Verwaltungsgericht Stade
Beschl. v. 10.12.2004, Az.: 6 B 1607/04

Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes; Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer Klage gegen einen Heranziehungsbescheid zu Abwasserbeiträgen; Beitragssatz für die Herstellung öffentlicher Abwasseranlagen

Bibliographie

Gericht
VG Stade
Datum
10.12.2004
Aktenzeichen
6 B 1607/04
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2004, 22806
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGSTADE:2004:1210.6B1607.04.0A

Verfahrensgegenstand

Abwasserbeitrag;
hier: Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO

Prozessführer

Firma A.

Prozessgegner

C.

Redaktioneller Leitsatz

Während der Abwasserbeitrag den angemessenen Ausgleich für den Vorteil darstellt, der dem Grundstückseigentümer für die Möglichkeit des Anschlusses an die zentrale Abwasseranlage erwächst, dient die Übernahme der Herstellungskosten durch den Erschließungsunternehmer dem Ausgleich des Vorteils, der dadurch erwächst, dass die Herstellung der Anlagenteile nach Maßgabe des Erschließungsvertrages überhaupt erst und zudem bereits zu einem früheren Zeitpunkt die Erschließung und infolgedessen die mit einer erheblichen Wertsteigerung verbundene Bebaubarkeit der Grundstücke ermöglicht.

In der Verwaltungsrechtssache
hat das Verwaltungsgericht Stade - 6. Kammer -
am 10. Dezember 2004
beschlossen:

Tenor:

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 3.526,21 EUR festgesetzt.

Gründe

1

Der Antrag hat keinen Erfolg.

2

Gemäß § 80 Abs. 5 VwGO kann das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der Klage gegen einen Heranziehungsbescheid anordnen, wenn das Interesse des Antragstellers an der Aussetzung der Vollziehung überwiegt. Dies ist in entsprechender Anwendung des § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO zum einen dann der Fall, wenn die Vollziehung für den Abgabenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte, und zum anderen dann, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Heranziehungsbescheides bestehen.

3

Die Vollziehung des angefochtenen Beitragsbescheids hätte für die Antragstellerin eine unbillige Härte nicht zur Folge. Als unbillige Härte im Sinne des § 80 Abs. 4 S. 3 VwGO gelten nicht die für den Betroffenen durch die Zahlungspflicht entstehenden finanziellen Nachteile, sondern nur solche Folgen der Vollziehung des Beitragsbescheides, die nicht oder nur schwer wieder gutzumachen sind (Vgl. Kopp/Schenke, Komm. z. VwGO, 13. Auflage § 80 RN. 116). Derartige besondere Härten sind im vorliegenden Fall von der Antragstellerin weder vorgetragen noch aus den Verwaltungsvorgängen ersichtlich.

4

An der Rechtmäßigkeit der Beitragsbescheide vom 25. Februar 2004 bestehen nach der im vorliegenden Eilrechtsschutzverfahren vorzunehmenden summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage ernstliche Zweifel nicht, sodass die Klage voraussichtlich keinen Erfolg haben wird.

5

Rechtsgrundlage für die Heranziehung der Antragstellerin zu Abwasserbeiträgen ist § 2 der Satzung über die Erhebung der Abgaben für die Abwasserbeseitigung (Schmutzwasser) vom 30. Oktober 2003 (Abwasserbeseitigungsabgabensatzung) (Amtsblatt für den Landkreis Rotenburg (Wümme) vom 30. November 2003, S. 281). Danach erhebt die Antragsgegnerin, soweit der Aufwand nicht auf andere Weise gedeckt wird, für die Herstellung, Anschaffung, Erweiterung, Verbesserung und Erneuerung der zentralen öffentlichen Abwasseranlagen Abwasserbeiträge zur Abgeltung der durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme gebotenen besonderen wirtschaftlichen Vorteile. Nach § 3 Abs. 1 a) Abwasserbeseitigungsabgabensatzung unterliegen Grundstücke, die an die zentrale öffentliche Abwasseranlage angeschlossen werden können und für die eine bauliche oder gewerbliche Nutzung festgesetzt ist, sobald sie bebaut oder gewerblich genutzt werden dürfen, der Beitragspflicht.

6

Die Beitragspflicht entsteht mit der betriebsfertigen Herstellung der zentralen öffentlichen Abwasseranlage vor dem Grundstück einschließlich der Fertigstellung des ersten Grundstücksanschlusses (§ 7 Abs. 1 Abwasserbeseitigungsabgabensatzung). Der Beitragssatz für die Herstellung der öffentlichen Abwasseranlagen beträgt bei der Einrichtung "Sittensen", zu deren Einzugsbereich die hier herangezogenen Grundstücke gehören, 2,77 EUR/qm.

7

Im vorliegenden Fall war die zentrale öffentliche Abwasseranlage zum Zeitpunkt der Heranziehungsbescheide vor den Grundstücken mit den Flurstücksbezeichnungen 18/7; 18/9 und 18/10 der Flur 4, Gemarkung A., betriebsfertig hergestellt.

8

Die Antragstellerin kann ihrer Heranziehung durch die Antragsgegnerin nicht mit Erfolg den städtebaulichen Vertrag mit der Gemeinde A. vom 11. Juni 2002 entgegenhalten. Insbesondere geht der Einwand der Antragstellerin fehl, der Abwasserbeitrag dürfe deshalb nicht erhoben werden, weil der Aufwand auf andere Weise nämlich durch Leistungen der Antragstellerin gedeckt sei.

9

Mit der Einschränkung des auf andere Weise gedeckten Aufwands nimmt § 2 Abs. 1 der Abwasserbeseitigungsabgabensatzung die Regelung in § 6 Abs. 5 Satz 3 NKAG auf, wobei bei der Ermittlung des Beitrages ein dem besonderen Vorteil der Allgemeinheit oder der Gebietskörperschaft entsprechender Teil des Aufwandes außer Ansatz bleibt, wenn die Einrichtungen erfahrungsgemäß auch von der Allgemeinheit oder von der Gemeinde selbst in Anspruch genommen werden. Ferner ist der Aufwand gemeint, der durch Zuschüsse Dritter abgedeckt ist (vgl. § 6 Abs. 5 Satz 4 NKAG).

10

Die Antragstellerin kann weiter nicht erfolgreich gegen die Beitragspflicht einwenden, die Heranziehung zu Abwasserbeiträgen führe unter Berücksichtigung des städtebaulichen Vertrages mit der Gemeinde A. vom 11. Juni 2002 zu einer Doppelbelastung, die unbillig sei. Auch wenn bei Abschluss des mit der Gemeinde A. geschlossenen Erschließungsvertrages das in § 124 Abs. 1 Satz 1 BauGB geregelte so genannte Angemessenheitsgebot zu beachten war, bleibt für den hier vorliegenden Streitfall festzuhalten, dass für die Baugrundstücke im Bereich der "Schulstraße" mit der betriebsfertigen Herstellung der zentralen öffentlichen Abwasseranlage vor den Grundstücken kraft Gesetzes nach Maßgabe der einschlägigen landes- und ortsrechtlichen Vorschriften eine am Abwasserbeitragspflicht entsteht und dass die Samtgemeinde zur Erhebung der entsprechenden Beiträge verpflichtet ist, und zwar auch in den Fällen, in denen - wie hier - die Herstellungskosten nach dem Erschließungsvertrag vom Erschließungsträger allein zu tragen sind (Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 6. Aufl., § 6 Rn. 47 § 6 Rn. 47; Klausing in Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Loseblatt, Stand 27. Erg.Lfg. Sept. 2002, Rn. 1070 zu § 8; VG Schleswig, Urteil vom 19. August 2003 - 9 A 254/00 - zitiert nach juris). An der kraft Gesetzes nach Maßgabe der Abwasserbeseitigungsabgabensatzung der Antragsgegnerin begründeten Beitragspflicht ändert sich auch dann nichts, wenn man wie die Antragstellerin den Erschließungsvertrag für nichtig hält. Die Antragsgegnerin kann die von ihr geltend gemachte unangemessene Doppelbelastung nicht erfolgreich gegen die satzungsrechtlich entstandene Beitragspflicht einwenden, sondern allenfalls im Rahmen der Angemessenheitsprüfung des Erschließungsvertrages, der jedoch vorliegend nicht Streitgegenstand ist.

11

Bei der grundsätzlich rechtlich zulässigen Konstellation, für die der Antragstellerin übertragenen Herstellung von Teilen der Abwasserbeseitigungsanlage die Übernahme der gesamten Herstellungskosten durch sie zu vereinbaren und gleichzeitig die Pflicht zur Zahlung der Abwasserbeiträge nach Maßgabe des anzuwendenden Satzungsrechts in den Vertrag mit einzubeziehen (Driehaus, a.a.O., § 6 Rn. 47; Klausing, a.a.O., Rn. 1070 zu § 8), bleibt zu beachten, dass die Übernahme der Herstellungskosten und die Beitragspflicht dabei grundsätzlich verschiedene Bereiche betreffen. Während der Abwasserbeitrag nämlich den angemessenen Ausgleich für den Vorteil darstellt, der dem Grundstückseigentümer für die Möglichkeit des Anschlusses an die zentrale Abwasseranlage erwächst, dient die Übernahme der Herstellungskosten durch den Erschließungsunternehmer dem Ausgleich des Vorteils, der der Antragstellerin dadurch erwächst, dass die Herstellung der Anlagenteile nach Maßgabe des Erschließungsvertrages ihr überhaupt erst und zudem bereits zu einem früheren Zeitpunkt die Erschließung und infolgedessen die mit einer erheblichen Wertsteigerung verbundene Bebaubarkeit der Grundstücke ermöglicht (vgl. VG Schleswig, Urteil vom 19. August 2003 - 9 A 254/00 - zitiert nach juris).

12

Zu einer Überschneidung der beiden grundsätzlich getrennt zu beurteilenden Bereiche und damit zu einer Doppelbelastung des Erschließungsunternehmers kann es lediglich in den Fällen kommen, in denen die Erweiterung der Anlage innerhalb eines bereits bestehenden, aber noch nicht vollständig verwirklichten Abwasserbeseitigungskonzeptes der Gemeinde erfolgt, das der bisherigen Beitragskalkulation zu Grunde liegt (VG Schleswig, Urteil vom 19. August 2003 - 9 A 254/00 - zitiert nach juris).

13

Abgesehen davon, dass die Antragstellerin insoweit nicht dargetan hat, dass der Anschluss der hier fraglichen Baugrundstücke nach dem bestehenden Abwasserbeseitigungskonzept vorgesehen war, kann der Gesichtspunkt der Doppelbelastung im Rahmen der Angemessenheitsprüfung allein dem Erschließungsvertrag entgegengehalten werden.

14

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Streitwertbeschluss:

Der Streitwert wird auf 3.526,21 EUR festgesetzt.

Die Streitwertfestsetzung erfolgt gemäß §§ 53 Abs. 3, 52 Abs. 3 GKG, wobei die Kammer 1/4 des Streitwertes der Hauptsache (14.104,84 : 4 = 3.526,21 EUR).

Gärtner
Wermes
Reccius