Sozialgericht Hannover
Urt. v. 26.02.2014, Az.: S 53 AY 29/13

Rechtmäßigkeit der Gewährung von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) in Form von Wertgutscheinen; Zulässigkeit einer Fortsetzungsfeststellungsklage

Bibliographie

Gericht
SG Hannover
Datum
26.02.2014
Aktenzeichen
S 53 AY 29/13
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2014, 15960
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:SGHANNO:2014:0226.S53AY29.13.0A

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten im Rahmen der Fortsetzungsfeststellungsklage über die Rechtmäßigkeit der Gewährung von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) in Form von Wertgutscheinen. Der am E. geborene Kläger F. Staatsangehörigkeit bezog von der Beklagten in der Zeit von Oktober 2011 bis einschließlich Mai 2013 Leistungen nach § 3 AsylbLG in Form von Wertgutscheinen. Zusätzlich erhielt der Kläger Geldleistungen nach § 3 Abs.1 Satz 4 AsylbLG (sogn. Taschengeld). Seit dem 01.06.2013 werden Leistungen nach § 3 AsylbLG von der Beklagten ausschließlich in Form von Bargeld erbracht. Die Gewährung von Wertgutscheinen erfolgte durch die Beklagte zunächst auf der Grundlage eines Erlasses des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport vom 14.05.2007. Darin heißt es: "Aus gegebenen Anlass weise ich darauf hin, dass das in § 3 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) normierte Sachleistungsprinzip auch weiterhin zu beachten und umzusetzen ist. Die unmittelbare Sachleistungsgewährung ist und bleibt das vorrangige Leistungsprinzip dieses Gesetzes, um auch zukünftig sicher zu stellen, dass durch Art, Umfang und Form der Leistungsgewährung kein Anreiz geschaffen wird, aus wirtschaftlichen Gründen nach Deutschland zu kommen und Schlepperbanden der Nährboden entzogen wird. Das Argument der Wirtschaftlichkeit wurde dabei im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens dem Gesetzeszweck als nachrangig eingestuft. Hieran gilt es festzuhalten. Zur Sicherung des Lebensunterhalts der nach § 3 AsylbLG leistungsberechtigten Personen sieht das Gesetz vorrangig die Gewährung von Sachleistungen und einem ergänzenden Geldbetrag zur Deckung der persönlichen Bedürfnisse des täglichen Lebens vor. Das durch das Gesetz vorgegebene vorrangige Sachleistungsprinzip gilt auch für Leistungsberechtigte, die außerhalb von Aufnahmeeinrichtungen des Landes untergebracht sind. Soweit sich aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalls das Sachleistungsprinzip nicht umsetzten lässt, kann anstelle der vorrangig zu gewährenden Sachleistungen auf andere Leistungsformen zurückgegriffen werden, soweit dies nach den Umständen erforderlich ist. Andere Leistungsformen sind Wertgutscheine, andere vergleichbare unbare Abrechnungen oder Geldleistungen." Aufgrund eines Erlasses des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport vom 27.02.2013 gab die Beklagte sodann zum 01.06.2013 die bisherige Billigungspraxis auf. In dem Erlass heißt es u. a.: "Meine diesbezügliche mit Erlass vom 14.05.2007 - 14.22-12235-8.4.3- vertretene Rechtsauffassung zu Gewährung von Geldleistungen als ultima ratio gebe ich auf. Künftig bleibt es den Leistungsbehörden überlassen, ob eine Unterbringung außerhalb von Aufnahmeeinrichtungen im Sinne von § 44 AsylVfG im Rahmen des § 3 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 AsylbLG unter Berücksichtigung der jeweiligen örtlichen Gegebenheiten selbst zu bestimmen, ob die Leistungen zur Deckung des physischen Existenzminimums in Form von Wertgutscheinen, von anderen vergleichbar unbaren Abrechnungen oder von Geldleistungen gewährt werden." Am 26.02.2013 ließ der Kläger gegen den "aktuellen Leistungs- und Bewilligungsbescheid, mit dem sie ihm Leistungen nach dem AsylbLG lediglich in Form von Wertgutscheinen bewilligen" Widerspruch erheben. Zugleich wird beantragt, für die Zukunft die Auszahlung von Asylbewerberleistungen in Form von Wertgutscheinen zu unterlassen. So bestünde nach Ansicht des Klägers zwischen den in § 3 AsylbLG genannten Alternativleistungsformen kein Rangverhältnis derart, dass Wertgutscheine und unbare Hilfe Vorrang vor Geldleistungen hätten. Insoweit könne nicht darauf abgestellt werden, dass nach der Gesetzesformulierung die alternativen Leistungsformen in einer bestimmten Reihenfolge aufgezählt würden. So sei es sprachlich nicht möglich, mehrere Dinge zu benennen, ohne dies in irgendeiner Weise nacheinander und damit in einer bestimmten Reihenfolge zu tun. Auch ergäben sich aus den Materialien zur Gesetzgebung keinerlei Hinweise darauf, die die bisherige Gesetzesauslegung durch die Beklagte tragen könnten. Vielmehr sei es so gewesen, dass im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat 1997 eine zunächst vorgesehene Rangfolge der Leistungsgewährung gestrichen wurde. Schließlich sei es auch so, dass die Mehrzahl der Länder und Kreise AsylbLG-Leistungen als Geldleistungen erbringen. Jedenfalls müsse die Beklagte als Leistungsbehörde über die Frage der Art und Weise der Leistungsgewährung die an sich gleichgestellten Ersatzformen gegeneinander abwägen und dabei auch zu seinen Gunsten die Gründe für eine Umstellung auf Geldleistungen zumindest würdigen. So erschwere die Ausgabe von Wertgutscheinen die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben. Der Beklagte müsse sich an dieser Stelle Ermessensnichtgebrauch vorwerfen lassen. Schon allein aus diesem Grund sei die bisherige Leistungsbewilligung rechtswidrig. Zudem verletzte die Gewährung von Leistungen nach dem AsylbLG in Form von Wertgutscheinen die Menschenwürde. Es finde bei alltäglichen Einkäufen durch die Wertgutscheine eine Stigmatisierung statt. Auf Wochenmärkten mit frischer Ware sei ein Einkauf mit Wertgutscheinen faktisch nicht möglich. Gleiches gelte für Einkäufe auf Flohmärkten. Bei Einkäufen in Supermärkten sei für die Kassiererin bzw. den Kassierer und alle übrigen Kunden des Marktes in der Kassenschlange stets sofort erkennbar, dass hier ein Bezieher von Leistungen nach dem AsylbLG einkaufe. Dieses "Zwangsouting" stelle für die Sozialleistungsempfänger eine permanente Verletzung der Menschenwürde dar. Zudem werde gegen Datenschutzrecht verstoßen. In anderen Zusammenhang sei den Sozialleistungsträgern bereits untersagt worden, auf Überweisungsträgern die Zahlung von Sozialhilfe an Bedürftige mit dem Vermerk Sozialleistungen zu kennzeichnen (Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 13.6.1994 - 5 C 16.92). Ähnliches ergebe sich auch aus einer Entscheidung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 25.01.2012 - B 14 AS 65/11 R). Seine Situation stelle sich im Vergleich zu den oben genannten Urteilen noch als wesentlich schlechter dar. Denn hier sei es nicht der Leistungsträger, der Sozialdaten gezielt an Dritte offenbart. Vielmehr sei er selbst gezwungen sich immer wieder gegenüber einem nicht eingrenzbaren Adressatenkreis als Bezieher von Leistungen nach dem AsylbLG zu offenbaren. Zudem würden bei der Entscheidung über die Leistungsgewährung migrationspolitische Entscheidungskriterien herangezogen. Spätestens seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 18.7.2012 (Az: 1 BvL 10/10 und 1 BvL 2/11) müsse von einer Reduzierung des Ermessens auf Null ausgegangen werden. Insoweit habe das Bundesverfassungsgericht ausgeführt: "Die in Artikel 1 Abs. 1 GG garantierte Menschenwürde ist migrationspolitisch nicht zu relativieren." Der Gewährung von Wertgutscheinen statt Bargeld lägen ausschließlich migrationspolitische Erwägungen zugrunde. Dies ergebe sich aus den sogenannten Asylkompromiss 1992 - 1993, wonach die damaligen Regierungsparteien CDU/CSU und FDP betonten, dass überwiegend Sachleistungen oder Geldleistungen gewährt werden sollten und ansonsten die Barleistungen so niedrig sein sollten, das "damit eine gewisse Dispositionsfreiheit eingeräumt (wird) ohne dass aber die Höhe der Barbeträge einen ernsthaften Spielraum für zweckfremde Ausgaben wie z. B. Zahlungen an Schlepperorganisationen zulässt." Die Gewährung von Gutscheinen statt Bargeld, ohne dass es dabei auf ein konkretes Verhalten des Leistungsberechtigten ankäme, verletzte allerdings die Menschenwürde. Zudem sei es so, dass in der allgemeinen Sozialhilfe (§ 10 Abs. 3 SGB XII) der Vorrang von Geldleistungen vor Gutscheinen oder Sachleistungen ausdrücklich festgeschrieben sei. Auch könne man aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 18.07.2012 nicht auf die Zulässigkeit der Gewährung von Sachleistungen bzw. Gutscheinen schließen. Insoweit wiederhole des Bundesverfassungsgericht in dieser Entscheidung lediglich den schon im Rahmen des "Hartz-IV-Urteils" enthaltenen Satz "ob der Gesetzgeber das Existenzminimum durch Geld-, Sach-, oder Dienstleistungen sichert, bleibt grundsätzlich ihm überlassen." Vielmehr sei es so, dass das Existenzminimum durch die Gewährung von Gutscheinen nicht sichergestellt werde. So entscheide der Bedienstete an der Kasse nach Gutdünken, welche im Markt erhältlichen Waren auf Gutschein gekaufte werden dürften. Im Übrigen sei es auch nur sehr eingeschränkt möglich, Dritte um Besorgungen von Lebensmitteln zu bitten. Viele Stellen würden Gutscheinen von Seiten Dritter zurückweisen, selbst wenn eine entsprechende Vollmacht des Bedürftigen vorgelegt werde. Im laufenden Widerspruchsverfahren teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass das Wertgutscheinverfahren mit Ablauf des Monats Mai 2013 eingestellt werde. Den Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 22.04.2013 als unbegründet zurück. Der Kläger habe danach keinen Anspruch auf Gewährung von Barleistungen statt Wertgutscheinen. Leistungsberechtigte nach § 1 Abs. 1 AsylbLG unterlägen grundsätzlich dem Sachleistungsprinzip. Die Form der Leistungsgewährung richte sich dabei nach der Art der Unterbringung und erstrecke vorrangig auf zu erbringende Sachleistungen und Wertgutscheine, andere vergleichbare unbare Abrechnungen bis hin zu Geldleistungen. Zwischen diesen möglichen Leistungsformen bestehe daher eine Rangfolge, wonach zunächst direkte Sachleistungen (Bereitstellung von Nahrungsmitteln, Kleidung etc.), dann andere vergleichbare unbare Abrechnungen und zuletzt Geldleistungen in Betracht zu ziehen seien. Im Zuständigkeitsbereich des Beklagten habe man sich anstelle von den reinen Sachleistungen und der damit verbundenen unmittelbaren Bedarfsdeckung für die Gewährung von Wertgutscheinen als eine Art der Ersatzgewährung, die anstelle von Bargeld als Tauschmittel für Gegenstände der Bedarfsdeckung eingesetzt wird, mithin für eine geldwerte Leistung entschieden. Mit dieser Form der Bedarfsdeckung habe der Kläger zumindest ein gewisses Maß an Flexibilität. Gründe, die ein Abweichen dieser Form der Leistungsgewährung rechtfertigen würden, seien nicht ersichtlich. Mit der am 23.05.2013 erhobenen Klage begehrt der Kläger die Feststellung, dass die Gewährung von Leistungen nach dem AsylbLG in Form von Wertgutscheinen rechtswidrig sei. Ein qualifiziertes Feststellungsinteresse ergebe sich insoweit aus einem schwerwiegenden Grundrechtsverstoß. Die Leistungsgewährung stelle ein Verstoß gegen Artikel 3 Abs. 3 und Artikel 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) dar. Insoweit bestehe aufgrund des verfassungsrechtlich garantierten Anspruchs auf effektiven Rechtschutzes gemäß Artikel 19 Abs. 4 GG ein Feststellungsinteresse. Zudem bestehe auch Widerholungsgefahr. Zwar habe die Beklagte im Rahmen des Widerspruchsverfahrens mitgeteilt, dass die Leistungsgewährung in Form von Wertgutscheine ab dem 01.06.2013 abgeschafft werde. Allerdings bedeute der Erlass des Landes Niedersachsen vom 27.2.2013 nicht eine vollständige Abschaffung des Wertgutscheinverfahrens. Vielmehr behalte sich die Beklagte eine Rückkehr zum Wertgutscheinverfahren vor. Ein Feststellungsinteresse ergebe sich auch aus einem Rehabilitationsinteresse. Durch die Bewilligung eines Großteils der Leistungen nach dem AsylbLG in Form von Wertgutscheinen sei der Kläger in diskriminierender Weise beeinträchtigt worden. Eine Diskriminierung sei bei den täglichen Einkäufen gegeben. Zudem sei der Kläger durch die Wertgutscheinpraxis auf Wochenmärkten mit frischen Waren diskriminiert worden. Gleiches gelte für den Einkauf auf Flohmärkten. Das Zwangsouting an der Supermarktkasse stelle eine permanente Verletzung der Menschenwürde dar. Zudem sei er einer fortlaufenden Diskriminierung durch die Bediensteten an der Supermarktkasse ausgesetzt gewesen, da diese teilweise nach Gutdünken darüber entschieden, welche im Markt erhältlichen Waren auf Gutschein gekauft werden dürften und welche nicht. Viele Utensilien dürften nicht auf Gutscheine erworben werden. Hierdurch sei es etwa zu folgender entwürdigender diskriminierender Gegebenheit gekommen: "Es war ein Einkauf von Waren im Wert von 4,80 Euro mit einem 5,00 Euro Gutschein beabsichtigt und es wurde ein Utensil für 50 Cent an der Kasse beanstandet und aussortiert, dann wurde das Wechselgeld nicht mehr in voller Höhe ausgezahlt - denn maximal 10% des Warenwertes konnten als Wechselgeld herausgeben werden. Infolge dessen musste also ein erlaubter Ersatzartikel für mindestens 20 bis maximal 70 Cent ausgewählt werden, obwohl der Kläger für den Bedarf des Ersatzartikels keinen Bedarf hatte. Der Ablauf an der Kasse war gestört, Kunden wurden ungeduldig. Gegebenheiten wie diese sind das, was seitens der Antragsteller u. a. als erniedrigende Situation empfunden wurde und was zu einem erkennen für alle Umstehende als Flüchtling führte." Im Übrigen wiederholt der Kläger seinen Vortrag aus dem Widerspruchsverfahren.

Der Kläger beantragt,

festzustellen, dass die an ihn gewährten Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz in Form von Wertgutscheinen rechtswidrig waren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie nimmt Bezug auf die Begründung im Widerspruchsbescheid. Ein konkretes Feststellungsinteresse sei nicht vorgetragen. Vielmehr werde überwiegend aus einem Musterschriftsatz zitiert. Die Leistungsgewährung sei allerdings ohnehin nach der Rechtsprechung des LSG Niedersachsen im Eilverfahren rechtmäßig. Das Gericht hat die Beteiligten mit Schreiben vom 23.12.2013 zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört. Zum weiteren Sach- und Streitstand wird auf den Verwaltungsvorgang des Beklagten und den Inhalt der Gerichtsakte ergänzend Bezug genommen. Diese waren Gegenstand der Entscheidungsfindung.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist mangels Feststellungsinteresses bereits unzulässig. Gemäß § 105 SGG konnte das Gericht im vorliegenden Fall ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufgewiesen hat, der Sachverhalt geklärt ist und die Beteiligten vor Erlass ordnungsgemäß angehört wurden. Hat sich ein Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat (§ 131 Abs. 1 Satz 3 SGG). Diese Regelung gilt ausdrücklich für die Erledigung einer Anfechtungsklage, ist nach der Rechtsprechung des BSG jedoch entsprechend für die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (BSG, Urt. v. 18.05.11 - B 3 P 5/10 R) bzw. für die Anfechtungs- und Leistungsklage (etwa: BSG, Urt. v. 08.11.2011 - B 1 KR 19/10 R m.w.N.) anwendbar. Auch steht der Zulässigkeit einer Fortsetzungsfeststellungsklage nicht der Umstand entgegen, dass sich der Verwaltungsakt bereits vor der Erhebung der Klage erledigt hat (vgl. BSG, Urt. v. 28.08.2007 - B 7/7a AL 16/06 R m.w.N.).

Voraussetzung für die Zulässigkeit der Klage ist aber weiterhin, dass der Kläger ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit geltend machen kann. Ein solches Interesse kann rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Natur sein, solange es geeignet ist, die Rechtsposition des Klägers zu verbessern. In der Rechtsprechung sind folgende Fallgruppen anerkannt: Präjudizialität, Wiederholungsgefahr und Rehabilitationsinteresse bei schwerwiegendem Grundrechtseingriff. Die Klage wird auf die beiden letztgenannten Fallgruppen gestützt.

Der Kläger kann sich hier nicht mit Erfolg auf Wiederholungsgefahr berufen. Wiederholungsgefahr ist nur dann anzunehmen, wenn eine hinreichend bestimmte und sich konkret abzeichnende (konkrete) Gefahr besteht, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen eine gleichartige Entscheidung ergeht (BSG, Urt. v. 14.02.2013 - B 14 AS 195/11 R; BSG, Urt. v. 08.11.2011 - B 1 KR 19/10 R; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 131 RdNr 10 bis 10 f; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, Kap IV, RdNr 102). Nicht ausreichend ist, dass völlig ungewiss ist, ob in Zukunft noch einmal eine vergleichbare Sachlage eintritt (BSG, Urt. v. 28.01.1993 - 2 RU 8/92; Urt. v. 20.05.1992 - 14a/6 RKa 29/89). Nach Mitteilung der Beklagten ist das Wertgutscheinsystem seit dem 01.06.2013 abgeschafft. Eine hinreichend konkrete Wiederholungsgefahr vermag das Gericht daher nicht zu erkennen. Das Gericht hat keine Hinweise darauf, dass sich die Beklagte eine Rückkehr zum Wertgutscheinsystem vorbehalten hat. Ein solcher Vorbehalt ist weder im Widerspruchsverfahren noch im Klageverfahren von der Beklagten erklärt worden. Das Gericht hat auch ansonsten keine Anhaltspunkte dafür, dass auf absehbare Zeit eine Rückkehr zum Wertgutscheinsystem durch die Beklagte erfolgen könnte. Zwar lässt der Erlass des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport vom 27.02.2013 den Leistungsträgern die freie Wahl über die Gewährung der Leistungen in Form von Gutscheinen bzw. Barleistungen. Allerdings gaben aufgrund der geänderten Erlasslage in Niedersachsen nach Auskunft des Flüchtlingsrates Niedersachsen (www.nds-fluerat.org/projekte/solitausch-bargeld-statt-wertgutscheine) sämtliche Träger- mit Ausnahme des LK G. - die Vergabe von Wertgutscheinen zeitnahe auf. Diese Vorgehensweise spricht aus Sicht des Gerichts für ein nicht unerhebliches Eigeninteresse der Leistungsträger an der Abschaffung des (kostenaufwendigen) Wertgutscheinsystems. Dies wird überdies vor dem Hintergrund der bis dato geltenden Erlasslage (Erlass des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport v. 14.05.2007) noch einmal bestätigt. Der alte Erlass lässt insoweit vermuten, dass schon damals ein Interesse der Leistungsträger an der Gewährung von Sachleistungen bestand. Die Klage beschränkt sich hier auf bloße Mutmaßungen. Diese können eine Wiederholungsgefahr nach den oben genannten Vorgaben jedoch nicht begründen.

Auch hat der Kläger kein berechtigtes Interesse aufgrund einer schwerwiegenden Grundrechtsverletzung. Das Rehabilitationsinteresse ist betroffen bei Entscheidungen mit diskriminierender oder die Menschenwürde bzw. Persönlichkeitsrechte oder das Ansehen erheblich beeinträchtigender Wirkung, ggf. auch generell bei Verletzung von Grundrechten (BSG, Urt. v. 24.07.1996 - 7 KIAr 1/9 = BSGE 79, 71 [BSG 24.07.1996 - 7 KlAr 1/95]-80). Jedoch begründet nicht jeder (tiefgreifende) Eingriff in die oben genannten Grundrechte das Feststellungsinteresse. Dieses kann nur bestehen, wenn die begehrte Feststellung die Position des Klägers verbessern kann oder wenn Eingriffe dieser Art sich typischerweise so kurzfristig endgültig erledigen, dass sie ansonsten nicht gerichtlich in einem Hauptsacheverfahren zu überprüfen wären (zuletzt: BVerwG, Urt. v. 16.05.2013 - 8 C 20/12). Klassischerweise betrifft dies hoheitliche Maßnahmen der Gefahrenabwehr bzw. der Strafverfolgung, welche letztlich vor dem Hintergrund des Art. 19 Abs. 4 GG Anstoß für die Etablierung der Fallgruppe Rehabilitationsinteresse gegeben haben. Auch das Bundessozialgericht verlangt für die Annahme eines Rehabilitationsinteresses neben dem Grundrechtseingriff eine (fortbestehende) Rechtsbeeinträchtigung. So führt es aus: "In welcher Weise etwa in den angefochtenen Verwaltungsbescheiden ein diskriminierender Vorwurf zu sehen ist und der Kläger etwa dadurch derzeit noch in seinen Persönlichkeitsrechten objektiv beeinträchtigt ist (vgl BVerwGE 53, 134, 138), trägt der Kläger nicht vor" (BSG Urt. v. 07.05.1986 - 9a RVs 28/84). Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz werden in der Regel als fortlaufende Leistungen im Rahmen eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung gewährt. Die Leistungsgewährung im Rahmen von Sachleistungen stellt sich dabei nicht als eine punktuelle sich unmittelbar in rechtlicher Hinsicht erledigende hoheitliche Maßnahme dar. Vielmehr eröffnet die fortlaufende Leistungsgewährung nach typisierender Betrachtung die Möglichkeit einer gerichtlichen Überprüfung. Diese typisierende Betrachtung wir auch im konkreten Fall des Klägers bestätigt. Der Kläger bezog über längere Zeit Leistungen nach dem AsylbLG und hatte demnach hinreichend Gelegenheit zur Inanspruchnahme von Rechtschutz gegen die aus seiner Sicht rechtswidrige Bewilligungspraxis.

Damit kann hier ein Rechtsschutzinteresse nur bei Feststellung einer fortlaufenden Beschwer angenommen werden. Diese ist trotz ausdrücklichen Hinweises durch das Gericht von Klägerseite nicht dargelegt worden. Die Klage beschränkt sich auf die Darlegung von typischen mit dem Wertgutscheinsystem verbundenen Nachteilen (Wechselgeld, Zwangsouting, Beschränkung der Einkaufsmöglichkeiten). Das Gericht geht hier davon aus, dass diese Nachteile mit der Abschaffung des Wertgutscheinsystems und der Gewährung von Barleistungen entfallen sind.

Das Gericht sieht darüber hinaus auch keine Notwendigkeit ein Feststellungsinteresse über den Anwendungsbereich der Fallgruppe des Rehabilitationsinteresses hinaus zuzulassen. Insbesondere rechtfertigt die behauptete Grundrechtsverletzung in der Vergangenheit als solches auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes des effektiven Rechtschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) keine andere Sichtweise. Das Gericht bewegt sich hier im Rahmen der Vorgaben, wie sie sich aus der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ableiten lassen. So widerspricht des nicht dem Gebot des effektiven Rechtsschutzes, wenn die Rechtsschutzgewährung von einem vorhandenen und fortbestehenden Rechtsschutzinteresse abhängig gemacht wird (BVerfG, Beschl. v. 30.04.1997 - 2 BvR 817/90, 2 BvR 728/92, 2 BvR 802/95, 2 BvR 1065/95). Denn das Rechtschutzinteresse im Sinne einer Sachentscheidungsvoraussetzung ist ein allgemein anerkanntes Rechtsprinzip, das sich abgeleitet aus dem auch im Prozessrecht geltenden Gebot von Treu und Glauben (§ 242 BGB), dem Verbot des Missbrauchs prozessualer Rechte sowie dem auch für die Gerichte geltenden Grundsatz der Effizienz staatlichen Handelns (BVerfG, a.a.O.). Grundsätzlich ist ein Rechtsschutzinteresse daher nur dann zu bejahen, solange der Betroffene gegenwärtig beeinträchtigt ist und mit seinem Rechtsmittel ein konkretes praktisches Ziel erreichen kann. Art. 19 Abs. 4 GG gewährt kein Recht auf (gerichtliche) Auskunft über die Rechtslage.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.