 (Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung 2012 - RBSFV 2012), um die dort festgeschriebene Veränderungsrate des Mischindexes von 1,99 von Hundert gestiegen. Der berücksichtigte Bedarf für Strom betrug 2012 daher insgesamt 29,06 EUR (Schwabe, ZfF 2012, 1 ff.) Für das ebenfalls hier zu beurteilende Jahr 2013 erfolgte nach der RBSFV 2013 eine weitere Erhöhung der Regelbedarfsstufe 1 zum Vorjahr um 2,26 von Hundert, was einem Stromanteil von 29,69 EUR entspricht (Schwabe, ZfF 2013, 1 ff.). Festzustellen bleibt daher, dass für den hier zu beurteilenden Zeitraum noch nicht einmal der vollständige Stromkostenanteil in Abzug gebracht wurde. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.